L 19 R 493/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 367/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 493/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 26.04.2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger aufgrund seines Antrags vom 30.04.2009 Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat.

Der 1957 geborene Kläger hat in der Zeit von 1973 bis 1976 eine Ausbildung zum Heizungsbauer absolviert, die Abschlussprüfung jedoch nicht bestanden. Von 1978 bis 2004 war der Kläger in unterschiedlichen Tätigkeiten versicherungspflichtig beschäftigt, so z.B. als Maschinenführer, Maschineneinsteller, Stanzereiarbeiter, zuletzt als Maschineneinsteller in einer Papierfabrik. Nach einem Myocardinfarkt im Juli 2004 bezog der Kläger zunächst von Juli 2004 bis Dezember 2005 Krankengeld, von Dezember 2005 bis November 2007 Arbeitslosengeld I bis zur Anspruchserschöpfung. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestand wegen vorhandenen Vermögens nicht.

Am 03.08.2007 beantragte der Kläger zum ersten Mal die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten, die mit Bescheid vom 31.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2008 abgelehnt wurde. In dem hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Bayreuth geführten Klageverfahren (Az. S 6 R 417/08) holte das SG ein neurologisch-psychiatrisches Terminsgutachten von Dr. K. vom 12.11.2008 sowie vor dem Erörterungstermin vom 17.12.2008 ein internistisches Terminsgutachten von Dr. K. ein, die beide übereinstimmend zu einem mindestens 6stündigen Leistungsvermögen des Klägers unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen kamen. Die Klage wurde im Termin vom 17.12.2008 zurückgenommen und ein Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt. Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 11.05.2009 dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines Eingliederungszuschusses bei Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit. Eine Erwerbstätigkeit wurde bislang aber noch nicht wieder aufgenommen.

Am 30.04.2009 beantragte der Kläger erneut bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente wegen Herzerkrankung, Diabetes, Fettstoffwechselstörung, Raucherbronchitis, Schlafapnoesyndrom und beginnender depressiver Erkrankung. Die Beklagte holte ein sozialmedizinisches Gutachten von Dr. M. ein, der am 17.07.2009 zu einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen des Klägers unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen kam. Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 27.07.2009 eine Rentengewährung ab.

Zur Begründung des hiergegen am 17.08.2009 erhobenen Widerspruchs wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass der Kläger sich für sechs Tage stationär zu einer Schmerzbehandlung im Klinikum O. befunden habe. Ferner sei eine Schwächung des Herzmuskels im Juni 2009 diagnostiziert worden. Die psychische Situation des Klägers habe sich ebenfalls verschlechtert. Die Beklagte holte daraufhin ein internistisches Gutachten von Dr. E. vom 24.11.2009, ein chirurgisches Gutachten von Dr. von G. vom 03.12.2009 sowie ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. H. vom 17.02.2010 ein. Die Sachverständigen kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die letzte Tätigkeit des Klägers in einer Papierfabrik wohl nur noch unter drei Stunden täglich verrichtet werden könne, für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sei aber noch ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen gegeben. Die Beklagte wies daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2010 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.07.2009 als unbegründet zurück.

Zur Begründung der hiergegen am 23.04.2010 beim Landratsamt C-Stadt eingelegten Klage, die am 29.04.2010 an das SG Bayreuth weitergeleitet wurde, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass der Kläger der festen Überzeugung sei, dass seine gesundheitlichen Einschränkungen von der Beklagten nur unzureichend berücksichtigt worden seien.

Das SG hat Berichte des Bezirksklinikums O. über den stationären Aufenthalt vom 03. bis 13.08.2009 sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte, nämlich des Orthopäden Dr. K., des Facharztes für Innere Medizin Dr. B. und des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. J. eingeholt. Ferner wurden die Akten des Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) - Region Oberfranken - Versorgungsamt Bayreuth beigezogen.

