L 8 R 682/15 B KO

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 9 SF 320/15 E
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 R 682/15 B KO
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein schriftlicher Vergleich im Sinne von Nr. 3106 Satz 1 Nr. 1 VV RVG ist nur ein gerichtlicher Vergleich nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG oder ein solcher nach § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO, sofern der in der Hauptsache zuständige Richter diese Regelung nach Einführung des § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG weiterhin für anwendbar hält.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 1. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

II. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung einer im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) in einem sozialgerichtlichen Verfahren beigeordneten Rechtsanwältin.

Der Kläger führte, anwaltlich vertreten durch die Beschwerdeführerin, vor dem Sächsischen Landessozialgericht (LSG) das Berufungsverfahren L 5 R 716/14. Seine auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gerichtete Klage hatte das Sozialgericht (SG) mit Gerichtsbescheid vom 08.08.2014 abgewiesen. Im Berufungsverfahren holte das LSG Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie ergänzende Stellungnahmen des erstinstanzlich beauftragten Gutachters ein und bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 22.10.2014 PKH unter Beiordnung der Beschwerdeführerin. Nach Auswertung der medizinischen Unterlagen gab die Beklagte mit Schriftsatz vom 11.12.2014 ein Vergleichsangebot zur Beendigung des Rechtsstreites ab. Ziffer 4 des Vergleichsvorschlags sah hierbei vor, dass die Beteiligten den Rechtsstreit in vollem Umfang für erledigt erklären. Der Kläger erklärte mit Schriftsatz vom 07.01.2015 die Annahme dieses Vergleichsangebotes.

Mit Schriftsatz vom 09.01.2015 beantragte die Beschwerdeführerin, ihre aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) und dessen Vergütungsverzeichnis (VV RVG) für das Berufungsverfahren L 5 R 716/14 wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr (Nr. 3204 VV RVG) 370,00 EUR Terminsgebühr (Nr. 3205 VV RVG) schriftlicher Vergleich 277,50 EUR Einigungsgebühr (Nr. 1006 VV RVG) 370,00 EUR Zwischensumme 1.017,50 EUR Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR Zwischensumme netto 1.037,50 EUR Mehrwertsteuer 19,00 % 197,13 EUR Gebühren brutto 1.234,63 EUR abzüglich Zahlungen der Staatskasse -464,10 EUR Erstattungsbetrag Staatskasse 770,53 EUR

Mit Verfügung vom 04.03.2015 setzte die Urkundsbeamtin des SG die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen für das Berufungsverfahren wie folgt fest:

Verfahrensgebühr (Nr. 3204 VV RVG) 370,00 EUR Vergleichsgebühr (Nr. 1006 VV RVG) 370,00 EUR Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR insgesamt 760,00 EUR 19 % Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 144,40 EUR Gesamtsumme 904,40 EUR abzüglich Vorschuss Staatskasse (Festsetzung vom 04.11.2014) -464,10 EUR Auszahlungsbetrag 440,30 EUR

Die zur Festsetzung beantragte Terminsgebühr sei nicht entstanden. Zwar verweise Nr. 3205 VV RVG auf Nr. 3106 Nr. 1 VV RVG. Dessen Voraussetzungen, nämlich der Abschluss eines schriftlichen Vergleichs, lägen indes nicht vor. Welche Bedingungen ein schriftlicher Vergleich zu erfüllen habe, um eine (fiktive) Terminsgebühr zu verdienen, regele § 101 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Seien diese Anforderungen – wie hier – nicht erfüllt, handele es sich nicht um einen Prozessvergleich, sondern um einen außergerichtlichen Vergleich, der keine fiktive Terminsgebühr auslöse.

Gegen die Absetzung der Terminsgebühr wandte sich die Beschwerdeführerin im Wege der Erinnerung. Nr. 3205 i.V.m. Nr. 3106 Nr. 1 RVG verlange den Abschluss eines schriftlichen Vergleichs. Ein solcher liege hier vor, insbesondere sei das Formerfordernis des § 126 BGB erfüllt.

Der Beschwerdegegner ist der Erinnerung entgegengetreten.

