Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 887/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 2539/17 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Juni 2017 abgeändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 13. März 2017 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 30. September 2017 vorläufig den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Bei dem 1981 geborenen Antragsteller rumänischer Staatsangehörigkeit, der vom 03.12.2012 bis 01.09.2013 in S. Bad C. als wohnhaft gemeldet war, sich dann wieder in Rumänien aufhielt, anschließend ab dem 16.02.2015 in verschiedenen Städten in und um S. gemeldet war und ab dem 05.12.2012 bis zur vollständigen Aufgabe am 15.07.2015 ein Einzelunternehmen (Montage und Demontage, Trockenbau) als Gewerbe in S. angemeldet hatte, wurde im Mai 2015 ein nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom diagnostiziert mit einem Befall des linken Unterlappens, der Pleura und des Gehirns. Am 23.09.2015 nahm er ein Arbeitsverhältnis bei der Reinigungsfirma A. (Inhaberin C. R. T.) in R. mit einer Arbeitszeit von max. 20 Stunden wöchentlich auf. Mit Schreiben vom 06.05.2016 kündigte die Firma A. das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 06.06.2016. Die zuständige Krankenkasse gewährte dem Antragsteller für den Zeitraum vom 09.06. bis 15.08.2016 Krankengeld.
Am 25.07.2016 stellte der Antragsteller erstmals einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld II (Alg II). Zu diesem Zeitpunkt bewohnte der Antragsteller ein möbliertes Zimmer mit einer Warmmiete inklusive aller Nebenkosten und Strom in Höhe von 500 EUR. Der Antragsgegner bewilligte ihm daraufhin mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 28.10.2016 Alg II ab Juli 2016 bis einschließlich Dezember 2016. Die Vorläufigkeit wurde auf unklare Kosten der Unterkunft (KdU) gestützt.
Den Weiterbewilligungsantrag aus Januar 2017 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 06.03.2017 unter Verweis auf § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II im Hinblick auf ein fehlendes Aufenthaltsrecht ab. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein mit der Begründung, er sei seit April 2014 in Deutschland, habe bis März 2016 gearbeitet und sei dann schwer erkrankt. Zurzeit müsse er eine Chemotherapie machen, habe von seiner Vermieterin die Kündigung bekommen, weil er seine Miete nicht mehr habe bezahlen können, und habe weder eine Krankenversicherung noch überhaupt etwas zum Leben. Nachdem der Antragsteller einen Arztbericht der behandelnden Oberärztin des K., Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin, Dr. H. vom 20.03. 2017 sowie eine Auskunft aus der Gewerbedatei vorgelegt und der Antragsgegner eine telefonische Auskunft des Einwohnermeldeamts Bad C. eingeholt hatte, wies letzterer mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2017 den Widerspruch des Antragstellers mit der bereits zuvor abgegebenen Begründung zurück. Ergänzend hat der Antragsgegner angeführt, Nachweise über eine Beschäftigung bis März 2016 habe der Antragsteller nicht vorgelegt. Bei der persönlichen Vorsprache in der Widerspruchsstelle mit seiner Schwester habe diese erklärt, dass ihr Bruder selbstständig gewesen sei. Jedoch habe er keine Unterlagen hierüber, da sich diese alle beim Steuerberater befinden. Dieser sei vom Zoll kontrolliert worden und alle Unterlagen, die sich dort befunden hätten, seien vom Zoll beschlagnahmt worden. Der Name des Steuerberaters habe nicht genannt werden können. Die aus dem Schreiben des Gewerbeamtes in S. hervorgehende Selbstständigkeit habe vom 05.12.2012 bis 15.07.2015 bestanden, doch habe sich der Antragsteller zumindest in der Zeit vom 01.09.2013 bis 15.02.2015 nicht in Deutschland aufgehalten. Somit sei die selbstständige Tätigkeit allenfalls in der Zeit vom 05.12.2012 bis 31.08.2013 sowie vom 16.02.2015 bis 15.07.2015 tatsächlich ausgeübt worden. Diese Zeiträume seien getrennt zu betrachten, und keiner habe über ein Jahr gedauert. Daher bleibe nach Aufgabe des Gewerbes der Status als Selbstständiger nur für weitere sechs Monate nach § 2 Abs. 3 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) erhalten. Es ergebe sich daher allein ein Aufenthaltsrecht als Arbeitssuchender, sofern der Antragsteller hierzu aufgrund seiner Krebserkrankung überhaupt in der Lage sei. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sei daher zu Recht abgelehnt worden.
Hiergegen hat der Antragsteller am 13.03.2017 beim Sozialgericht Stuttgart (S 20 AS 1226/17 ER) einstweiligen Rechtsschutz beantragt mit der Begründung, seit April 2014 bis März 2016 habe er in Deutschland als Küchenhilfe in der Königsbaupassage gearbeitet. Wegen seines Lungenkrebses habe er danach nicht mehr arbeiten können, sondern sich einer Chemotherapie unterziehen und auch wegen Krebses im Kopf operieren lassen müssen. Er habe bei der Firma A. bis März 2016 gearbeitet. Danach sei er krank geworden und im Krankenhaus gewesen. Er habe aber keine Unterlagen mehr und könne auch keine bekommen. Der Steuerberater habe sich wegen Steuerhinterziehung in die Türkei abgesetzt. Die übrig gebliebenen Schriftstücke befänden sich beim Zollamt in S. Er sei dort gewesen, habe sie aber nicht bekommen. Inzwischen habe er seine Wohnung verloren, weil er keine Miete zahle. Er wohne daher vorläufig bei seiner Schwester. In Rumänien habe er niemanden mehr, er könne seine Behandlung nicht weiterführen und wegen seiner Krankheit auch nicht arbeiten.
