Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 92/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 213/17 B ER, L 9 SO 314/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
Gründe:
I. Die Antragsteller begehrt die Weitergewährung von Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII.
Mit Bescheid vom 08.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2017 sind die Leistungen abgelehnt worden. Zwischenzeitlich war die Antragsgegnerin im Verfahren S 19 AS 1550/16 ER des hiesigen Gerichts zu vorläufigen Leistungen bis Ende Februar 2017 verpflichtet worden.
Die Antragstellerin beantragt,
nebst Gewährung von Prozesskostenhilfe, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin ab März 2017 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII zu gewähren und die Antragstellerin in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie verweist insbesondere auf die zum 29.12.2016 mit § 23 Abs. 3 SGB XII geänderte Rechtslage.
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte des Verwaltungsverfahrens.
II. Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG - Kommentar, 8. Auflage, § 86 b Rdnrn. 27 und 29 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05).
Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40).
Hiervon ausgehend hat die Antragstellerin bereits einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Dem Anspruch des Antragstellers auf Weitergewährung laufender Leistungen nach dem SGB XII ab dem 01.02.2017 steht die seit dem 29.12.2016 gültige Vorschrift des § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII entgegen.
Gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 SGB XII unberührt. Im Übrigen kann Sozialhilfe gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Einschränkungen nach Satz 1 gelten gemäß § 23 Abs. 1 S. 4 SGB XII nicht für Ausländer, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitels sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten. Rechtsvorschriften, nach denen außer den in Satz 1 genannten Leistungen auch sonstige Sozialhilfe zu leisten ist oder geleistet werden soll, bleiben gemäß § 23 Abs. 1 S. 5 SGB XII unberührt. Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG erhalten gemäß § 23 Abs. 2 SGB XII keine Leistungen der Sozialhilfe. Ausländer und ihre Familienangehörigen erhalten gemäß § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII keine Leistungen nach Absatz 1 oder nach dem Vierten Kapitel, wenn sie weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (Nr. 1), sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (Nr. 2), sie ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Nummer 2 aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist, ableiten (Nr. 3) oder sie eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen (Nr. 4). Satz 1 Nummer 1 und 4 gilt gemäß § 23 Abs. 3 S. 2 SGB XII nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Hilfebedürftigen Ausländern, die Satz 1 unterfallen, werden gemäß § 23 Abs. 3 S. 3 SGB XII bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen nach Satz 3. Hierüber und über die Möglichkeit der Leistungen nach Absatz 3a sind die Leistungsberechtigten gemäß § 23 Abs. 3 S. 4 SGB XII zu unterrichten. Die Überbrückungsleistungen umfassen gemäß § 23 Abs. 3 S. 5 SGB XII Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege (Nr. 1), Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe, einschließlich der Bedarfe nach § 35 Absatz 4 und § 30 Absatz 7 (Nr. 2), die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen (Nr. 3) und Leistungen nach § 50 Nummer 1 bis 3 (Nr. 4). Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden gemäß § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII Leistungsberechtigten nach Satz 3 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von Absatz 1 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist. Abweichend von Satz 1 Nummer 2 und 3 erhalten Ausländer und ihre Familienangehörigen gemäß § 23 Abs. 3 S. 7 SGB XII Leistungen nach Absatz 1 Satz 1 und 2, wenn sie sich seit mindestens fünf Jahren ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 7 beginnt gemäß § 23 Abs. 3 S. 8 SGB XII mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden gemäß § 23 Abs. 3 S. 9 SGB XII auf Zeiten des tatsächlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Ausländerrechtliche Bestimmungen bleiben gemäß § 23 Abs. 3 S. 10 SGB XII unberührt. Neben den Überbrückungsleistungen werden gemäß § 23 Abs. 3a S. 1 SGB XII auf Antrag auch die angemessenen Kosten der Rückreise übernommen. Satz 1 gilt gemäß § 23 Abs. 3a S. 2 SGB XII entsprechend, soweit die Personen allein durch die angemessenen Kosten der Rückreise die in Absatz 3 Satz 5 Nummer 1 und 2 genannten Bedarfe nicht aus eigenen Mitteln oder mit Hilfe Dritter decken können. Die Leistung ist gemäß § 23 Abs. 3a S. 3 SGB XII als Darlehen zu erbringen. Ausländer, denen Sozialhilfe geleistet wird, sind gemäß § 23 Abs.4 SGB XII auf für sie zutreffende Rückführungs- und Weiterwanderungsprogramme hinzuweisen; in geeigneten Fällen ist auf eine Inanspruchnahme solcher Programme hinzuwirken. Hält sich ein Ausländer entgegen einer räumlichen Beschränkung im Bundesgebiet auf oder wählt er seinen Wohnsitz entgegen einer Wohnsitzauflage oder einer Wohnsitzregelung nach § 12a des Aufenthaltsgesetzes im Bundesgebiet, darf der für den Aufenthaltsort örtlich zuständige Träger gemäß § 23 Abs. 5 S. 1 SGB XII nur die nach den Umständen des Einzelfalls gebotene Leistung erbringen. Unabweisbar geboten ist gemäß § 23 Abs. 5 S. 2 SGB XII regelmäßig nur eine Reisebeihilfe zur Deckung des Bedarfs für die Reise zu dem Wohnort, an dem ein Ausländer seinen Wohnsitz zu nehmen hat. In den Fällen des § 12a Absatz 1 und 4 des Aufenthaltsgesetzes ist gemäß § 23 Abs. 5 S. 3 SGB XII regelmäßig eine Reisebeihilfe zu dem Ort im Bundesgebiet zu gewähren, an dem der Ausländer die Wohnsitznahme begehrt und an dem seine Wohnsitznahme zulässig ist. Der örtlich zuständige Träger am Aufenthaltsort informiert gemäß § 23 Abs. 5 S. 4 SGB XII den bislang örtlich zuständigen Träger darüber, ob Leistungen nach Satz 1 bewilligt worden sind. Die Sätze 1 und 2 gelten gemäß § 23 Abs. 5 S. 5 SGB XII auch für Ausländer, die eine räumlich nicht beschränkte Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 23a, 24 Absatz 1 oder § 25 Absatz 4 oder 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, wenn sie sich außerhalb des Landes aufhalten, in dem der Aufenthaltstitel erstmals erteilt worden ist. Satz 5 findet gemäß § 23 Abs. 5 S. 6 SGB XII keine Anwendung, wenn der Wechsel in ein anderes Land zur Wahrnehmung der Rechte zum Schutz der Ehe und Familie nach Artikel 6 des Grundgesetzes oder aus vergleichbar wichtigen Gründen gerechtfertigt ist.
Die Antragstellerin hat kein Aufenthaltsrecht aufgrund ihres Verlöbnisses mit einem deutschen Staatsbürger. Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind gemäß § 2 Abs.1 FreizügigkeitsG/EU zwar Familienangehörige unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4. Darunter fallen neben Verwandten gerader Linie jedoch nur Ehegatten bzw. Lebenspartner. Das bloße Verlöbnis genügt nicht. Familienangehörige sind nach § 3 FreizügigkeitsG/EU nur 1. der Ehegatte, der Lebenspartner und die Verwandten in gerader absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, die noch nicht 21 Jahre alt sind, 2. die Verwandten in gerader aufsteigender und in gerader absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, denen diese Personen oder ihre Ehegatten oder Lebenspartner Unterhalt gewähren. Nicht erwerbstätige Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, haben gemäß § 4 S.1 FreizügigskeitsG/EU im Übrigen nur das Recht nach § 2 Abs. 1, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Letzteres ist hier gerade nicht der Fall, indem die Antragstellerin existenzsichernde Leistungen nebst Krankenversicherungsschutz vom hiesigen Staat begehrt.
