Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 2886/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2537/17 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 31.05.2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich zum wiederholten Male gegen die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und begehrt die wiederholte Ausstellung einer Ersatzbescheinigung.
Die am 23.08.1965 geborene Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Im Sommer 2012 bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin um Vorlage eines Passbilds/Lichtbilds. Die Antragstellerin legte ein Lichtbild nicht vor. Ihr Antrag vom 16.06.2015, ihr eine eGK ohne Lichtbild zur Verfügung zu stellen, wurde von der Antragsgegnerin abgelehnt (Bescheid 16.07.2015, Widerspruchsbescheid 19.11.2015). Die Klage hiergegen blieb erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.08.2016 – S 4 KR 6958/16). Die hiergegen eingelegte Berufung der Antragstellerin ist vom Senat mit Urteil vom 24.01.2017, L 11 KR 3562/16 zurückgewiesen worden.
Während des laufenden Rechtsstreits waren der Antragstellerin wiederholt Einzelfallbestätigungen von der Antragsgegnerin über ihren Leistungsanspruch ausgestellt worden. Am 25.01.2017 beantragte die Antragstellerin die Ausstellung eines Versicherungsnachweises pro Quartal. Mit Bescheid vom 02.02.2017 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr letztmalig eine Ersatzbescheinigung für einen Monat zugesandt werde. Nachdem die Antragstellerin dem widersprochen hatte, teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 27.02.2017 mit, dass letztmals eine Ersatzbescheinigung für einen Monat ausgestellt werde. Eine quartalsweise Ausstellung sei im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen nicht möglich. Letztmalig wurde der Antragstellerin am 28.03.2017 eine Versicherungsbescheinigung für zwei Arzttermine ausgestellt. Mit ergänzendem Schreiben vom 30.03.2017 wies die Antragsgegnerin auf § 15 Abs 6 Satz 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hin. Die wiederholte Ausstellung einer Ersatzbescheinigungen komme nur in Betracht, wenn die Antragstellerin bei der Ausstellung der eGK mitwirke. Nach wie vor liege das Lichtbild nicht vor. Wenn die Antragstellerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkomme, werde zukünftig keine Ersatzbescheinigung mehr ausgestellt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2017 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück.
Am 05.05.2017 beantragte die Antragstellerin erneut die Ausstellung eines Versicherungsnachweises. Dies lehnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 12.05.2017 ab. Es könne lediglich eine allgemeine Versicherungsbescheinigung zugesandt werden. Auch hiergegen legte die Antragstellerin am 19.05.2017 Widerspruch ein und beantragte am 24.05.2017 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) einstweiligen Rechtsschutz. Mit einer chronischen Erkrankung und Behandlung benötige sie bis spätestens 30.05.2017 eine ärztliche Verordnung. Sie müsse täglich Tabletten einnehmen, die nur noch bis Ende Mai vorrätig seien. Die Antragsgegnerin habe ihr daher bis spätestens 31.05.2017 einen Versicherungsnachweis auszustellen.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Mit der letzten Ausstellung einer Ersatzbescheinigung Ende März 2017 sei die Antragstellerin darauf hingewiesen worden, dass in Zukunft wegen der fehlenden Mitwirkung bei Ausstellung der eGK keine weiteren Ersatzbescheinigungen mehr ausgestellt werden könnten. Die Antragstellerin habe bis heute nicht das erforderliche Lichtbild für die Ausstellung der eGK übersandt. Sie habe daher keinen Anspruch mehr auf die Ausstellung einer wiederholten Ersatzbescheinigung.
Mit Beschluss vom 31.05.2017 hat das SG den Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Ausstellung eines weiteren Versicherungsnachweises, da sie trotz mehrerer Aufforderungen durch die Antragsgegnerin bei der Ausstellung der eGK nicht mitgewirkt habe. Über die Folgen der fehlenden Mitwirkung habe die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Schreiben vom 30.03.2017 ausreichend informiert.
Gegen den ihr am 01.06.2017 zugestellten Beschluss des SG hat die Antragstellerin am 30.06.2017 beim SG Beschwerde eingelegt, welche dem Landessozialgericht am 30.06.2017 vorgelegt worden ist.
Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt, sie setze sich grundsätzlich gegen die Einführung der eGK zur Wehr, da sie durch diese Grundgesetzverletzungen befürchte. Außerdem wende sie sich gegen die zwangsweise Durchsetzung der Telematik-Infrastruktur. Das SG habe sich lediglich mit dem fehlenden Lichtbild auseinandergesetzt, jedoch nicht hinreichend mit der Gesamtproblematik beschäftigt. Die vorgesehene Datenspeicherung führe letztlich dazu, dass der gläserne Patient Wirklichkeit werde und die ärztliche Schweigepflicht in Gefahr sei, abgeschafft zu werden. Die vorgesehene Speicherung und Übertragung von Versichertendaten ohne ausreichende gesetzliche Grundlage sei verfassungswidrig. Es liege auch ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor. Es zynisch und menschenverachtend, wenn das SG ausführe, dass die aktuelle Situation alleine im Verantwortungsbereich der Antragstellerin liege. Aufgrund ihrer Erkrankung bestehe ein dringender Anordnungsgrund, der in Wechselwirkung dazu führe, dass auch der Anordnungsanspruch zu bejahen sei.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 31.05.2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr einen Versicherungsnachweis auszustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Senatsakte im Verfahren L 11 KR 3562/16 Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 SGG). Die Beschwerde ist aber unbegründet, denn das SG hat zu Recht den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86 Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige An-ordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen (Regelungsanordnung).
Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236 f). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], 22.11.2002, aaO, S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Gemäß § 15 Abs 6 Satz 1 SGB V erhält jeder Versicherte die eGK bei der erstmaligen Ausgabe und bei Beginn der Versicherung bei eine Krankenkasse sowie bei jeder weiteren, nicht vom Versicherten verschuldeten erneuten Ausgabe gebührenfrei. § 15 Abs 6 Satz 4 SGB V regelt die Ausstellung von befristeten Ersatzbescheinigungen zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen, wenn die Karte aus vom Versicherten verschuldeten Gründen nicht ausgestellt werden kann. Damit sollen kurzfristig Übergangszeiten überbrückt werden, jedoch kein Dauerzustand legitimiert werden. Die wiederholte Ausstellung einer Ersatzbescheinigung kommt nur in Betracht, wenn der Versicherte bei der Ausstellung der eGK mitwirkt, hierauf ist der Versicherte bei der erstmaligen Ausstellung einer Ersatzbescheinigung hinzuweisen (§ 15 Abs 6 Satz 5 SGB V). Nach der Rechtskraft des Senatsurteils vom 24.01.2017 hat die Antragsgegnerin letztmalig am 28.03.2017 eine Ersatzbescheinigung ausgestellt und, wie es § 15 Abs 6 Satz 5 SGB V vorsieht, die Antragstellerin mit ergänzendem Schreiben vom 30.03.2017 auf ihre Mitwirkungspflichten in einer verständlichen Weise hingewiesen. Daher hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf eine weitere Ausstellung einer Ersatzbescheinigung. Unschädlich ist, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin mehrfach Ersatzbescheinigungen während des laufenden Rechtsstreits um die Vorlage des Lichtbilds ausgestellt und dies auch noch einmal Ende Februar 2017 getan hat. Zu diesem Zeitpunkt war das der Antragstellerin am 28.01.2017 zugestellte Urteil des Senats vom 24.01.2017 (L 11 KR 3562/16) noch nicht rechtskräftig. Ein Vertrauenstatbestand ist dadurch nicht geschaffen worden, da die Ausstellung von Ersatzbescheinigungen lediglich infolge des jahrelangen Rechtsstreits mehrfach erfolgt ist.
Die elektronische Gesundheitskarte ist nach § 291 Abs 2 Satz 4 SGB V mit einem Lichtbild zu versehen. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] 17.10.2016, 1 BvR 2183/16, SGb 2016, 691; BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, aaO). Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 17.10.2016 ausgeführt, es sei einem Versicherten zuzumuten, durch Übersendung eines Lichtbilds an der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte mitzuwirken. Die Antragstellerin erfüllt keine der Voraussetzungen der Ausnahmen vom Lichtbilderfordernis (Senatsurteil vom 24.01.2017, L 11 KR 3562/16). Sie hat daher die fehlende Mitwirkung zu vertreten.