Mit Beschluss vom 01.07.2015 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Eine (fiktive) Terminsgebühr sei nicht entstanden. Das Verfahren sei durch übereinstimmende Erledigungserklärung (Ziffer 4 des Vergleichs) beendet worden. Ein schriftlicher Vergleich im Sinne der Nr. 3106 Nr. 1 RVG liege nur dann vor, wenn die Beteiligten dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiteten oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annähmen und das Gericht das Zustandekommen und den Inhalt eines so geschlossenen Vergleichs durch Beschluss feststelle (§ 278 Abs. 6 Zivilprozessordnung [ZPO]) oder wenn die Beteiligten einen in Form eines Beschusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters schriftlich gegenüber dem Gericht annähmen (§ 101 Abs. 1 Satz 2 SGG). Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Vielmehr hätten die Beteiligten vorliegend einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen, in welchem übereinstimmende Erledigungserklärungen enthalten gewesen seien, die zur Beendigung des Verfahrens geführt hätten.

Gegen den am 07.07.2015 zugestellten Beschluss des SG richtet sich die Beschwerde vom 21.07.2015, mit welcher die Beschwerdeführerin ihr Begehren aus dem Erinnerungsverfahren weiterverfolgt. Erforderlich für die Entstehung der fiktiven Terminsgebühr sei ein schriftlicher, kein gerichtlicher Vergleich. Auch ein außergerichtlicher Vergleich mit nachfolgender Erledigungserklärung erfülle diese Voraussetzungen. Insbesondere sei auch eine Feststellung des Zustandekommens durch gerichtlichen Beschluss (§ 278 Abs. 6 ZPO) nicht erforderlich.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten des Vergütungsfestsetzungsverfahrens sowie die Akten des LSG-Verfahrens Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde, über die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit der Senat entscheidet (§ 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG), hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

Die Höhe der anwaltlichen Vergütung richtet sich gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG nach den Bestimmungen des VV RVG, wobei in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen – wie hier – das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG). Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen.

Dies zugrunde legend besteht vorliegend kein Anspruch auf Festsetzung höherer Gebühren.

Die Verfahrensgebühr (Nr. 3204 VV RVG) und die Einigungsgebühr (Nr. 1006 VV RVG) wurden antragsgemäß festgesetzt.

Die darüber hinaus zur Festsetzung beantragte Terminsgebühr (Nr. 3205 VV RVG) ist nicht entstanden. Zwar verweist Nr. 3205 VV RVG hinsichtlich der Entstehung einer fiktiven Terminsgebühr bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs auf Nr. 3106 Nr. 1 RVG. Ein schriftlicher Vergleich im Sinne dieser Vorschrift liegt jedoch nicht vor.

Ein schriftlicher Vergleich im Sinne der Nr. 3106 Nr. 1 RVG ist nur ein gerichtlicher Vergleich nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG (in der ab 25.10.2013 geltenden Fassung) oder – sofern man diese Regelung nach Einführung des § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG überhaupt weiterhin für anwendbar hält (befürwortend: Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 101 RdNr. 9; Hauck in: Hennig, SGG, Stand: September 2016, § 101 RdNr. 6; Müller in: NZS 2014, 166, 167; ablehnend: Roller in: Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl. 2017, § 101 RdNr. 11; Schütz, Anmerkung vom 02.03.2017 zu Bayerisches LSG, Beschluss vom 29.11.2016 – L 15 SF 97/16 E – juris) – ein solcher nach § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO. Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte, dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck der Gebührenziffer (Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.03.2015 – L 9 AL 277/14 B – juris und Beschluss vom 04.01.2016 – L 10 SB 57/15 B – juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 22.05.2015 – L 15 SF 115/14 E – juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20.07.2015 – L 7/14 AS 64/14 B – juris; Straßfeld in: SGb 2013, 562, 566).

Mit der Neufassung der Nr. 3106 Nr. 1 VV RVG durch das 2. Kostenrechts-modernisierungsgesetz sollte eine Angleichung an Nr. 3104 Nr. 1 VV RVG erfolgen (BT-Drs. 17/11471, S. 275 zu Nr. 29 Buchst. a Doppelbuchst. aa).

