L 1 KR 78/16

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 2 KR 59/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 78/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens auch in der Berufungsinstanz. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In Streit steht die Vergütung einer psychiatrischen Krankenhausbehandlung im Zeitraum 11. September 2008 bis 13. März 2009.

Die bei der Beklagten zum Behandlungsbeginn 24jährige Versicherte wurde am 11. September 2008 wegen einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung (Borderline-Persönlichkeitsstörung) mit Sucht-, gestörtem Essverhalten sowie selbstverletzendem Verhalten zur stationären Behandlung aufgenommen. Nach Entlassung der Versicherten am 13. März 2009 stellte die Klägerin für die stationäre Behandlung insgesamt 35.770,60 EUR in Rechnung, die die Beklagte nach Vorliegen der § 301-Daten zunächst auch vollständig bezahlte. Zur Überprüfung der Notwendigkeit der stationären Behandlung schaltete die Beklagte allerdings den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein, der in seinem Gutachten vom 13. Mai 2010 zu dem Ergebnis kam, dass die stationäre Behandlung der Versicherten ab 13. Februar 2009 nicht mehr erforderlich gewesen sei. Daraufhin verrechnete die Beklagte am 7. Juli 2010 einen Betrag in Höhe von 4.757,74 EUR mit anderen unstrittigen Forderungen der Klägerin. Nach einem entsprechenden Widerspruch der Klägerin bestätigte der MDK mit Gutachten vom 15. März 2012 seine bisherige Einschätzung.

Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 11. November 2013 Klage erhoben, mit dem Ziel die restliche Vergütung in Höhe von 4.757,74 EUR von der Beklagten zu erhalten, da die Versicherte über den gesamten Zeitraum hinweg einer stationären beziehungszentrierten psychodynamischen Psychotherapie bedurft habe. Die Versicherte habe destruktive Verhaltensmuster gezeigt und an einer hochgradig gestörten Selbst- und Objektwahrnehmung gelitten. Zwar seien die Symptome ab 13. Februar 2009 relativ stabil gewesen, dies sei jedoch Voraussetzung für die durchgeführte Therapie gewesen, die sehr anstrengend sei und zwangsläufig zu einer hohen Belastung führe, was wiederum auch zu einer vorübergehenden Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes führen könne.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Der medizinische Sachverständige Dr. F. ist in seinem Gutachten vom 13. November 2013 mit ergänzender Stellungnahme vom 10. April 2014 zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Verkürzung des Behandlungszeitraumes nicht in Betracht komme. Das erforderliche Durchlaufen eines so genannten therapeutischen Behandlungsbogens sei im Falle der Versicherten bis zum Ende des stationären Aufenthaltes erfolgt und auch mit relativ viel Aufwand von Seiten der Therapeuten in einem Ineinandergreifen der einzelnen Therapiemodule vorwärts getrieben worden. Während des gesamten Zeitraumes sei die Versicherte leitliniengemäß und unter Berücksichtigung der Grundsätze stationärer Psychotherapie durch ihren mehrmonatigen Aufenthalt geführt worden und habe anscheinend in erheblicher Weise davon profitiert. Aufgrund der Häufigkeit und Dauer der so genannten Belastungsurlaube (TEV) sei jedoch eine Therapieform genutzt worden, die eher einer teilstationären Behandlung entsprochen habe.