Das SG hat sodann ein internistisches Terminsgutachten von Dr. G. eingeholt, der am 20.01.2011 zu folgenden Diagnosen gelangt ist: 1. Coronare Herzkrankheit bei Zustand nach Myocardinfarkt 2004 und Coronarintervention. Aktuell allenfalls leicht eingeschränkte Pumpleistung des linken Herzens. 2. Verschleißschäden an der Wirbelsäule mit leichter Funktionseinschränkung an der HWS und LWS, aktuell nur geringe Funktionseinschränkung. 3. Zuckerkrankheit, sekundär insulinpflichtig. 4. Verdacht auf leichte depressive Störung im Rahmen einer Persönlichkeitsstörung. Bei dem Kläger bestehe eine coronare Herzkrankheit, er habe im Juli 2004 einen Herzvorderwandinfarkt erlitten. Nach seinen eigenen Angaben sei seine Belastbarkeit bis 75 Watt eingeschränkt. Tatsächlich ergäben sich jedoch gewisse Differenzen in den Leistungsangaben. So sei 2008 anlässlich einer Myocardszintigraphie eine Belastung bis 150 Watt erreicht worden. Im Juni 2009 sei die Belastung infolge körperlicher Erschöpfung bei 75 Watt abgebrochen worden. Im Juli 2010 habe eine Belastung bis 150 Watt stattgefunden, wobei der Kläger diese jedoch als inkorrekt bezeichne. Die Pumpleistung des Herzens sei bei der internistischen Vorbegutachtung auf 47 % festgestellt worden. Im Zeitpunkt der stationären Behandlung in D-Stadt im Juni 2009 sei die Pumpleistung als gut beschrieben worden. Der Internist Dr. B. wiederum habe im Juli 2010 eine Pumpleistung von 50 % beschrieben. Insgesamt müsse von einer leichten Einschränkung der Belastbarkeit der Pumpleistung ausgegangen werden. Selbst unter Beachtung einer Belastbarkeit bis 75 Watt sei aber noch eine leichte körperliche Tätigkeit möglich. Eine quantitative Minderung der Leistungsfähigkeit des Klägers könne noch nicht gesehen werden. Es bestünden relativ gute Funktionsbefunde sowohl seitens des Herzens als auch seitens des Bewegungsapparates. Es sei auch von gewissen psychischen Beeinträchtigungen als Folge einer depressiven Störung, allerdings wahrscheinlich im Rahmen einer Persönlichkeitsstörung, auszugehen. Die Einschätzung von Dr. H. im Verwaltungsverfahren sei zu bestätigen, eine quantitative Leistungsminderung sei damit nicht verbunden. Außerdem finde keine entsprechende Behandlung statt. Der Kläger könne noch leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung oder auch länger im Sitzen mindestens sechs Stunden täglich absolvieren. Auszuschließen seien übermäßige nervliche Belastungen, z.B. Akkord oder übermäßiger Zeitdruck, Zwangshaltungen, Heben und Tragen schwerer Lasten, häufiges Bücken und erhöhte Unfallgefährdung. Die Wegefähigkeit des Klägers sei gegeben, zusätzliche Arbeitspausen seien nicht erforderlich.

Das SG hat sodann nach Anhörung der Beteiligten die Klage durch Gerichtsbescheid vom 26.04.2011 als unbegründet abgewiesen. Zur Überzeugung des Gerichts stehe aufgrund des eingeholten Gutachtens von Dr. G. fest, dass weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliege. Die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers würden lediglich qualitative Leistungseinschränkungen begründen. Zum Einwand des Klägers, ein Richter in einem früheren Verfahren habe ihm mehr oder weniger zugesagt, im Falle der gesundheitlichen Verschlechterung sei eine Rentengewährung gewiss, sei auszuführen, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustandes nur dann zur Rentengewährung führen könne, falls sie zu einer Minderung des Restleistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht auf unter sechs Stunden täglich führe. Dies sei vorliegend nicht gegeben.

