S 28 SO 200/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
28
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 28 SO 200/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 57/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 8/17 BH
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung von lebensunterhaltsichernden Sozialhilfeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch – (SGB XII).

Die im Jahr 1968 geborene Klägerin bezog bis zum August 2008 Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – (SGB II) von der ProArbeit Kreis Offenbach. Ab diesem Zeitpunkt erhielt sie vom Beklagten Leistungen nach dem 3. Kapitel SGB XII.

Der betriebsmedizinische Dienst E. GmbH stellte bei Untersuchungen am 23.02.2010, 14.02.2011 und 16.01.2012 fest, dass die Klägerin weiterhin nicht erwerbsfähig im Sinne des SGB II sei. In seinem letzten Gutachten hält der untersuchende Dr. E. fest, sie leide unter einer psychischen Erkrankung mit depressiver Stimmungslage sowie unter einer schmerzhaften Wirbelsäulenveränderung.

Zuletzt wurden der Klägerin durch Bescheid vom 17.01.2012 Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für den Monat Januar 2012 gewährt. Danach wurden die Leistungen in unveränderter Höhe stillschweigend bis einschließlich August 2012 weitergezahlt.

Bereits im März hatte die Klägerin auf Veranlassung des Beklagten jedoch einen Antrag auf Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII gestellt. Auf ein entsprechendes Ersuchen an die Deutsche Rentenversicherung Hessen antwortete diese mit Schreiben vom 19.07.2012, die Klägerin könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein. Dem lag ein Gutachten des sozialmedizinischen Dienstes vom 12.07.2012 zugrunde, worin die Diagnosen einer Dysthymie, einer schmerzhaften Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule, eines Asthma bronchiale und einer Migräne gestellt wurden. Die Klägerin könne noch sechs Stunden und mehr täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein.

Der Beklagte lehnte daraufhin die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB XII ab September 2012 durch Bescheid vom 31.07.2012 ab. Die Klägerin sei erwerbsfähig und daher dem Kreis der Leistungsberechtigten nach dem SGB II zuzuordnen.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 07.08.2012 Widerspruch ein. Zur Begründung reichte sie eine Bescheinigung des Trauma- und Opferzentrums B-Stadt e.V. vom 29.02.2012 ein, worin die Psychotherapeutin Dr. F. ihr attestiert, dass von einer baldigen Arbeitsfähigkeit nicht auszugehen sei. Weiter legte sie ein entsprechendes Attest ihres Hausarztes Dr. G. vom 09.08.2012 vor. Der Widerspruch wurde jedoch durch Bescheid vom 04.09.2012 zurückgewiesen. Der Beklagte sieht sich darin an die Einschätzung der DRV Hessen gebunden.

Die Klägerin hat am 04.10.2012 Klage beim Sozialgericht Darmstadt erhoben.

Sie trägt vor, sie sei aufgrund massiver gesundheitlicher Einschränkungen nicht in der Lage, auch nur annähernd mindestens drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Dies ergebe sich insbesondere aus ihren psychiatrischen Leiden, die mangels Therapieplatz bislang noch nicht ausreichend hätten behandelt werden können. Sie hat insbesondere verschiedene Berichte des Hausarztes Dr. G. vorgelegt, der ihr eine posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen und eine somatoforme Schmerzstörung attestiert. Ebenfalls hat sie einen Bericht der Psychiaterin Dr. F. vom 12.11.2012 eingereicht, die ihr aufgrund der vorgenannten Leiden "bis auf weiteres keine Leistungsfähigkeit" bescheinigt.

Das Gericht hat Befundberichte beim Trauma- und Opferzentrum B-Stadt vom 20.03.2013, bei Dr. F. vom 30.04.2013 und bei dem Chirurgen Dr. M. vom 26.04.2013 eingeholt. Das Gericht hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens der Frau Dr. C. vom 30.09.2013. Die Sachverständige hat eine Agoraphobie mit Panikstörung, eine Dysthymie sowie eine auffällige Persönlichkeitsstruktur festgestellt. Es bestehe jedoch noch ein Leistungsvermögen der Klägerin von zumindest sechs Stunden arbeitstäglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Die Klägerin beanstandet das Gutachten der Sachverständigen in vielfacher Hinsicht. Insofern wird wegen der Einzelheiten auf dem Schriftsatz vom 18.03.2014 Bezug genommen.