Die Antragstellerin, die vorträgt eine Erwerbstätigkeit aufnehmen zu wollen, verfügt lediglich über ein Aufenthaltsrecht, dass sich aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sodass sie gemäß § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII vom Bezug laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausgeschlossen ist. Gemäß § 2 Abs. 1 FreizügG haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nach Maßgabe des FreizügG/EU ein Recht zur Einreise und zum Aufenthalt. Die Antragstellerin geht derzeit einer Tätigkeit als Arbeitnehmer, Auszubildender oder einer selbstständigen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 FreizügG/EU nicht nach. Die Antragstellerin war auch nicht für mehr als ein Jahr als Arbeitnehmer oder Selbstständiger in der BRD tätig, sodass sich kein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 3 FreizügG/EU ergibt.
Der in § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII normierter Leistungsausschluss ist europarechtskonform. Der EuGH hat in der Rechtssache E vom 11.11.2014 (Az.: C 333/13) und in der Rechtssache B vom 15.09.2015 (Az.: C 67/14) die grundsätzliche Möglichkeit von Leistungsausschlüssen durch den nationalen Gesetzgeber für "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" im Sinne des Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004 EG bestätigt. In der Rechtssache B hat der EuGH insoweit betont, dass Unionsbürger anderer EU-Staaten, die nach Deutschland eingereist sind, um Arbeit zu suchen, vom deutschen Gesetzgeber von ALG II oder Sozialgeld ausgeschlossen werden können. Selbst wenn diese Leistungen als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne des Art. 70 VO 883/2004/EG eingeordnet werden. Denn beim ALG II und beim Sozialgeld handele es sich um Leistungen der Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG. Danach haben die Aufnahmestaaten jedoch keine Verpflichtung zur Gleichbehandlung ihrer Staatsangehörigen und solcher anderer EU-Mitgliedstaaten im Hinblick auf einen Anspruch auf Sozialhilfe, wenn Letztere nicht Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder ihnen dieser Status erhalten geblieben ist bzw. Familienangehörige dieser sind (vgl. zum Vorstehenden auch BSG, Urteil vom 03.12.2015, Az.: B 4 AS 44/15 R). Handelt es sich aber bei den Leistungen nach dem SGB II in Form des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes um Leistungen der Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG, so gilt dies ebenfalls für die Leistungen nach dem SGB XII, sodass Zweifel an der Europarechtskonformität der Vorschrift nicht bestehen. Insbesondere ist vor dem Hintergrund der Ausführungen des EuGH in der Rechtssache B nicht ersichtlich, dass ein Leistungsausschluss die rechtskräftige Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts und bestehende Ausreisepflicht erfordert.
Die Kammer vermag sich auch nicht davon zu überzeugen, dass die Vorschrift des § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII gegen das Grundgesetz, insbesondere gegen Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 1 GG verstößt. Zwar ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 1 und 20 GG ein Anspruch auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Das Bundesverfassungsgericht weist aber auch darauf hin, dass der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde verpflichtet ist, die materiellen Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zur Verfügung zu stellen, wenn der Betreffende die Gewährleistung des Existenzminimums weder aus seiner Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012, Az.: 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11). Der Anspruch auf staatliche Zuwendungen entsteht mithin dann, wenn alle Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft sind (vgl. auch SG Dortmund, Beschluss vom 23.11.2015, Az.: S 30 AS 3827/15 ER). Die Kammer geht davon aus, dass eine derartige Selbsthilfemöglichkeit darin auch in der Rückreise in das Heimatland bestehen kann mit der Folge, dass der Antragsteller dort die Möglichkeit hat, seinen Lebensunterhalt durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder Sozialleistungsbezug sicherzustellen. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Rückreise nicht möglich wäre oder dass der Antragsteller in seinem Heimatland keine Sozialhilfe beziehen könnte.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012. Gegenstand der Entscheidung war die Frage der Leistungshöhe der Leistungen nach dem AsylbLG im Vergleich zu den Leistungen nach dem SGB II und SGB XII. Das Urteil enthält dagegen keine Aussagen darüber, inwiefern es dem Gesetzgeber möglich ist, Personen ohne Aufenthaltsrecht Sozialleistungen zu verwehren oder Personen mit einem bestimmten, näher definierten Aufenthaltsrecht vom Bezug von Sozialleistungen auszuschließen (vgl. hierzu auch SG Dortmund, Beschluss vom 31.01.2017, Az.: S 62 SO 628/16 ER).