Zur Begründung der hiergegen am 19.05.2011 zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung weist der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass sich die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers weiter verschlimmert hätten. Seine behandelnden Ärzte seien durchweg der Überzeugung, dass der Kläger selbst körperlich leichte Tätigkeiten nicht mehr sechs Stunden täglich verrichten könne. Eine Verschlimmerung gegenüber seinem Gesundheitszustand, der im Verfahren S 6 R 417/08 zu beurteilen gewesen sei, sei definitiv eingetreten. Vorgelegt wurden hierzu verschiedene Atteste der behandelnden Ärzte des Klägers.

Mit Bescheid der Beklagten vom 21.03.2013 wurde ein Antrag des Klägers vom 05.03.2013 auf Gewährung einer stationären medizinischen Reha-Maßnahme abgelehnt. Ab Oktober 2010 ist dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 zuerkannt.

Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers, nämlich vom Hausarzt Dr. J., des Orthopäden Dr. W. und des Nervenarztes Dr. E. beigezogen. Bei diesem wurde die Behandlung am 19.03.2014 begonnen. Beigezogen wurde des Weiteren ein internistisch-kardiologischer Befundbericht von Dr. O., bei dem der Kläger zuletzt im Dezember 2011 in Behandlung war. Die Behandlung wurde im Jahr 2013 wieder aufgenommen.

Der Senat hat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. H. eingeholt, der am 17.11.2015 zu folgenden Diagnosen gelangt ist: 1. Leichte, beginnende Polyneuropathie der Beine 2. Rezidivierende depressive Störung, derzeit weitgehend remittiert.

Bei der rezidivierenden depressiven Störung handele es sich um eine seelische Störung, die beim Kläger derzeit zumindest weitgehend remittiert sei. Durch nervenärztliche Betreuung einschließlich medikamentöser Therapie sei diese Störung behandelbar und überwindbar. Aus rein neurologisch-psychiatrischer Sicht könne der Kläger noch leichte und auch mittelschwere Arbeiten verrichten. Die Tätigkeit eines Maschineneinstellers und Stanzereiarbeiters sei aus neurologisch-psychiatrischer Sicht zumutbar. Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden pro Tag Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Es bestünden aber weitere Beschränkungen aus neurologisch-psychiatrischer Sicht: Die Leistungsmotivation des Klägers sei mit Sicherheit stark eingeschränkt. Er halte sich für chronisch schwer krank, wobei sich diese Einschätzung überwiegend auf das orthopädische Fachgebiet (Lendenwirbelsäule) und das internistisch/kardiologische Fachgebiet (Herzbeschwerden) beziehe. Eingeschränkt sei auch die Umstellungsfähigkeit. Der Kläger sei sehr fixiert in seinen Einstellungen bezüglich seiner eigenen Leistungsfähigkeit. Leicht eingeschränkt sei die Merkfähigkeit. Auch die Anpassungsfähigkeit an den technischen Wandel sei bei der erkennbaren Starrheit des Klägers als eingeschränkt zu bewerten. Die Wegefähigkeit des Klägers sei gegeben. Er könne auch ein Motorfahrzeug steuern. Die qualitativen Leistungseinschränkungen bestünden seit 2006. Damals sei erstmals eine rezidivierende depressive Störung im Rahmen eines stationären Heilverfahrens in der Klinik H. in G-Stadt mitgeteilt worden. Seit wann die wahrscheinlich diabetes-mellitus bedingte, leichte, beginnende Polyneuropathie bestehe, sei den Unterlagen nicht zu entnehmen. Eine Änderung des Gesundheitszustandes des Klägers seit April 2009 sei nicht durchgehend festzustellen. Im psychischen Bereich gebe es Schwankungen aufgrund der Diagnose einer rezidivierenden Störung. Diese Depression sei aber weitgehend remittiert.

Der Senat hat des Weiteren ein orthopädisches Gutachten von Dr. G. eingeholt, der am 30.11.2015 zu folgenden Diagnosen gelangt ist: 1. Belastungsminderung und mäßiggradige Einschränkung der Lendenwirbelsäulenentfaltbarkeit bei Verschleiß und Bandscheibenschäden mit wiederkehrenden linksseitigen Lumboischialgien ohne sensomotorische Defizite an den Beinen. 2. Teilfixierte, verstärkte Rundrückenbildung bei leichten Verschleißerscheinungen ohne Anhalt für eine von der Brustwirbelsäule ausgehende Nervenwurzelirritation.