Dieses Verfahren ist mit Beschluss vom 22.03.2017 an das zuständige Sozialgericht Heilbronn (SG) verwiesen worden.
Gleichzeitig hat der Antragsteller am 03.04.2017 Klage gegen den Ablehnungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2017 beim SG erhoben (S 5 AS 1069/17).
Mit Beschluss vom 19.06.2017 hat das SG den Antrag abgelehnt mit der Begründung, ein Anspruch sei nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II in der ab 29.12.2016 gültigen Fassung ausgeschlossen. Der Antragsteller könne sich nicht auf einen weiterhin bestehenden Arbeitnehmer- bzw. Selbstständigenstatus gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügigG/EU) stützen. Er habe auch keinen Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfe wegen § 23 Abs. 3 S. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Im Übrigen sei auch keine Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht, weil der Antragsteller inzwischen bei seiner Schwester wohne.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller am 30.06.2017 Beschwerde beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er sei sehr verzweifelt, wohne vorläufig bei seiner Schwester, müsse von Almosen von Freunden und Bekannten leben. Das Schlimmste sei, dass er keine Krankenversicherung mehr habe und seine Behandlung nicht mehr fortsetzen könne und auch über kein Geld für Medikamente verfüge. In Rumänien habe er keine Verwandten und überhaupt gar nichts mehr.
Der Antragsteller beantragt (sachdienlich gefasst),
den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Juni 2017 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Arbeitslosengeld II in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hat auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses sowie auf den erstinstanzlichen Vortrag verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet, da dem Antragsteller vorläufig Leistungen nach dem SGB II zustehen.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d.h. der durch die Anordnung zu sichernde, in der Sache gegebene und im Hauptsacheverfahren geltend gemachte materielle Leistungsanspruch) als auch ein Anordnungsgrund (d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile und somit der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert werden muss) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund einer summarischen Prüfung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (BVerfG, Beschluss vom 02.05.2005, 1 BvR 569/05, Juris). Allerdings sind die an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.10.2005, L 7 SO 3804/05 ER-B unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG; Juris). Ein Anordnungsanspruch ist dabei glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und deshalb der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde. Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den Antragsteller ohne die Möglichkeit weiteren Zuwartens erforderlich ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hält der Senat einen Anspruch auf vorläufige Fortzahlung von SGB II - Leistungen für gegeben.
Allerdings ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller grundsätzlich als Ausländer bereits nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a bzw. nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II in der Fassung vom 22.12.2016, die ab 29.12. 2016 gültig ist, von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 b) SGB II sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthalt sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und deren Familienangehörige von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. Nicht ausgeschlossen sind demnach bereits alle EU-Bürger, bei denen ein anderer oder noch ein weiterer Grund nach § 2 FreizügG/EU oder ein sonstiges Aufenthaltsrecht, insbesondere nach dem begrenzt subsidiär anwendbaren Aufenthaltsgesetz, vorliegen (vgl. Spellbrink/G. Becker in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 7 Rn. 43; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 30.01.2013, B 4 AS 54/12 R, Rn. 23, Juris).
Ein solches Aufenthaltsrecht ist vorliegend nicht glaubhaft gemacht worden.
§ 2 Abs. 1 bis 3 FreizügG/EU bestimmt Folgendes:
(1) Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes.
(2) Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind:
1. Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen,
1a. Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden,
2. Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbstständige Erwerbstätige),
3. Unionsbürger, die, ohne sich niederzulassen, als selbstständige Erwerbstätige Dienstleistungen im Sinne des Artikels 57 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union erbringen wollen (Erbringer von Dienstleistungen), wenn sie zur Erbringung der Dienstleistung berechtigt sind,
4. Unionsbürger als Empfänger von Dienstleistungen,
5. nicht erwerbstätige Unionsbürger unter den Voraussetzungen des § 4,
6. Familienangehörige unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4,
7. Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben.
(3) Das Recht nach Absatz 1 bleibt für Arbeitnehmer und selbstständig Erwerbstätige unberührt bei
1.vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall,
2.unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbstständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbstständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit,
3.Aufnahme einer Berufsausbildung, wenn zwischen der Ausbildung und der früheren Erwerbstätigkeit ein Zusammenhang besteht; der Zusammenhang ist nicht erforderlich, wenn der Unionsbürger seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren hat.
Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht aus Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt.
Bezüglich der Beschäftigung bei der Firma A. lässt sich der Akte entnehmen, dass dieses am 23.09.2015 begann. Gehaltsabrechnungen sind trotz Anfrage durch das SG nur für die Monate September und Oktober 2015 eingereicht worden. Zur Beendigung hat der Antragsteller zum einen vorgetragen, ab März 2016 wegen seiner Krebserkrankung nicht mehr beschäftigt gewesen zu sein, zum anderen liegt ein Kündigungsschreiben mit Wirkung zum 06.06.2016 vor. Indes kann hier offenbleiben, ob das Beschäftigungsverhältnis nur bis Oktober 2015 oder aber März bzw. Juni 2016 gedauert hat, da es jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum, für den hier Leistungen begehrt werden, nicht mehr bestand. Ein Aufenthaltsrecht gemäß § 2 Abs. 2 Ziffer 1 FreizügG/EU vermag es daher nicht zu begründen.
Ebenso wenig lässt sich ein Aufenthaltsrecht auf § 2 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 2 FreizügG/EU stützen. Zwar spricht viel dafür, dass die eingetretene Arbeitslosigkeit unfreiwillig war, doch fehlt es an einer entsprechenden Bestätigung durch die zuständige Agentur für Arbeit und hat die Beschäftigung auch nicht mehr als ein Jahr gedauert, so dass § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU nicht einschlägig ist. § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU, wonach bei unfreiwilliger, durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung das Recht aus Abs. 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt bleibt, hilft dem Antragsteller hier nicht weiter, da er vorliegend keine Leistungen für die sechs Monate nach Aufgabe seiner Beschäftigung begehrt, sondern für einen erheblich späteren Zeitraum.