Die Antragstellerin hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass ein Anspruch unter Härtefallgesichtspunkten gemäß § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII besteht. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Härtefalles lassen sich weder dem Vortrag der Antragstellerin noch dem gesamten Akteninhalt entnehmen. Insbesondere genügt es nicht, dass die Antragstellerin mitteilt, mit einem deutschen Staatsbürger verlobt zu sein und die Absicht bestehe, zu heiraten. Hier ist die Annahme einer Härte nicht begründet, da es sich nicht um einen Dauerzustand handelt und die Antragstellerin und ihr Verlobter jederzeit heiraten können.
Soweit § 23 Abs. 3 SGB XII die Gewährung von Überbrückungsleistungen für den Zeitraum von einem Monat vorsieht, waren diese nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die Antragstellerin beantragt ab März 2017 die Gewährung von laufenden Leistungen nach dem SGB XII. Die Überbrückungsleistungen stellen demgegenüber ein aliud dar und sind nicht in einem Antrag auf Gewährung laufender Leistungen als minus eingeschlossen (vgl. hierzu SG Dortmund, a.a.O.). Ohne eine ausdrückliche Erklärung der Antragstellerin sind sie nicht Gegenstand eines auf die Gewährung laufender Leistungen gerichteten gerichtlichen Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Da der Antrag aus den oben genannten Gründen keinen Erfolgt hat, besteht auch kein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Gründe:
I. Die Antragsteller begehrt die Weitergewährung von Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII.
Mit Bescheid vom 08.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2017 sind die Leistungen abgelehnt worden. Zwischenzeitlich war die Antragsgegnerin im Verfahren S 19 AS 1550/16 ER des hiesigen Gerichts zu vorläufigen Leistungen bis Ende Februar 2017 verpflichtet worden.
Die Antragstellerin beantragt,
nebst Gewährung von Prozesskostenhilfe, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin ab März 2017 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII zu gewähren und die Antragstellerin in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie verweist insbesondere auf die zum 29.12.2016 mit § 23 Abs. 3 SGB XII geänderte Rechtslage.
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte des Verwaltungsverfahrens.
II. Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG - Kommentar, 8. Auflage, § 86 b Rdnrn. 27 und 29 m. w. N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05).
Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. Meyer-Ladewig, a. a. O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40).
Hiervon ausgehend hat die Antragstellerin bereits einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Dem Anspruch des Antragstellers auf Weitergewährung laufender Leistungen nach dem SGB XII ab dem 01.02.2017 steht die seit dem 29.12.2016 gültige Vorschrift des § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII entgegen.
Gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 SGB XII unberührt. Im Übrigen kann Sozialhilfe gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Einschränkungen nach Satz 1 gelten gemäß § 23 Abs. 1 S. 4 SGB XII nicht für Ausländer, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitels sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten. Rechtsvorschriften, nach denen außer den in Satz 1 genannten Leistungen auch sonstige Sozialhilfe zu leisten ist oder geleistet werden soll, bleiben gemäß § 23 Abs. 1 S. 5 SGB XII unberührt. Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG erhalten gemäß § 23 Abs. 2 SGB XII keine Leistungen der Sozialhilfe. Ausländer und ihre Familienangehörigen erhalten gemäß § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII keine Leistungen nach Absatz 1 oder nach dem Vierten Kapitel, wenn sie weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (Nr. 1), sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (Nr. 2), sie ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Nummer 2 aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist, ableiten (Nr. 3) oder sie eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen (Nr. 4). Satz 1 Nummer 1 und 4 gilt gemäß § 23 Abs. 3 S. 2 SGB XII nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Hilfebedürftigen Ausländern, die Satz 1 unterfallen, werden gemäß § 23 Abs. 3 S. 3 SGB XII bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen nach Satz 3. Hierüber und über die Möglichkeit der Leistungen nach Absatz 3a sind die Leistungsberechtigten gemäß § 23 Abs. 3 S. 4 SGB XII zu unterrichten. Die Überbrückungsleistungen umfassen gemäß § 23 Abs. 3 S. 5 SGB XII Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege (Nr. 1), Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe, einschließlich der Bedarfe nach § 35 Absatz 4 und § 30 Absatz 7 (Nr. 2), die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen (Nr. 3) und Leistungen nach § 50 Nummer 1 bis 3 (Nr. 4). Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden gemäß § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII Leistungsberechtigten nach Satz 3 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von Absatz 1 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist. Abweichend von Satz 1 Nummer 2 und 3 erhalten Ausländer und ihre Familienangehörigen gemäß § 23 Abs. 3 S. 7 SGB XII Leistungen nach Absatz 1 Satz 1 und 2, wenn sie sich seit mindestens fünf Jahren ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 7 beginnt gemäß § 23 Abs. 3 S. 8 SGB XII mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden gemäß § 23 Abs. 3 S. 9 SGB XII auf Zeiten des tatsächlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Ausländerrechtliche Bestimmungen bleiben gemäß § 23 Abs. 3 S. 10 SGB XII unberührt. Neben den Überbrückungsleistungen werden gemäß § 23 Abs. 3a S. 1 SGB XII auf Antrag auch die angemessenen Kosten der Rückreise übernommen. Satz 1 gilt gemäß § 23 Abs. 3a S. 2 SGB XII entsprechend, soweit die Personen allein durch die angemessenen Kosten der Rückreise die in Absatz 3 Satz 5 Nummer 1 und 2 genannten Bedarfe nicht aus eigenen Mitteln oder mit Hilfe Dritter decken können. Die Leistung ist gemäß § 23 Abs. 3a S. 3 SGB XII als Darlehen zu erbringen. Ausländer, denen Sozialhilfe geleistet wird, sind gemäß § 23 Abs.4 SGB XII auf für sie zutreffende Rückführungs- und Weiterwanderungsprogramme hinzuweisen; in geeigneten Fällen ist auf eine Inanspruchnahme solcher Programme hinzuwirken. Hält sich ein Ausländer entgegen einer räumlichen Beschränkung im Bundesgebiet auf oder wählt er seinen Wohnsitz entgegen einer Wohnsitzauflage oder einer Wohnsitzregelung nach § 12a des Aufenthaltsgesetzes im Bundesgebiet, darf der für den Aufenthaltsort örtlich zuständige Träger gemäß § 23 Abs. 5 S. 1 SGB XII nur die nach den Umständen des Einzelfalls gebotene Leistung erbringen. Unabweisbar geboten ist gemäß § 23 Abs. 5 S. 2 SGB XII regelmäßig nur eine Reisebeihilfe zur Deckung des Bedarfs für die Reise zu dem Wohnort, an dem ein Ausländer seinen Wohnsitz zu nehmen hat. In den Fällen des § 12a Absatz 1 und 4 des Aufenthaltsgesetzes ist gemäß § 23 Abs. 5 S. 3 SGB XII regelmäßig eine Reisebeihilfe zu dem Ort im Bundesgebiet zu gewähren, an dem der Ausländer die Wohnsitznahme begehrt und an dem seine Wohnsitznahme zulässig ist. Der örtlich zuständige Träger am Aufenthaltsort informiert gemäß § 23 Abs. 5 S. 4 SGB XII den bislang örtlich zuständigen Träger darüber, ob Leistungen nach Satz 1 bewilligt worden sind. Die Sätze 1 und 2 gelten gemäß § 23 Abs. 5 S. 5 SGB XII auch für Ausländer, die eine räumlich nicht beschränkte Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 23a, 24 Absatz 1 oder § 25 Absatz 4 oder 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, wenn sie sich außerhalb des Landes aufhalten, in dem der Aufenthaltstitel erstmals erteilt worden ist. Satz 5 findet gemäß § 23 Abs. 5 S. 6 SGB XII keine Anwendung, wenn der Wechsel in ein anderes Land zur Wahrnehmung der Rechte zum Schutz der Ehe und Familie nach Artikel 6 des Grundgesetzes oder aus vergleichbar wichtigen Gründen gerechtfertigt ist.