Mit ihren grundsätzlichen Einwendungen gegen die egK vermag die Antragstellerin gleichfalls nicht durchzudringen. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Anspruch auf Befreiung von der Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte nicht besteht. Jeder Versicherte ist grundsätzlich verpflichtet, die elektronische Gesundheitskarte zu nutzen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährt kein Recht auf Verhinderung der Digitalisierung und "Weiterleben in einer analogen Welt" (Senatsurteil v. 21.06.2016, L 11 KR 2510/15 = Zeitschrift für Datenschutz 2016, 498 = Datenschutz und Datensicherheit 2016, 819).
Versicherte der GKV sind verpflichtet, dem behandelnden Vertrags(zahn)arzt vor Beginn der Behandlung zum Nachweis der Behandlungsberechtigung die elektronische Gesundheitskarte (eGK) auszuhändigen (Senatsurteile vom 21.06.2016, L 11 KR 2510/15, RDV 2016, 274; 24.01.2017, L 11 KR 3562/16). Der Umstand, dass die eGK geeignet sein muss, die in § 291a Abs 3 SGB V aufgeführten Anwendungen zu unterstützen, führt nicht zu einem Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Versicherten, da das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten zu diesem Zweck nur mit der Einwilligung der Versicherten gestattet ist (Senatsurteil vom 21.06.2016, L 11 KR 2510/15). Die Regelungen der §§ 15, 291, 291a SGB V über die Obliegenheit der Versicherten, die elektronische Gesundheitskarte bei Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen vor Beginn der Behandlung zum Berechtigungsnachweis dem Vertrags(zahn)arzt auszuhändigen, sind mit Vorrang vor dem BDSG anwendbar (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, BSGE 117, 224, SozR 4-2500 § 291a Nr 1).
Die datenschutzrechtlichen Regelungen des SGB X verweisen ua auf die bereichsspezifischen Datenschutzregelungen des SGB V. Nach § 67a Abs 1 S 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) ist das Erheben von Sozialdaten durch in § 35 SGB I genannte Stellen zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. § 67b Abs 1 S 1 SGB X erlaubt die Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten ua nur, soweit die datenschutzrechtlichen Vor-schriften des SGB X oder eine andere Vorschrift des SGB es erlauben oder anordnen. Zu den anderen Vorschriften des SGB zählen auch die hier einschlägigen datenschutzrechtlichen Rege-lungen des SGB V, insbesondere die §§ 15, 291, 291a SGB V. Diese Vorschriften kategorisieren nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers den für die eGK erforderlichen Datenschutz nach Pflichtangaben, Pflichtanwendungen sowie einwilligungsabhängigen freiwilligen Angaben und Anwendungen und gestalten ihn ebenfalls als Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt aus. Hierbei dürfen die KKn Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung erheben und speichern, soweit diese für die Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte erforderlich sind (ausführlich BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, Rn 15).
Das BSG, dem sich der Senat anschließt, hat mit Urteil vom 18.11.2014 (B 1 KR 35/13 R, aaO) entschieden, dass Versicherte kraft Gesetzes die Obliegenheit trifft, die eGK in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung, erweitert um die Angaben des Geschlechts und Zuzahlungsstatus, bei Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen vor Beginn der Behandlung zum Nachweis seiner Berechtigung dem Vertrags(zahn)arzt auszuhändigen (vgl § 15 Abs 2 SGB V). Die Nachweisobliegenheit bezweckt neben der Missbrauchsabwehr, die Abrechnung von Leistungen (§ 291 Abs 1 S 3 SGB V) und die Übermittlung ärztlicher Verordnungen (§ 291a Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V) zu ermöglichen. Versicherte haben nach der Gesetzeslage keinen Anspruch auf die von der Antragstellerin gewünschten Ausnahmen. Die betroffenen Regelungen der §§ 15, 291, 291a SGB V stehen mit höherrangigem Recht in Einklang (vgl zu alledem eingehend BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R aaO).
Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmungsrecht aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG, welcher in der Pflicht zur Angabe bzw zur Verfügungstellung von Lichtbild und Unterschriftsleistung sowie der zur Identifikation dienenden Angaben von Namen, Geburtsdatum, Geschlecht, Anschrift, und Versichertennummer nach §§ 291 Abs 2, 291a Abs 2 S 1 SGB V zu sehen ist, ist gerechtfertigt, da das Allgemeininteresse an einer Funktionsfähigkeit des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung im Verhältnis zur rechtlichen Betroffenheit der Antragstellerin überwiegt (vgl BSG 18.11.2014 aaO; Senatsurteil vom 21.06.2016, L 11 KR 2510/15 aaO; LSG Berlin-Brandenburg 20.03.2015, L 1 KR 18/14; Hessisches LSG 26.09.2013, L 1 KR 50/13; vgl auch Senatsbeschluss vom 30.11.2012, L 11 KR 4746/12 ER-B). Die Antragstellerin muss es nach der Gesetzeslage auch dulden, dass die Beklagte als Krankenkasse verpflichtet ist, Dienste anzubieten, mit denen die Leistungserbringer die Gültigkeit und die Aktualität der Versichertenstammdaten (Daten nach § 291 Abs 1 und 2 SGB V) bei den Krankenkassen online überprüfen und auf der eGK aktualisieren können. Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen und Zahnärzte prüfen bei der erstmaligen Inanspruchnahme ihrer Leistungen durch einen Versicherten im Quartal die Leistungspflicht der KK durch Nutzung der Dienste. Dazu ermöglichen sie den Online-Abgleich und die -Aktualisierung der auf der eGK gespeicherten Daten nach § 291 Abs 1 und 2 SGB V mit den bei der Krankenkasse vorliegenden aktuellen Daten. Die Prüfungspflicht besteht ab dem Zeitpunkt, ab dem die Dienste nach § 291 Abs 2b S 1 SGB V sowie die Anbindung an die Telematik-Infrastruktur zur Verfügung stehen und die Vereinbarungen nach § 291a Abs 7a und 7b SGB V geschlossen sind. (vgl eingehend BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, Rn 21).
Soweit die Antragstellerin die Datensicherheit bezweifelt, begründet auch dies schließlich keine Grundrechtsverletzung (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, aaO). Die Rechtsordnung schützt bereits die betroffenen Daten vor unbefugtem Zugriff Dritter und vor missbräuchlicher Nutzung. So regelt § 291a Abs 6 SGB V neben der Löschung das Gebot technischer Vorkehrungen für Zwecke der Datenschutzkontrolle. Die Norm gebietet, die Protokolldaten durch geeignete Vorkehrungen gegen zweckfremde Verwendung und sonstigen Missbrauch zu schützen (vgl § 291a Abs 6 Satz 5 SGB V). Das BSG, dem sich der Senat angeschlossen hat (Senatsurteil vom 21.06.2016, L 11 KR 2510/15 aaO), hat darauf hingewiesen, dass das Gesetz als institutionelle Sicherung den einbezogenen Verbänden die Pflicht auferlegt, die für die Einführung und Anwendung der eGK, insbesondere des elektronischen Rezeptes und der elektronischen Patientenakte, erforderliche interoperable und kompatible Informations-, Kommunikations- und Sicherheitsinfrastruktur (Telematik-Infrastruktur) zu schaffen (vgl § 291a Abs 7 Satz 1 SGB V). Sie nehmen diese Aufgabe durch eine Gesellschaft für Telematik nach Maßgabe des § 291b SGB V wahr (vgl § 291a Abs 7 S 2 SGB V). Die Rechtsordnung stellt zudem unberechtigte Zugriffe auf die Sozialdaten auf der elektronischen Gesundheitskarte nach § 291a SGB V unter Strafe (§ 307b SGB V). Dies schützt zusammen mit dem Bußgeldtatbestand in § 307 Abs 1 SGB V das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Ungeachtet aller Vorkehrungen trifft den Gesetzgeber eine Beobachtungspflicht, um auf sich künftig zeigende Sicherheitslücken zu reagieren (Senatsurteil vom 21.06.2016, L 11 KR 2510/15 aaO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich zum wiederholten Male gegen die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und begehrt die wiederholte Ausstellung einer Ersatzbescheinigung.