Sie beantragt,
den Bescheid vom 31.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr weiterhin Leistungen der Sozialhilfe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie wiederholt im Wesentlichen die in den Bescheiden gegebene Begründung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Leistungsakte der Klägerin beim Beklagten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann gemäß § 105 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da der Sachverhalt geklärt ist und die Sache keine wesentlichen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid vom 31.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf (Weiter-) Gewährung von Leistungen nach dem 3. oder 4. Kapitel SGB XII.

Nach § 21 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch SGB XII als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Erwerbsfähig nach dem SGB II ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II).

Vorliegend ist nach den Feststellungen im Gerichtsverfahren davon auszugehen, dass die Klägerin erwerbsfähig im o.g. Sinne ist. Dabei stützt sich das Gericht in erster Linie auf das neurologisch-psychiatrische Gutachten der Sachverständigen Frau Dr. C. vom 30.09.2013. Das Gutachten ist nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Die erhobenen Befunde werden nachvollziehbar dargelegt und hieraus die sozialmedizinische Bewertungen überzeugend hergeleitet. Die Gutachterin hat die vorherigen medizinischen Unterlagen in ihrem Gutachten verwertet und bei der Feststellung und Beurteilung des Restleistungsvermögens der Klägerin berücksichtigt.

Das Gericht sieht insbesondere keine Notwendigkeit, wegen der von der Klägerseite gerügten Mängel eine weitere Begutachtung zu veranlassen. Die von der Klägerin geltend gemachten Fehler in der Sachverhaltswiedergabe durch die Sachverständige sind bereits ihrer Art nach nicht dazu geeignet, sich auf die Einschätzung des Leistungsvermögens auszuwirken. Auch ist es aus Sicht des Gerichts nicht zu beanstanden, wenn im Rahmen der Beurteilung des Restleistungsvermögens die Beschwerdeschilderung der Klägerin mit einbezogen wird, solange diese Schilderung nicht die eigenständige Beurteilung durch die Sachverständige ersetzt, was hier nicht der Fall ist. Die genaue Bezeichnung des Programmes, an der die Klägerin zur Bewältigung ihrer psychischen Leiden teilnehmen will, erscheint ebenfalls nicht ergebnisrelevant. Auch kann das Gericht nicht erkennen, woraus sich eine mangelnde Neutralität der Sachverständigen ergeben sollte. Die Ausführungen der Sachverständigen machen auf das Gericht einen ausgesprochen sachlichen Eindruck, auch wenn die Inhalte für die Klägerin verständlicherweise nicht immer erfreulich sein mögen. Einen Befangenheitsantrag gegen die Sachverständige hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch nicht gestellt. Die angewandten Untersuchungsmethoden (strukturiertes Interview, d2-Test) ergeben sich direkt aus dem Gutachten. Eine Abklärung des Geruchsvermögens der Klägerin erscheint verzichtbar, da sich eine Leistungseinschränkung in ihrem Fall offensichtlich nur aus psychiatrischen Beeinträchtigungen ergeben konnte. Ob bei der Klägerin eine "auffällige Persönlichkeitsstruktur" vorliegt, ist letztlich unerheblich, da hieraus ohnehin keine Aufhebung des Leistungsvermögens abgeleitet wird. Das Gericht kann schließlich die Ausführungen der Sachverständigen, wonach der Anlass für eine posttraumatische Belastungsstörung unklar ist und deshalb keine dahingehende Diagnose gestellt werden könne, durchaus nachvollziehen.

Die von der Klägerin eingereichten Berichte ihres Hausarztes sowie der behandelnden Psychiaterin Dr. F. und des Trauma- und Opferzentrums widerlegen das Gerichtsgutachten nicht. Zwar wird dort von einer Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit bzw. Aufhebung des Leistungsvermögens gesprochen. Jedoch wird nicht hinreichend dargelegt, aus welcher Symptomatik dies konkret folgen soll. Auch bleibt danach unklar, ob die Klägerin nicht zumindest in der Lage wäre, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im zeitlichen Umfang von mindestens drei Stunden täglich zu verrichten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Das zulässige Rechtsmittel der Berufung ergibt sich aus § 105 Abs. 2 i.V.m. § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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