Unter Berücksichtigung der festgestellten Gesundheitsstörungen könne der Kläger nurmehr leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten verrichten. Die Tätigkeit eines Maschineneinstellers wie auch eines Stanzereiarbeiters erscheine nicht mehr leidensgerecht. Ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sei dann anzunehmen, wenn es sich um leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mit weiteren qualitativen Einschränkungen handle. Zu vermeiden seien länger anhaltende statische Wirbelsäulenzwangshaltungen, längere Tätigkeiten in gebückter oder gehockter Stellung sowie eine Kälte-Nässe-Zugluftexposition ohne entsprechenden Bekleidungsschutz. Die Wegefähigkeit des Klägers sei gegeben. Die festgestellten qualitativen Einschränkungen bestünden seit etwa April 2009. Wesentliche Änderungen hätten sich seither nicht ergeben. Die festgestellten Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit seien als dauerhaft anzusehen.

Zu den Gutachten von Dr. H. und Dr. G. hat der Kläger sehr ausführlich mit eigenhändigen Schreiben ohne Datum, eingegangen bei Gericht am 04.02.2016, Stellung genommen.

Der Senat hat des Weiteren ein internistisches/kardiologisches Gutachten von Dr. F. eingeholt, die am 14.03.2016 zu folgenden Diagnosen gelangt ist: 1. Koronare 1-Gefäßerkrankung mit abgelaufenem Vorderwandinfarkt am 06.07.2004 und erfolgreichem Stenting einer subtotalen RIVA-Stenose sowie einer weiteren ca. 50-60%igen RIVA-Stenose - letzte Koronarangiographie 3/2012 mit gutem angiographischem Ergebnis ohne Nachweis von Re-Stenosen - global leichtgradig reduzierte linksventrikuläre Pumpfunktion bei persistie- render Vorderwandnarbe (EF nach Simpson 50 %) - ergometrische Belastbarkeit bis 75/100 Watt ohne Nachweis von Ischämie- zeichen - Belastungsdyspnoe NYHA II-III bei Verdacht auf vaskuläre Mikroangiopathie - Ausschluss Herzinsuffizienz (NTproBNP im Normbereich) 2. Sekundär-insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2 mit derzeit nicht optimal eingestellter Stoffwechsellage (HbA1c 8,7 %) ohne Auftreten von schweren Unterzuckerungen - Ausschluss diabetische Neuropathie/Nephropathie.

Die Tätigkeit eines Maschineneinstellers könne vom Kläger nicht mehr verrichtet werden. Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen noch vollschichtig verrichtet werden. Vermieden werden müssten Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung, Nachtschichten, Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen wie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr, Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems wie häufiges Heben und Tragen über 10 kg, Arbeiten in Zwangshaltungen sowie Tätigkeiten unter ungünstigen äußeren Bedingungen wie häufige Einflüsse von Kälte, Hitze, Zugluft, Nässe, starke Temperaturschwankungen. Die in den Vorgutachten (orthopädisch/nervenärztlich) aufgeführten Einschränkungen seien zusätzlich zu beachten. Die festgestellten Einschränkungen qualitativer Art bestünden seit dem Myocardinfarkt am 06.07.2004. Eine wesentliche Änderung bezüglich der Herzerkrankung sei seit diesem Zeitpunkt nicht eingetreten. Der Diabetes Mellitus sei ab 2009 insulinpflichtig, Spätschäden oder häufige schwere Unterzuckerungen, die das quantitative Leistungsvermögen einschränken könnten, lägen nicht vor. Die Einschränkungen von Seiten der Herzerkrankung könnten nicht mehr verbessert werden. Beim Diabetes liege aber keine optimale Einstellung vor, hier müsste die Behandlung intensiviert werden, ggf. auch im Rahmen eines stationären Reha-Verfahrens, um Spätschäden zu vermeiden.