Daraufhin hat die Beklagte geltend gemacht, dass sie für den bislang nicht streitigen Zeitraum vom 11. September 2011 bis 12.Februar 2012 bereits eine stationäre Behandlung vergütet habe und ihr demnach noch ein zusätzlicher Erstattungsanspruch zustehe, da die Klägerin wegen der durchgängigen Tagesbeurlaubungen nach dem medizinischen Sachverständigengutachten in diesem Zeitraum tatsächlich nur eine tagesklinische Leistung erbracht habe. Sie hat daher mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2013 Widerklage mit dem Antrag erhoben, die Klägerin zur Zahlung von 13.544,85 EUR zuzüglich 5% Zinsen hierauf ab Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Die Klägerin hat sich gegen diese Widerklage gewendet und darauf verwiesen, dass die Therapie parallel zur stationären Behandlung durch therapeutische Expositionen ins soziale Außenfeld, die keine "Beurlaubungen" darstellten, geprägt gewesen sei. Es sei von großer Wichtigkeit, dass die auf der Station erreichten therapeutischen Erfolge und Veränderungen nicht nur im zwangsläufig etwas künstlichen Schutzraum der Station intensiv ausprobiert und eingeübt würden, sondern parallel auch im sozialen Lebensraum zu erproben seien. Etwaige auftretende Probleme, Widerstände, Konflikte, Krisen und Rückfälle in dysfunktionale Verhaltens- und Beziehungsmuster würden anschließend mit intensivem Personalaufwand im multimodalen Behandlungsteam vor- und nachbearbeitet und gegebenenfalls aufgefangen. Damit die Therapie wirksam und nachhaltig sei, müsse sie sich an dem orientieren, was "draußen" im sozialen Leben noch nicht funktioniere. Diese Aufgabe hätte aber tagesklinisch nicht bewältigt werden können, da die destruktiven Verhaltensmuster in der Vergangenheit immer abends oder nachts stattgefunden hätten und folglich abends und nachts das stationäre Setting notwendig gewesen sei. Damit ein Transfer der erreichten Therapiefortschritte nach draußen gelingen konnte, sei eine "geschützte Einübungsphase" mit einem dosierten Mix aus außerklinischen sozialen Aktivitäten und vollstationären Elementen notwendig gewesen.

Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 14. Juli 2016 stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entstehe – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Der aus § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) resultierenden Behandlungspflicht des Krankenhauses stehe ein Vergütungsanspruch gegenüber. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entstehe die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt werde und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich sei. Vorliegend habe die vollstationäre Krankenhausbehandlung in einem zugelassenen Krankenhaus stattgefunden und sei auch aus medizinischen Gründen in vollem Umfang erforderlich gewesen. Damit habe die Beklagte die klägerischen Rechnungen zu Recht bezahlt und ihr stehe kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, mit dem sie wirksam habe aufrechnen können bzw. den sie im Rahmen der Widerklage zusätzlich habe beanspruchen können. In seiner Entscheidung vom 13. November 2012 (vgl. B 1 KR 27/11 R) habe das BSG nochmals betont, dass das Regelungssystem des SGB V Ansprüche auf eine erforderliche Krankenhausbehandlung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes nach objektiven Kriterien begründe. Dies bedeute, dass die Krankenhausbehandlung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müsse und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfe. Nur unter diesen Voraussetzungen schulde die Krankenkasse dem Versicherten eine Krankenhausbehandlung und dem Leistungserbringer korrespondierend die vereinbarte Vergütung. Über die Erforderlichkeit der Behandlung habe allein die Krankenkasse und im Streitfall das Gericht zu entscheiden, ohne dass diese an die Einschätzung des Krankenhauses oder seiner Ärzte gebunden seien. Nach Würdigung der MDK-Gutachten wie auch des Gutachtens des gerichtlich bestellten Sachverständigen vom 13. November 2013 sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die stationäre Krankenhausbehandlung im streitigen Zeitraum vom 11. September 2008 bis 13. März 2009 im Sinne von §§ 27 Abs. 1, 39 Abs. 1 SGB V erforderlich gewesen und durchgeführt und damit zu Recht von der Beklagten beglichen worden sei. Die Kammer folge den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen soweit er feststelle, dass vorliegend auf Grund der psychischen Erkrankungen grundsätzlich eine stationäre Behandlung indiziert und dass die Dauer der Therapie dem Krankheits- und Heilungsverlauf angemessen gewesen sei. Insoweit sei das Gutachten überzeugend und nachvollziehbar. So führe der medizinische Sachverständige aus, dass die psychotherapeutische Behandlung in einem therapeutischen Bogen erfolge, der aus einer Einführungs- und Gewöhnungsphase, einer Konfliktphase und abschließend aus einer Integrations- und Abschiedsphase bestehe. Eine leitliniengerechte Behandlung sei bei einer willkürlichen Verkürzung um vier Wochen, wie vom MDK vorgeschlagen, nicht mehr gegeben. Die Kammer folge allerdings nicht der Einschätzung des gerichtlich bestellten medizinischen Sachverständigen, soweit dieser davon ausgehe, dass auf Grund der nahezu täglichen Tagesbeurlaubungen ab 8.00 Uhr, 10.00 Uhr, 12.00 oder 15.00 Uhr bis 20.30 bzw. 23.00 Uhr über den gesamten Behandlungszeitraum hinweg von keiner stationären Behandlung mehr ausgegangen werden könne. Nach seiner Auffassung sei die stationäre Psychotherapie gekennzeichnet von einer Herausnahme des Patienten aus dem persönlichen Lebensumfeld und einer Integration in die therapeutische Gemeinschaft, auf die sich der Betroffene im Ganzen verlassen solle und die passager sein möglichst weitgehend selbstbestimmtes Lebensumfeld werden solle. Dieser Effekt könne nicht mehr erzielt werden, wenn der Patient täglich und von Anfang an in Belastungsurlaube, die halbe Tage und mehr umfassten, geschickt werde. Die anhaltende Anwesenheit in der Klinik und damit der Kontakt mit Mitpatienten und dem therapeutischen Team seien damit nicht erfüllt. Im Unterschied zu einer tagesklinischen Behandlung habe die Versicherte nur in der Klinik geschlafen, was die stattgehabte Behandlung nicht zu einer stationären Behandlung qualifiziere. Dieser Schlussfolgerung könne sich die Kammer jedoch nicht anschließen, da, was der medizinische Sachverständige selbst eingeräumt habe, die Versicherte grundsätzlich werktags im Tagesverlauf eine therapeutische Behandlung erhalten und zusätzlich in der klägerischen Klinik übernachtet habe und auch in den Morgenstunden bis zum Beginn der Therapien bzw. bis zur Gewährung von therapeutischen Expositionen und samstags, sonn- und feiertags in das soziale Gefüge der Station eingegliedert gewesen sei. Damit habe die Versicherte deutlich mehr an therapeutischer Betreuung und Behandlung erhalten als im Rahmen einer tagesklinischen Behandlung, die im Allgemeinen werktags zwischen 9.00 und 17.00 stattfinde und samstags, sonn- und feiertags keine Leistungen zur Verfügung stelle. Eine Durchsicht aller "Beurlaubungen" habe auch ergeben, dass die Versicherte grundsätzlich werktags erst ab 15.00 Uhr und damit nach Abschluss der angebotenen Therapien die Klinik verlassen habe und der Versicherten nur samstags, sonn- und feiertags teilweise bereits ab 10.00 Uhr bzw. 12.00 Uhr entsprechende therapeutische Expositionen ins soziale Außenfeld gewährt worden seien, wobei zu berücksichtigen sei, dass sich die Versicherte insgesamt auch 60 Tage ohne jeglichen Ausgang in der stationären Behandlung befunden habe. Damit sei die Versicherte durchgängig jeden Tag unter medizinischer Beobachtung und Betreuung gewesen, so dass sich das Betreuungsteam jeweils auch sofort nach Rückkehr der Versicherten in die Klinik vom gesundheitlichen Zustand der Versicherten habe ein Bild machen und die notwendige Behandlungs- oder Betreuungsschritte einleiten können. Den Pflegeunterlagen seien auch entsprechende laufende Eintragungen abends, nachts und morgens zu entnehmen. Für die Kammer sei es auch nachvollziehbar, dass es therapeutisch sinnvoll sei, die Patientin regelmäßig mit der sozialen Außenwelt zu konfrontieren, um die Behandlung an die jeweils auftretenden Probleme anzupassen. Damit ziele die stattgehabte stationäre Behandlung nicht auf eine vollständige Abschirmung der Patientin von der Außenwelt und Fokussierung auf das therapeutische Team und die Mitpatienten ab, so wie es der medizinische Sachverständige als notwendig erachte, sondern sei gekennzeichnet von einer regelmäßigen stundenweisen "Entlassung" in das soziale Umfeld allerdings mit täglicher Rückkehr in das stationäre Setting. Die Kammer sei insoweit zu der Auffassung gelangt, dass hier trotz der regelmäßigen stundenweisen "Entlassung" der Versicherten aus der unmittelbaren stationären Betreuung insgesamt gesehen trotzdem mit den Mitteln der stationären Therapie gearbeitet worden sei, da deutlich mehr als tagesklinische Leistungen erbracht, und nur ein anderer, aber ebenfalls qualifizierter therapeutischer – stationärer - Ansatz verfolgt worden sei, der letztlich unstreitig auch zu einem Behandlungserfolg geführt habe. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass auch der medizinische Sachverständige in seinem Gutachten zu dem Ergebnis komme, dass die Versicherte eine hoch qualifizierte und auch gelungene Therapie durchlaufen habe.