Die am 23.08.1965 geborene Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Im Sommer 2012 bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin um Vorlage eines Passbilds/Lichtbilds. Die Antragstellerin legte ein Lichtbild nicht vor. Ihr Antrag vom 16.06.2015, ihr eine eGK ohne Lichtbild zur Verfügung zu stellen, wurde von der Antragsgegnerin abgelehnt (Bescheid 16.07.2015, Widerspruchsbescheid 19.11.2015). Die Klage hiergegen blieb erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.08.2016 – S 4 KR 6958/16). Die hiergegen eingelegte Berufung der Antragstellerin ist vom Senat mit Urteil vom 24.01.2017, L 11 KR 3562/16 zurückgewiesen worden.
Während des laufenden Rechtsstreits waren der Antragstellerin wiederholt Einzelfallbestätigungen von der Antragsgegnerin über ihren Leistungsanspruch ausgestellt worden. Am 25.01.2017 beantragte die Antragstellerin die Ausstellung eines Versicherungsnachweises pro Quartal. Mit Bescheid vom 02.02.2017 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr letztmalig eine Ersatzbescheinigung für einen Monat zugesandt werde. Nachdem die Antragstellerin dem widersprochen hatte, teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 27.02.2017 mit, dass letztmals eine Ersatzbescheinigung für einen Monat ausgestellt werde. Eine quartalsweise Ausstellung sei im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen nicht möglich. Letztmalig wurde der Antragstellerin am 28.03.2017 eine Versicherungsbescheinigung für zwei Arzttermine ausgestellt. Mit ergänzendem Schreiben vom 30.03.2017 wies die Antragsgegnerin auf § 15 Abs 6 Satz 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hin. Die wiederholte Ausstellung einer Ersatzbescheinigungen komme nur in Betracht, wenn die Antragstellerin bei der Ausstellung der eGK mitwirke. Nach wie vor liege das Lichtbild nicht vor. Wenn die Antragstellerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkomme, werde zukünftig keine Ersatzbescheinigung mehr ausgestellt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2017 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück.
Am 05.05.2017 beantragte die Antragstellerin erneut die Ausstellung eines Versicherungsnachweises. Dies lehnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 12.05.2017 ab. Es könne lediglich eine allgemeine Versicherungsbescheinigung zugesandt werden. Auch hiergegen legte die Antragstellerin am 19.05.2017 Widerspruch ein und beantragte am 24.05.2017 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) einstweiligen Rechtsschutz. Mit einer chronischen Erkrankung und Behandlung benötige sie bis spätestens 30.05.2017 eine ärztliche Verordnung. Sie müsse täglich Tabletten einnehmen, die nur noch bis Ende Mai vorrätig seien. Die Antragsgegnerin habe ihr daher bis spätestens 31.05.2017 einen Versicherungsnachweis auszustellen.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Mit der letzten Ausstellung einer Ersatzbescheinigung Ende März 2017 sei die Antragstellerin darauf hingewiesen worden, dass in Zukunft wegen der fehlenden Mitwirkung bei Ausstellung der eGK keine weiteren Ersatzbescheinigungen mehr ausgestellt werden könnten. Die Antragstellerin habe bis heute nicht das erforderliche Lichtbild für die Ausstellung der eGK übersandt. Sie habe daher keinen Anspruch mehr auf die Ausstellung einer wiederholten Ersatzbescheinigung.
Mit Beschluss vom 31.05.2017 hat das SG den Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Ausstellung eines weiteren Versicherungsnachweises, da sie trotz mehrerer Aufforderungen durch die Antragsgegnerin bei der Ausstellung der eGK nicht mitgewirkt habe. Über die Folgen der fehlenden Mitwirkung habe die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Schreiben vom 30.03.2017 ausreichend informiert.
Gegen den ihr am 01.06.2017 zugestellten Beschluss des SG hat die Antragstellerin am 30.06.2017 beim SG Beschwerde eingelegt, welche dem Landessozialgericht am 30.06.2017 vorgelegt worden ist.
Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt, sie setze sich grundsätzlich gegen die Einführung der eGK zur Wehr, da sie durch diese Grundgesetzverletzungen befürchte. Außerdem wende sie sich gegen die zwangsweise Durchsetzung der Telematik-Infrastruktur. Das SG habe sich lediglich mit dem fehlenden Lichtbild auseinandergesetzt, jedoch nicht hinreichend mit der Gesamtproblematik beschäftigt. Die vorgesehene Datenspeicherung führe letztlich dazu, dass der gläserne Patient Wirklichkeit werde und die ärztliche Schweigepflicht in Gefahr sei, abgeschafft zu werden. Die vorgesehene Speicherung und Übertragung von Versichertendaten ohne ausreichende gesetzliche Grundlage sei verfassungswidrig. Es liege auch ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor. Es zynisch und menschenverachtend, wenn das SG ausführe, dass die aktuelle Situation alleine im Verantwortungsbereich der Antragstellerin liege. Aufgrund ihrer Erkrankung bestehe ein dringender Anordnungsgrund, der in Wechselwirkung dazu führe, dass auch der Anordnungsanspruch zu bejahen sei.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 31.05.2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr einen Versicherungsnachweis auszustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Senatsakte im Verfahren L 11 KR 3562/16 Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 SGG). Die Beschwerde ist aber unbegründet, denn das SG hat zu Recht den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86 Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige An-ordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen (Regelungsanordnung).
Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236 f). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], 22.11.2002, aaO, S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Gemäß § 15 Abs 6 Satz 1 SGB V erhält jeder Versicherte die eGK bei der erstmaligen Ausgabe und bei Beginn der Versicherung bei eine Krankenkasse sowie bei jeder weiteren, nicht vom Versicherten verschuldeten erneuten Ausgabe gebührenfrei. § 15 Abs 6 Satz 4 SGB V regelt die Ausstellung von befristeten Ersatzbescheinigungen zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen, wenn die Karte aus vom Versicherten verschuldeten Gründen nicht ausgestellt werden kann. Damit sollen kurzfristig Übergangszeiten überbrückt werden, jedoch kein Dauerzustand legitimiert werden. Die wiederholte Ausstellung einer Ersatzbescheinigung kommt nur in Betracht, wenn der Versicherte bei der Ausstellung der eGK mitwirkt, hierauf ist der Versicherte bei der erstmaligen Ausstellung einer Ersatzbescheinigung hinzuweisen (§ 15 Abs 6 Satz 5 SGB V). Nach der Rechtskraft des Senatsurteils vom 24.01.2017 hat die Antragsgegnerin letztmalig am 28.03.2017 eine Ersatzbescheinigung ausgestellt und, wie es § 15 Abs 6 Satz 5 SGB V vorsieht, die Antragstellerin mit ergänzendem Schreiben vom 30.03.2017 auf ihre Mitwirkungspflichten in einer verständlichen Weise hingewiesen. Daher hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf eine weitere Ausstellung einer Ersatzbescheinigung. Unschädlich ist, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin mehrfach Ersatzbescheinigungen während des laufenden Rechtsstreits um die Vorlage des Lichtbilds ausgestellt und dies auch noch einmal Ende Februar 2017 getan hat. Zu diesem Zeitpunkt war das der Antragstellerin am 28.01.2017 zugestellte Urteil des Senats vom 24.01.2017 (L 11 KR 3562/16) noch nicht rechtskräftig. Ein Vertrauenstatbestand ist dadurch nicht geschaffen worden, da die Ausstellung von Ersatzbescheinigungen lediglich infolge des jahrelangen Rechtsstreits mehrfach erfolgt ist.
Die elektronische Gesundheitskarte ist nach § 291 Abs 2 Satz 4 SGB V mit einem Lichtbild zu versehen. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] 17.10.2016, 1 BvR 2183/16, SGb 2016, 691; BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, aaO). Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 17.10.2016 ausgeführt, es sei einem Versicherten zuzumuten, durch Übersendung eines Lichtbilds an der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte mitzuwirken. Die Antragstellerin erfüllt keine der Voraussetzungen der Ausnahmen vom Lichtbilderfordernis (Senatsurteil vom 24.01.2017, L 11 KR 3562/16). Sie hat daher die fehlende Mitwirkung zu vertreten.