Nach der ganz überwiegenden Rechtsprechung zu dieser Vorschrift ist ein schriftlicher Vergleich nur ein solcher, der nach § 278 Abs. 6 ZPO oder § 106 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) unter konstitutiver Mitwirkung des Gerichts geschlossen wird (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.03.2015 – L 9 AL 277/14 B – juris RdNr. 19 m.w.N.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20.07.2015 – L 7/14 AS 64/14 B – juris RdNr. 19 m.w.N.). Es ist davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber diese herrschende Praxis bekannt war und er diese in die Neufassung der Nr. 3106 Nr. 1 VV RVG übernehmen wollte.

Zudem macht die Verwendung des Terminus "Vergleich" in Nr. 3104 Nr. 1 VV RVG und Nr. 3106 Nr. 1 VV RVG deutlich, dass es um einen bereits seiner äußeren Form nach als Vergleich erkennbaren Prozessvergleich gehen soll. Dies ergibt sich aus Nr. 1000 VV RVG und deren Entstehungsgeschichte. In dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber bewusst das Kriterium des gegenseitigen Nachgebens und damit eines Vergleichs im Sinne von § 779 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufgegeben, um den unter der Geltung des früheren § 23 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) häufig ausgetragenen Streit darüber, welche Abrede noch und welche nicht mehr als gegenseitiges Nachgeben zu werten ist, zu vermeiden. Würde in Nr. 3104 Nr. 1 VV RVG und Nr. 3106 Nr. 1 VV RVG jeder außergerichtliche Vergleich eine fiktive Terminsgebühr auslösen, würde der Streit über die Frage, ob die Anforderungen des § 779 BGB erfüllt sind, den der Gesetzgeber bei der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG gerade vermeiden wollte, bei der Terminsgebühr wieder aufflammen, wodurch das Anliegen des Gesetzgebers konterkariert würde (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.03.2015 – L 9 AL 277/14 B – juris RdNr. 19 f.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20.07.2015 – L 7/14 AS 64/14 B – juris RdNr. 21; Bayerisches LSG, Beschluss vom 22.05.2015 – L 15 SF 115/14 E – juris RdNr. 29; Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 23.06.2008 – 14 KE 227.06, 14 V 29.05 – juris RdNr. 6).

Ergänzend zeigt das Erfordernis der "Schriftlichkeit", dass nur Vergleiche nach § 278 Abs. 6 ZPO, § 106 Satz 2 VwGO und § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG gemeint sein können. In diesen Vorschriften wird gleichfalls die Schriftlichkeit des Vergleichsvorschlags bzw. seiner Annahme betont. Dies legt nahe, dass nur die in diesen Vorschriften geregelten "schriftlichen" Prozessvergleiche eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3104 Nr. 1 VV RVG und Nr. 3106 Nr. 1 VV RVG auslösen können. Es wäre für die Beteiligten eines Gerichtsverfahrens eine überflüssige, weil auf eine Selbstverständlichkeit bezogene Forderung, wenn die geforderte "Schriftlichkeit" auch außergerichtlich durch Einhaltung der einfachen Schriftform erfüllbar wäre (LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O. RdNr. 21; LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O. RdrNr. 21).