Auch § 2 Abs. 3 Ziffer 1 FreizügG/EU, wonach vorübergehende Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall das Aufenthaltsrecht unberührt lassen, ist vorliegend nicht erfüllt. Zwar ergibt sich aus dem Arztbericht der Dr. H. vom 20.03.2017, dass der Antragsteller im Mai 2015 an einem Lungenkarzinom erkrankte und damit auch ein Befall des linken Unterlappens, der Pleura sowie des Gehirns verbunden war. Der Antragsteller wurde daraufhin an der Lunge operiert und mittels Chemotherapie behandelt. Im März 2016 erfolgte eine vollständige Resektion der Hirnmetastase. Indes hat sich der Gesundheitszustand aktuell (Stand 16.03.2017) erheblich gebessert. Als aktueller Remissionsstand ist in dem Arztbericht eine komplette Remission erwähnt. Der Antragsteller zeigte zu diesem Zeitpunkt ein gutes Befinden und keine relevanten Beschwerden. Der Allgemeinzustand war gut, der Ernährungszustand schlank, der Untersuchungsbefund für Herz, Lunge, Abdomen unauffällig. Insofern kann der Senat Anzeichen für eine vorübergehende Erwerbsminderung im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 1 FreizügG/EU nicht erkennen.
Auch aus der selbstständigen Tätigkeit des Antragstellers lässt sich kein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 2 Ziffer 2 FreizügG/EU herleiten. Offenbleiben kann an dieser Stelle, ob der Antragsteller tatsächlich selbstständig tätig war. Diesbezüglich liegt lediglich die Gewerbeanmeldung vor, die aber naturgemäß keine Auskunft darüber erteilen kann, ob das angemeldete Gewerbe tatsächlich ausgeübt wurde und die allein als formaler Akt nicht ausreicht (s. hierzu nur BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R). Dies zeigt sich bereits daran, dass das Gewerbe durchgängig von 05.12.2012 bis 15.07.2015 angemeldet war, obwohl der Antragsteller sich tatsächlich ab 01.09.2013 bis 15.02.2015 in Rumänien aufhielt und daher nicht gleichzeitig in Deutschland selbstständig tätig gewesen sein kann. Hierauf kommt es indes nicht an, da jedenfalls die selbstständige Tätigkeit nicht länger als ein Jahr ausgeübt wurde. Die beiden Zeitabschnitte der selbstständigen Tätigkeit (zehn Monate vom 05.12.2012 bis 01.09.2013 sowie fünf Monate vom 16.02. bis 15.07.2015) sind hierbei getrennt zu betrachten. Zwar ist umstritten, ob eine selbstständige Tätigkeit lückenlos über ein Jahr verrichtet worden sein muss oder aber ob kurze Lücken zwischen verschiedenen Tätigkeiten unschädlich sind (siehe hierzu Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, Stand 16.06.2017, § 7 Rdnr. 99.12 und 99.18 m.w.N.). Jedenfalls aber dürfen die Lücken in der Selbständigkeit ebenso wie in einer Beschäftigung nicht so groß sein, dass nicht mehr von einer zusammenhängenden Eingliederung in den Arbeitsmarkt bzw. ins Wirtschaftsleben gesprochen werden kann und der Arbeitnehmer/Selbständige bei Aufnahme der zweiten Beschäftigung/selbständigen Tätigkeit gleichsam wieder von vorne beginnt mit seiner Integration. Insofern mögen wenige Tage oder Wochen Unterbrechung unschädlich sein, nicht jedoch ein Zeitraum von wie hier eineinhalb Jahren (s. hierzu Terminbericht des BSG vom 13.07.2017 zum Verfahren B 4 AS17/16, worin das BSG einen Zeitraum von nur 2 Wochen noch als von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU erfasst angesehen hat).
Vorliegend können auch nicht die selbstständige Tätigkeit des Antragstellers sowie das Beschäftigungsverhältnis zusammengerechnet werden. Zwar wird die Ansicht vertreten, dass dies grundsätzlich möglich ist (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 20.06.2016, L 16 AS 284/16 B unter Verweis auf Oberhäuser, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 2 FreizügG/EU Rn. 38, Juris), doch liegt hier zwischen Abmeldung der selbstständigen Tätigkeit und Aufnahme der Beschäftigung eine Lücke von über 2 Monaten, die einer Zusammenrechnung entgegenstehen.
Aus § 2 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 2 FreizügG/EU folgt daher kein weiteres Aufenthaltsrecht. Nicht geklärt werden muss daher an dieser Stelle, wie weit solch ein weiteres Aufenthalt reichen würde (Statuserhalt bis 2 Jahre, vgl. Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2015, § 2 FreizügG/EU Rdnr. 107 ff m.w.N). Mangels Anhaltspunkten hinsichtlich eines auf anderen Vorschriften beruhenden Aufenthaltsrechtes des Antragstellers besteht somit grundsätzlich ein Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II.