Mit ihren grundsätzlichen Einwendungen gegen die egK vermag die Antragstellerin gleichfalls nicht durchzudringen. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Anspruch auf Befreiung von der Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte nicht besteht. Jeder Versicherte ist grundsätzlich verpflichtet, die elektronische Gesundheitskarte zu nutzen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährt kein Recht auf Verhinderung der Digitalisierung und "Weiterleben in einer analogen Welt" (Senatsurteil v. 21.06.2016, L 11 KR 2510/15 = Zeitschrift für Datenschutz 2016, 498 = Datenschutz und Datensicherheit 2016, 819).
Versicherte der GKV sind verpflichtet, dem behandelnden Vertrags(zahn)arzt vor Beginn der Behandlung zum Nachweis der Behandlungsberechtigung die elektronische Gesundheitskarte (eGK) auszuhändigen (Senatsurteile vom 21.06.2016, L 11 KR 2510/15, RDV 2016, 274; 24.01.2017, L 11 KR 3562/16). Der Umstand, dass die eGK geeignet sein muss, die in § 291a Abs 3 SGB V aufgeführten Anwendungen zu unterstützen, führt nicht zu einem Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Versicherten, da das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten zu diesem Zweck nur mit der Einwilligung der Versicherten gestattet ist (Senatsurteil vom 21.06.2016, L 11 KR 2510/15). Die Regelungen der §§ 15, 291, 291a SGB V über die Obliegenheit der Versicherten, die elektronische Gesundheitskarte bei Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen vor Beginn der Behandlung zum Berechtigungsnachweis dem Vertrags(zahn)arzt auszuhändigen, sind mit Vorrang vor dem BDSG anwendbar (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, BSGE 117, 224, SozR 4-2500 § 291a Nr 1).
Die datenschutzrechtlichen Regelungen des SGB X verweisen ua auf die bereichsspezifischen Datenschutzregelungen des SGB V. Nach § 67a Abs 1 S 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) ist das Erheben von Sozialdaten durch in § 35 SGB I genannte Stellen zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. § 67b Abs 1 S 1 SGB X erlaubt die Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten ua nur, soweit die datenschutzrechtlichen Vor-schriften des SGB X oder eine andere Vorschrift des SGB es erlauben oder anordnen. Zu den anderen Vorschriften des SGB zählen auch die hier einschlägigen datenschutzrechtlichen Rege-lungen des SGB V, insbesondere die §§ 15, 291, 291a SGB V. Diese Vorschriften kategorisieren nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers den für die eGK erforderlichen Datenschutz nach Pflichtangaben, Pflichtanwendungen sowie einwilligungsabhängigen freiwilligen Angaben und Anwendungen und gestalten ihn ebenfalls als Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt aus. Hierbei dürfen die KKn Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung erheben und speichern, soweit diese für die Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte erforderlich sind (ausführlich BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, Rn 15).
Das BSG, dem sich der Senat anschließt, hat mit Urteil vom 18.11.2014 (B 1 KR 35/13 R, aaO) entschieden, dass Versicherte kraft Gesetzes die Obliegenheit trifft, die eGK in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung, erweitert um die Angaben des Geschlechts und Zuzahlungsstatus, bei Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen vor Beginn der Behandlung zum Nachweis seiner Berechtigung dem Vertrags(zahn)arzt auszuhändigen (vgl § 15 Abs 2 SGB V). Die Nachweisobliegenheit bezweckt neben der Missbrauchsabwehr, die Abrechnung von Leistungen (§ 291 Abs 1 S 3 SGB V) und die Übermittlung ärztlicher Verordnungen (§ 291a Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V) zu ermöglichen. Versicherte haben nach der Gesetzeslage keinen Anspruch auf die von der Antragstellerin gewünschten Ausnahmen. Die betroffenen Regelungen der §§ 15, 291, 291a SGB V stehen mit höherrangigem Recht in Einklang (vgl zu alledem eingehend BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R aaO).
Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmungsrecht aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG, welcher in der Pflicht zur Angabe bzw zur Verfügungstellung von Lichtbild und Unterschriftsleistung sowie der zur Identifikation dienenden Angaben von Namen, Geburtsdatum, Geschlecht, Anschrift, und Versichertennummer nach §§ 291 Abs 2, 291a Abs 2 S 1 SGB V zu sehen ist, ist gerechtfertigt, da das Allgemeininteresse an einer Funktionsfähigkeit des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung im Verhältnis zur rechtlichen Betroffenheit der Antragstellerin überwiegt (vgl BSG 18.11.2014 aaO; Senatsurteil vom 21.06.2016, L 11 KR 2510/15 aaO; LSG Berlin-Brandenburg 20.03.2015, L 1 KR 18/14; Hessisches LSG 26.09.2013, L 1 KR 50/13; vgl auch Senatsbeschluss vom 30.11.2012, L 11 KR 4746/12 ER-B). Die Antragstellerin muss es nach der Gesetzeslage auch dulden, dass die Beklagte als Krankenkasse verpflichtet ist, Dienste anzubieten, mit denen die Leistungserbringer die Gültigkeit und die Aktualität der Versichertenstammdaten (Daten nach § 291 Abs 1 und 2 SGB V) bei den Krankenkassen online überprüfen und auf der eGK aktualisieren können. Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen und Zahnärzte prüfen bei der erstmaligen Inanspruchnahme ihrer Leistungen durch einen Versicherten im Quartal die Leistungspflicht der KK durch Nutzung der Dienste. Dazu ermöglichen sie den Online-Abgleich und die -Aktualisierung der auf der eGK gespeicherten Daten nach § 291 Abs 1 und 2 SGB V mit den bei der Krankenkasse vorliegenden aktuellen Daten. Die Prüfungspflicht besteht ab dem Zeitpunkt, ab dem die Dienste nach § 291 Abs 2b S 1 SGB V sowie die Anbindung an die Telematik-Infrastruktur zur Verfügung stehen und die Vereinbarungen nach § 291a Abs 7a und 7b SGB V geschlossen sind. (vgl eingehend BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, Rn 21).
Soweit die Antragstellerin die Datensicherheit bezweifelt, begründet auch dies schließlich keine Grundrechtsverletzung (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, aaO). Die Rechtsordnung schützt bereits die betroffenen Daten vor unbefugtem Zugriff Dritter und vor missbräuchlicher Nutzung. So regelt § 291a Abs 6 SGB V neben der Löschung das Gebot technischer Vorkehrungen für Zwecke der Datenschutzkontrolle. Die Norm gebietet, die Protokolldaten durch geeignete Vorkehrungen gegen zweckfremde Verwendung und sonstigen Missbrauch zu schützen (vgl § 291a Abs 6 Satz 5 SGB V). Das BSG, dem sich der Senat angeschlossen hat (Senatsurteil vom 21.06.2016, L 11 KR 2510/15 aaO), hat darauf hingewiesen, dass das Gesetz als institutionelle Sicherung den einbezogenen Verbänden die Pflicht auferlegt, die für die Einführung und Anwendung der eGK, insbesondere des elektronischen Rezeptes und der elektronischen Patientenakte, erforderliche interoperable und kompatible Informations-, Kommunikations- und Sicherheitsinfrastruktur (Telematik-Infrastruktur) zu schaffen (vgl § 291a Abs 7 Satz 1 SGB V). Sie nehmen diese Aufgabe durch eine Gesellschaft für Telematik nach Maßgabe des § 291b SGB V wahr (vgl § 291a Abs 7 S 2 SGB V). Die Rechtsordnung stellt zudem unberechtigte Zugriffe auf die Sozialdaten auf der elektronischen Gesundheitskarte nach § 291a SGB V unter Strafe (§ 307b SGB V). Dies schützt zusammen mit dem Bußgeldtatbestand in § 307 Abs 1 SGB V das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Ungeachtet aller Vorkehrungen trifft den Gesetzgeber eine Beobachtungspflicht, um auf sich künftig zeigende Sicherheitslücken zu reagieren (Senatsurteil vom 21.06.2016, L 11 KR 2510/15 aaO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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