Die Beklagte hat gegen dieses ihr am 12. August 2016 zugestellte Urteil am 24. August 2016 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, dass sich das Sozialgericht nicht ausreichend mit der Ansicht des Sachverständigen auseinandergesetzt habe, dass durch die Anzahl und Dauer der TEV´s die erfolgte Behandlung letztlich nur als teilstationär anzusehen sei. Dafür reiche ein Verweis auf die reine Anwesenheitszeit in der Klinik nicht aus, weil dies nur ein quantitativer, jedoch kein qualitativer Maßstab sei. Den Behandlungsunterlagen lasse sich weder ein entsprechender Therapieplan entnehmen, noch sei sonst ersichtlich oder dokumentiert, dass die extrem häufigen und fast täglichen Abwesenheiten der Versicherten zu einem Konzept gehört und leitliniengerecht vorbereitet und nachträglich besprochen worden seien. Der Sache nach sei eine teilstationäre Behandlung erfolgt. Durch die Vielzahl der TEV´s habe man sich der intensiven therapeutischen Beziehungsarbeit beraubt, die das stationäre Setting ermögliche. Dabei sei insbesondere beachtlich, dass die TEV´s schon von Beginn der Behandlung an gewährt worden seien. Insgesamt widerspreche das Behandlungsvorgehen den in der medizinischen Literatur zu entnehmenden Ausführungen, die teilweise von der Ärztin der Klägerin selbst, Frau Dr. R., verfasst worden seien. Es sei nicht erklärbar, wieso sowohl zu Beginn als auch im weiteren Behandlungsverlauf immer wieder derart viele und lang andauernde TEV´s gewährt worden seien. Die Behandlung sei als nicht leitlinienkonform anzusehen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Juli 2016 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Klägerin zur Zahlung von 13.544,85 EUR zuzüglich 5% Zinsen hierauf ab Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In einer vom Gericht angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 27. November 2016 wird von dem Sachverständigen Dr. F. bei der vom Sozialgericht vorgenommenen quantitativen Betrachtung dessen Entscheidung als vertretbar angesehen. Bei dem von ihm bevorzugten quantitativen Ansatz werde die Annahme einer stationären Behandlung eher kritisch gesehen; dies sei jedoch letztlich eine juristische Entscheidung.

In dem vom Gericht am 9. Februar 2017 durchgeführten Erörterungstermin hat die Ärztin der Klägerin Dr. R. den Einsatz der TEV´s und deren Dokumentation weiter erläutert. Es wird auf das Protokoll des Termins Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Krankenakte der Klägerin und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die hier streitige Behandlung stellt sich für den gesamten erfolgten Zeitraum als eine vollstationäre Behandlung dar und war entsprechend von der Beklagten zu vergüten. Das Gericht verweist nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des Sozialgerichts.

Aus dem Berufungsvortrag sowie aus den im Berufungsverfahren erlangten Erkenntnissen ergibt sich keine hiervon abweichende Sichtweise.