Allerdings besteht bei summarischer Prüfung ein Anspruch des Antragstellers auf Alg II-Leistungen aus § 41a Abs. 7 S. 1 Nr. 1 SGB II gegenüber dem Antragsgegner (s. hierzu und zum Folgenden ausführlich LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.04.2017, L 1 AS 854/17 ER-B; zur Anwendbarkeit s. a. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16.02.2017, L 8 SO 344/16 B ER, beide in Juris). Nach § 41a Abs. 7 S. 1 SGB II kann über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen vorläufig entschieden werden, wenn die Vereinbarkeit einer Vorschrift dieses Buches, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesverfassungsgericht oder dem Gerichtshof der Europäischen Union ist (Nr. 1) oder eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Gegenstand eines Verfahrens beim Bundessozialgericht (Nr. 2) ist. Vorliegend ist die Frage, ob der Ausschluss von Leistungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der bis zum 28.12.2016 gültigen Fassung mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar ist, aufgrund des Vorlagebeschlusses des SG Mainz vom 18.04.2016 (S 3 AS 149/16) Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht (1 BvL 4/16). Da sich § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II durch die ab 29.12.2016 geltende Neuregelung nur durch Einfügung der Buchstaben a) und c) geändert und im Übrigen identisch geblieben ist, betrifft eine Entscheidung des BVerfG auch die hier streitgegenständliche Fassung des § 7 SGB II.
Zwar vermittelt § 41a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II keinen unmittelbaren Anspruch auf vorläufige Leistungen, sondern stellt deren Gewährung in das Ermessen des Antragsgegners, doch geht der Senat nach summarischer Prüfung im Eilverfahren von einer Ermessensreduzierung auf Null aus (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, a.a.O. m.w.N.):
Wie oben dargelegt, bestand beim Antragsteller eine Krebserkrankung, die sich von der Lunge bis ins Hirn ausgebreitet hat. Auch wenn sich diese Erkrankung derzeit erfreulicherweise in kompletter Remission befindet, wird die Therapie mit Crizotinib aktuell noch fortgesetzt, wie sich dem erwähnten Arztbericht vom 20.03.2017 entnehmen lässt. Dieser Arzneistoff dient der Behandlung einer bestimmten Form des Bronchialkarzinoms und ist zur Behandlung der fortgeschrittenen Stadien einer speziellen Unterform des Bronchialkarzinoms zugelassen (s. hierzu www.wikipedia.de zu Crizotinib). Monatliche Laborkontrollen sollten beibehalten werden, eine Bildgebung mit cMRT und CT-Thorax bis Becken war in 3-4 Monaten geplant. Hieraus lässt sich schließen, dass die Behandlung des Antragstellers keinesfalls abgeschlossen ist, sondern neben einer weiteren medikamentösen Therapie auch noch eine engmaschige Überwachung des Patienten aus ärztlicher Sicht notwendig ist. Es ist zumindest zweifelhaft, ob dem Antragsteller eine solche Behandlung und Therapie auch in seinem Herkunftsland Rumänien zur Verfügung stünde. Auch wenn dem Senat bei der gebotenen summarischen Prüfung eine abschließende Beurteilung des rumänischen Gesundheitssystems nicht möglich ist, zeigt doch bereits eine Internetrecherche gravierende Mängel desselben auf, die u.a. mit einer chronischen Unterversorgung mit Medikamenten einhergehen (s. hierzu nur http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/welt bilder/Rumaenien-Gesundheitssystem-vor-dem-Kollaps-,weltbilder5582.html). Auch bestehen Zweifel, ob sich der Antragsteller, der nach seinen glaubhaften Angaben in Rumänien keine Verwandten mehr hat, überhaupt eine Krankenversicherung leisten könnte (s. hierzu http://www.deutschlandfunk.de/sozialkliniken-in-rumaenien-tropfen-auf-den-heissen-stein. 795.de.html?dram:article id=365314).
Zwar sieht § 7 Abs. 2 SGB II keine Härtefallregelung vor, allerdings ist im Eilverfahren ein Anspruch auf vorläufige Leistungen gemäß § 41 a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II glaubhaft gemacht. Der Senat nimmt aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine Ermessensreduzierung auf Null an. Dieser (vorläufige) Anspruch schließt einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII aus (vgl. § 21 SGB XII).
Zweifel an der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers hat der Senat, wie oben dargelegt, nach summarischer Prüfung nicht. Auch die übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 7 Abs. 1, §§ 8 und 9 SGB II erfüllt der Antragsteller.
Bezüglich der Höhe der Leistungen ist auszuführen, dass ein Anspruch auf Übernahme der KdU nicht glaubhaft gemacht wurde, da der Antragsteller bei seiner Schwester wohnt und nicht vorgetragen wurde, dass er sich an der Miete beteiligen muss. Wann dieser Umzug aus der eigenen Wohnung in die Wohnung der Schwester erfolgt ist bzw. wie lange das Mietverhältnis mit der ehemaligen Vermieterin des Antragstellers noch fortbestand, lässt sich den Unterlagen nicht eindeutig entnehmen, so dass auch ein vorläufiger Anspruch auf Übernahme der KdU für die Zeit vor dem Umzug nicht glaubhaft gemacht worden ist. Der Antrag war somit diesbezüglich abzuweisen.