Die Antragstellerin hat kein Aufenthaltsrecht aufgrund ihres Verlöbnisses mit einem deutschen Staatsbürger. Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind gemäß § 2 Abs.1 FreizügigkeitsG/EU zwar Familienangehörige unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4. Darunter fallen neben Verwandten gerader Linie jedoch nur Ehegatten bzw. Lebenspartner. Das bloße Verlöbnis genügt nicht. Familienangehörige sind nach § 3 FreizügigkeitsG/EU nur 1. der Ehegatte, der Lebenspartner und die Verwandten in gerader absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, die noch nicht 21 Jahre alt sind, 2. die Verwandten in gerader aufsteigender und in gerader absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, denen diese Personen oder ihre Ehegatten oder Lebenspartner Unterhalt gewähren. Nicht erwerbstätige Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, haben gemäß § 4 S.1 FreizügigskeitsG/EU im Übrigen nur das Recht nach § 2 Abs. 1, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Letzteres ist hier gerade nicht der Fall, indem die Antragstellerin existenzsichernde Leistungen nebst Krankenversicherungsschutz vom hiesigen Staat begehrt.
Die Antragstellerin, die vorträgt eine Erwerbstätigkeit aufnehmen zu wollen, verfügt lediglich über ein Aufenthaltsrecht, dass sich aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sodass sie gemäß § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII vom Bezug laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausgeschlossen ist. Gemäß § 2 Abs. 1 FreizügG haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nach Maßgabe des FreizügG/EU ein Recht zur Einreise und zum Aufenthalt. Die Antragstellerin geht derzeit einer Tätigkeit als Arbeitnehmer, Auszubildender oder einer selbstständigen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 FreizügG/EU nicht nach. Die Antragstellerin war auch nicht für mehr als ein Jahr als Arbeitnehmer oder Selbstständiger in der BRD tätig, sodass sich kein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 3 FreizügG/EU ergibt.
Der in § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII normierter Leistungsausschluss ist europarechtskonform. Der EuGH hat in der Rechtssache E vom 11.11.2014 (Az.: C 333/13) und in der Rechtssache B vom 15.09.2015 (Az.: C 67/14) die grundsätzliche Möglichkeit von Leistungsausschlüssen durch den nationalen Gesetzgeber für "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" im Sinne des Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004 EG bestätigt. In der Rechtssache B hat der EuGH insoweit betont, dass Unionsbürger anderer EU-Staaten, die nach Deutschland eingereist sind, um Arbeit zu suchen, vom deutschen Gesetzgeber von ALG II oder Sozialgeld ausgeschlossen werden können. Selbst wenn diese Leistungen als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne des Art. 70 VO 883/2004/EG eingeordnet werden. Denn beim ALG II und beim Sozialgeld handele es sich um Leistungen der Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG. Danach haben die Aufnahmestaaten jedoch keine Verpflichtung zur Gleichbehandlung ihrer Staatsangehörigen und solcher anderer EU-Mitgliedstaaten im Hinblick auf einen Anspruch auf Sozialhilfe, wenn Letztere nicht Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder ihnen dieser Status erhalten geblieben ist bzw. Familienangehörige dieser sind (vgl. zum Vorstehenden auch BSG, Urteil vom 03.12.2015, Az.: B 4 AS 44/15 R). Handelt es sich aber bei den Leistungen nach dem SGB II in Form des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes um Leistungen der Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG, so gilt dies ebenfalls für die Leistungen nach dem SGB XII, sodass Zweifel an der Europarechtskonformität der Vorschrift nicht bestehen. Insbesondere ist vor dem Hintergrund der Ausführungen des EuGH in der Rechtssache B nicht ersichtlich, dass ein Leistungsausschluss die rechtskräftige Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts und bestehende Ausreisepflicht erfordert.