Schließlich entspricht die Beschränkung auf Vergleiche nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG und ggf. – sofern der sachlich zuständige Richter § 278 Abs. 6 ZPO weiterhin für anwendbar hält (zur diesbezüglich gebotenen Bindungswirkung im kostenrechtlichen Verfahren siehe Schütz, Anmerkung vom 02.03.2017 zu Bayerisches LSG, Beschluss vom 29.11.2016 – L 15 SF 97/16 E – juris) – § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO auch dem Sinn und Zweck von Nr. 3104 Nr. 1 und Nr. 3106 Nr. 1 VV RVG. Dieser besteht nicht etwa darin, einen Anreiz dafür zu setzen, dass der Rechtsanwalt auf eine gütliche Einigung hinwirkt. Diesen Zweck verfolgen allein die Nrn. 1000 ff. VV RVG. Die fiktive Terminsgebühr dient dazu, dem Anwalt das gebührenrechtliche Interesse an der Durchführung eines Termins in den Fällen zu nehmen, in denen das Gericht von den im Prozessrecht vorgesehenen Möglichkeiten Gebrauch machen will, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung zu beenden (BT-Drs. 17/11471, S. 275 zu Nr. 28 Buchst. a und S. 276 zu Nr. 29 Buchst. a Doppelbuchst. dd). Der Anwalt soll keinen Gebührennachteil dadurch erleiden, dass durch eine in der Hand des Gerichts liegende Verfahrensgestaltung auf eine mündliche Verhandlung verzichtet wird (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.09.2007 – VI ZB 53/06 – juris). Besonders deutlich wird dies durch die Änderungen der Nr. 3104 Nr. 2 und der Nr. 3106 Nr. 2 VV RVG durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz, wonach die fiktive Terminsgebühr bei Entscheidung durch Gerichtsbescheid nur noch entsteht, wenn mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Dementsprechend setzen sowohl Nr. 3104 VV RVG als auch Nr. 3106 VV RVG ein Handeln des Gerichts voraus, das auf die Vermeidung einer mündlichen Verhandlung gerichtet ist, nämlich die erklärte Absicht einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Von daher ist es folgerichtig, die Regelungen der Nrn. 3104 und 3106 VV RVG auf § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG und (ggf.) § 278 Abs. 6 ZPO zu beschränken. Nur in diesen Fällen ist die Mitwirkung des Gerichts für die vergleichsweise Beendigung des Rechtsstreits und damit für die Entbehrlichkeit der mündlichen Verhandlung konstitutiv. In § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG geht die Initiative für die vergleichsweise Beendigung vom Gericht aus, das einen Vergleichsvorschlag in Form eines Beschlusses unterbreitet. Der Ansatz einer fiktiven Terminsgebühr soll dem Anwalt in diesen Fällen das Interesse daran nehmen, auf einer mündlichen Verhandlung zu bestehen, damit in dieser dann ein zu protokollierender Prozessvergleich geschlossen werden kann. Einigen sich die Beteiligten ohne konstitutive Mitwirkung des Gerichts durch außergerichtlichen Vergleich, verzichten sie selbst aus freien Stücken ohne entsprechende gerichtliche Veranlassung auf eine mündliche Verhandlung. In diesen Fällen bedarf es keines gebührenrechtlichen Anreizes zur Vermeidung einer mündlichen Verhandlung, weil die Beteiligten diese ohnehin nicht durchführen wollen. Das Bestreben, den Rechtsstreit unstreitig zu beenden, wird bereits durch den Ansatz einer Einigungsgebühr nach den Nrn. 1000 ff. VV RVG hinreichend honoriert (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.03.2015 – L 9 AL 277/14 B – juris RdNr. 23; Bayerisches LSG, Beschluss vom 22.05.2015 – L 15 SF 115/14 E – juris RdNr. 31). Damit besteht keine Notwendigkeit mehr für die Gewährung einer fiktiven Terminsgebühr, weil die Steuerungswirkung der fiktiven Terminsgebühr nicht benötigt wird. Lediglich in den Fällen, in denen die Beteiligten einen gerichtlichen Vergleich wünschen, zum Beispiel um einen vollstreckbaren Titel zu erhalten, ist die fiktive Terminsgebühr als Steuerungsinstrument erforderlich. Durch die Zusprechung der fiktiven Terminsgebühr auch bei Abschluss des gerichtlichen Vergleichs im schriftlichen Verfahren nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG , § 106 Satz 2 VwGO und § 278 Abs. 6 ZPO wird dem Rechtsanwalt der Anreiz genommen, allein zwecks Protokollierung des Vergleichs in die mündliche Verhandlung zu gehen. Nur in diesem Fall erscheint die fiktive Terminsgebühr zur Schonung der gerichtlichen Ressourcen geboten und angemessen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20.07.2015 – L 7/14 AS 64/14 B –juris RdNr. 24).

Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG). Sie ist nicht weiter anfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

Schurigt Fissenewert Fischer
Rechtskraft
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