Dem Antragsteller war der Regelbedarf ab Eingang des Eilverfahrens beim SG (s. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 86 b Rdnr. 35 a m.w.N.) vorläufig zuzusprechen. Für die Zeit davor fehlt es am Anordnungsgrund, zumal der Antragsteller seine Wohnung bereits verloren hat und eine nachträgliche Zahlung der Miete daher nicht mehr eilbedürftig ist. Die zeitliche Begrenzung der einstweiligen Anordnung steht, da es sich um das "Wie" der Entscheidung handelt, im Ermessen des Gerichts. Da der Anspruch hier auf § 41 a Abs. 7 SGB II gestützt wird, besteht zwar grundsätzlich nur ein Anspruch auf vorläufige Leistungsgewährung für einen Zeitraum von 6 Monaten (§ 41 Abs. 3 Satz 2 Ziffer 1 SGB II), d.h. bis einschließlich Juni 2017. Dieser Zeitraum liegt indes bereits in der Vergangenheit, so dass der Senat eine Leistungsverurteilung zunächst bis Ende September 2017 für sachdienlich hält.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Der Antragsgegner trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Bei dem 1981 geborenen Antragsteller rumänischer Staatsangehörigkeit, der vom 03.12.2012 bis 01.09.2013 in S. Bad C. als wohnhaft gemeldet war, sich dann wieder in Rumänien aufhielt, anschließend ab dem 16.02.2015 in verschiedenen Städten in und um S. gemeldet war und ab dem 05.12.2012 bis zur vollständigen Aufgabe am 15.07.2015 ein Einzelunternehmen (Montage und Demontage, Trockenbau) als Gewerbe in S. angemeldet hatte, wurde im Mai 2015 ein nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom diagnostiziert mit einem Befall des linken Unterlappens, der Pleura und des Gehirns. Am 23.09.2015 nahm er ein Arbeitsverhältnis bei der Reinigungsfirma A. (Inhaberin C. R. T.) in R. mit einer Arbeitszeit von max. 20 Stunden wöchentlich auf. Mit Schreiben vom 06.05.2016 kündigte die Firma A. das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 06.06.2016. Die zuständige Krankenkasse gewährte dem Antragsteller für den Zeitraum vom 09.06. bis 15.08.2016 Krankengeld.
Am 25.07.2016 stellte der Antragsteller erstmals einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld II (Alg II). Zu diesem Zeitpunkt bewohnte der Antragsteller ein möbliertes Zimmer mit einer Warmmiete inklusive aller Nebenkosten und Strom in Höhe von 500 EUR. Der Antragsgegner bewilligte ihm daraufhin mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 28.10.2016 Alg II ab Juli 2016 bis einschließlich Dezember 2016. Die Vorläufigkeit wurde auf unklare Kosten der Unterkunft (KdU) gestützt.
Den Weiterbewilligungsantrag aus Januar 2017 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 06.03.2017 unter Verweis auf § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II im Hinblick auf ein fehlendes Aufenthaltsrecht ab. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein mit der Begründung, er sei seit April 2014 in Deutschland, habe bis März 2016 gearbeitet und sei dann schwer erkrankt. Zurzeit müsse er eine Chemotherapie machen, habe von seiner Vermieterin die Kündigung bekommen, weil er seine Miete nicht mehr habe bezahlen können, und habe weder eine Krankenversicherung noch überhaupt etwas zum Leben. Nachdem der Antragsteller einen Arztbericht der behandelnden Oberärztin des K., Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin, Dr. H. vom 20.03. 2017 sowie eine Auskunft aus der Gewerbedatei vorgelegt und der Antragsgegner eine telefonische Auskunft des Einwohnermeldeamts Bad C. eingeholt hatte, wies letzterer mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2017 den Widerspruch des Antragstellers mit der bereits zuvor abgegebenen Begründung zurück. Ergänzend hat der Antragsgegner angeführt, Nachweise über eine Beschäftigung bis März 2016 habe der Antragsteller nicht vorgelegt. Bei der persönlichen Vorsprache in der Widerspruchsstelle mit seiner Schwester habe diese erklärt, dass ihr Bruder selbstständig gewesen sei. Jedoch habe er keine Unterlagen hierüber, da sich diese alle beim Steuerberater befinden. Dieser sei vom Zoll kontrolliert worden und alle Unterlagen, die sich dort befunden hätten, seien vom Zoll beschlagnahmt worden. Der Name des Steuerberaters habe nicht genannt werden können. Die aus dem Schreiben des Gewerbeamtes in S. hervorgehende Selbstständigkeit habe vom 05.12.2012 bis 15.07.2015 bestanden, doch habe sich der Antragsteller zumindest in der Zeit vom 01.09.2013 bis 15.02.2015 nicht in Deutschland aufgehalten. Somit sei die selbstständige Tätigkeit allenfalls in der Zeit vom 05.12.2012 bis 31.08.2013 sowie vom 16.02.2015 bis 15.07.2015 tatsächlich ausgeübt worden. Diese Zeiträume seien getrennt zu betrachten, und keiner habe über ein Jahr gedauert. Daher bleibe nach Aufgabe des Gewerbes der Status als Selbstständiger nur für weitere sechs Monate nach § 2 Abs. 3 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) erhalten. Es ergebe sich daher allein ein Aufenthaltsrecht als Arbeitssuchender, sofern der Antragsteller hierzu aufgrund seiner Krebserkrankung überhaupt in der Lage sei. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sei daher zu Recht abgelehnt worden.
Hiergegen hat der Antragsteller am 13.03.2017 beim Sozialgericht Stuttgart (S 20 AS 1226/17 ER) einstweiligen Rechtsschutz beantragt mit der Begründung, seit April 2014 bis März 2016 habe er in Deutschland als Küchenhilfe in der Königsbaupassage gearbeitet. Wegen seines Lungenkrebses habe er danach nicht mehr arbeiten können, sondern sich einer Chemotherapie unterziehen und auch wegen Krebses im Kopf operieren lassen müssen. Er habe bei der Firma A. bis März 2016 gearbeitet. Danach sei er krank geworden und im Krankenhaus gewesen. Er habe aber keine Unterlagen mehr und könne auch keine bekommen. Der Steuerberater habe sich wegen Steuerhinterziehung in die Türkei abgesetzt. Die übrig gebliebenen Schriftstücke befänden sich beim Zollamt in S. Er sei dort gewesen, habe sie aber nicht bekommen. Inzwischen habe er seine Wohnung verloren, weil er keine Miete zahle. Er wohne daher vorläufig bei seiner Schwester. In Rumänien habe er niemanden mehr, er könne seine Behandlung nicht weiterführen und wegen seiner Krankheit auch nicht arbeiten.
