L 6 KR 727/14

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 5 KR 2963/13
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 727/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 28. April 2014 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung aus einer bulgarischen Rente zu zahlen hat.

Der 1937 geborene Kläger ist als Rentner pflichtversichertes Mitglied der Beklagten zu 1. und bei der Beklagten zu 2. pflegeversichert. Er bezieht neben der Altersrente von der eine Rente des bulgarischen Rentenversicherungsträgers in Höhe von 11,27 EUR monatlich.

Mit Bescheid vom 24. Februar 2012 teilte ihm die Beklagte zu 1. mit, ab dem 1. Juli 2011 seien die Einkünfte aus der bulgarischen Rente in voller Höhe beitragspflichtig. Der Beitrag zur Krankenversicherung betrage 0,92 EUR (Beitragssatz 8,2 %), zur Pflegeversicherung 0,22 EUR (Beitragssatz 1,95 %), insgesamt 1,14 EUR monatlich. Für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis 30. Juni 2012 betrage er 13,68 EUR. Hinsichtlich der Beiträge zur Pflegeversicherung ergehe der Bescheid zugleich im Namen der Beklagten zu 2.

Der Kläger hatte sich zuvor mit E-Mail vom 6. Januar 2012 an das Bundesministerium für Gesundheit gewandt und vorgetragen, es bestehe insoweit eine Gesetzeslücke, als eine Rege-lung für die Datenerhebung, Datenübermittlung und Ermittlung der Beitragshöhe aus der "ausländischen Rente" für die Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner fehle. Dem Ge-setzentwurf zu § 228 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) könne nicht entnommen werden, wer nun für die Übermittlung der Daten zuständig sei. Im Ergebnis bleibe es dem Bürger überlassen, sich mit der Problematik der "Beitragszahlung" und der "Beitragsschuld" formell und rechtlich auseinanderzusetzen, obwohl es ihm nach § 206 Abs. 1 Nr. 2 SGB V gerade nicht obliege, solche Auskünfte zu erteilen. Auch stelle sich die Frage, wer die Beiträge einzuzahlen habe; bei Rentnern erfolge die Zahlung der Beiträge nach § 255 SGB V allein durch den Versicherungsträger. Für eine ausländische Rente könne nichts anderes gelten. Das Bundesministerium für Gesundheit teilte ihm mit Schreiben vom 12. Januar 2012 mit, es prüfe zurzeit ob und inwieweit die Meldepflichten von Versicherungsträgern über den Bezug ausländischer Renten die schon jetzt bestehenden gesetzlichen Mitteilungspflichten der Versi-cherten ergänzen könnten.

Gegen den Bescheid vom 24. Februar 2012 erhob der Kläger am 23. März 2012 Widerspruch mit der Begründung, der Verwaltungsaufwand zur Zahlung von 1,14 EUR auf eine monatliche Rentenzahlung von 11,27 EUR sei unverhältnismäßig. Eine Regelung zur Datenerhebung fehle. Bisher habe die Beklagte zu 1. konkludent die beitragsfreie Regelung in Höhe von 127,50 EUR monatlich für eine vergleichbare Einnahme im Sinne des § 226 Abs. 2 SGB V angewandt. Das Recht werde nicht einheitlich angewandt, insoweit sei er aus seinen Rechten aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletzt.

Am 27. September 2012 hat der beim Sozialgericht Altenburg (SG) Untätigkeitsklage erhoben. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2013 hat die Beklagte zu 1. den Widerspruch des Klägers unter Verweis auf § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V zurückgewiesen. Vergleichbare Renten aus dem Ausland würden vom 1. Juli 2011 an in die Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung einbezogen. Da es sich bei der Leistung aus Bulgarien um eine der inländischen gesetzlichen Rente vergleichbare Zahlung und nicht um eine rentenähnliche Einnahme (Versorgungsbezug) im Sinne des § 229 Abs. 1 SGB V handle, könne ungeachtet der geringen Höhe auf die Beitragszahlung nicht verzichtet werden. Soweit er auf die seiner Meinung nach ungeregelten Meldepflichten des Rentenversicherungsträgers verweise, rechtfertige dies keine andere Beurteilung. Die Beitragspflicht werde hierdurch nicht berührt. Im Erörterungstermin am 24. März 2014 hat der Kläger seine Klage dahingehend geändert, dass sie sich nunmehr gegen den Bescheid vom 24. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2014 richtet.