Die Kammer vermag sich auch nicht davon zu überzeugen, dass die Vorschrift des § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII gegen das Grundgesetz, insbesondere gegen Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 1 GG verstößt. Zwar ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 1 und 20 GG ein Anspruch auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Das Bundesverfassungsgericht weist aber auch darauf hin, dass der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde verpflichtet ist, die materiellen Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zur Verfügung zu stellen, wenn der Betreffende die Gewährleistung des Existenzminimums weder aus seiner Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012, Az.: 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11). Der Anspruch auf staatliche Zuwendungen entsteht mithin dann, wenn alle Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft sind (vgl. auch SG Dortmund, Beschluss vom 23.11.2015, Az.: S 30 AS 3827/15 ER). Die Kammer geht davon aus, dass eine derartige Selbsthilfemöglichkeit darin auch in der Rückreise in das Heimatland bestehen kann mit der Folge, dass der Antragsteller dort die Möglichkeit hat, seinen Lebensunterhalt durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder Sozialleistungsbezug sicherzustellen. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Rückreise nicht möglich wäre oder dass der Antragsteller in seinem Heimatland keine Sozialhilfe beziehen könnte.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012. Gegenstand der Entscheidung war die Frage der Leistungshöhe der Leistungen nach dem AsylbLG im Vergleich zu den Leistungen nach dem SGB II und SGB XII. Das Urteil enthält dagegen keine Aussagen darüber, inwiefern es dem Gesetzgeber möglich ist, Personen ohne Aufenthaltsrecht Sozialleistungen zu verwehren oder Personen mit einem bestimmten, näher definierten Aufenthaltsrecht vom Bezug von Sozialleistungen auszuschließen (vgl. hierzu auch SG Dortmund, Beschluss vom 31.01.2017, Az.: S 62 SO 628/16 ER).
Die Antragstellerin hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass ein Anspruch unter Härtefallgesichtspunkten gemäß § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII besteht. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Härtefalles lassen sich weder dem Vortrag der Antragstellerin noch dem gesamten Akteninhalt entnehmen. Insbesondere genügt es nicht, dass die Antragstellerin mitteilt, mit einem deutschen Staatsbürger verlobt zu sein und die Absicht bestehe, zu heiraten. Hier ist die Annahme einer Härte nicht begründet, da es sich nicht um einen Dauerzustand handelt und die Antragstellerin und ihr Verlobter jederzeit heiraten können.
Soweit § 23 Abs. 3 SGB XII die Gewährung von Überbrückungsleistungen für den Zeitraum von einem Monat vorsieht, waren diese nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die Antragstellerin beantragt ab März 2017 die Gewährung von laufenden Leistungen nach dem SGB XII. Die Überbrückungsleistungen stellen demgegenüber ein aliud dar und sind nicht in einem Antrag auf Gewährung laufender Leistungen als minus eingeschlossen (vgl. hierzu SG Dortmund, a.a.O.). Ohne eine ausdrückliche Erklärung der Antragstellerin sind sie nicht Gegenstand eines auf die Gewährung laufender Leistungen gerichteten gerichtlichen Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Da der Antrag aus den oben genannten Gründen keinen Erfolgt hat, besteht auch kein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts.
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