Dieses Verfahren ist mit Beschluss vom 22.03.2017 an das zuständige Sozialgericht Heilbronn (SG) verwiesen worden.
Gleichzeitig hat der Antragsteller am 03.04.2017 Klage gegen den Ablehnungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2017 beim SG erhoben (S 5 AS 1069/17).
Mit Beschluss vom 19.06.2017 hat das SG den Antrag abgelehnt mit der Begründung, ein Anspruch sei nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II in der ab 29.12.2016 gültigen Fassung ausgeschlossen. Der Antragsteller könne sich nicht auf einen weiterhin bestehenden Arbeitnehmer- bzw. Selbstständigenstatus gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügigG/EU) stützen. Er habe auch keinen Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfe wegen § 23 Abs. 3 S. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Im Übrigen sei auch keine Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht, weil der Antragsteller inzwischen bei seiner Schwester wohne.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller am 30.06.2017 Beschwerde beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er sei sehr verzweifelt, wohne vorläufig bei seiner Schwester, müsse von Almosen von Freunden und Bekannten leben. Das Schlimmste sei, dass er keine Krankenversicherung mehr habe und seine Behandlung nicht mehr fortsetzen könne und auch über kein Geld für Medikamente verfüge. In Rumänien habe er keine Verwandten und überhaupt gar nichts mehr.
Der Antragsteller beantragt (sachdienlich gefasst),
den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Juni 2017 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Arbeitslosengeld II in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hat auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses sowie auf den erstinstanzlichen Vortrag verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet, da dem Antragsteller vorläufig Leistungen nach dem SGB II zustehen.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d.h. der durch die Anordnung zu sichernde, in der Sache gegebene und im Hauptsacheverfahren geltend gemachte materielle Leistungsanspruch) als auch ein Anordnungsgrund (d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile und somit der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert werden muss) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund einer summarischen Prüfung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (BVerfG, Beschluss vom 02.05.2005, 1 BvR 569/05, Juris). Allerdings sind die an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.10.2005, L 7 SO 3804/05 ER-B unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG; Juris). Ein Anordnungsanspruch ist dabei glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und deshalb der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde. Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den Antragsteller ohne die Möglichkeit weiteren Zuwartens erforderlich ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hält der Senat einen Anspruch auf vorläufige Fortzahlung von SGB II - Leistungen für gegeben.
Allerdings ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller grundsätzlich als Ausländer bereits nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a bzw. nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II in der Fassung vom 22.12.2016, die ab 29.12. 2016 gültig ist, von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 b) SGB II sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthalt sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und deren Familienangehörige von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. Nicht ausgeschlossen sind demnach bereits alle EU-Bürger, bei denen ein anderer oder noch ein weiterer Grund nach § 2 FreizügG/EU oder ein sonstiges Aufenthaltsrecht, insbesondere nach dem begrenzt subsidiär anwendbaren Aufenthaltsgesetz, vorliegen (vgl. Spellbrink/G. Becker in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 7 Rn. 43; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 30.01.2013, B 4 AS 54/12 R, Rn. 23, Juris).
Ein solches Aufenthaltsrecht ist vorliegend nicht glaubhaft gemacht worden.
§ 2 Abs. 1 bis 3 FreizügG/EU bestimmt Folgendes:
(1) Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes.
(2) Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind:
1. Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen,
1a. Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden,
2. Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbstständige Erwerbstätige),
3. Unionsbürger, die, ohne sich niederzulassen, als selbstständige Erwerbstätige Dienstleistungen im Sinne des Artikels 57 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union erbringen wollen (Erbringer von Dienstleistungen), wenn sie zur Erbringung der Dienstleistung berechtigt sind,
4. Unionsbürger als Empfänger von Dienstleistungen,
5. nicht erwerbstätige Unionsbürger unter den Voraussetzungen des § 4,
6. Familienangehörige unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4,
7. Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben.
(3) Das Recht nach Absatz 1 bleibt für Arbeitnehmer und selbstständig Erwerbstätige unberührt bei
1.vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall,
2.unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbstständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbstständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit,
3.Aufnahme einer Berufsausbildung, wenn zwischen der Ausbildung und der früheren Erwerbstätigkeit ein Zusammenhang besteht; der Zusammenhang ist nicht erforderlich, wenn der Unionsbürger seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren hat.
Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht aus Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt.
Bezüglich der Beschäftigung bei der Firma A. lässt sich der Akte entnehmen, dass dieses am 23.09.2015 begann. Gehaltsabrechnungen sind trotz Anfrage durch das SG nur für die Monate September und Oktober 2015 eingereicht worden. Zur Beendigung hat der Antragsteller zum einen vorgetragen, ab März 2016 wegen seiner Krebserkrankung nicht mehr beschäftigt gewesen zu sein, zum anderen liegt ein Kündigungsschreiben mit Wirkung zum 06.06.2016 vor. Indes kann hier offenbleiben, ob das Beschäftigungsverhältnis nur bis Oktober 2015 oder aber März bzw. Juni 2016 gedauert hat, da es jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum, für den hier Leistungen begehrt werden, nicht mehr bestand. Ein Aufenthaltsrecht gemäß § 2 Abs. 2 Ziffer 1 FreizügG/EU vermag es daher nicht zu begründen.
Ebenso wenig lässt sich ein Aufenthaltsrecht auf § 2 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 2 FreizügG/EU stützen. Zwar spricht viel dafür, dass die eingetretene Arbeitslosigkeit unfreiwillig war, doch fehlt es an einer entsprechenden Bestätigung durch die zuständige Agentur für Arbeit und hat die Beschäftigung auch nicht mehr als ein Jahr gedauert, so dass § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU nicht einschlägig ist. § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU, wonach bei unfreiwilliger, durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung das Recht aus Abs. 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt bleibt, hilft dem Antragsteller hier nicht weiter, da er vorliegend keine Leistungen für die sechs Monate nach Aufgabe seiner Beschäftigung begehrt, sondern für einen erheblich späteren Zeitraum.