Zu dem Gutachten von Dr. F. hat der Kläger wiederum handschriftlich Stellung genommen und im Anschluss daran durch seinen Prozessbevollmächtigten weitere Befundberichte vorlegen lassen. Der Senat hat daraufhin noch eine ergänzende Stellungnahme von Dr. F. eingeholt, die am 01.08.2016 bei ihrer Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers geblieben ist.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 26.04.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auf seinen Antrag vom 30.04.2009 hin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, hilfsweise den Bericht der Universitätsklinik I-Stadt vom 27.09.2016 der ärztlichen Sachverständigen Dr. F. zuzuleiten zur Stellungnahme, ob in Anbetracht der in diesem Bericht dokumentierten Befunde davon auszugehen ist, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter sechs Stunden bzw. auf unter drei Stunden täglich abgesunken ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 26.04.2011 zurückzuweisen.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Bayreuth mit dem Az. S 6 R 417/08 sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Sie ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Gemäß § 43 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbei- träge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Kläger trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen im Umfang von wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu vermeiden sind körperlich schwere oder mittelschwere Tätigkeiten (Heben und Tragen von Gewichten über 10 kg), Arbeiten in Zwangshaltungen, Arbeiten unter ungünstigen Witterungseinflüssen ohne entsprechenden Bekleidungsschutz sowie nervlich belastende Tätigkeiten (etwa in Akkord oder Nachtschicht).

Der Senat stützt seine Überzeugung auf die eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. H. auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, Dr. G. auf orthopädischem Fachgebiet und Dr. F. auf internistisch/kardiologischem Fachgebiet. Die Sachverständigen kommen übereinstimmend zu der Überzeugung, dass der Kläger noch über ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verfügt.