Mit Urteil vom 28. April 2014 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Kläger sei nach § 228 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V (in der Fassung des Gesetzes zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Juni 2011, BGBl I Seite 1202, eingeführt mit Wirkung vom 1. Juli 2011) verpflichtet, aus der bulgarischen Rente Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten, weil diese mit einer nach bundesdeutschem Recht bezogenen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar sei. Bei der Rente aus Bulgarien handle es sich um eine Altersrente, die er seit Erreichen des maßgeblichen Rentenalters aufgrund seiner Erwerbstätigkeit in Bulgarien zwischen 1974 und 1979 beziehe. Maßgeblich für die Vergleichsprüfung sei neben dem deutschen Recht auch das über- und zwischenstaatliche Recht, im vorliegenden Rechtsstreit also die Verordnung (VO EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Nach Art. 3 Abs. 1 d) VO (EG) Nr. 883/2004 gelte die VO (EG) für alle Rechtsvorschriften, die "Leistungen bei Alter" beträfen. Aufgrund der Modifizierung der VO (EG) Nr. 883/2004 durch die Republik Bulgarien vom 29. April 2004 handle es sich bei den Leistungen nach dem bulgarischen Sozialversicherungsgesetzbuch auch nach Art. 3 Abs. 1 d) VO (EG) Nr. 883/2004 um "Leistungen bei Alter". Insoweit gelte sie nach § 228 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB V als beitragspflichtige Einnahme. Der Gesetzgeber habe durch die Wahl der Formulierung "vergleichbar" eindeutig klargestellt, dass die im Ausland bezogene Rente - hier die Altersrente des Klägers nach bulgarischem Recht - mit einer nach bundesdeutschem Recht bezogenen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur vergleichbar, nicht aber deckungsgleich sein müsse. Eine § 229 Abs. 2 SGB V vergleichbare Regelung, wonach die Beiträge aus Versorgungsbezügen bei Unterschreitung des dort genannten Grenzbetrages nicht zu entrichten seien, habe er für Renten seit Einführung der Norm im Jahr 1988 trotz mehrfacher Gelegenheit nicht getroffen. Eine Regelungslücke liege nicht vor. Die Beitragserhebung auf die bulgarische Altersrente sei auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Gesetzgeber es den Versicherten überlassen habe, ihre Krankenkassen über den Bezug einer ausländischen Rente zu informieren, statt den jeweils zuständigen deutschen Rentenversicherungsträger dazu zu verpflichten. Es bestehe diesbezüglich keine Regelungslücke. Ausländischen Rentenversicherungsträgern könne keine Verpflichtung auferlegt werden, die Beiträge abzuführen, weshalb sie für ausländische Renten nach § 249a SGB V vom Mitglied selbst zu zahlen seien. Der Gesetzgeber habe dabei auf das dem Krankenversicherungsrecht immanente Prinzip der Mitwirkungspflicht des Versicherten nach § 206 SGB V abstellen können. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 228 Abs. 1 SGB V bestünden nicht. Die Regelungen seien für die gesetzliche Pflegeversicherung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) entsprechend anzuwenden. Schließlich sei auch die Beitragsberechnung im Übrigen nicht zu beanstanden.

Gegen das ihm am 9. Mai 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. Juni 2014 Berufung eingelegt. Er wende sich deshalb gegen den angefochtenen Beitragsbescheid, weil die Erhebung von Beiträgen allein auf einer "Selbstanzeige" des versicherungspflichtigen Rentners beruhe. Der Gesetzgeber überlasse es diesen, ob sie diese vornähmen oder nicht. § 228 SGB V sei insoweit willkürlich und müsse geändert werden. Nach Hinweis der Berichterstatterin, dass die Berufung verspätet eingegangen ist, hat der Kläger vorgetragen, er habe zur Wahrung der Berufungsfrist die Berufungsschrift am 6. Juni 2014 persönlich am Postschalter der Postfiliale J. L. West abgegeben. In der Gerichtsakte ist der Briefumschlag nicht enthalten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 28. April 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig.

Der Kläger hat sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt. Ihm ist jedoch Wiederein-setzung in den vorigen Stand nach § 67 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu gewähren.

Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung beim Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Nach § 151 Abs. 2 SGG ist die Berufungsfrist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Falle legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder die Niederschrift mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor. Das Urteil des SG vom 28. April 2014 ist dem Kläger am 9. Mai 2014 mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Die einmonatige Frist für die Einlegung der Berufung endete nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 SGG mit Ablauf des 9. Juni 2014, einem Montag. Bis zum Ablauf dieses Tages hat der Kläger keine wirksame Berufung eingelegt. Die am 11. Juni 2014 beim Thüringer Landessozialgericht (LSG) per Post eingegangene Berufung ist außerhalb der Berufungsfrist eingegangen.

Dem Kläger ist nach § 67 Abs. 1 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur Einlegung der Berufung einzuhalten. Der Senat unterstellt angesichts des Fehlens des Briefumschlags in der Verfahrensakte, dass der Kläger ohne Verschulden die Einhaltung der Frist versäumt hat. Er hat mit zeitnahem Schriftsatz vom 7. Juli 2014 erklärt, die Berufungsschrift am 6. Juni 2014 persönlich bei der Post aufgegeben zu haben. Er konnte unter Berücksichtigung der üblichen Postlaufzeiten von einem Tag darauf vertrauen, dass die Berufung bis Montag, den 9. Juni 2014 bei Gericht eingeht.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und überzeugenden Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil des SG vom 28. April 2014. Es hat angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung zu Recht festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, aus seiner bulgarischen Rente Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach den §§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 228 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB V bzw. nach § 57 Abs. 1 SGB XI an die Beklagten zu 1. und 2. zu entrichten, weil die bulgarische Rente mit einer Rente der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar ist. Die vorgebrachten Bedenken des Klägers sind nicht nachvollziehbar. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Mitteilungspflicht gegenüber der Beklagten zu 1. für Personen, die wie hier der Kläger eine Rente aus dem Ausland beziehen, die nicht durch Dritte gemeldet wird, in § 206 Abs. 1 Nr. 2 SGB V geregelt ist. Konsequenzen ihrer Verletzung ergeben sich aus § 206 Abs. 2 SGB V bzw. § 307 SGB V. Eine Aufhebung der Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen nach § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V wird dort nicht genannt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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