Auch § 2 Abs. 3 Ziffer 1 FreizügG/EU, wonach vorübergehende Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall das Aufenthaltsrecht unberührt lassen, ist vorliegend nicht erfüllt. Zwar ergibt sich aus dem Arztbericht der Dr. H. vom 20.03.2017, dass der Antragsteller im Mai 2015 an einem Lungenkarzinom erkrankte und damit auch ein Befall des linken Unterlappens, der Pleura sowie des Gehirns verbunden war. Der Antragsteller wurde daraufhin an der Lunge operiert und mittels Chemotherapie behandelt. Im März 2016 erfolgte eine vollständige Resektion der Hirnmetastase. Indes hat sich der Gesundheitszustand aktuell (Stand 16.03.2017) erheblich gebessert. Als aktueller Remissionsstand ist in dem Arztbericht eine komplette Remission erwähnt. Der Antragsteller zeigte zu diesem Zeitpunkt ein gutes Befinden und keine relevanten Beschwerden. Der Allgemeinzustand war gut, der Ernährungszustand schlank, der Untersuchungsbefund für Herz, Lunge, Abdomen unauffällig. Insofern kann der Senat Anzeichen für eine vorübergehende Erwerbsminderung im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 1 FreizügG/EU nicht erkennen.
Auch aus der selbstständigen Tätigkeit des Antragstellers lässt sich kein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 2 Ziffer 2 FreizügG/EU herleiten. Offenbleiben kann an dieser Stelle, ob der Antragsteller tatsächlich selbstständig tätig war. Diesbezüglich liegt lediglich die Gewerbeanmeldung vor, die aber naturgemäß keine Auskunft darüber erteilen kann, ob das angemeldete Gewerbe tatsächlich ausgeübt wurde und die allein als formaler Akt nicht ausreicht (s. hierzu nur BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R). Dies zeigt sich bereits daran, dass das Gewerbe durchgängig von 05.12.2012 bis 15.07.2015 angemeldet war, obwohl der Antragsteller sich tatsächlich ab 01.09.2013 bis 15.02.2015 in Rumänien aufhielt und daher nicht gleichzeitig in Deutschland selbstständig tätig gewesen sein kann. Hierauf kommt es indes nicht an, da jedenfalls die selbstständige Tätigkeit nicht länger als ein Jahr ausgeübt wurde. Die beiden Zeitabschnitte der selbstständigen Tätigkeit (zehn Monate vom 05.12.2012 bis 01.09.2013 sowie fünf Monate vom 16.02. bis 15.07.2015) sind hierbei getrennt zu betrachten. Zwar ist umstritten, ob eine selbstständige Tätigkeit lückenlos über ein Jahr verrichtet worden sein muss oder aber ob kurze Lücken zwischen verschiedenen Tätigkeiten unschädlich sind (siehe hierzu Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, Stand 16.06.2017, § 7 Rdnr. 99.12 und 99.18 m.w.N.). Jedenfalls aber dürfen die Lücken in der Selbständigkeit ebenso wie in einer Beschäftigung nicht so groß sein, dass nicht mehr von einer zusammenhängenden Eingliederung in den Arbeitsmarkt bzw. ins Wirtschaftsleben gesprochen werden kann und der Arbeitnehmer/Selbständige bei Aufnahme der zweiten Beschäftigung/selbständigen Tätigkeit gleichsam wieder von vorne beginnt mit seiner Integration. Insofern mögen wenige Tage oder Wochen Unterbrechung unschädlich sein, nicht jedoch ein Zeitraum von wie hier eineinhalb Jahren (s. hierzu Terminbericht des BSG vom 13.07.2017 zum Verfahren B 4 AS17/16, worin das BSG einen Zeitraum von nur 2 Wochen noch als von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU erfasst angesehen hat).
Vorliegend können auch nicht die selbstständige Tätigkeit des Antragstellers sowie das Beschäftigungsverhältnis zusammengerechnet werden. Zwar wird die Ansicht vertreten, dass dies grundsätzlich möglich ist (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 20.06.2016, L 16 AS 284/16 B unter Verweis auf Oberhäuser, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 2 FreizügG/EU Rn. 38, Juris), doch liegt hier zwischen Abmeldung der selbstständigen Tätigkeit und Aufnahme der Beschäftigung eine Lücke von über 2 Monaten, die einer Zusammenrechnung entgegenstehen.
Aus § 2 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 2 FreizügG/EU folgt daher kein weiteres Aufenthaltsrecht. Nicht geklärt werden muss daher an dieser Stelle, wie weit solch ein weiteres Aufenthalt reichen würde (Statuserhalt bis 2 Jahre, vgl. Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2015, § 2 FreizügG/EU Rdnr. 107 ff m.w.N). Mangels Anhaltspunkten hinsichtlich eines auf anderen Vorschriften beruhenden Aufenthaltsrechtes des Antragstellers besteht somit grundsätzlich ein Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II.
