L 11 KR 1272/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 3082/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1272/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.03.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Wege der Untätigkeitsklage zum wiederholten Mal Einsicht in die Verwaltungsakte der Beklagten.

Der am 08.12.1969 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Nach eigenen Angaben hat er etwa Ende der achtziger Jahre einen Arbeitsunfall erlitten.

Der Kläger erhob in einem ersten Verfahren auf Akteneinsicht am 03.02.2014 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Die Beklagte habe ihm Einsicht in alle Verwaltungsakten zu gewähren, die den Zeitraum seit seiner Geburt vom 08.12.1969 bis 1989 betreffen. Er wolle den Nachweis mit diesen Unterlagen führen, dass er vor einem im Jahr 1989 erlittenen Arbeitsunfall völlig gesund war. Die Beklagte teilte mit, Verwaltungsakten aus dieser Zeit würden nicht mehr vorliegen. Sie verwies auf die Aufbewahrungsfrist nach § 304 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Das Sozialgericht Reutlingen wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 07.07.2014 ab (S 1 KR 237/14). Die hiergegen eingelegte Berufung wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 12.11.2014 zurück (L 5 KR 3141/14). Angefallene Sozialdaten iS von § 292 SGB V seien durch die Beklagte gemäß § 304 Abs 1 SGB V spätestens nach 10 Jahren zu löschen. Eine Einsichtnahme des Klägers in Unterlagen, die seit Jahren zu Recht nicht mehr vorhandenen seien, komme nicht in Betracht.

Am 23.09.2016 hat der Kläger erneut Klage beim SG gegen die Beklagte auf Einsicht in die dort vorliegende Verwaltungsakte erhoben (Aktenzeichen des Verfahrens vor dem SG S 1 KR 2418/16).

Mit weiterem Schreiben vom 06.12.2016, beim SG am 08.12.2016 eingegangen, hat der Kläger ausdrücklich "separat" Untätigkeitsklage gegen die Beklagte erhoben, erneut mit dem Ziel auf Einsicht in die "gesamte Akte seit Geburt".

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Angesichts des parallel laufenden Verfahrens S 1 KR 2418/16 sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund nunmehr eine Untätigkeitsklage erhoben werde.

Am 14.03.2017 wurde die Verwaltungsakte der Beklagten zur Einsichtnahme in das Rathaus in H., dem Wohnort des Klägers, übersandt.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.03.2017 hat das SG die vorliegende Klage abgewiesen. Die Untätigkeitsklage sei unzulässig, da es vorliegend nicht um die Vornahme eines Verwaltungsaktes, sondern um tatsächliches Verwaltungshandeln gehe und überdies zwischenzeitlich dem Kläger im Parallelverfahren S 1 KR 2418/16 Gelegenheit zur Einsicht in die über ihn bei der Beklagten geführten Verwaltungsakten gegeben worden sei, weshalb ein Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr vorliege.

Gegen den ihm am 23.03.2017 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 31.03.2017 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Nachdem man ihm nunmehr die begehrte Akteneinsicht gewährt worden sei, "hätte ich ja mein Begehren erreicht. Stimmt." Jedoch habe er erst eine enorme Tortur durchmachen müssen, bis es hierzu gekommen sei. Die Beklagte müsse seine außergerichtlichen und gerichtlichen Kosten in voller Höhe tragen und offenlegen, warum ihm die Akteneinsicht erst verwehrt worden sei und nun nach der Klage doch gewährt worden sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.03.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine außergerichtlichen Kosten in voller Höhe zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Ausführungen des SG Bezug. Sie weist darauf hin, dass der Kläger bei ihr gar keinen Antrag auf Akteneinsicht gestellt habe, sondern ohne konkrete Antragstellung unmittelbar am 23.09.2016 Klage beim SG erhoben und damit einen Anspruch auf Akteneinsicht geltend gemacht habe. Die Beklagte habe im Parallelverfahren vor dem SG (S 1 KR 2418/16) die vorliegenden Verwaltungsakten zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt. Der Kläger habe inzwischen die Möglichkeit zur Akteneinsicht gehabt. Sodann habe er Ende Mai 2017 die Klage S 1 KR 2418/16 vor dem SG zurückgenommen. Ein weiteres Rechtsschutzinteresse für das Berufungsverfahren sei nicht erkennbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig aber unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da diese unzulässig gewesen ist.

Das vom Kläger als "Untätigkeitsklage" bezeichnete Klagebegehren war bei sachdienlicher Auslegung so zu verstehen, dass er erneut und nachdrücklich Akteneinsicht begehrt hat. Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass eine echte Untätigkeitsklage auf die Vornahme eines Verwaltungsaktes gerichtet ist, was vorliegend ersichtlich nicht in Frage stand. Das Gericht entscheidet allerdings über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein (§ 123 SGG). Das eigentliche (wiederholt vorgebrachte) klägerische Begehren, Akteneinsicht zu erhalten, ist bereits Gegenstand des zuvor von ihm anhängig gemachten Gerichtsverfahrens S 1 KR 2418/16 gewesen, weshalb eine sog doppelte Rechtshängigkeit vorgelegen hat und die weitere Klage daher bei ihrer Erhebung unzulässig gewesen ist. Während der Rechtshängigkeit kann derselbe Streitgegenstand von einem Beteiligten nicht erneut anhängig gemacht werden (§ 202 SGG iVm § 17 Abs 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz). Diese prozessuale Sperrwirkung führt zur Unzulässigkeit der zweiten Klage (BSG 12.12.2013, B 4 AS 17/13 R, SozR 4-1500 § 192 Nr 2). Wird trotzdem mehrfach um Rechtsschutz in derselben Sache nachgesucht, ist die Klage daher als unzulässig abzuweisen.

In der Sache ist darauf hinzuweisen, dass angefallene Sozialdaten iS von § 292 SGB V durch die Beklagte gemäß § 304 Abs 1 SGB V spätestens nach 10 Jahren zu löschen sind. Eine Einsichtnahme des Klägers in - seit Jahren zu Recht nicht mehr vorhandene - Unterlagen kommt daher nicht in Betracht, wie das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 12.11.2014, L 5 KR 3141/14, bereits rechtskräftig entschieden hat. Soweit Akten vorhanden sind, hat die Beklagte diese dem Kläger im Parallelverfahren vor dem SG (S 1 KR 2418/16) zur Verfügung gestellt und damit seinen Anspruch auf Akteneinsicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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