Auf orthopädischem Fachgebiet liegt der Schwerpunkt der Leistungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, hier sind Bandscheibenvorfälle und eine Stenose dokumentiert. Der Kläger befindet sich durchgehend in hausärztlicher Behandlung, nimmt bei Bedarf Schmerzmittel, eine durchgreifende Besserung konnte im Bereich der Lendenwirbelsäule nicht erzielt werden. Beeinträchtigungen leichterer Art finden sich an der Halswirbelsäule und der Brustwirbelsäule. Gleichwohl ist in dem Befundbericht von Dr. F. vom 24.02.2015 festgehalten, dass der Kläger für aktive Bewältigungsstrategien wie etwa Rückengymnastik, Reha-Sport und Entspannungsverfahren wenig zugänglich zu sein scheine. Eine Besserung der Situation der Wirbelsäule wäre wohl durchaus zu erwarten. Insoweit bestehen hier durchaus erfolgversprechende weitere Behandlungsoptionen, die der Kläger bislang noch nicht ergriffen hat und deren Wahrnehmung ihm auch durchaus zuzumuten wäre. Die festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen an der Wirbelsäule bedingen gegenwärtig nur qualitative Leistungseinschränkungen hinsichtlich der Schwere der möglichen Arbeiten und hinsichtlich der Arbeitshaltung, bedingen aber keine zeitliche Einschränkung auf unter 6 Stunden täglich für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Auf nervenärztlichem Fachgebiet ist festzustellen, dass infolge des vorhandenen Diabetes Mellitus mittlerweile eine leichte Polyneuropathie eingetreten ist, die sich im Bereich der Füße dokumentieren lässt. Relevante Einschränkungen sind damit noch nicht verbunden, auch nicht hinsichtlich der Wegefähigkeit des Klägers. Nervenärztlich ist weiter vom Vorliegen einer rezidivierenden depressiven Störung auszugehen, die aber nach dem Gutachten von Dr. H. weitgehend remittiert ist. Dr. H. verweist auf die durchgeführten Testverfahren, die die Überzeugung des Klägers manifestieren, dass er unter einer schweren depressiven Erkrankung leide, die objektivierenden Tests können aber allenfalls eine leichte, wenn nicht überhaupt keine depressive Erkrankung erkennen. Dr. H. verweist insoweit auch auf den sehr geordneten Tagesablauf des Klägers, der bei ihm geschildert wurde. Danach stehe der Kläger meistens zwischen 8 und 9 Uhr auf, trinke wie immer seinen Caro-Kaffee und esse ein Brot mit Marmelade. Am Vormittag lese er 30 bis 45 Minuten die Zeitung. Er gehe dann raus. Zwei bis drei Mal in der Woche gehe er zum Einkaufen. Mittags lasse er auch das Mittagessen schon mal weg. Nachmittags lese er. Er lese gerne Karl May und Bücher von Ludwig Thoma. Bei der Hitze im Sommer habe er sich meistens flachgelegt, ansonsten versuche er eine halbe bis dreiviertel Stunde rauszugehen. Am Abend esse er und lese wieder oder löse Kreuzworträtsel. Er schaue gegen 20.30 Uhr etwas fern und gehe dann zwischen 23.30 Uhr und 0.30 Uhr zu Bett. Als Hobbies gab er an gerne zu lesen und Kreuzworträtsel zu lösen. Er habe einen geringen Freundeskreis und bekomme selten Besuch. Gelegentlich komme ein Bruder. Er wohne aber mit der Mutter im gemeinsamen Haus, sehe diese jeden Tag, helfe ihr auch beispielsweise beim Staubsaugen, er müsse dies aber langsam tun. Ansonsten gehe er regelmäßig zu seinen behandelnden Ärzten. Anhaltspunkte für eine massive, funktionsbedingte Einschränkung des alltäglichen Lebens, die sich auf die Erwerbsfähigkeit des Klägers in zeitlicher Hinsicht auswirken könnten, können hieraus zur Überzeugung des Senats nicht abgeleitet werden. Problematisch ist insoweit allenfalls der Umstand der von Dr. H. umschriebenen fehlenden Leistungsmotivation sowie der Fixierung des Klägers in der Überzeugung ein schwer kranker Mensch zu sein, was Auswirkungen auf seine Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit haben könnte. Dr. H. sieht gleichwohl ein mindestens 6stündiges Leistungsvermögen des Klägers. Gegebenenfalls wären insoweit aber unterstützende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für den Kläger sinnvoll, die die Beklagte ja bereits einmal dem Grunde nach bewilligt hatte. Dies ist hier aber nicht Streitgegenstand.

Im Rahmen des kardiologischen Gutachtens von Dr. F. ist festgehalten, dass der Kläger zwar im Jahr 2004 einen Myocardinfarkt erlitten hat, dass sich seither aber durchaus eine stabile Herzfunktion zeigt. Auf die unterschiedlichen Messergebnisse der Belastungs-EKGs hat die Sachverständige ausdrücklich hingewiesen. Ein Abbruch der Belastung ist im Übrigen bei keiner Untersuchung wegen Ischämieanzeichen oder Herzrhythmusstörungen erfolgt, sondern ausschließlich wegen physischer Erschöpfung. Es haben sich auch keine Anzeichen für eine restriktive oder obstruktive Lungenerkrankung ergeben. Selbst bei Unterstellung einer Belastbarkeit von maximal 75 Watt wäre aber davon auszugehen, dass der Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten kann.

Anlass für eine hiervon abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund des vom Prozessbevollmächtigten des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.09.2016 neu vorgelegten "vorläufigen, noch nicht endgültig freigegebenen Arztbrief" der Universitätsklinik I-Stadt vom 27.09.2016. Dem Arztbrief ist zu entnehmen, dass sich der Kläger dort am 19.09.2016 vorgestellt habe, "nachdem das Bayerische Landessozialgericht eine Frühberentung abgelehnt habe". Er selbst hat angegeben, dass sich seine Leistungsfähigkeit nicht verändert habe. Dies hat sich bei den dort durchgeführten Untersuchungen im Wesentlichen bestätigt. Eine Belastung des Klägers war bis 115 Watt möglich, der Abbruch erfolgte - wie sonst auch - wegen peripherer muskulärer Erschöpfung. Unter der Belastung zeigte sich ein adäquater Herzfrequenz- und Blutdruckanstieg. Während und nach der Belastung fanden sich keine ischämietypischen ST-Streckenveränderungen. Die Ejektionsfraktion lag mit 45 % knapp unter der bisher festgestellten von 47 %. Hinweise auf eine relevante obstruktive oder restriktive Lungenerkrankung konnten nicht gefunden werden. In dem vorläufigen Bericht vom 27.09.2016 ist eine Klassifizierung der Herzerkrankung nach Weber mit "Weber A" erfolgt, was eine leichte bis gar keine Leistungseinschränkung dokumentiert, während in dem Bericht vom 23.06.2016 eine Klassifizierung nach Weber mit "Weber B" erfolgte, was einer leichten bis moderaten Einschränkung entspricht. Der Bericht vom 23.06.2016 lag der gerichtlichen Sachverständigen Dr. F. für die angeforderte ergänzende Stellungnahme vor. Ausgehend von dem stärkeren Befund "Weber B" hat sie ein mindestens 6stündiges Leistungsvermögen des Klägers auf kardialem Fachgebiet bestätigt. Der Senat sieht deshalb auch keine Veranlassung, weitere Ermittlungen von Amts wegen einzuleiten.

Auf dem internistischen Fachgebiet ist beim Kläger zusätzlich die nicht optimal behandelte Stoffwechsellage durch den Diabetes Mellitus zu beachten, Spätfolgen hierdurch sind jedoch noch nicht festzustellen. Behandlungsoptionen sind hier wohl zweifellos gegeben, wenn eine entsprechend enge ärztliche Überwachung durch einen Internisten oder Diabetologen erfolgen würde oder im Rahmen einer stationären Behandlung oder Reha-Maßnahme. Dauerhafte Funktionseinschränkungen, die sich auf das quantitative Leistungsvermögen des Klägers auswirken könnten, sind hier auch noch nicht festzustellen.

Alle im Verfahren seit April 2009 eingeholten Sachverständigengutachten, die die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers objektiv und - nach Überzeugung des Senats - auch umfassend und nachvollziehbar beschrieben und bewertet haben, kommen zu einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen des Klägers für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Die vom Senat eingeholten Gutachten der medizinischen Sachverständigen Dr. H., Dr. G. und Dr. F. haben dokumentiert, dass auch heute noch von einem mindestens 6stündigen Leistungsvermögen auszugehen ist und dass seit Rentenantragstellung im April 2009 eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes des Klägers nicht eingetreten ist. Zudem bestehen sowohl auf orthopädischem als auch auf neurolgisch/psychiatrischem und internistischem Fachgebiet weitere Behandlungsoptionen, die der Kläger ergreifen könnte. Das subjektive Empfinden des Klägers und seine Überzeugung, nicht mehr leistungsfähig zu sein, sind demgegenüber irrelevant. Ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI besteht nicht.

Ein Anspruch auf eine Rente nach § 240 SGB VI wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zwar ist der Kläger vor dem Stichtag nach § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI geboren, so dass diese Regelung grundsätzlich auf ihn Anwendung finden könnte. Der Kläger kann für sich aber keinen Berufsschutz beanspruchen. Er hat zwar eine Berufsausbildung zum Heizungsbauer absolviert, die jedoch nicht abgeschlossen wurde, so dass er keinen Berufsschutz als Facharbeiter genießt. Im Übrigen hat er bereits seit 1978 wechselnde Anlerntätigkeiten verrichtet. Unter Beachtung des vom Bundessozialgericht entwickelten, sogenannten Mehrstufenschemas (BSGE 55, 45 ff.) muss sich der Kläger entweder auf andere Anlerntätigkeiten (mit einer Regelausbildung bis zu zwei Jahren) oder aber auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, soweit diese nicht ganz einfacher Art sind, verweisen lassen. Hierfür besteht nach den eingeholten Gutachten jedoch noch ein mindestens 6stündiges Leistungsvermögen unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen.

Nach alledem war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 26.04.2011 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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