Dabei muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass auch nach der Einschätzung von Dr. F. bei der Versicherten für den gesamten streitigen Zeitraum die Indikation für eine vollstationäre Behandlung gegeben war. In diesem Zusammenhang hat Dr. F. in seinem Gutachten auch ausdrücklich festgestellt, dass das erforderliche Durchlaufen eines so genannten therapeutischen Behandlungsbogens im Falle der Versicherten bis zum Ende des stationären Aufenthaltes erfolgt und auch mit relativ viel Aufwand von Seiten der Therapeuten in einem Ineinandergreifen der einzelnen Therapiemodule vorwärts getrieben worden ist. Während des gesamten Zeitraumes sei die Versicherte leitliniengemäß und unter Berücksichtigung der Grundsätze stationärer Psychotherapie durch ihren mehrmonatigen Aufenthalt geführt worden und habe anscheinend in erheblicher Weise davon profitiert.

Weiterhin sind bei der vorliegenden Erkrankung TEV´s unstreitig ein anerkanntes therapeutisches Mittel im Rahmen einer stationären Behandlung.

Damit geht es vorliegend um die Frage, ob die Anzahl und Dauer des Einsatzes eines anerkannten Therapiemittels – der TEV – aus einer erforderlichen und im Übrigen auch fachgerecht und erfolgreich durchgeführten stationären Behandlung eine teilstationäre Behandlung machen kann. Dabei handelt es sich um eine juristische und keine medizinische Frage, worauf auch der Gutachter Dr. F. zutreffend hingewiesen hat.

Diese Frage hat das Sozialgericht in Bezug auf den vorliegenden Fall zutreffend verneint. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass die Versicherte die Nächte jeweils auf der Station verbracht hat. Gerade dies ist für einen stationären Aufenthalt charakteristisch und führt mit den tagsüber erfolgenden therapeutischen Maßnahmen dazu, dass der Patient seinen Lebensmittelpunkt in die Klinik verlagert. So wird insgesamt ein Behandlungssetting erreicht, was sich deutlich von dem einer teilstationären Behandlung unterscheidet (vgl. dazu bereits Urteil des Senats vom 22.05.2014 – L 1 KR 15/13). Der Einsatz der TEV´s hängt von der jeweiligen Behandlungssituation ab und ist daher in Ausmaß und Dauer sehr individuell. Dabei muss das schwierige Gleichgewicht gefunden werden zwischen der für die Behandlung nötigen Einbindung in die stationären Strukturen und der Gewährung von "Freiheit", um zum einen die Patientin durch die Behandlung nicht zu hospitalisieren und zum anderen Raum zur Erprobung des Erlernten und dem Gewinnen neuer Eindrücke zu geben. Die Ärztin der Klägerin, Frau Dr. R., konnte im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter in Ergänzung zu dem schriftlichen Vortrag für das Gericht gut nachvollziehbar erläutern, warum im Falle der Versicherten auch gleich zu Beginn der Behandlung TEV´s sinnvoll waren, um dieser einen Raum zu geben, sich von dem Druck entlasten zu können, den die stationäre Behandlung krankheitsbedingt zunächst bei ihr auslöste. Im weiteren Verlauf der Behandlung dienten die TEV´s dann zunehmend dem Ausprobieren und Anwenden des Erlernten. Genau dies scheint auch die Beklagte auf Seite 3 ihres Schriftsatzes vom 8. März 2017 zu erkennen. Warum dieses Konzept widersprüchlich sein und kein Raum mehr für eine leitliniengerechte Behandlung gelassen haben soll, ist für das Gericht nicht verständlich und lässt sich auch mit den Aussagen von Dr. F. nicht in Einklang bringen. Das Gepräge eines stationären Aufenthaltes ist dabei nach Ansicht des Senates durchgehend erhalten geblieben.

Soweit sich die Beklagte schließlich auf Aussagen in der Literatur (auch solchen von Frau Dr. R.) zur Behandlung der hier vorliegenden Erkrankung bezieht, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Aussagen sich nie auf die konkret zu beurteilende Behandlungssituation beziehen und hierfür auch keine durchschlagende Aussagekraft haben können. Vielmehr verbleibt es auch bei Berücksichtigung dieser Aussagen dabei, dass TEV´s ein anerkanntes Behandlungsmittel sind und ihr Einsatz individuell geplant werden muss, ohne dabei auf eine teilstationäre Konzeption zurückgehen zu müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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