Allerdings besteht bei summarischer Prüfung ein Anspruch des Antragstellers auf Alg II-Leistungen aus § 41a Abs. 7 S. 1 Nr. 1 SGB II gegenüber dem Antragsgegner (s. hierzu und zum Folgenden ausführlich LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.04.2017, L 1 AS 854/17 ER-B; zur Anwendbarkeit s. a. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 16.02.2017, L 8 SO 344/16 B ER, beide in Juris). Nach § 41a Abs. 7 S. 1 SGB II kann über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen vorläufig entschieden werden, wenn die Vereinbarkeit einer Vorschrift dieses Buches, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesverfassungsgericht oder dem Gerichtshof der Europäischen Union ist (Nr. 1) oder eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Gegenstand eines Verfahrens beim Bundessozialgericht (Nr. 2) ist. Vorliegend ist die Frage, ob der Ausschluss von Leistungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der bis zum 28.12.2016 gültigen Fassung mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar ist, aufgrund des Vorlagebeschlusses des SG Mainz vom 18.04.2016 (S 3 AS 149/16) Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht (1 BvL 4/16). Da sich § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II durch die ab 29.12.2016 geltende Neuregelung nur durch Einfügung der Buchstaben a) und c) geändert und im Übrigen identisch geblieben ist, betrifft eine Entscheidung des BVerfG auch die hier streitgegenständliche Fassung des § 7 SGB II.
Zwar vermittelt § 41a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II keinen unmittelbaren Anspruch auf vorläufige Leistungen, sondern stellt deren Gewährung in das Ermessen des Antragsgegners, doch geht der Senat nach summarischer Prüfung im Eilverfahren von einer Ermessensreduzierung auf Null aus (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, a.a.O. m.w.N.):
Wie oben dargelegt, bestand beim Antragsteller eine Krebserkrankung, die sich von der Lunge bis ins Hirn ausgebreitet hat. Auch wenn sich diese Erkrankung derzeit erfreulicherweise in kompletter Remission befindet, wird die Therapie mit Crizotinib aktuell noch fortgesetzt, wie sich dem erwähnten Arztbericht vom 20.03.2017 entnehmen lässt. Dieser Arzneistoff dient der Behandlung einer bestimmten Form des Bronchialkarzinoms und ist zur Behandlung der fortgeschrittenen Stadien einer speziellen Unterform des Bronchialkarzinoms zugelassen (s. hierzu www.wikipedia.de zu Crizotinib). Monatliche Laborkontrollen sollten beibehalten werden, eine Bildgebung mit cMRT und CT-Thorax bis Becken war in 3-4 Monaten geplant. Hieraus lässt sich schließen, dass die Behandlung des Antragstellers keinesfalls abgeschlossen ist, sondern neben einer weiteren medikamentösen Therapie auch noch eine engmaschige Überwachung des Patienten aus ärztlicher Sicht notwendig ist. Es ist zumindest zweifelhaft, ob dem Antragsteller eine solche Behandlung und Therapie auch in seinem Herkunftsland Rumänien zur Verfügung stünde. Auch wenn dem Senat bei der gebotenen summarischen Prüfung eine abschließende Beurteilung des rumänischen Gesundheitssystems nicht möglich ist, zeigt doch bereits eine Internetrecherche gravierende Mängel desselben auf, die u.a. mit einer chronischen Unterversorgung mit Medikamenten einhergehen (s. hierzu nur http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/welt bilder/Rumaenien-Gesundheitssystem-vor-dem-Kollaps-,weltbilder5582.html). Auch bestehen Zweifel, ob sich der Antragsteller, der nach seinen glaubhaften Angaben in Rumänien keine Verwandten mehr hat, überhaupt eine Krankenversicherung leisten könnte (s. hierzu http://www.deutschlandfunk.de/sozialkliniken-in-rumaenien-tropfen-auf-den-heissen-stein. 795.de.html?dram:article id=365314).
Zwar sieht § 7 Abs. 2 SGB II keine Härtefallregelung vor, allerdings ist im Eilverfahren ein Anspruch auf vorläufige Leistungen gemäß § 41 a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II glaubhaft gemacht. Der Senat nimmt aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine Ermessensreduzierung auf Null an. Dieser (vorläufige) Anspruch schließt einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII aus (vgl. § 21 SGB XII).
Zweifel an der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers hat der Senat, wie oben dargelegt, nach summarischer Prüfung nicht. Auch die übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 7 Abs. 1, §§ 8 und 9 SGB II erfüllt der Antragsteller.
Bezüglich der Höhe der Leistungen ist auszuführen, dass ein Anspruch auf Übernahme der KdU nicht glaubhaft gemacht wurde, da der Antragsteller bei seiner Schwester wohnt und nicht vorgetragen wurde, dass er sich an der Miete beteiligen muss. Wann dieser Umzug aus der eigenen Wohnung in die Wohnung der Schwester erfolgt ist bzw. wie lange das Mietverhältnis mit der ehemaligen Vermieterin des Antragstellers noch fortbestand, lässt sich den Unterlagen nicht eindeutig entnehmen, so dass auch ein vorläufiger Anspruch auf Übernahme der KdU für die Zeit vor dem Umzug nicht glaubhaft gemacht worden ist. Der Antrag war somit diesbezüglich abzuweisen.
Dem Antragsteller war der Regelbedarf ab Eingang des Eilverfahrens beim SG (s. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 86 b Rdnr. 35 a m.w.N.) vorläufig zuzusprechen. Für die Zeit davor fehlt es am Anordnungsgrund, zumal der Antragsteller seine Wohnung bereits verloren hat und eine nachträgliche Zahlung der Miete daher nicht mehr eilbedürftig ist. Die zeitliche Begrenzung der einstweiligen Anordnung steht, da es sich um das "Wie" der Entscheidung handelt, im Ermessen des Gerichts. Da der Anspruch hier auf § 41 a Abs. 7 SGB II gestützt wird, besteht zwar grundsätzlich nur ein Anspruch auf vorläufige Leistungsgewährung für einen Zeitraum von 6 Monaten (§ 41 Abs. 3 Satz 2 Ziffer 1 SGB II), d.h. bis einschließlich Juni 2017. Dieser Zeitraum liegt indes bereits in der Vergangenheit, so dass der Senat eine Leistungsverurteilung zunächst bis Ende September 2017 für sachdienlich hält.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved