Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 359/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 22/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 29. Januar 2014 geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch über eine Honorarrückforderung in Höhe von 12.068,43 EUR gegenüber dem Kläger aufgrund einer Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnungen der drei Quartale III/06 bis I/07.
Der Kläger ist seit Oktober 1982 als Arzt/Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Er führte seit 1987 und im streitbefangenen Zeitraum eine Praxisgemeinschaft mit seiner seit Januar 1987 als Ärztin/Fachärztin für Allgemeinmedizin zugelassenen Ehefrau Dr. C. A. Seit dem 1. Oktober 2010 führen sie eine Gemeinschaftspraxis.
In den Quartalen II/06 bis I/07 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers durch Honorarbescheid fest. Die Festsetzungen im Einzelnen ergeben sich aus nachfolgender Übersicht:
Quartal II/06 III/06 IV/06 I/07
Honorarbescheid vom 04.02.2007 17.03.2007 18.04.2007 08.03.2008
Versanddatum 19.03.2007 02.05.2007 11.06.2007 28.08.2007
Nettohonorar gesamt in EUR 42.940,09 40.169,88 50.013,69 45.460,60
Bruttohonorar PK + EK in EUR 42.606,86 39.725,91 49.506,91 44.896,61
Fallzahl PK + EK 925 914 934 959
Fallzahl gesamt 944 938 958 981
Fallzahlbegrenzungsmaßnahme nach Ziff. 5.2.1 HVV (Quote in %) - - - 98,90
Regelleistungsvolumen 645.252,6 649.998,5 652.631,0 646.591,0
Überschreitung in Punkten 72.717,7 91.291,5 199.964,0 229.574.0
Ziff. 7.5 Auffüll-/Kürzungsbetrag pro Fall in EUR - - 2,1043 - 0,7496 -
Die Beklagte forderte den Kläger unter Datum vom 4. März 2010 aufgrund einer Plausibilitätsprüfung der Quartalsabrechnung für die Quartale II/05 bis I/07 zu einer Stellungnahme auf. Sie habe die Honorarabrechnung zusammen mit der Honorarabrechnung der Praxis der Frau Dr. A. einer Plausibilitätsprüfung unterzogen. Es sei analysiert worden, wie viele Patienten von beiden Ärzten gemeinsam behandelt und abgerechnet worden seien. Hierbei habe sie eine Anzahl von gemeinsam abgerechneten Fällen festgestellt, was sie zahlenmäßig in einer Tabelle darstellte. Der Kläger äußerte sich zur Einleitung des Verfahrens nicht. Nach Mitteilung des Klägers, er habe das Schreiben nicht erhalten, übersandte die Beklagte die Schreiben am 4. August 2010 (nach Erlass des Ausgangsbescheids) erneut per Telefax.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 23. Juli 2010 eine Honorarrückforderung i. H. v. insgesamt 17.035,65 EUR netto vor Verwaltungskosten fest. Im Einzelnen entfielen auf die Quartale II/06 bis I/07 folgende Honorarrückforderungen:
Quartal II/06 III/06 IV/06 I/07
Honorar 4.967,22 EUR 2.922,81 EUR 4.321,25 EUR 4.833,37 EUR
Für die Quartale II/05 bis I/06 ergingen beratende Hinweise. Zur Begründung führte sie aus, die Abrechnungen von Ärzten, welche untereinander in einer Praxisgemeinschaft (Berufsausübungsgemeinschaft) verbunden seien, könnten unplausibel sein, wenn bestimmte Grenzwerte des Anteils identischer Patienten überschritten worden seien. Die Anzahl der doppelt abgerechneten Patienten sei ins Verhältnis zur praxiseigenen Patientenzahl zu setzen. Eine Abrechnungsauffälligkeit sei bei 20% Patientenidentität auf die abrechnenden Praxen bezogen - bei versorgungsbereichsidentischen Praxen zu vermuten. Die Berechnungsergebnisse hätten für die Praxen der Praxisgemeinschaft folgende Werte ergeben:
Quartal Fallzahl Kläger Fallzahl Fr. Dr. A. Gemeinsame Patienten Anteil in Prozent Kl. Anteil in Prozent Fr. Dr. A.
II/06 944 737 312 33,1 42,3
III/06 938 626 195 20,8 31,2
IV/06 958 686 236 24,6 34,4
I/07 981 733 298 30,4 40,7
3821 2782 1041
Die nach außen gewählte Rechtsform einer Praxisgemeinschaft müsse auch im Praxisalltag transparent realisiert werden; andernfalls liege ein Gestaltungsmissbrauch vor. Bei einer derart hohen Praxisidentität müsse das Patientenaufkommen koordiniert werden, was wiederum die für eine Gemeinschaftspraxis typische einheitliche Praxisorganisation voraussetze. Eine Vertretung sei nur zulässig, wenn der vertretene Vertragsarzt sich im Urlaub befinde, erkrankt sei oder an einer Fortbildung oder Wehrübung teilnehme. Eine Vertretung liege nur dann vor, wenn der Arzt zumindest einen Tag abwesend sei, so dass die Praxis insgesamt geschlossen bleibe. Von indizieller Bedeutung sei insoweit bereits die ungewöhnlich große und ansteigende Zahl von Vertreterfällen in der Praxis, die nicht annähernd erklärt werden könne. Deshalb sei davon auszugehen, dass der Großteil der Vertreterscheine auf nur stundenweise Abwesenheiten entfalle, die ihre Ursache in der Durchführung von Hausbesuchen, kurzzeitiger Fortbildung, unterschiedlichen Sprechzeiten, "dringenden sonstigen Gründen" oder darin hätten, dass der erstbehandelnde Arzt "schon außer Haus" gewesen sei. Dies zeige sich an diversen Behandlungsfällen, die mit dem Vertreterschein abgerechnet worden seien, deren Diagnose jedoch nicht auf eine akute Notwendigkeit schließen lasse. An diesen Behandlungstagen hätten der Kläger 16:57 Stunden bzw. Frau Dr. A. 11:32 Stunden zeitrelevante Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet. Teilweise finde sich das gleiche Einlesedatum der Versichertenkarte auf den Abrechnungsbelegen. Hierzu werden in dem Bescheid 19 Behandlungsfälle mit dem Behandlungsdatum aufgeführt. Weiter heißt es in dem Bescheid, in diesen Fällen wäre der andere Partner der Praxisgemeinschaft verpflichtet gewesen, die Patienten auf die Rückkehr des erstbehandelnden Arztes (ggf. auch erst am nächsten Werktag) zu verweisen. Die ärztliche Kooperation sei über den üblichen Betrieb einer Praxisgemeinschaft als reine Organisationsgemeinschaft zur Kostenminimierung hinausgegangen: Dies habe zu einer deutlichen Erhöhung der Fallzahlen und damit verbundenen zu einer erheblichen Steigerung des Honorars geführt, ohne dass dies durch die Morbidität der Klientel begründet werden könnte. Bezüglich dieser erhöhten Anzahl an identischen Patienten seien doppelt eingelesene Krankenversichertenkarten, Vertreterfälle gemäß Muster 19 der Vordruckvereinbarung, Notfälle und Überweisungen zur Auftragsleistung dahingehend berücksichtigt worden, dass bei der Berechnung der Honorarkorrektur im Einklang mit der gängigen Sozialgerichtsrechtsprechung 30 % der gemeinsamen Patienten als plausibel eingestuft und daher bei der Korrekturberechnung zu ihren Gunsten berücksichtigt worden sei. Eine so regelhafte gegenseitige Vertretung entspreche der typischen Rechtsform einer Gemeinschaftspraxis. Der prozentuale Anteil an Vertretungsfällen liege hessenweit bei unter 10 %. Es bestehe auch eine Präsenzpflicht, wonach der Arzt innerhalb der angegebenen Sprechstundenzeiten verpflichtet sei, seinen Patienten regelmäßig persönlich zur Verfügung zu stehen. Durch die regelmäßigen gegenseitigen Vertretungen werde den Patienten der Eindruck einer Gemeinschaftspraxis vermittelt. Darin sei ein Missbrauch der Gestaltungsform der Praxisgemeinschaft zu sehen. Sie habe eine Schätzung der Höhe der zu viel erhaltenen Leistungen vorgenommen. Die quartalsbezogen abgegebene Abrechnungssammelerklärung über die ordnungsgemäße und vollständige Erbringung der abgerechneten EBM-Leistungen sei aus den genannten Gründen unrichtig und habe die Rechtswidrigkeit der auf ihr beruhenden Honorarbescheide zur Folge. Die Berichtigung der Honorarabrechnungen habe sie auf der Basis einer stichprobenartigen Überprüfung der gemeinsam abgerechneten Behandlungsfälle vorgenommen und in Form einer Hochrechnung auf den Gesamtkorrekturbedarf geschlossen. Hierbei würden grundsätzlich zunächst die Anzahl der bei der Prüfung festgestellten gemeinsamen Behandlungsfälle um die aufgrund ihrer Urlaubs- und Krankheitsmeldungen zulässigen gemeinsamen Behandlungsfälle reduziert. Im Fachgruppendurchschnitt sei eine gegenseitige Vertretung in einer Größenordnung von unter 10 % der Gesamtfallzahl evident. Die Korrekturhöhe pro Behandlungsfall errechne sich dabei aus dem Nettofalldurchschnittswert aus allen Behandlungsfällen der Praxis, multipliziert mit der Gesamtzahl der implausiblen Behandlungsfälle. Für die Berechnung im Einzelnen verweise sie auf die beigefügte Anlage.
Hiergegen legte der Kläger am 10. August 2010 Widerspruch ein. Er trug vor, er sei vor einer Entscheidung nicht angehört worden. Er versicherte, das Schreiben vom 4. März 2010 nicht erhalten zu haben. Er erreiche nicht die Vorgabe von 20 % gemeinsamer Patienten. Von der Gesamtfallzahl beider Praxen betrage der Satz identischer Patienten 14,87 %, 12,46 %, 14,35 % bzw. 17,38 % in den Quartalen II/06 bis I/07. Eine weitere Überprüfung sei deshalb nach den Vorgaben nicht vorgesehen. Er habe vor Jahren ein Beratungsgespräch bei der Wirtschaftlichkeitsberatung der Beklagten gehabt. Er habe sich mit Frau Dr. A. für das Weiterführen ihrer Praxisgemeinschaft entschieden, weil ihnen gesagt worden sei, dass bis zu 20 % Patientenidentität kein Problem darstelle. Alle Patienten seien jeweils einer Praxis zugeordnet. Überweisungsfälle (kleine Zahl) würden als Überweisungsfälle ausgewiesen werden. Alle Vertretungsfälle seien als solche gekennzeichnet. Eine besondere Kennzeichnung der Notfälle sei nicht vorgenommen worden. Sie führten eine Bestellpraxis. Termine würden immer bei dem den Patienten führenden Hausarzt vergeben werden. Vertretungsfälle seien bei Abwesenheit des anderen Praxisinhabers in folgenden Fällen entstanden: ungeplante Vorstellung des Patienten in der Praxis aus medizinischem Grund, bei telefonischen Anfragen in dringenden Fällen (ohne Ordinationsgebühr), gelegentlich auch bei völliger zeitlicher Überlastung eines Praxisinhabers und doch bestehender Behandlungsbedürftigkeit der Patienten am selben Tag, nachdem die Patienten hätten abgewiesen werden müssen und sie dann die Behandlung durch den anderen Praxisinhaber gewünscht hätten. Andernfalls hätten sie zu einem anderen Arzt oder zum ärztlichen Notdienst gehen müssen. Das Wegschicken der Patienten stelle sich im Praxisalltag als äußerst problematisch dar. Das Hilfspersonal dürfe die Patienten nicht abweisen. Ob es sich um einen Notfall handele, könne erst nach der Konsultation durch den Arzt entschieden werden, da sei aber bereits ein Behandlungsfall eingetreten. Die Diagnose allein sei kein geeignetes Kriterium für die Dringlichkeit der Behandlung. Sprechstundenzeiten würden in der Praxisgemeinschaft von beiden Ärzten weit über das vorgeschriebene Maß hinaus und auch zeitversetzt angeboten werden. Es könne auch vorkommen, dass ein Patient am selben Tag bei beiden Ärzten behandelt werde, z. B. bei Befundverschlechterungen oder bei Rückfragen des Patienten, weil der andere Arzt nicht mehr erreichbar sei. Es komme tatsächlich vor, dass die Versichertenkarte am selben Tag in beiden Praxen eingespielt werde, entweder, weil der Patient sie verspätet vorlege oder weil im Vertretungsfall bereits auf die Weiterbehandlung durch den Hausarzt hingewiesen werde und ein Termin vereinbart werde. Er sei jeden Mittwoch in einem Pflegeheim tätig und führe Hausbesuche durch. Es handele sich um Zeiten, in denen er in seiner Praxis nicht tätig sein könne. Darauf würden die Patienten hingewiesen werden. Dennoch kämen trotzdem stets einige Patienten. Der von der Beklagten ermittelte Anstieg der in beiden Praxen behandelten Patienten sei ihnen nicht bewusst gewesen und sei auch mit ihrer Praxissoftware nicht errechenbar. Er könne sich diesen Anstieg nicht erklären, denn das Verhalten der Praxisgemeinschaftspartner sei seit 1993 unverändert. Von dem Kläger werde mehr Honorar zurückgefordert, als er an Vertretungsfällen überhaupt abgerechnet habe. Er habe in den Quartalen II/06 bis I/07 129, 32, 47 und 80 Vertretungsfälle abgerechnet. Mit Ausnahme des Quartals II/06 seien mehr Vertretungsfälle abgezogen worden, als er abgerechnet habe. Für das Quartal II/06 seien lediglich 20 Vertretungsfälle anerkannt worden. Bei einem Teil der Vertretungsfälle handele es sich um die Behandlung von Kindern, die in der Regel nur wegen akuter Erkrankung vorstellig würden. Seine Vertretungsfälle bewegten sich im statistischen Soll. Die Vertretungsfälle von Frau Dr. A. beinhalteten vor allem Vertretungsfälle während seiner Abwesenheit wegen Hausbesuchen und Visiten im Pflegeheim. Im Quartal III/10 seien für Vertretungsfälle bei seiner Abwesenheit von 3 Tagen bereits ca. 25 Vertretungsfällen für Frau Dr. A. angefallen. Das Quartal hochgerechnet bedeute dies ca. 200 Fälle. Die Honorarrückforderung sei deutlich zu hoch. Die Kürzung gehe weit über die Aufgreifkriterien der Beklagten hinaus. Er und Frau Dr. A. hätten sich jetzt für die Änderung in eine Gemeinschaftspraxis entschieden, da sie keine Möglichkeit sähen, in der Kooperationsform einer Praxisgemeinschaft, frei von Regressandrohungen, weiterarbeiten zu können. Honorarkorrekturen mit vierjähriger Verspätung seien reichlich spät, um betriebswirtschaftliche Entscheidungen zu treffen und könnten unter steuerlichen Aspekten ruinös sein.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2012, zugestellt am 28. Juni 2012, den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Feststellungen im Ausgangsbescheid hätten sich im Widerspruchsverfahren bestätigt. Ein Berechnungswechsel zum Feststellen der Überschreitung der Grenzwerte sei nicht vorgenommen worden. Die Anzahl der vorgenommenen Überweisungen für Leistungen, für die Frau Dr. A. keine Genehmigung besitze, sei bereits im Ausgangsbescheid als plausibel eingestuft worden. In dem als generell plausibel zu bewertenden Anteil von 20 % identischer Patienten seien solche notwendigen Überweisungen bereits enthalten. Die Zahl der Überweisungsscheine sei also nicht der Grund für die Implausibilität, weil diese nur einen prozentual geringen Anteil der Doppelfälle und der Gesamtfälle ausmachten. Eine detaillierte Überprüfung der Abrechnungsdaten zeige, dass die Vertretung trotz Sprechstunde des anderen Partners den Großteil der Vertretungsfälle ausmache. Es handele sich keinesfalls um Tage, an denen der Partner krank gewesen sei oder Urlaub gehabt habe und damit die Praxis ganztätig hätte geschlossen sein müssen. Bezüglich des Klägers führte sie ergänzend aus, die Vertretungen seien auch dann vorgenommen worden, wenn er nur eingeschränkt am Mittwoch Sprechstunde halte. Beispielhaft verwies sie auf zwei Behandlungsfälle am 5. April 2006 und jeweils einen weiteren Behandlungsfall am 12. April 2006 und 21. Juni 2006. Die Abrechnungsdaten belegten, dass es üblich gewesen sei, Patienten des anderen Praxisgemeinschaftspartners auch dann zu behandeln, wenn dieser gerade ein besonders hohes Patientenaufkommen gehabt habe oder nur stundenweise abwesend gewesen sei. Frau Dr. A. sei an allen Kalendertagen im Quartal III/06, an denen der Kläger Patienten von ihr vertretungshalber behandelt habe, selbst für mehrere Stunden in der Praxis tätig gewesen. Zwar lägen die Vertretungen Frau Dr. A. für den Kläger etwa bei 1/3 der Fälle an einem Mittwoch, der Hinweis, dass die Patienten trotz der Abwesenheit des Klägers eine Behandlung wünschten, deute darauf hin, dass den Patienten die Unterschiede zwischen einer Praxisgemeinschaft und einer Berufsausübungsgemeinschaft nicht deutlich erklärt worden sei. Der Kläger habe für den Prüfzeitraum nur einstündige offizielle Sprechstunden je Kalendertag gegenüber der Beklagten gemeldet. Auch in Fällen einer Abwesenheit für einen halben Tag handele es sich nicht - abgesehen von Notfällen - um zulässige Vertretungen. Die Praxisorganisation habe eher einer Berufsausübungsgemeinschaft entsprochen. Es sei auch nicht glaubhaft, dass in jedem Quartal zwischen 195 und 312 Patienten einen wichtigen Grund gehabt hätten, den Hausarzt zu wechseln oder Notfälle gewesen seien. Die Beklagte führte vier bzw. fünf Beispielsfälle für die Mitbehandlung von Patienten durch den Praxispartner am selben Tag auf. Ein Indiz für die fehlende Trennung der Praxen sei, dass die Patientenkartei nicht getrennt geführt worden seien. Bei mehreren Scheinen seien die Krankenversichertenkarten am selben Tag in den Praxen eingelesen worden, ohne dass der Patient an diesem Tag beide Praxen aufgesucht habe. Es wurden jeweils sechs Behandlungsfälle aufgeführt. Es fänden sich auch zahlreiche Behandlungsfälle, in denen die Versichertenkarte am selben Tag in beiden Praxen eingelesen worden sei, die Behandlung durch den vertretenden Arzt jedoch bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt sei. Für die vertretenen doppelten Patienten seien ausnahmslos Notfallscheine (Scheinart 42) oder Überweisungsscheine ausgestellt worden. Dies sei aber nur zulässig, wenn es sich um Notfälle handele. Eine besondere Kennzeichnung von Notfällen sei nicht vorgenommen worden. Die Dringlichkeit der Behandlung aufgrund der Art der Erkrankung könne in diesen Fällen nur sehr eingeschränkt überprüft werden. Mangels Hinweisen auf den Behandlungsscheinen über die akut aufgetretene Krankheit gehe es in diesen Fällen zu den Lasten des Klägers, dass eine Notfallsituation und damit eine ggf. zulässige Vertretung nicht zu erkennen sei. Es fänden sich auch Patienten, für die in beiden Praxen Vertretungsscheine (SUG 42) angelegt worden seien. In den noch streitbefangenen Quartalen befänden sich bei dem Kläger 3, 4, 5 bzw. 7 Fälle und bei Frau Dr. A. 11, 7, 10 bzw. 8 Fälle, in denen Überweisungen vorgenommen worden seien. Soweit Frau Dr. A. Überweisungen zur Sonographie vorgenommen habe, sei dies plausibel. Die Überweisungen des Klägers seien allerdings erforderlich gewesen. Dies gelte auch für einen Teil der Überweisungen der Frau Dr. A. Im Ausgangsbescheid sei ein Sicherheitsabschlag von 30 % der gemeinsam behandelten Fälle zu Grunde gelegt worden, das heißt, dass von den doppelten Fällen 30 % wiederum als plausibel behandelt worden seien. Ferner werde die darüber hinaus verbliebene Anzahl der Fälle hälftig (50 %) auf die Praxisgemeinschaftspartner aufgeteilt, was wiederum eine Begünstigung darstelle. Hintergrund sei, dass Fälle wie doppelt eingelesene Krankenversichertenkarten, Vertreterfälle gemäß Muster 19 der Vordruckvereinbarung, Notfälle und Überweisungen zur Auftragsleistung damit abgegolten seien. Die Berechnung gehe dabei von der Gesamtzahl an Doppelfällen pro Praxis aus, nicht allein von den Vertretungsfällen der Scheingruppe 42. Die berechtigten Doppelfälle seien in einem geringeren Umfang als die tatsächlich abgerechneten Doppelfälle angefallen. Da andererseits gleichzeitig Abrechnungsverstöße in jedem Quartal nachgewiesen seien, seien die Abrechnungen implausibel. Der Kläger habe grob fahrlässig u. a. die Versichertenkarten doppelt eingelesen und Überweisungen innerhalb derselben Fachgruppe vorgenommen. Damit entfalle die Garantiewirkung der Abrechnungssammelerklärung. Der Kläger habe durch die missbräuchliche Nutzung der Praxisgemeinschaft Honorarvorteile erlangt. Die erhöhte Fallzahl der Praxis führe zu Vorteilen bei Budgetierungsregelungen, die den Budgetrahmen anhand der Zahl der Behandlungsfälle berechneten. Hierzu gehörten beispielsweise das Regelleistungsvolumen, Laborkostenbudget und Wirtschaftlichkeitsbonus.
Hiergegen hat der Kläger am Montag, den 30. Juli 2012 Klage beim Sozialgericht Marburg erhoben.
Er verwies auf sein Widerspruchsvorbringen und trug ergänzend vor, es sei in der Vergangenheit aufgrund falscher Beratung durch die Beklagte zu Vertretungsfällen gekommen. Am 11. Februar 2004 hätten Frau Dr. A. und er ein Beratungsgespräch mit einem Berater der Beklagten geführt. Inhalt des Gespräches sei die Fragestellung gewesen, ob man weiter als Praxisgemeinschaft arbeiten soll oder die Praxis in eine Gemeinschaftspraxis geändert werden müsse. Ihnen sei die Auskunft erteilt worden, eine Anzahl von Vertretungsfällen bis zu 20 % sei plausibel und nicht zu beanstanden. Von einer Beschränkung der Vertretungsfälle auf ganztägige Urlaubsvertretungen und ganztägige Praxisschließung wegen Erkrankung sei nie die Rede gewesen. Die Landesärztekammer habe auf Anfrage mitgeteilt, dass ein Vertragsarzt aufgrund seiner Zulassung berechtigt und verpflichtet sei, Kassenpatienten im Rahmen des Sicherstellungsauftrages zu behandeln. Der Vertragsarzt dürfe deren Behandlung nur in begründeten Fällen ablehnen, da er sich sonst einer Verletzung seiner Pflicht als Vertragsarzt schuldig mache. Gegen die nunmehr geäußerte Vorstellung der Beklagten spreche auch die Praxisrealität wie sie üblicherweise gelebt werde. Lange Zeit sei auch unklar gewesen, wann von einem Vertretungsfall auszugehen sei. Der Kläger habe die Abrechnungsgenehmigung für Ultraschall-Untersuchungen, er übe eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle aus und betreue ein Pflegeheim, Frau Dr. A. habe die Abrechnungsgenehmigung für den Bereich Kinderheilkunde, Homöopathie und Allergologie. Ihm fehlten die Unterlagen, die von der Beklagten erstellt werden müssten, um weiter zu den einzelnen Fällen vorzutragen. Bei Prozentsätzen zwischen 20 % und 50 % müssten weitere Anhaltspunkte hinzukommen. Es fehle auch an einem rechtlichen Gehör. Ihm fehle eine Instanz. Er müsse die Rückzahlung der von der Beklagten geforderten Beträge leisten, ohne vorher gehört worden zu sein. § 50 SGB X sei als Rechtsgrundlage nicht anwendbar. In jedem Einzelfall sei eine Leistungserbringung gegeben gewesen. Es sei nicht zu beanstanden, dass in den Praxen Vertretungsfälle entstanden seien. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - betreffe einen anderen Sachverhalt. Für ihn ergäben sich mehr "unplausible Fälle" als er abgerechnet habe. Er habe sich keiner groben Fahrlässigkeit schuldig gemacht. Wenn Versichertenkarten eingelesen würden, geschehe dies durch die Praxishelferinnen. Er habe sich auch auf die Beratung der Beklagten verlassen. Unmittelbar nach Erhalt des Regresses habe er unverzüglich auf eine Gemeinschaftspraxis umgestellt.
Die Beklagte verwies auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden. Ergänzend führte sie aus, ein Anhörungsmangel liege nicht vor. Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung erfasse gerade auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet habe. Dies treffe auch auf Leistungserbringungen in Form einer Praxisgemeinschaft zu, obwohl die ärztliche Tätigkeit tatsächlich wie in einer Gemeinschaftspraxis erfolgt sei. Die gemeinsam behandelten Fälle lägen in den streitgegenständlichen Quartalen über dem in der Richtlinie der KBV der Spitzenverbände der Krankenkassen normierten Prozentsatz von 20 % Patientenidentität bei versorgungsbereichsidentischen Praxen. Auch hinzu kämen weitere Indizien, die sie in dem angefochtenen Bescheiden genannt habe. Der Hinweis des Klägers auf das Beratungsgespräch sei für sie nicht nachzuvollziehen. Die Kooperation des Klägers mit Frau Dr. A. habe in der Form einer anzeigepflichtigen Praxisgemeinschaft bestanden. Insofern müssten sie sich auch den für die Praxisgemeinschaft geltenden Regelungen entsprechend konform verhalten. Das sei hier nicht erfolgt. Besondere Hinweispflichten ihrerseits bestünden nicht. Jeder Arzt sei selbst für seine Abrechnung verantwortlich. Für die Festsetzung des Rückforderungsbetrages komme ihr ein weiteres Schätzungsermessen zu. Aufgrund der unterschiedlichen Fallzahlen komme es auch zu unterschiedlichen Ergebnissen bei den einzelnen anerkannten Quoten. Sie habe jedoch immer beachtet, dass die als plausibel zugestandene Zahl an Patienten über der nach allgemeinen Erfahrungen liegenden Überschneidungsquote bei Praxisgemeinschaften von 3 % bis 5 % lägen bzw. normalerweise bis maximal 15 %. Eine Verletzung des Gebots der Gleichbehandlung liege nicht vor. Der Kläger habe im Verwaltungsverfahren nicht um Akteneinsicht nachgesucht. In diesen Fällen werde jeweils eine teilanonymisierte CD mit den identischen Patienten zur Verfügung gestellt. Der Kläger habe auch zu den im Widerspruchsbescheid angeführten Beispielsfällen Stellung nehmen können oder ihre eigenen Daten auswerten können.
Mit Urteil vom 29. Januar 2014 hat das Sozialgericht der Klage teilweise stattgegeben. Die Klage sei bzgl. der Quartale III/06 bis I/07 begründet. Der angefochtene Bescheid vom 23. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2012 sei insoweit rechtswidrig und aufzuheben. Im Übrigen sei die Klage aber abzuweisen. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids folge aus einer Überschreitung des Kürzungsermessens der Beklagten, insoweit sie dem Kläger in den Quartalen III/06 bis I/07 weniger als 20 % an gemeinsamen Patienten zugestanden habe. Soweit sich der Kläger auf eine fehlende Anhörung vor Erlass des Ausgangsbescheides berufe, führe dies nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X könne die erforderliche Anhörung eines Beteiligten bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Hieraus folge, dass die zunächst unterbliebene Anhörung vor Erlass des Ausgangsbescheides jedenfalls im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden sei. Ferner folge daraus, dass kein Anspruch auf zwei Verwaltungsinstanzen insoweit bestehe, dass bei unterbliebener Anhörung das Ausgangsverfahren vollständig nachzuholen wäre. Insofern handele es sich auch bei einem Widerspruchsverfahren um ein einheitliches Verwaltungsverfahren in Bezug auf das Ausgangsverfahren. Der Kläger habe hinsichtlich seines Widerspruchsvorbringens zur gemeinsamen Behandlung von Patienten im Ergebnis selbst eingeräumt, die Praxen wie eine Gemeinschaftspraxis geführt zu haben, wenn er darauf hinweise, dass das Wegschicken der Patienten sich im Praxisalltag als äußerst problematisch darstelle und letztlich eine "Vertretung" bereits bei Überlastung eines Praxispartners oder auch kurzfristiger Abwesenheit des anderen Praxispartners angenommen worden sei, z. B. weil der andere Praxispartner nicht mehr erreichbar gewesen wäre oder Hausbesuche gemacht habe. Es handele sich bei dieser Form der Vertretung auch nicht um eine Vertretung im Sinne eines "Praxisvertreters" nach § 32 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV, der in der Praxis des Vertretenen für diesen die Patienten behandelt (siehe auch zur Haftung § 14 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä/§ 20 Abs. 2 Satz 1 EKV-Ä). Zutreffend gehe die Beklagte davon aus, dass ein Vertretungsfall nur dann angenommen werden kann, wenn der Vertragsarzt aus einem besonderen Grund "an der Ausübung seiner Praxis verhindert" sei, d. h. nicht nur stundenweise abwesend sei und die Praxis insgesamt geschlossen bleibe (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 8. Juni 2007 - L 3 KA 9/07 ER - juris Rdnr. 31). Bereits nach dem Bundesmantelvertrag im Primärkassenbereich in der bis Juni 2007 geltenden Fassung sei der Vertragsarzt gehalten gewesen, seine Sprechstunden entsprechend dem Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung und den Gegebenheiten seines Praxisbereiches festzusetzen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä). Bei der Verteilung der Sprechstunden auf den einzelnen Tag sollten die Besonderheiten des Praxisbereiches und die Bedürfnisse der Versicherten (z. B. durch Sprechstunden am Abend oder an Samstagen) berücksichtigt werden (§ 17 Abs. 2 BMV-Ä). Der Vertragsarzt sei gehalten, in dem Umfang Sprechstundenzeiten anzubieten, in denen er seine Patienten das gesamte Quartal hindurch behandeln könne und diese nicht gehalten seien, einen "Vertreter" aufzusuchen. Dies folge bereits aus seinen allgemeinen vertragsärztlichen Pflichten (§ 95 Abs. 3 SGB V). Der Vertragsarzt habe die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV). Nur bei Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung könne er sich innerhalb von zwölf Monaten bis zur Dauer von drei Monaten vertreten lassen. Dauere die Vertretung länger als eine Woche, so sei sie der Kassenärztlichen Vereinigung mitzuteilen (§ 32 Abs. 1 Satz 2 und 4 Ärzte-ZV). Eine Gemeinschaftspraxis könne nicht unter Hinweis auf die generelle Vertretungsbefugnis wie eine Praxisgemeinschaft geführt werden; der Vertragsarzt habe in dem Umfang Sprechstundenzeiten anzubieten, in denen er seine Patienten das gesamte Quartal hindurch behandeln könne und diese nicht gehalten seien, einen "Vertreter" aufzusuchen (vgl. SG Marburg, Urteile vom 8. Dezember 2010 S 12 KA 30/10 R - juris Rdnr. 40 ff.; vom 5. Dezember 2012 - S 12 KA 80/12 - a.a.O. Rdnr. 56; vom 8. Mai 2013 - S 12 KA 435/12 - a.a.O. Rdnr. 48). Insofern sei es die klare Aufgabe des Arztes, nicht nur auf die bestehende Kooperationsform der Praxisgemeinschaft hinzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006 - B 6 KA 76/04 R - a.a.O., Rdnr. 19; LSG Bayern, Urteil vom 16. Mai 2007 - L 12 KA 563/04 - juris Rdnr. 34 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschluss vom 17. September 2008 - B 6 KA 65/07 B - BeckRS 2008, 57265)), sondern auch ggf. die Behandlung des Patienten - abgesehen von Notfällen - abzulehnen und auf die bereits begonnene Behandlung durch den Praxisgemeinschaftspartner hinzuweisen und sich im Falle einer Vertretungsbehandlung auf die notwendige, d. h. keinen Aufschub zulassende Behandlung zu beschränken. Speziell für den Fall der hausärztlichen Versorgung, an der beide Ärzte der Praxisgemeinschaft teilnähmen, ergebe sich die Pflicht zur Festlegung auf einen bestimmten Hausarzt zwingend aus § 76 Abs. 3 Satz 2 SGB V. Danach wähle der Versicherte einen Hausarzt. Das Nebeneinander von zwei Hausärzten komme schon begrifflich nicht in Betracht und widerspräche dem Hausarztkonzept, wonach die ärztliche Betreuung und die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen in einer Hand sein sollten (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Nach § 76 Abs. 3 Satz 3 SGB V sei der Arzt verpflichtet, die Versicherten über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung vorab zu informieren und damit auch über die Verpflichtung des Versicherten, einen bestimmten Hausarzt zu wählen. Das hätten der Kläger und seine Praxisgemeinschaftspartnerin nicht oder jedenfalls nicht ausreichend getan. Vielmehr gehe aus den Ausführungen des Klägers hervor, dass aufgrund der von ihnen geschilderten Verhältnisse eine wirkliche Akzeptanz nicht zu erreichen gewesen sei. Das decke sich insofern mit den Feststellungen der Beklagten, dass bei Abwesenheit eines Praxispartners die Praxis des abwesenden Partners im Wesentlichen von dem anwesenden Praxispartner fortgeführt worden sei. Soweit in einzelnen (Not-)Fällen aus medizinischen Gründen eine Abweisung der Patienten nicht möglich gewesen sein sollte, werde dem von der Beklagten bei der Neufeststellung der Honorare mit den zugestandenen gemeinsamen Fällen grundsätzlich mehr als ausreichend Rechnung getragen (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 16. Mai 2007 - L 12 KA 563/04 - juris Rdnr. 35; LSG Bayern, Urteil vom 28. März 2007 - L 12 KA 216/04 - juris Rdnr. 26). Dies gelte auch für die Überweisungsfälle, die die Beklagte nicht beanstandet habe und die im Umfang nur einen zu vernachlässigenden Anteil ausmachen. Soweit Patienten ausnahmsweise auf eigen Wunsch den Behandler wechselten, sei dies zu dokumentieren (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006 - B 6 KA 76/04 R - a.a.O., Rdnr. 25) und ggf. im Prüfverfahren dann vorzulegen. Die allgemeine Behauptung solcher Wünsche reiche nicht aus. Die Verwendung des Musters 19 der Vordruckvereinbarung bedeute nicht, dass diese Fälle automatisch von den gemeinsamen Fällen abzuziehen seien. Mit dem Zugeständnis von 20 % oder mehr an gemeinsamen Behandlungsfällen würden üblicherweise anfallende Vertretungsfälle hinreichend zugestanden. Die Beklagte habe gerade dargelegt, dass gerade der Großteil der Vertreterscheine auf nur stundenweise Abwesenheiten entfalle, die ihre Ursache in der Durchführung von Hausbesuchen, kurzzeitiger Fortbildung, unterschiedlichen Sprechzeiten, "dringenden sonstigen Gründen" oder darin hätten, dass der erstbehandelnde Arzt "schon außer Haus" gewesen sei. Auch nach der Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung könne nach Ziff. 2.19 Muster 19: Notfallvertretungsschein Muster 19 nur für die Abrechnung der Leistungen im ärztlichen Notfalldienst und bei Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretung verwandt werden, nicht aber schon bei bloß kurzfristiger Abwesenheit des Praxisgemeinschaftspartners. Im Übrigen werde das Auftreten der Ärzte als Gemeinschaftspraxis auch deutlich durch den verwandten Briefkopf wie z. B. im Schreiben des Klägers vom 3. September 2010 an die Beklagte im Verwaltungsverfahren. Unter der Angabe beider Namen und ihres Facharzttitels im Plural ("Fachärzte für Allgemeinmedizin") würden ohne Differenzierung nach dem Behandler die besonderen Qualifikationen der Praxis ("Homöopathie, Kinder- und Jugendärztl. Früherkennung, Flugmedizin, Fliegerärztl. Untersuchungsstelle, Reisemedizin") mit einer gemeinsamen Praxisanschrift, einer gemeinsamen Telefonnr., einer gemeinsamen Faxnr. und einer gemeinsamen E-Mail-Adresse angegeben. Auch wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, sie hätten auch getrennte Briefbögen verwandt, so habe er doch zu erkennen gegeben, dass der gemeinsame Briefbogen nicht nur in diesem Verwaltungsverfahren verwandt wurde. Dies lasse ebenfalls erkennen, dass die Praxisgemeinschaftspartner im Außenverhältnis nicht immer in der gebotenen Klarheit nach ihrem Zulassungsstatus aufgetreten seien, sondern eben doch als Gemeinschaftspraxis.
Angesichts dieser Verstöße gegen die Regeln des Vertragsarztrechts erwiesen sich die von dem Kläger in den streitbefangenen Quartalen jeweils der Abrechnung beigefügten Abrechnungssammelerklärungen, in denen er die ordnungsgemäße Erbringung der abgerechneten Leistungen bestätigt habe, als falsch, mit der Folge, dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Honorarbescheide aufzuheben und die Honorare im Wege der Schätzung neu festzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 17. September 1997 - 6 RKa 86/95 - SozR 3-5500 § 35 Nr.1 = MedR 1998, 338 = USK 97134, juris Rdnr. 27 f.; BSG, Urteil vom 23. Juni 2010 - B 6 KA 7/09 R - juris Rdnr. 69). Der Beklagten komme dabei ein weites Schätzungsermessen zu, da mit der Implausibilität der Abrechnung aufgrund des Formenmissbrauchs die Abrechnung selbst nicht mehr ausschlaggebend sein könne. Keinesfalls stehe den in einer vorgetäuschten Praxisgemeinschaft zusammenarbeitenden Ärzten mehr an Honorar zu, als ihnen zu zahlen gewesen wäre, wenn sie auch rechtlich eine genehmigte Gemeinschaftspraxis im Sinne von § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV gebildet hätten (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006 - B 6 KA 76/04 R - a.a.O., Rdnr. 22). Dies bedeute jedoch nicht, dass den Ärzten auch tatsächlich das Honorar zu zahlen wäre, das sie erhalten hätten, wenn sie legal in einer genehmigten Gemeinschaftspraxis zusammengearbeitet hätten. Das BSG (ebd.) führe vielmehr weiter aus, dass jedenfalls bei einer Patientenidentität von mehr als 50 % bei formal unter der Rechtsform einer Praxisgemeinschaft zusammenarbeitenden Ärzten desselben Fachgebiets solche Gebührentatbestände des EBM, bei denen bei einer Behandlung in einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis eine Vergütung für ein Quartal höchstens einmal gewährt werden könne, bei keinem Praxisgemeinschaftspartner zu berücksichtigen seien, denn insoweit scheide eine vergütungsrechtliche Zuordnung der Leistungen zu einem der Vertragsärzte aus. Das Bundessozialgericht habe in ständiger Rechtsprechung solche Gegenrechnungen bzw. Saldierungen abgelehnt, weil dadurch die Ordnungsvorgaben des Vertragsarztsystems unterlaufen würden. Honorarkürzungen dürften sich vielmehr auf das gesamte Honorar erstrecken, das auf rechtswidrige Weise erlangt wurde, ohne dass gegenzurechnen sei, was bei rechtmäßigem Verhalten als Honorar zu zahlen gewesen wäre; in solchen Fällen könne eine Honorarneufestsetzung im Wege einer Schätzung erfolgen. Diese Grundsätze gälten auch in Fällen des Missbrauchs der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft. Dabei könnten auch deutlich unter 50% liegende Quoten ausreichen, um Vergütungen, die bei Vorliegen einer Gemeinschaftspraxis nur einmal zu zahlen wären, beiden Ärzten zu kürzen (vgl. BSG, Beschluss vom 17. September 2008 - B 6 KA 65/07 B - BeckRS 2008, 57265, Rdnr. 9 ff.). Ausgehend von diesen Grundsätzen sei die Berechnung des Berichtigungsbetrags hinsichtlich des Klägers bzgl. der Quartale III/06 bis I/07, nicht aber im Ergebnis im Übrigen zu beanstanden. Aus der nachfolgenden Berechnung der Kammer folge, dass die Beklagte auf Grund ihres pauschalen Zugeständnisses von 30 % der jeweils gemeinsamen Patientenzahl zu unterschiedlichen Zugeständnissen hinsichtlich der Vertretungsfälle bzw. gemeinsamen Fälle führe, die nicht gekürzt werden (siehe nachfolgende Übersicht jeweils Spalte 5). Gehe man ferner davon aus, dass auf Grund der 50 %-igen Kürzung der nichtanerkannten Fälle im Ergebnis jeweils die verbleibende Hälfte vollständig vergütet worden sei, so habe die Beklagte im Ergebnis in der Summe mit der 30 %-Quote bestimmte Fallzahlen insgesamt anerkannt (nachfolgend jeweils Spalte 7), was aber ebenfalls sehr unterschiedliche Prozentsätze ausmache (nachfolgend Spalte 8). Für den Kläger folgten hieraus Prozentwerte unterhalb von 10 % bzw. unterhalb von 20 %. Auch bestünden grundsätzlich Bedenken bei der Ausübung des Schätzungsermessens hinsichtlich des Gebots der Gleichbehandlung, da die Vorgehensweise der Beklagten zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führe. Die Kammer habe dies zuletzt im Urteil vom 8. Mai 2013 - S 12 KA 435/12 - a.a.O. Rdnr. 59 nicht beanstandet, da trotz der Annahme allgemeiner Vertretungsfälle von unter 10 % und dem Aufgreifkriterium von 20 % bei dem Kläger erheblich mehr als 20 % gemeinsame Fälle nicht beanstandet worden seien. Die Kammer habe ausgeführt, die Schwankungsbreiten zwischen den beiden Klägern und den Quartalen beruhten auf der unterschiedlichen Anzahl gemeinsamer Fälle und der willkürlichen 30 %-Grenze. Wenn auch die Beklagte über diese Unterschiede keine Begründung abgegeben habe, so sehe die Kammer dies noch von dem Ermessen der Beklagten, das zu Pauschalierung berechtigte, als gedeckt an. Im vorliegenden Fall lägen diese Voraussetzungen allerdings nicht vor. Auch bestünden im Hinblick auf die ganz unterschiedlichen Auswirkungen Bedenken bzgl. einer gleichmäßigen Ermessensausübung (Art. 3 Abs. 1 GG).
Kläger:
1 2 3 4 5 6 7 8
Quartal Fallzahl Kl. Gemeinsame Patienten - 30 % in % Fallzahl 50% Gesamt anerkannt Gesamt in %
II/06 944 312 94 10,0 109 203 21,5
III/06 938 195 59 6,2 69 128 13,6
IV/06 958 236 71 7,4 82 153 16,0
I/07 981 298 89 9,1 105 194 19,8
Frau Dr. A.:
Quartal Fallzahl Fr. Dr. A. Gemeinsame Patienten - 30 % in % Fallzahl 50% Gesamt anerkannt Gesamt in %
II/06 737 312 94 12,8 109 203 27,5
III/06 626 195 59 9,4 69 128 20,4
IV/06 286 236 71 10,3 82 153 22,3
I/07 733 298 89 12,1 105 194 26,5
Die Kammer gehe daher in Fortführung ihrer Rechtsprechung davon aus, dass insofern § 11 Abs. 2 ARL verbindlich vorgebe, dass im Ergebnis ein Anteil von 20% - bzw. bei fachübergreifenden Praxisgemeinschaften von 30% - gemeinsamer Patienten anzuerkennen ist, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die einen höheren Anteil rechtfertigten, was vorliegend nicht ersichtlich sei. Auch in der Literatur würden, ausgehend davon, dass die Überschneidungsquote bei Praxisgemeinschaften normalerweise bis max. 15% betrage, Kürzungen ab einer Quote von 20% an Doppelpatienten grundsätzlich als rechtens angesehen (vgl. Clemens in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 106a SGB V, Rdnr. 175). Solle eine darüber hinausgehende Kürzung vorgenommen werden, sei dies im Einzelnen zu begründen und reichten bei Ausübung des Kürzungsermessens allgemeine pauschalierende Erwägungen nicht mehr aus. Hieran fehle es aber vorliegend. Nach § 11 Abs. 2 ARL sei eine Abrechnungsauffälligkeit nur ab der genannten Grenzwerte zu vermuten. Eine solche Abrechnungsauffälligkeit bedeute aber noch nicht, dass automatisch eine Honorarkürzung ausgesprochen werden könne, da nach § 12 Abs. 1 und 2 ARL erst dann die Kassenärztliche Vereinigung weitere Prüfungen durchführe mit dem Ziel, mit Hilfe ergänzender Tatsachenfeststellungen und Bewertungen festzustellen, ob gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit verstoßen worden sei oder nicht. § 11 Abs. 2 ARL gebe damit aber eine Untergrenze an, ab deren Überschreiten erst eine weitere Prüfung stattfinde, ohne die eine Honorarkürzung nicht erfolgen könne. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass diese Untergrenze trotz der Feststellung, dass tatsächlich ein Gestaltungsmissbrauch vorliege, auch als Kürzungsgrenze jedenfalls verbleibe, soweit nicht eine ergänzende substantiierte Prüfung ergebe, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Gestaltungsmissbrauch auch Unterhalb der Untergrenze zu unzulässigen Honorarverschiebungen geführt habe. Insofern beschränke die für die Beteiligten verbindliche ARL (§ 106a Abs. 6 i. V. m. Abs. 5 Satz 3 SGB V) das Ermessen der Beklagten. Damit würden trotz der Annahme allgemeiner Vertretungsfälle von unter 10 % und dem Aufgreifkriterium von 20 % dem Kläger im Quartal II/06 und der Praxisgemeinschaftspartnerin in allen streitbefangenen Quartalen im Ergebnis mehr als 20 % gemeinsamer Fälle nicht beanstandet. Dies sei nicht zu beanstanden. Soweit aber dem Kläger in den Quartalen III/06 bis I/07 nur 13,6%, 16,0% bzw. 19,8% an gemeinsamen Fällen zugestanden würden und damit weniger als 20%, sei der angefochtene Bescheid aufzuheben. Soweit sich der Kläger auf eine Beratung berufe, so betreffe diese zunächst nicht die streitigen Quartale II/06 bis I/07. Ferner trage der Kläger lediglich vor, in dem Beratungsgespräch sei eine Fortführung der Praxisgemeinschaft geraten worden. Eine Anzahl an Vertretungsfällen bis zu 20 % sei plausibel und nicht zu beanstanden. Grundsätzlich gehe die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden ebenfalls davon aus. Insofern fehle es an einer genaueren Darlegung, in welcher Weise falsch beraten worden sein soll. Im Übrigen räume der Kläger selbst ein, über keinen Nachweis über das Beratungsgespräch zu verfügen. Soweit sich der Kläger auf eine E-Mail der Landesärztekammer Hessen vom 15. Juni 2012 berufe, so stehe die darin getroffene Aussage nicht im Widerspruch zu der Rechtsauffassung der Beklagten. Aus der Zulassung als Vertragsarzt ergebe sich grundsätzlich eine Behandlungspflicht. Nach der genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestehe dabei ebenso die Verpflichtung, abgesehen von Notfällen, Patienten nicht zu behandeln, die bereits im selben Quartal in der Behandlung eines anderen Hausarztes seien.
Gegen das ihr am 10. Februar 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 4. März 2014 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt und mit Schriftsatz vom 16. April 2014 die Berufung auf das Urteil zu Az. S 12 KA 359/12 beschränkt und klargestellt, das sich die Berufung ausschließlich auf die Quartale III/06 bis I/07 bezieht.
Zur Begründung trägt sie vor, dass das Sozialgericht zu Unrecht davon ausgehe, dass sie ihr Kürzungsermessen überschritten habe, in dem sie dem Kläger in den Quartalen III/06 bis I/07 im Ergebnis weniger als 20% an gemeinsamen Patienten zugestanden habe. Zur Berechnung ermittle sie zunächst die gemeinsamen Patienten der jeweiligen Praxen und prüfe dann, ob sich bei den gemeinsam festgestellten Patienten plausible Fälle aufgrund von regulären Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen oder Behandlung von Notfällen oder korrekten Überweisungen zur Auftragsleistung befanden. Diese Fälle würden dann von den gemeinsamen Fällen abgezogen, weil sie als plausibel bewertet würden. Dann nehme die Beklagte einen Sicherheitsabschlag von 30% der gemeinsamen Fälle vor und von den verbleibenden gemeinsamen Fällen würden 50% abgezogen, da davon ausgegangen werde, dass beide Praxen gleichermaßen am Gestaltungsmissbrauch beteiligte seien. Die nicht plausiblen Fälle würden somit gleichmäßig auf die beiden Praxen aufgeteilt. Bei dem Kläger und Frau Dr. A. seien indes alle gemeinsamen Fälle als nicht plausibel eingestuft worden, so dass ein Abzug plausibler Fälle nicht erfolgt sei. Das Sozialgericht habe verkannt, dass es bei den pauschal als plausibel anerkannten gemeinsamen Fällen von 30% (als Sicherheitsabschlag) in den verschiedenen Quartalen zu unterschiedlichen Zugeständnissen hinsichtlich der zugestandenen gemeinsamen Fälle führen "müsse". Dies sei darauf zurückzuführen, dass in jedem Quartal differierende Fallzahlen und auch eine differierende Anzahl von gemeinsamen Patienten vorliegen. Sie habe jedoch in jedem Quartal die gleiche Berechnungsmethode angewandt, so dass das Gebot der Gleichbehandlung nicht verletzt sei. Auch der Sicherheitsabschlag von 30% sei nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfungen sei für die Prüfmethode "repräsentative Einzelfallprüfung mit Hochrechnung" seitens der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Sicherheitsabschlag von 25% zu erfolgen habe. Auch im Rahmen der patientenbezogenen Plausibilitätsprüfung sei ein Sicherheitsabschlag vorzunehmen, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass noch plausible Fälle aufgrund einer korrekten Krankheits- oder Urlaubsvertretung vorlägen, da Urlaubsvertretungen von unter einer Woche und kürzere Krankheitsvertretungen nicht angezeigt werden müssten und daher von ihr nicht ermittelt oder herausgerechnet werden könnten. Auch die Aufteilung der dann noch verbleibenden plausiblen Doppelfälle auf die beiden beteiligten Praxen sei nicht zu beanstanden, da der eindeutig vorliegende Gestaltungsmissbrauch gleichmäßig auf die beiden beteiligten Praxen aufgeteilt würde. Das Sozialgericht habe weiterhin eine Untergrenze für eine Überschneidungsquote bei Praxisgemeinschaften eingeführt, und dabei nicht beachtet, dass in § 11 Abs. 2 ARL die KV und der GKV-Spitzenverband vereinbart hätten, dass eine Abrechnungsauffälligkeit zu vermuten sei, wenn bei versorgungsbereichsidentischen Praxen 20% Patientenidentität und bei versorgungsbereichsübergreifenden Praxen 30% Patientenidentität vorliege. In der Verfahrensordnung zur Durchführung von Plausibilitätsprüfungen der KVH gemäß § 106a Abs. 2 SGB V sei in § 14 Abs. 3 geregelt, dass der prozentuale Anteil an identischen Patienten ermittelt werde, indem die Patienten beider Praxen einander gegenübergestellt würden und festgestellt werde, wie viele Patienten sowohl in der einen wie in der anderen Praxis geführt würden. Die Anzahl der doppelt geführten Patienten sei in Verhältnis zur praxiseigenen Patientenzahl zu setzen. Erreiche der Prozentsatz in nur einer Praxis den in der Richtlinie vorgesehenen Aufgreifwert, werde danach auch die andere Praxis einer weitergehenden Prüfung unterzogen. Geregelt sei somit, dass auch die Praxis der Praxisgemeinschaft in die Prüfung einzubeziehen sie, die das Aufgreifkriterium von 20 oder 30% nicht erfülle, wenn die andere Praxis oberhalb des Aufgreifkriteriums liege. Diese Vorgehensweise beruhe darauf, dass bei stark unterschiedlicher Praxisgröße sonst das Verhalten der größeren Praxis überhaupt nicht beanstandet werden könne. Würde man eine Untergrenze von 20% der gemeinsamen Patienten einführen, würden aber gerade größere Praxen keiner Honorarkürzung unterzogen werden können. Dies werde i. v. F. gerade in den Quartalen III/06 bis I/07 deutlich, in denen die der Praxis anerkannte Zahl der gemeinsamen Patienten unter 20% gelegen hätten. Nach der Rechtsauffassung des Sozialgerichts könnte eine Honorarkürzung nicht vorgenommen werden, obwohl für beide Praxen die missbräuchliche Kooperationsform nachgewiesen worden sei. Die patientenbezogene Plausibilitätsprüfung würde leer laufen, wenn eine große Praxis beteiligt sei. Es könne auch nicht sein, dass für die größere Praxis, obwohl für beide Praxen die missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform nachgewiesen worden sei, eine über die 20%-Grenze hinausgehende Kürzung nur dann vorgenommen werden könne, wenn dies mit einer ergänzenden substantiierten Prüfung erfolge, dies stelle eine Ungleichbehandlung dar. Wenn die Erwägungen der Implausibilität für die identischen Fälle in der kleineren Praxis ausreichend seien, müssten die Erwägungen auch für die größere Praxis ausreichend sein. Bereits aus dem Anteil der gemeinsam behandelten Patienten von 20,8% und 33,1% lasse sich auf eine missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform schließen. Des Weiteren habe sie unter Benennung von Beispielsfällen dargelegt, dass eine missbräuchliche Nutzung vorgelegen habe. Im vorliegenden Fall habe es sich so verhalten, dass gerade keine korrekten Vertretungen vorgelegen hätten, da in nahezu allen Doppelfällen beide Ärzte am gleichen Tag Leistungen erbracht hätten und somit in der Praxis anwesend gewesen seien. Selbstverständlich würden korrekte Vertretungen vollständig als plausibel bewertet und bereits vor Berücksichtigung des Sicherheitsabschlags von 30% und nochmaliger Aufteilung von 50% vorab berücksichtigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 29. Januar 2014 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt vor, die von der Beklagten beschriebene Berechnungsweise sei nicht wie beschrieben durchgeführt worden. Es seien nicht die gemeinsamen Patienten zur Anzahl aller Patienten ins Verhältnis gesetzt worden. Die Beklagte habe gemeinsame Patienten zu der Anzahl der Patienten einer Praxis ins Verhältnis gesetzt. Richtig wäre gewesen, wenn die 50% der gemeinsamen Patienten ins Verhältnis zu der Fallzahl der Praxis insgesamt gesetzt worden wären. Er habe nicht die Möglichkeit bekommen nachzuvollziehen, wann echte Vertretungsfälle durch die Beklagte dokumentiert vorgelegen hätten und mithin von den sog. "unechten" Vertreterfällen hätten abgezogen werden müssen, denn nur für das Quartal II/05 habe die Beklagte die jeweiligen ambulanten Behandlungsscheine mit Diagnose zur Verfügung gestellt. Die Beklagte habe sich nicht die Mühe gemacht, berechtigte gemeinsame Fälle herauszurechnen. Die Behauptung, es gäbe keine plausiblen gemeinsamen Fälle, lasse sich durch die vorgelegte Dokumentation K2 widerlegen. Die Kooperationsform sei nicht missbräuchlich betrieben worden. Aufgrund der Falschberatung der Beklagten sei davon ausgegangen worden, dass die Vertretungstatbestände, wie sie sich in der Abrechnungslage darstellten, ordnungsgemäß seien. Die Erbringung seiner Arbeitsleistung im Altersheim, sei nicht als Vertretungstatbestand anerkannt worden. Bei einem Vorwurf der Missbräuchlichkeit hätte mindestens ein bedingter Vorsatz nachgewiesen werden müssen. Dies sei aber weder durch die Beklagte noch durch die Staatsanwaltschaft erfolgte, das Strafverfahren sei vielmehr eingestellt worden, weil es gerade an dieser missbräuchlichen subjektiven Haltung gefehlt habe. Bei der von der Beklagten gewählten Form der pauschalen Ermittlung werde der missbräuchliche Gebrauch der Kooperationsform lediglich vermutet. Die Beklage habe die Behandlung von Patienten bei medizinischer Notwendigkeit nicht auf der Grundlage der abgerechneten und eingereichten Unterlagen vorgenommen. Die Beklagte könne für seine Praxis auch keinen Gestaltungsmissbrauch nachweisen, da bei der durch sie ermittelten Anzahl von gemeinsamen Fällen von 9,4% bis 12,8% der Praxis die Voraussetzungen für eine Honorarkürzung nicht gegeben seien. Die Beklagte habe eine pauschale Honorarkürzung nur auf Grundlage der pauschalen Überschreitung der anderen Praxis (Frau Dr. A.) vorgenommen. Dies sei durchgeführt worden ohne eine inhaltliche und von der Verfahrensordnung vorgesehene Plausibilitätsprüfung durchzuführen. Es könne auch gar nicht sein, dass mehr Behandlungsfälle – Vertretungsfälle von der KV zurückgefordert würden als überhaupt abgerechnet worden seien.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts vom 29. Januar 2014 ist abzuändern und die gegen den Bescheid vom 23. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juni 2012 gerichtete Klage auch hinsichtlich der Honorarrückforderungen betreffend die noch streitgegenständlichen Quartale III/06 bis I/07 abzuweisen, denn der Bescheid ist auch insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Dabei ist das Sozialgericht zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger und Frau Dr. A. in den streitgegenständlichen Quartalen die Kooperationsform der Praxisgemeinschaft in missbräuchlicher Weise genutzt haben.
Eine solche missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft liegt vor, wenn Ärzte oder Zahnärzte ihre Zusammenarbeit im Innen- und Außenverhältnis so gestalten, wie dies für eine Gemeinschaftspraxis (heute: Berufsausübungsgemeinschaft) typisch ist (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Juli 2014, B 6 KA 2/14 B, Juris Rn. 8; Beschluss vom 11. Mai 2011, B 6 KA 1/11 B, Juris Rn. 11). Ein hoher gemeinsamer Patientenanteil spricht stets dafür, dass die Rechtsform der Praxisgemeinschaft im Praxisalltag nicht transparent realisiert wurde, sondern tatsächlich die für eine Gemeinschaftspraxis kennzeichnende Ausübung der ärztlichen Tätigkeit stattfindet. Ein Formenmissbrauch ist dabei nicht erst bei einer Patientenidentität von mehr als 50% anzunehmen, vielmehr können auch deutlich unter 50% liegende Quoten ausreichen (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Juli 2014, B 6 KA 2/14 B, Juris Rn. 8).
In Übereinstimmung mit diesen Vorgaben hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung in den Richtlinien zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen gemäß § 106a SGB V (DÄ 2008, Nr. 13, S. A 1925ff - ARL) in § 11 Abs. 2 bestimmt, dass eine Abrechungsauffälligkeit bei versorgungsbereichsidentischen Praxen bereits dann zu vermuten ist, wenn eine Patientenidentität von mehr als 20 % besteht. Das ist bei dem Kläger und Frau Dr. A. in den betroffenen Quartalen der Fall, da Überschneidungsquoten von 20,8% (III/06), 24,6% (IV/06) und 30,4% (I/07) bestanden. Der Anteil der gemeinsam behandelten Patienten ist ausweislich der Darstellung der Berechnungsweise im angefochtenen Verwaltungsakt auch in Übereinstimmung mit § 4 Abs. 3 der Verfahrensordnung zur Durchführung von Plausibilitätsprüfungen der KVH gemäß § 106a Abs. 2 SGB V ermittelt worden, nämlich indem die Patienten beider Praxen einander gegenüber gestellt wurden und festgestellt wurde, wie viele Patienten sowohl in der einen, wie in der anderen Praxis geführt wurden. Die Anzahl der doppelt geführten Patienten ist sodann ins Verhältnis zur praxiseigenen Patientenzahl der Klägers gesetzt worden und erreichte in den streitgegenständlichen Quartalen die angegebenen, jeweils oberhalb des sich aus § 11 Abs. 2 der Richtlinie gemäß § 106a SGB V ergebenen Grenzwertes liegenden Anteils von 20% bei – wie hier – versorgungsbereichsidentischen Praxen.
Nach der Rechtsprechung des BSG trägt grundsätzlich bereits eine hohe Quote der gemeinsamen Behandlung von Patienten die Annahme des Rechtsformmissbrauchs. Neben einer auffälligen Patientenidentität müssen nicht stets zusätzliche Sachverhalte eines Formenmissbrauchs gegeben seien. Jedenfalls im Regelfall ist nach neuerer Rechtsprechung des BSG bei einem bestimmten Vomhundertsatz gemeinsam behandelter Patienten ein Missbrauch der Rechtsform ohne Weiteres anzunehmen. Allerdings entzieht es sich einer generellen Festlegung, ob bei einer nur in geringem Maße auffälligen Patientenidentität und plausiblen Erklärungen dafür die Feststellung eines Formenmissbrauchs das Vorliegen weiterer Anhaltspunkte erfordert (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Juli 2014, B 6 KA 2/14 B, Juris Rn. 9 m. w. N.; Beschluss vom 6. Februar 2013 - B 6 KA 43/12 B, Juris Rn. 8). Insbesondere sind nach neuerer BSG-Rechtsprechung Fälle einer "kollegialen Vertretung" nicht aus der Zahl der von beiden Ärzten behandelten Fälle herauszurechnen. Dies hat das BSG damit begründet, dass Umfang und Häufigkeit der gemeinsamen Behandlung von Patienten gerade als Indiz für eine gemeinsame Praxisführung zu werten sind; bei hohen Patientenidentitäten steht außer Zweifel, dass sie sich nicht durch Vertretungsfälle im üblichen Umfang erklären lassen (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Juli 2014, B 6 KA 2/14 B, Juris Rn. 10 – der Beschluss bezog sich auf Patientenidentitäten von 31,4 %, 32,5 %, 29,75 % einschließlich berechtigter Vertretungsfälle; Beschluss vom 6. Februar 2013 - B 6 KA 43/12 B, Juris Rn. 6).
Der Senat kann offen lassen, ob die beim Kläger und Frau Dr. A. vorliegenden Quoten gemeinsamer Patienten es nach der oben dargelegten BSG-Rechtsprechung rechtfertigen, in der Regel bereits eine Honorarrückforderung wegen Missbrauchs der Kooperationsform ohne weitere Umstände vorzunehmen, denn jedenfalls ergeben sich weitere Anhaltspunkte (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Juli 2014, B 6 KA 2/14 B, Juris Rn. 9 m. w. N.; Beschluss vom 6. Februar 2013 - B 6 KA 43/12 B, Juris Rn. 8) für das Vorliegen des Formenmissbrauchs, wie bereits das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts (Umdruck S. 14, 3. Absatz bis S. 20 1. Absatz) nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach eigener Überzeugungsbildung Bezug und sieht insoweit von der Darstellung der weiteren Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs. 2 SGG.
Soweit der Kläger beanstandet, er habe nicht die Möglichkeit bekommen nachzuvollziehen, wann echte Vertretungsfälle durch die Beklagte dokumentiert vorgelegen hätten und mithin von den sog. "unechten" Vertreterfällen hätten abgezogen werden müssen, denn nur für das Quartal II/05 habe die Beklagte die jeweiligen ambulanten Behandlungsscheine mit Diagnose zur Verfügung gestellt, greift dies nicht durch. Der Kläger verkennt, dass es sich um die Prüfung seiner eigenen Abrechnungsunterlagen der jeweiligen Quartale handelt, welche ihm folgerichtig selbst vorliegen müssen. Eine Darlegung der Anzahl der "echten" Vertretungsfälle ebenso wie eine entsprechende Substantiierung wäre ihm also bereits deshalb möglich gewesen.
Auch soweit der Kläger vorträgt, die Beklagte habe behauptet, es gäbe keine plausiblen gemeinsamen Fälle, ist dies der Sache nach bereits unrichtig, da die Beklagte ja allerdings pauschalierend-statistisch durch den 30%igen und nochmaligen 50%-igen Abschlag – gerade einen erheblichen Anteil der Fälle gemeinsam behandelter Patienten als plausibel anerkannt hat.
Angesichts des Formenmissbrauchs erweisen sich die von dem Kläger in den genannten Quartalen jeweils der Abrechnung beigefügten Abrechnungssammelerklärungen, in denen er die ordnungsgemäße Erbringung der abgerechneten Leistungen bestätigt hat, als falsch, mit der Folge, dass die Beklagte berechtigt war, die Honorarbescheide aufzuheben und die Honorare im Wege der Schätzung neu festzusetzen (vgl. BSG vom 17. September 1997, Az.: 6 RKa 86/95, SozR 3-5500 § 35 Nr.1; Bayerisches LSG, Urteil vom 16. Mai 2007 – L 12 KA 563/04 –, Rn. 37, juris), wobei die Rechtmäßigkeit nachträglicher sachlich-rechnerischer Berichtigung entgegen der Auffassung des Klägers im Fall eines Gestaltungsmissbrauchs der Rechtsformen der beruflichen Kooperation grundsätzlich kein Verschulden der beteiligten Ärzte voraussetzt (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006 - L 4 KA 76/04 R, Juris Rn. 28).
Der Beklagten kommt insoweit ein weites Schätzungsermessen zu. Das BSG hat zur Höhe der Rückforderung in Fällen des Gestaltungsmissbrauchs ausgeführt, dass auf die Abrechnungsregelungen für die Gemeinschaftspraxis zurückgegriffen werden kann (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Februar 2013 - B 6 KA 43/12 B, Juris Rn. 6). Innerhalb einer Gemeinschaftspraxis kann jedoch eine Vertretung grundsätzlich nicht abgerechnet werden, da es einer Vertretung nur für die seltenen Fälle bedarf, in denen der Ausfall eines Partners nicht durch den weiterhin tätigen anderen Partner aufgefangen werden kann (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Juli 2014, B 6 KA 2/14 B, Juris Rn. 10; Urteil vom 14. Dezember 2011 = SozR-4 2500 § 106a Nr. 8, Juris Rn. 27, 28 ff). Bei der Berechnung der Rückforderung wurden zugunsten des Klägers 30% der Doppelbehandlungsfälle als zutreffend unterstellt und die verbleibenden gemeinsamen Fälle beiden Partnern der Praxisgemeinschaft zugerechnet, d. h. nochmals halbiert. Damit ist dem Kläger in erheblichem Umfang Honorar für einen Anteil von Patientenidentitäten belassen worden, so dass Fehler bei der sachgerechten Ausübung des Schätzungsermessens nicht ersichtlich sind (vgl. zur Methode der Honorarberechnung aufgrund einer fiktiven Zahl "plausibler" Behandlungsfälle: LSG NRW, Urteil vom 13. Dezember 2006, L 11 KA 2006, juris Rn. 22) ...
Soweit das Sozialgericht bei dieser Vorgehensweise beanstandet, dass sie bei den beteiligten Praxen der Praxisgemeinschaft aufgrund der hälftigen Teilung zwischen den unterschiedliche großen Praxen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führt, weil bei dem Kläger in den streitgegenständlichen Quartalen bezogen auf die Gesamtfallzahl der Praxis verhältnismäßig weniger gemeinsame Behandlungsfälle als plausibel anerkannt wurden, nämlich 13,6% (III/06), 16% (IV/06) bzw. 19,8% (I/07), als bei Frau Dr. A., der 20,4% (III/06), 22,3% (IV/06) und 26,5% (I/07) belassen wurden, ist dies der Sache nach zwar zutreffend. Der Senat kann aber offen lassen, ob diese unterschiedlichen Ergebnisse zur Rechtswidrigkeit der Ermessensausübung der Beklagten bei der Festsetzung des Rückforderungsbetrags führt, da der Kläger als Inhaber der verhältnismäßig größeren Praxis von dieser Berechnungsweise im Vergleich zu der Partnerin der Praxisgemeinschaft begünstigt wird und somit die Berechnungsweise insoweit jedenfalls nicht zu einer Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte des Klägers führt. Denn wie sich aus der nachfolgenden Tabelle ergibt, erfolgte beim Kläger bezogen auf das Gesamtnettohonorar eine verhältnismäßig geringere Honorarkürzung:
Kläger Fr. Dr. A.
Quartal III/06 IV/06 I/07 III/06 IV/06 I/07
Nettohonorar in EUR. 40.169,88 50.013,69 45.460,60 24.887,47 29.192,27 28.119,04
Kürzung in EUR 2.922,81 4.312,25 4.833,37 2.713,37 3.514,99 4.001,11
Kürzung in % von Nettohonorar 7,25 8,62 10,63 10,90 12,04 14,23
Soweit das Sozialgericht weiterhin die Ausübung des Schätzungsermessens der Beklagten beanstandet, weil die Beklagte aufgrund der statistisch-pauschalierten Berechnungsmethode Kürzungen vorgenommen hat, die zu einer Anerkennungsquote der patientenidentischen Behandlungsfälle von weniger als 20% führten und die damit unterhalb des in § 11 Abs. 2 a) ARL nach § 106a SGB V angegebenen Grenzwertes führten, ist auch dies im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Zwar betrifft der Grenzwert nach § 11 Abs. 2 a) ARL nach § 106a SGB V als Aufgreifkriterium im Rahmen der Plausibilitätsprüfung bei Praxisgemeinschaften und damit die Tatbestandsseite der Auffälligkeitsprüfung, während die Ausübung des Schätzungsermessens die Rechtsfolgenseite betrifft, mithin die Ermittlung der Höhe der Honorarkürzung als Rechtsfolge der Implausibilität der Abrechnung. Damit hat die 20%-Grenze zunächst nur die Funktion, den Zugang zur Prüfung der Auffälligkeit zu eröffnen. Bis zur Höhe dieses normativ festgelegten Wertes von 20% (bei versorgungsbereichsidentischen Praxen) sind Honorarkürzungen aber auch bei pauschalierender Berechnung grundsätzlich ermessensfehlerfrei. Da indessen eine Überschneidungsquote bei Praxisgemeinschaften von bis 15% – worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat – in der Literatur (vgl. Clemens in jurisPK-SGB V, 3. Auflage 2016, § 106a SGB V Rn. 201) als noch normgerecht erachtet wird und erst ab der Höhe des Grenzwertes – normativ – eine Implausibilität vermutet werden kann, hat das Sozialgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass somit allein pauschalierende Erwägungen zur Begründung des Kürzungsermessens nicht ausreichend sind, wenn der Grenzwert unterschritten wird. Hierfür reicht es nach Auffassung des Senats indessen aus, dass ausweislich des streitgegenständlichen Ausgangsbescheids die Beklagte in ihre Ermessenserwägungen die Größenordnung der gegenseitigen Vertretung von unter 10% im Fachgruppendurchschnitt in Hessen eingestellt hat. Angesichts der von der Beklagten ermittelten fiktiven Fallzahl plausibler Fälle mit Patientenidentität in einer Quote von jeweils deutlich über 10% der Gesamtfallzahl in den betroffenen Quartalen, wird der in der Fachgruppe erreichte Wert von unter 10% nicht unterschritten. Somit ist die Höhe der Honorarkürzung nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch über eine Honorarrückforderung in Höhe von 12.068,43 EUR gegenüber dem Kläger aufgrund einer Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnungen der drei Quartale III/06 bis I/07.
Der Kläger ist seit Oktober 1982 als Arzt/Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Er führte seit 1987 und im streitbefangenen Zeitraum eine Praxisgemeinschaft mit seiner seit Januar 1987 als Ärztin/Fachärztin für Allgemeinmedizin zugelassenen Ehefrau Dr. C. A. Seit dem 1. Oktober 2010 führen sie eine Gemeinschaftspraxis.
In den Quartalen II/06 bis I/07 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers durch Honorarbescheid fest. Die Festsetzungen im Einzelnen ergeben sich aus nachfolgender Übersicht:
Quartal II/06 III/06 IV/06 I/07
Honorarbescheid vom 04.02.2007 17.03.2007 18.04.2007 08.03.2008
Versanddatum 19.03.2007 02.05.2007 11.06.2007 28.08.2007
Nettohonorar gesamt in EUR 42.940,09 40.169,88 50.013,69 45.460,60
Bruttohonorar PK + EK in EUR 42.606,86 39.725,91 49.506,91 44.896,61
Fallzahl PK + EK 925 914 934 959
Fallzahl gesamt 944 938 958 981
Fallzahlbegrenzungsmaßnahme nach Ziff. 5.2.1 HVV (Quote in %) - - - 98,90
Regelleistungsvolumen 645.252,6 649.998,5 652.631,0 646.591,0
Überschreitung in Punkten 72.717,7 91.291,5 199.964,0 229.574.0
Ziff. 7.5 Auffüll-/Kürzungsbetrag pro Fall in EUR - - 2,1043 - 0,7496 -
Die Beklagte forderte den Kläger unter Datum vom 4. März 2010 aufgrund einer Plausibilitätsprüfung der Quartalsabrechnung für die Quartale II/05 bis I/07 zu einer Stellungnahme auf. Sie habe die Honorarabrechnung zusammen mit der Honorarabrechnung der Praxis der Frau Dr. A. einer Plausibilitätsprüfung unterzogen. Es sei analysiert worden, wie viele Patienten von beiden Ärzten gemeinsam behandelt und abgerechnet worden seien. Hierbei habe sie eine Anzahl von gemeinsam abgerechneten Fällen festgestellt, was sie zahlenmäßig in einer Tabelle darstellte. Der Kläger äußerte sich zur Einleitung des Verfahrens nicht. Nach Mitteilung des Klägers, er habe das Schreiben nicht erhalten, übersandte die Beklagte die Schreiben am 4. August 2010 (nach Erlass des Ausgangsbescheids) erneut per Telefax.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 23. Juli 2010 eine Honorarrückforderung i. H. v. insgesamt 17.035,65 EUR netto vor Verwaltungskosten fest. Im Einzelnen entfielen auf die Quartale II/06 bis I/07 folgende Honorarrückforderungen:
Quartal II/06 III/06 IV/06 I/07
Honorar 4.967,22 EUR 2.922,81 EUR 4.321,25 EUR 4.833,37 EUR
Für die Quartale II/05 bis I/06 ergingen beratende Hinweise. Zur Begründung führte sie aus, die Abrechnungen von Ärzten, welche untereinander in einer Praxisgemeinschaft (Berufsausübungsgemeinschaft) verbunden seien, könnten unplausibel sein, wenn bestimmte Grenzwerte des Anteils identischer Patienten überschritten worden seien. Die Anzahl der doppelt abgerechneten Patienten sei ins Verhältnis zur praxiseigenen Patientenzahl zu setzen. Eine Abrechnungsauffälligkeit sei bei 20% Patientenidentität auf die abrechnenden Praxen bezogen - bei versorgungsbereichsidentischen Praxen zu vermuten. Die Berechnungsergebnisse hätten für die Praxen der Praxisgemeinschaft folgende Werte ergeben:
Quartal Fallzahl Kläger Fallzahl Fr. Dr. A. Gemeinsame Patienten Anteil in Prozent Kl. Anteil in Prozent Fr. Dr. A.
II/06 944 737 312 33,1 42,3
III/06 938 626 195 20,8 31,2
IV/06 958 686 236 24,6 34,4
I/07 981 733 298 30,4 40,7
3821 2782 1041
Die nach außen gewählte Rechtsform einer Praxisgemeinschaft müsse auch im Praxisalltag transparent realisiert werden; andernfalls liege ein Gestaltungsmissbrauch vor. Bei einer derart hohen Praxisidentität müsse das Patientenaufkommen koordiniert werden, was wiederum die für eine Gemeinschaftspraxis typische einheitliche Praxisorganisation voraussetze. Eine Vertretung sei nur zulässig, wenn der vertretene Vertragsarzt sich im Urlaub befinde, erkrankt sei oder an einer Fortbildung oder Wehrübung teilnehme. Eine Vertretung liege nur dann vor, wenn der Arzt zumindest einen Tag abwesend sei, so dass die Praxis insgesamt geschlossen bleibe. Von indizieller Bedeutung sei insoweit bereits die ungewöhnlich große und ansteigende Zahl von Vertreterfällen in der Praxis, die nicht annähernd erklärt werden könne. Deshalb sei davon auszugehen, dass der Großteil der Vertreterscheine auf nur stundenweise Abwesenheiten entfalle, die ihre Ursache in der Durchführung von Hausbesuchen, kurzzeitiger Fortbildung, unterschiedlichen Sprechzeiten, "dringenden sonstigen Gründen" oder darin hätten, dass der erstbehandelnde Arzt "schon außer Haus" gewesen sei. Dies zeige sich an diversen Behandlungsfällen, die mit dem Vertreterschein abgerechnet worden seien, deren Diagnose jedoch nicht auf eine akute Notwendigkeit schließen lasse. An diesen Behandlungstagen hätten der Kläger 16:57 Stunden bzw. Frau Dr. A. 11:32 Stunden zeitrelevante Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet. Teilweise finde sich das gleiche Einlesedatum der Versichertenkarte auf den Abrechnungsbelegen. Hierzu werden in dem Bescheid 19 Behandlungsfälle mit dem Behandlungsdatum aufgeführt. Weiter heißt es in dem Bescheid, in diesen Fällen wäre der andere Partner der Praxisgemeinschaft verpflichtet gewesen, die Patienten auf die Rückkehr des erstbehandelnden Arztes (ggf. auch erst am nächsten Werktag) zu verweisen. Die ärztliche Kooperation sei über den üblichen Betrieb einer Praxisgemeinschaft als reine Organisationsgemeinschaft zur Kostenminimierung hinausgegangen: Dies habe zu einer deutlichen Erhöhung der Fallzahlen und damit verbundenen zu einer erheblichen Steigerung des Honorars geführt, ohne dass dies durch die Morbidität der Klientel begründet werden könnte. Bezüglich dieser erhöhten Anzahl an identischen Patienten seien doppelt eingelesene Krankenversichertenkarten, Vertreterfälle gemäß Muster 19 der Vordruckvereinbarung, Notfälle und Überweisungen zur Auftragsleistung dahingehend berücksichtigt worden, dass bei der Berechnung der Honorarkorrektur im Einklang mit der gängigen Sozialgerichtsrechtsprechung 30 % der gemeinsamen Patienten als plausibel eingestuft und daher bei der Korrekturberechnung zu ihren Gunsten berücksichtigt worden sei. Eine so regelhafte gegenseitige Vertretung entspreche der typischen Rechtsform einer Gemeinschaftspraxis. Der prozentuale Anteil an Vertretungsfällen liege hessenweit bei unter 10 %. Es bestehe auch eine Präsenzpflicht, wonach der Arzt innerhalb der angegebenen Sprechstundenzeiten verpflichtet sei, seinen Patienten regelmäßig persönlich zur Verfügung zu stehen. Durch die regelmäßigen gegenseitigen Vertretungen werde den Patienten der Eindruck einer Gemeinschaftspraxis vermittelt. Darin sei ein Missbrauch der Gestaltungsform der Praxisgemeinschaft zu sehen. Sie habe eine Schätzung der Höhe der zu viel erhaltenen Leistungen vorgenommen. Die quartalsbezogen abgegebene Abrechnungssammelerklärung über die ordnungsgemäße und vollständige Erbringung der abgerechneten EBM-Leistungen sei aus den genannten Gründen unrichtig und habe die Rechtswidrigkeit der auf ihr beruhenden Honorarbescheide zur Folge. Die Berichtigung der Honorarabrechnungen habe sie auf der Basis einer stichprobenartigen Überprüfung der gemeinsam abgerechneten Behandlungsfälle vorgenommen und in Form einer Hochrechnung auf den Gesamtkorrekturbedarf geschlossen. Hierbei würden grundsätzlich zunächst die Anzahl der bei der Prüfung festgestellten gemeinsamen Behandlungsfälle um die aufgrund ihrer Urlaubs- und Krankheitsmeldungen zulässigen gemeinsamen Behandlungsfälle reduziert. Im Fachgruppendurchschnitt sei eine gegenseitige Vertretung in einer Größenordnung von unter 10 % der Gesamtfallzahl evident. Die Korrekturhöhe pro Behandlungsfall errechne sich dabei aus dem Nettofalldurchschnittswert aus allen Behandlungsfällen der Praxis, multipliziert mit der Gesamtzahl der implausiblen Behandlungsfälle. Für die Berechnung im Einzelnen verweise sie auf die beigefügte Anlage.
Hiergegen legte der Kläger am 10. August 2010 Widerspruch ein. Er trug vor, er sei vor einer Entscheidung nicht angehört worden. Er versicherte, das Schreiben vom 4. März 2010 nicht erhalten zu haben. Er erreiche nicht die Vorgabe von 20 % gemeinsamer Patienten. Von der Gesamtfallzahl beider Praxen betrage der Satz identischer Patienten 14,87 %, 12,46 %, 14,35 % bzw. 17,38 % in den Quartalen II/06 bis I/07. Eine weitere Überprüfung sei deshalb nach den Vorgaben nicht vorgesehen. Er habe vor Jahren ein Beratungsgespräch bei der Wirtschaftlichkeitsberatung der Beklagten gehabt. Er habe sich mit Frau Dr. A. für das Weiterführen ihrer Praxisgemeinschaft entschieden, weil ihnen gesagt worden sei, dass bis zu 20 % Patientenidentität kein Problem darstelle. Alle Patienten seien jeweils einer Praxis zugeordnet. Überweisungsfälle (kleine Zahl) würden als Überweisungsfälle ausgewiesen werden. Alle Vertretungsfälle seien als solche gekennzeichnet. Eine besondere Kennzeichnung der Notfälle sei nicht vorgenommen worden. Sie führten eine Bestellpraxis. Termine würden immer bei dem den Patienten führenden Hausarzt vergeben werden. Vertretungsfälle seien bei Abwesenheit des anderen Praxisinhabers in folgenden Fällen entstanden: ungeplante Vorstellung des Patienten in der Praxis aus medizinischem Grund, bei telefonischen Anfragen in dringenden Fällen (ohne Ordinationsgebühr), gelegentlich auch bei völliger zeitlicher Überlastung eines Praxisinhabers und doch bestehender Behandlungsbedürftigkeit der Patienten am selben Tag, nachdem die Patienten hätten abgewiesen werden müssen und sie dann die Behandlung durch den anderen Praxisinhaber gewünscht hätten. Andernfalls hätten sie zu einem anderen Arzt oder zum ärztlichen Notdienst gehen müssen. Das Wegschicken der Patienten stelle sich im Praxisalltag als äußerst problematisch dar. Das Hilfspersonal dürfe die Patienten nicht abweisen. Ob es sich um einen Notfall handele, könne erst nach der Konsultation durch den Arzt entschieden werden, da sei aber bereits ein Behandlungsfall eingetreten. Die Diagnose allein sei kein geeignetes Kriterium für die Dringlichkeit der Behandlung. Sprechstundenzeiten würden in der Praxisgemeinschaft von beiden Ärzten weit über das vorgeschriebene Maß hinaus und auch zeitversetzt angeboten werden. Es könne auch vorkommen, dass ein Patient am selben Tag bei beiden Ärzten behandelt werde, z. B. bei Befundverschlechterungen oder bei Rückfragen des Patienten, weil der andere Arzt nicht mehr erreichbar sei. Es komme tatsächlich vor, dass die Versichertenkarte am selben Tag in beiden Praxen eingespielt werde, entweder, weil der Patient sie verspätet vorlege oder weil im Vertretungsfall bereits auf die Weiterbehandlung durch den Hausarzt hingewiesen werde und ein Termin vereinbart werde. Er sei jeden Mittwoch in einem Pflegeheim tätig und führe Hausbesuche durch. Es handele sich um Zeiten, in denen er in seiner Praxis nicht tätig sein könne. Darauf würden die Patienten hingewiesen werden. Dennoch kämen trotzdem stets einige Patienten. Der von der Beklagten ermittelte Anstieg der in beiden Praxen behandelten Patienten sei ihnen nicht bewusst gewesen und sei auch mit ihrer Praxissoftware nicht errechenbar. Er könne sich diesen Anstieg nicht erklären, denn das Verhalten der Praxisgemeinschaftspartner sei seit 1993 unverändert. Von dem Kläger werde mehr Honorar zurückgefordert, als er an Vertretungsfällen überhaupt abgerechnet habe. Er habe in den Quartalen II/06 bis I/07 129, 32, 47 und 80 Vertretungsfälle abgerechnet. Mit Ausnahme des Quartals II/06 seien mehr Vertretungsfälle abgezogen worden, als er abgerechnet habe. Für das Quartal II/06 seien lediglich 20 Vertretungsfälle anerkannt worden. Bei einem Teil der Vertretungsfälle handele es sich um die Behandlung von Kindern, die in der Regel nur wegen akuter Erkrankung vorstellig würden. Seine Vertretungsfälle bewegten sich im statistischen Soll. Die Vertretungsfälle von Frau Dr. A. beinhalteten vor allem Vertretungsfälle während seiner Abwesenheit wegen Hausbesuchen und Visiten im Pflegeheim. Im Quartal III/10 seien für Vertretungsfälle bei seiner Abwesenheit von 3 Tagen bereits ca. 25 Vertretungsfällen für Frau Dr. A. angefallen. Das Quartal hochgerechnet bedeute dies ca. 200 Fälle. Die Honorarrückforderung sei deutlich zu hoch. Die Kürzung gehe weit über die Aufgreifkriterien der Beklagten hinaus. Er und Frau Dr. A. hätten sich jetzt für die Änderung in eine Gemeinschaftspraxis entschieden, da sie keine Möglichkeit sähen, in der Kooperationsform einer Praxisgemeinschaft, frei von Regressandrohungen, weiterarbeiten zu können. Honorarkorrekturen mit vierjähriger Verspätung seien reichlich spät, um betriebswirtschaftliche Entscheidungen zu treffen und könnten unter steuerlichen Aspekten ruinös sein.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2012, zugestellt am 28. Juni 2012, den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Feststellungen im Ausgangsbescheid hätten sich im Widerspruchsverfahren bestätigt. Ein Berechnungswechsel zum Feststellen der Überschreitung der Grenzwerte sei nicht vorgenommen worden. Die Anzahl der vorgenommenen Überweisungen für Leistungen, für die Frau Dr. A. keine Genehmigung besitze, sei bereits im Ausgangsbescheid als plausibel eingestuft worden. In dem als generell plausibel zu bewertenden Anteil von 20 % identischer Patienten seien solche notwendigen Überweisungen bereits enthalten. Die Zahl der Überweisungsscheine sei also nicht der Grund für die Implausibilität, weil diese nur einen prozentual geringen Anteil der Doppelfälle und der Gesamtfälle ausmachten. Eine detaillierte Überprüfung der Abrechnungsdaten zeige, dass die Vertretung trotz Sprechstunde des anderen Partners den Großteil der Vertretungsfälle ausmache. Es handele sich keinesfalls um Tage, an denen der Partner krank gewesen sei oder Urlaub gehabt habe und damit die Praxis ganztätig hätte geschlossen sein müssen. Bezüglich des Klägers führte sie ergänzend aus, die Vertretungen seien auch dann vorgenommen worden, wenn er nur eingeschränkt am Mittwoch Sprechstunde halte. Beispielhaft verwies sie auf zwei Behandlungsfälle am 5. April 2006 und jeweils einen weiteren Behandlungsfall am 12. April 2006 und 21. Juni 2006. Die Abrechnungsdaten belegten, dass es üblich gewesen sei, Patienten des anderen Praxisgemeinschaftspartners auch dann zu behandeln, wenn dieser gerade ein besonders hohes Patientenaufkommen gehabt habe oder nur stundenweise abwesend gewesen sei. Frau Dr. A. sei an allen Kalendertagen im Quartal III/06, an denen der Kläger Patienten von ihr vertretungshalber behandelt habe, selbst für mehrere Stunden in der Praxis tätig gewesen. Zwar lägen die Vertretungen Frau Dr. A. für den Kläger etwa bei 1/3 der Fälle an einem Mittwoch, der Hinweis, dass die Patienten trotz der Abwesenheit des Klägers eine Behandlung wünschten, deute darauf hin, dass den Patienten die Unterschiede zwischen einer Praxisgemeinschaft und einer Berufsausübungsgemeinschaft nicht deutlich erklärt worden sei. Der Kläger habe für den Prüfzeitraum nur einstündige offizielle Sprechstunden je Kalendertag gegenüber der Beklagten gemeldet. Auch in Fällen einer Abwesenheit für einen halben Tag handele es sich nicht - abgesehen von Notfällen - um zulässige Vertretungen. Die Praxisorganisation habe eher einer Berufsausübungsgemeinschaft entsprochen. Es sei auch nicht glaubhaft, dass in jedem Quartal zwischen 195 und 312 Patienten einen wichtigen Grund gehabt hätten, den Hausarzt zu wechseln oder Notfälle gewesen seien. Die Beklagte führte vier bzw. fünf Beispielsfälle für die Mitbehandlung von Patienten durch den Praxispartner am selben Tag auf. Ein Indiz für die fehlende Trennung der Praxen sei, dass die Patientenkartei nicht getrennt geführt worden seien. Bei mehreren Scheinen seien die Krankenversichertenkarten am selben Tag in den Praxen eingelesen worden, ohne dass der Patient an diesem Tag beide Praxen aufgesucht habe. Es wurden jeweils sechs Behandlungsfälle aufgeführt. Es fänden sich auch zahlreiche Behandlungsfälle, in denen die Versichertenkarte am selben Tag in beiden Praxen eingelesen worden sei, die Behandlung durch den vertretenden Arzt jedoch bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt sei. Für die vertretenen doppelten Patienten seien ausnahmslos Notfallscheine (Scheinart 42) oder Überweisungsscheine ausgestellt worden. Dies sei aber nur zulässig, wenn es sich um Notfälle handele. Eine besondere Kennzeichnung von Notfällen sei nicht vorgenommen worden. Die Dringlichkeit der Behandlung aufgrund der Art der Erkrankung könne in diesen Fällen nur sehr eingeschränkt überprüft werden. Mangels Hinweisen auf den Behandlungsscheinen über die akut aufgetretene Krankheit gehe es in diesen Fällen zu den Lasten des Klägers, dass eine Notfallsituation und damit eine ggf. zulässige Vertretung nicht zu erkennen sei. Es fänden sich auch Patienten, für die in beiden Praxen Vertretungsscheine (SUG 42) angelegt worden seien. In den noch streitbefangenen Quartalen befänden sich bei dem Kläger 3, 4, 5 bzw. 7 Fälle und bei Frau Dr. A. 11, 7, 10 bzw. 8 Fälle, in denen Überweisungen vorgenommen worden seien. Soweit Frau Dr. A. Überweisungen zur Sonographie vorgenommen habe, sei dies plausibel. Die Überweisungen des Klägers seien allerdings erforderlich gewesen. Dies gelte auch für einen Teil der Überweisungen der Frau Dr. A. Im Ausgangsbescheid sei ein Sicherheitsabschlag von 30 % der gemeinsam behandelten Fälle zu Grunde gelegt worden, das heißt, dass von den doppelten Fällen 30 % wiederum als plausibel behandelt worden seien. Ferner werde die darüber hinaus verbliebene Anzahl der Fälle hälftig (50 %) auf die Praxisgemeinschaftspartner aufgeteilt, was wiederum eine Begünstigung darstelle. Hintergrund sei, dass Fälle wie doppelt eingelesene Krankenversichertenkarten, Vertreterfälle gemäß Muster 19 der Vordruckvereinbarung, Notfälle und Überweisungen zur Auftragsleistung damit abgegolten seien. Die Berechnung gehe dabei von der Gesamtzahl an Doppelfällen pro Praxis aus, nicht allein von den Vertretungsfällen der Scheingruppe 42. Die berechtigten Doppelfälle seien in einem geringeren Umfang als die tatsächlich abgerechneten Doppelfälle angefallen. Da andererseits gleichzeitig Abrechnungsverstöße in jedem Quartal nachgewiesen seien, seien die Abrechnungen implausibel. Der Kläger habe grob fahrlässig u. a. die Versichertenkarten doppelt eingelesen und Überweisungen innerhalb derselben Fachgruppe vorgenommen. Damit entfalle die Garantiewirkung der Abrechnungssammelerklärung. Der Kläger habe durch die missbräuchliche Nutzung der Praxisgemeinschaft Honorarvorteile erlangt. Die erhöhte Fallzahl der Praxis führe zu Vorteilen bei Budgetierungsregelungen, die den Budgetrahmen anhand der Zahl der Behandlungsfälle berechneten. Hierzu gehörten beispielsweise das Regelleistungsvolumen, Laborkostenbudget und Wirtschaftlichkeitsbonus.
Hiergegen hat der Kläger am Montag, den 30. Juli 2012 Klage beim Sozialgericht Marburg erhoben.
Er verwies auf sein Widerspruchsvorbringen und trug ergänzend vor, es sei in der Vergangenheit aufgrund falscher Beratung durch die Beklagte zu Vertretungsfällen gekommen. Am 11. Februar 2004 hätten Frau Dr. A. und er ein Beratungsgespräch mit einem Berater der Beklagten geführt. Inhalt des Gespräches sei die Fragestellung gewesen, ob man weiter als Praxisgemeinschaft arbeiten soll oder die Praxis in eine Gemeinschaftspraxis geändert werden müsse. Ihnen sei die Auskunft erteilt worden, eine Anzahl von Vertretungsfällen bis zu 20 % sei plausibel und nicht zu beanstanden. Von einer Beschränkung der Vertretungsfälle auf ganztägige Urlaubsvertretungen und ganztägige Praxisschließung wegen Erkrankung sei nie die Rede gewesen. Die Landesärztekammer habe auf Anfrage mitgeteilt, dass ein Vertragsarzt aufgrund seiner Zulassung berechtigt und verpflichtet sei, Kassenpatienten im Rahmen des Sicherstellungsauftrages zu behandeln. Der Vertragsarzt dürfe deren Behandlung nur in begründeten Fällen ablehnen, da er sich sonst einer Verletzung seiner Pflicht als Vertragsarzt schuldig mache. Gegen die nunmehr geäußerte Vorstellung der Beklagten spreche auch die Praxisrealität wie sie üblicherweise gelebt werde. Lange Zeit sei auch unklar gewesen, wann von einem Vertretungsfall auszugehen sei. Der Kläger habe die Abrechnungsgenehmigung für Ultraschall-Untersuchungen, er übe eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle aus und betreue ein Pflegeheim, Frau Dr. A. habe die Abrechnungsgenehmigung für den Bereich Kinderheilkunde, Homöopathie und Allergologie. Ihm fehlten die Unterlagen, die von der Beklagten erstellt werden müssten, um weiter zu den einzelnen Fällen vorzutragen. Bei Prozentsätzen zwischen 20 % und 50 % müssten weitere Anhaltspunkte hinzukommen. Es fehle auch an einem rechtlichen Gehör. Ihm fehle eine Instanz. Er müsse die Rückzahlung der von der Beklagten geforderten Beträge leisten, ohne vorher gehört worden zu sein. § 50 SGB X sei als Rechtsgrundlage nicht anwendbar. In jedem Einzelfall sei eine Leistungserbringung gegeben gewesen. Es sei nicht zu beanstanden, dass in den Praxen Vertretungsfälle entstanden seien. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R - betreffe einen anderen Sachverhalt. Für ihn ergäben sich mehr "unplausible Fälle" als er abgerechnet habe. Er habe sich keiner groben Fahrlässigkeit schuldig gemacht. Wenn Versichertenkarten eingelesen würden, geschehe dies durch die Praxishelferinnen. Er habe sich auch auf die Beratung der Beklagten verlassen. Unmittelbar nach Erhalt des Regresses habe er unverzüglich auf eine Gemeinschaftspraxis umgestellt.
Die Beklagte verwies auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden. Ergänzend führte sie aus, ein Anhörungsmangel liege nicht vor. Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung erfasse gerade auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet habe. Dies treffe auch auf Leistungserbringungen in Form einer Praxisgemeinschaft zu, obwohl die ärztliche Tätigkeit tatsächlich wie in einer Gemeinschaftspraxis erfolgt sei. Die gemeinsam behandelten Fälle lägen in den streitgegenständlichen Quartalen über dem in der Richtlinie der KBV der Spitzenverbände der Krankenkassen normierten Prozentsatz von 20 % Patientenidentität bei versorgungsbereichsidentischen Praxen. Auch hinzu kämen weitere Indizien, die sie in dem angefochtenen Bescheiden genannt habe. Der Hinweis des Klägers auf das Beratungsgespräch sei für sie nicht nachzuvollziehen. Die Kooperation des Klägers mit Frau Dr. A. habe in der Form einer anzeigepflichtigen Praxisgemeinschaft bestanden. Insofern müssten sie sich auch den für die Praxisgemeinschaft geltenden Regelungen entsprechend konform verhalten. Das sei hier nicht erfolgt. Besondere Hinweispflichten ihrerseits bestünden nicht. Jeder Arzt sei selbst für seine Abrechnung verantwortlich. Für die Festsetzung des Rückforderungsbetrages komme ihr ein weiteres Schätzungsermessen zu. Aufgrund der unterschiedlichen Fallzahlen komme es auch zu unterschiedlichen Ergebnissen bei den einzelnen anerkannten Quoten. Sie habe jedoch immer beachtet, dass die als plausibel zugestandene Zahl an Patienten über der nach allgemeinen Erfahrungen liegenden Überschneidungsquote bei Praxisgemeinschaften von 3 % bis 5 % lägen bzw. normalerweise bis maximal 15 %. Eine Verletzung des Gebots der Gleichbehandlung liege nicht vor. Der Kläger habe im Verwaltungsverfahren nicht um Akteneinsicht nachgesucht. In diesen Fällen werde jeweils eine teilanonymisierte CD mit den identischen Patienten zur Verfügung gestellt. Der Kläger habe auch zu den im Widerspruchsbescheid angeführten Beispielsfällen Stellung nehmen können oder ihre eigenen Daten auswerten können.
Mit Urteil vom 29. Januar 2014 hat das Sozialgericht der Klage teilweise stattgegeben. Die Klage sei bzgl. der Quartale III/06 bis I/07 begründet. Der angefochtene Bescheid vom 23. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2012 sei insoweit rechtswidrig und aufzuheben. Im Übrigen sei die Klage aber abzuweisen. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids folge aus einer Überschreitung des Kürzungsermessens der Beklagten, insoweit sie dem Kläger in den Quartalen III/06 bis I/07 weniger als 20 % an gemeinsamen Patienten zugestanden habe. Soweit sich der Kläger auf eine fehlende Anhörung vor Erlass des Ausgangsbescheides berufe, führe dies nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X könne die erforderliche Anhörung eines Beteiligten bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Hieraus folge, dass die zunächst unterbliebene Anhörung vor Erlass des Ausgangsbescheides jedenfalls im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden sei. Ferner folge daraus, dass kein Anspruch auf zwei Verwaltungsinstanzen insoweit bestehe, dass bei unterbliebener Anhörung das Ausgangsverfahren vollständig nachzuholen wäre. Insofern handele es sich auch bei einem Widerspruchsverfahren um ein einheitliches Verwaltungsverfahren in Bezug auf das Ausgangsverfahren. Der Kläger habe hinsichtlich seines Widerspruchsvorbringens zur gemeinsamen Behandlung von Patienten im Ergebnis selbst eingeräumt, die Praxen wie eine Gemeinschaftspraxis geführt zu haben, wenn er darauf hinweise, dass das Wegschicken der Patienten sich im Praxisalltag als äußerst problematisch darstelle und letztlich eine "Vertretung" bereits bei Überlastung eines Praxispartners oder auch kurzfristiger Abwesenheit des anderen Praxispartners angenommen worden sei, z. B. weil der andere Praxispartner nicht mehr erreichbar gewesen wäre oder Hausbesuche gemacht habe. Es handele sich bei dieser Form der Vertretung auch nicht um eine Vertretung im Sinne eines "Praxisvertreters" nach § 32 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV, der in der Praxis des Vertretenen für diesen die Patienten behandelt (siehe auch zur Haftung § 14 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä/§ 20 Abs. 2 Satz 1 EKV-Ä). Zutreffend gehe die Beklagte davon aus, dass ein Vertretungsfall nur dann angenommen werden kann, wenn der Vertragsarzt aus einem besonderen Grund "an der Ausübung seiner Praxis verhindert" sei, d. h. nicht nur stundenweise abwesend sei und die Praxis insgesamt geschlossen bleibe (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 8. Juni 2007 - L 3 KA 9/07 ER - juris Rdnr. 31). Bereits nach dem Bundesmantelvertrag im Primärkassenbereich in der bis Juni 2007 geltenden Fassung sei der Vertragsarzt gehalten gewesen, seine Sprechstunden entsprechend dem Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung und den Gegebenheiten seines Praxisbereiches festzusetzen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä). Bei der Verteilung der Sprechstunden auf den einzelnen Tag sollten die Besonderheiten des Praxisbereiches und die Bedürfnisse der Versicherten (z. B. durch Sprechstunden am Abend oder an Samstagen) berücksichtigt werden (§ 17 Abs. 2 BMV-Ä). Der Vertragsarzt sei gehalten, in dem Umfang Sprechstundenzeiten anzubieten, in denen er seine Patienten das gesamte Quartal hindurch behandeln könne und diese nicht gehalten seien, einen "Vertreter" aufzusuchen. Dies folge bereits aus seinen allgemeinen vertragsärztlichen Pflichten (§ 95 Abs. 3 SGB V). Der Vertragsarzt habe die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV). Nur bei Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung könne er sich innerhalb von zwölf Monaten bis zur Dauer von drei Monaten vertreten lassen. Dauere die Vertretung länger als eine Woche, so sei sie der Kassenärztlichen Vereinigung mitzuteilen (§ 32 Abs. 1 Satz 2 und 4 Ärzte-ZV). Eine Gemeinschaftspraxis könne nicht unter Hinweis auf die generelle Vertretungsbefugnis wie eine Praxisgemeinschaft geführt werden; der Vertragsarzt habe in dem Umfang Sprechstundenzeiten anzubieten, in denen er seine Patienten das gesamte Quartal hindurch behandeln könne und diese nicht gehalten seien, einen "Vertreter" aufzusuchen (vgl. SG Marburg, Urteile vom 8. Dezember 2010 S 12 KA 30/10 R - juris Rdnr. 40 ff.; vom 5. Dezember 2012 - S 12 KA 80/12 - a.a.O. Rdnr. 56; vom 8. Mai 2013 - S 12 KA 435/12 - a.a.O. Rdnr. 48). Insofern sei es die klare Aufgabe des Arztes, nicht nur auf die bestehende Kooperationsform der Praxisgemeinschaft hinzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006 - B 6 KA 76/04 R - a.a.O., Rdnr. 19; LSG Bayern, Urteil vom 16. Mai 2007 - L 12 KA 563/04 - juris Rdnr. 34 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschluss vom 17. September 2008 - B 6 KA 65/07 B - BeckRS 2008, 57265)), sondern auch ggf. die Behandlung des Patienten - abgesehen von Notfällen - abzulehnen und auf die bereits begonnene Behandlung durch den Praxisgemeinschaftspartner hinzuweisen und sich im Falle einer Vertretungsbehandlung auf die notwendige, d. h. keinen Aufschub zulassende Behandlung zu beschränken. Speziell für den Fall der hausärztlichen Versorgung, an der beide Ärzte der Praxisgemeinschaft teilnähmen, ergebe sich die Pflicht zur Festlegung auf einen bestimmten Hausarzt zwingend aus § 76 Abs. 3 Satz 2 SGB V. Danach wähle der Versicherte einen Hausarzt. Das Nebeneinander von zwei Hausärzten komme schon begrifflich nicht in Betracht und widerspräche dem Hausarztkonzept, wonach die ärztliche Betreuung und die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen in einer Hand sein sollten (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Nach § 76 Abs. 3 Satz 3 SGB V sei der Arzt verpflichtet, die Versicherten über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung vorab zu informieren und damit auch über die Verpflichtung des Versicherten, einen bestimmten Hausarzt zu wählen. Das hätten der Kläger und seine Praxisgemeinschaftspartnerin nicht oder jedenfalls nicht ausreichend getan. Vielmehr gehe aus den Ausführungen des Klägers hervor, dass aufgrund der von ihnen geschilderten Verhältnisse eine wirkliche Akzeptanz nicht zu erreichen gewesen sei. Das decke sich insofern mit den Feststellungen der Beklagten, dass bei Abwesenheit eines Praxispartners die Praxis des abwesenden Partners im Wesentlichen von dem anwesenden Praxispartner fortgeführt worden sei. Soweit in einzelnen (Not-)Fällen aus medizinischen Gründen eine Abweisung der Patienten nicht möglich gewesen sein sollte, werde dem von der Beklagten bei der Neufeststellung der Honorare mit den zugestandenen gemeinsamen Fällen grundsätzlich mehr als ausreichend Rechnung getragen (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 16. Mai 2007 - L 12 KA 563/04 - juris Rdnr. 35; LSG Bayern, Urteil vom 28. März 2007 - L 12 KA 216/04 - juris Rdnr. 26). Dies gelte auch für die Überweisungsfälle, die die Beklagte nicht beanstandet habe und die im Umfang nur einen zu vernachlässigenden Anteil ausmachen. Soweit Patienten ausnahmsweise auf eigen Wunsch den Behandler wechselten, sei dies zu dokumentieren (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006 - B 6 KA 76/04 R - a.a.O., Rdnr. 25) und ggf. im Prüfverfahren dann vorzulegen. Die allgemeine Behauptung solcher Wünsche reiche nicht aus. Die Verwendung des Musters 19 der Vordruckvereinbarung bedeute nicht, dass diese Fälle automatisch von den gemeinsamen Fällen abzuziehen seien. Mit dem Zugeständnis von 20 % oder mehr an gemeinsamen Behandlungsfällen würden üblicherweise anfallende Vertretungsfälle hinreichend zugestanden. Die Beklagte habe gerade dargelegt, dass gerade der Großteil der Vertreterscheine auf nur stundenweise Abwesenheiten entfalle, die ihre Ursache in der Durchführung von Hausbesuchen, kurzzeitiger Fortbildung, unterschiedlichen Sprechzeiten, "dringenden sonstigen Gründen" oder darin hätten, dass der erstbehandelnde Arzt "schon außer Haus" gewesen sei. Auch nach der Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung könne nach Ziff. 2.19 Muster 19: Notfallvertretungsschein Muster 19 nur für die Abrechnung der Leistungen im ärztlichen Notfalldienst und bei Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretung verwandt werden, nicht aber schon bei bloß kurzfristiger Abwesenheit des Praxisgemeinschaftspartners. Im Übrigen werde das Auftreten der Ärzte als Gemeinschaftspraxis auch deutlich durch den verwandten Briefkopf wie z. B. im Schreiben des Klägers vom 3. September 2010 an die Beklagte im Verwaltungsverfahren. Unter der Angabe beider Namen und ihres Facharzttitels im Plural ("Fachärzte für Allgemeinmedizin") würden ohne Differenzierung nach dem Behandler die besonderen Qualifikationen der Praxis ("Homöopathie, Kinder- und Jugendärztl. Früherkennung, Flugmedizin, Fliegerärztl. Untersuchungsstelle, Reisemedizin") mit einer gemeinsamen Praxisanschrift, einer gemeinsamen Telefonnr., einer gemeinsamen Faxnr. und einer gemeinsamen E-Mail-Adresse angegeben. Auch wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, sie hätten auch getrennte Briefbögen verwandt, so habe er doch zu erkennen gegeben, dass der gemeinsame Briefbogen nicht nur in diesem Verwaltungsverfahren verwandt wurde. Dies lasse ebenfalls erkennen, dass die Praxisgemeinschaftspartner im Außenverhältnis nicht immer in der gebotenen Klarheit nach ihrem Zulassungsstatus aufgetreten seien, sondern eben doch als Gemeinschaftspraxis.
Angesichts dieser Verstöße gegen die Regeln des Vertragsarztrechts erwiesen sich die von dem Kläger in den streitbefangenen Quartalen jeweils der Abrechnung beigefügten Abrechnungssammelerklärungen, in denen er die ordnungsgemäße Erbringung der abgerechneten Leistungen bestätigt habe, als falsch, mit der Folge, dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, die Honorarbescheide aufzuheben und die Honorare im Wege der Schätzung neu festzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 17. September 1997 - 6 RKa 86/95 - SozR 3-5500 § 35 Nr.1 = MedR 1998, 338 = USK 97134, juris Rdnr. 27 f.; BSG, Urteil vom 23. Juni 2010 - B 6 KA 7/09 R - juris Rdnr. 69). Der Beklagten komme dabei ein weites Schätzungsermessen zu, da mit der Implausibilität der Abrechnung aufgrund des Formenmissbrauchs die Abrechnung selbst nicht mehr ausschlaggebend sein könne. Keinesfalls stehe den in einer vorgetäuschten Praxisgemeinschaft zusammenarbeitenden Ärzten mehr an Honorar zu, als ihnen zu zahlen gewesen wäre, wenn sie auch rechtlich eine genehmigte Gemeinschaftspraxis im Sinne von § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV gebildet hätten (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006 - B 6 KA 76/04 R - a.a.O., Rdnr. 22). Dies bedeute jedoch nicht, dass den Ärzten auch tatsächlich das Honorar zu zahlen wäre, das sie erhalten hätten, wenn sie legal in einer genehmigten Gemeinschaftspraxis zusammengearbeitet hätten. Das BSG (ebd.) führe vielmehr weiter aus, dass jedenfalls bei einer Patientenidentität von mehr als 50 % bei formal unter der Rechtsform einer Praxisgemeinschaft zusammenarbeitenden Ärzten desselben Fachgebiets solche Gebührentatbestände des EBM, bei denen bei einer Behandlung in einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis eine Vergütung für ein Quartal höchstens einmal gewährt werden könne, bei keinem Praxisgemeinschaftspartner zu berücksichtigen seien, denn insoweit scheide eine vergütungsrechtliche Zuordnung der Leistungen zu einem der Vertragsärzte aus. Das Bundessozialgericht habe in ständiger Rechtsprechung solche Gegenrechnungen bzw. Saldierungen abgelehnt, weil dadurch die Ordnungsvorgaben des Vertragsarztsystems unterlaufen würden. Honorarkürzungen dürften sich vielmehr auf das gesamte Honorar erstrecken, das auf rechtswidrige Weise erlangt wurde, ohne dass gegenzurechnen sei, was bei rechtmäßigem Verhalten als Honorar zu zahlen gewesen wäre; in solchen Fällen könne eine Honorarneufestsetzung im Wege einer Schätzung erfolgen. Diese Grundsätze gälten auch in Fällen des Missbrauchs der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft. Dabei könnten auch deutlich unter 50% liegende Quoten ausreichen, um Vergütungen, die bei Vorliegen einer Gemeinschaftspraxis nur einmal zu zahlen wären, beiden Ärzten zu kürzen (vgl. BSG, Beschluss vom 17. September 2008 - B 6 KA 65/07 B - BeckRS 2008, 57265, Rdnr. 9 ff.). Ausgehend von diesen Grundsätzen sei die Berechnung des Berichtigungsbetrags hinsichtlich des Klägers bzgl. der Quartale III/06 bis I/07, nicht aber im Ergebnis im Übrigen zu beanstanden. Aus der nachfolgenden Berechnung der Kammer folge, dass die Beklagte auf Grund ihres pauschalen Zugeständnisses von 30 % der jeweils gemeinsamen Patientenzahl zu unterschiedlichen Zugeständnissen hinsichtlich der Vertretungsfälle bzw. gemeinsamen Fälle führe, die nicht gekürzt werden (siehe nachfolgende Übersicht jeweils Spalte 5). Gehe man ferner davon aus, dass auf Grund der 50 %-igen Kürzung der nichtanerkannten Fälle im Ergebnis jeweils die verbleibende Hälfte vollständig vergütet worden sei, so habe die Beklagte im Ergebnis in der Summe mit der 30 %-Quote bestimmte Fallzahlen insgesamt anerkannt (nachfolgend jeweils Spalte 7), was aber ebenfalls sehr unterschiedliche Prozentsätze ausmache (nachfolgend Spalte 8). Für den Kläger folgten hieraus Prozentwerte unterhalb von 10 % bzw. unterhalb von 20 %. Auch bestünden grundsätzlich Bedenken bei der Ausübung des Schätzungsermessens hinsichtlich des Gebots der Gleichbehandlung, da die Vorgehensweise der Beklagten zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führe. Die Kammer habe dies zuletzt im Urteil vom 8. Mai 2013 - S 12 KA 435/12 - a.a.O. Rdnr. 59 nicht beanstandet, da trotz der Annahme allgemeiner Vertretungsfälle von unter 10 % und dem Aufgreifkriterium von 20 % bei dem Kläger erheblich mehr als 20 % gemeinsame Fälle nicht beanstandet worden seien. Die Kammer habe ausgeführt, die Schwankungsbreiten zwischen den beiden Klägern und den Quartalen beruhten auf der unterschiedlichen Anzahl gemeinsamer Fälle und der willkürlichen 30 %-Grenze. Wenn auch die Beklagte über diese Unterschiede keine Begründung abgegeben habe, so sehe die Kammer dies noch von dem Ermessen der Beklagten, das zu Pauschalierung berechtigte, als gedeckt an. Im vorliegenden Fall lägen diese Voraussetzungen allerdings nicht vor. Auch bestünden im Hinblick auf die ganz unterschiedlichen Auswirkungen Bedenken bzgl. einer gleichmäßigen Ermessensausübung (Art. 3 Abs. 1 GG).
Kläger:
1 2 3 4 5 6 7 8
Quartal Fallzahl Kl. Gemeinsame Patienten - 30 % in % Fallzahl 50% Gesamt anerkannt Gesamt in %
II/06 944 312 94 10,0 109 203 21,5
III/06 938 195 59 6,2 69 128 13,6
IV/06 958 236 71 7,4 82 153 16,0
I/07 981 298 89 9,1 105 194 19,8
Frau Dr. A.:
Quartal Fallzahl Fr. Dr. A. Gemeinsame Patienten - 30 % in % Fallzahl 50% Gesamt anerkannt Gesamt in %
II/06 737 312 94 12,8 109 203 27,5
III/06 626 195 59 9,4 69 128 20,4
IV/06 286 236 71 10,3 82 153 22,3
I/07 733 298 89 12,1 105 194 26,5
Die Kammer gehe daher in Fortführung ihrer Rechtsprechung davon aus, dass insofern § 11 Abs. 2 ARL verbindlich vorgebe, dass im Ergebnis ein Anteil von 20% - bzw. bei fachübergreifenden Praxisgemeinschaften von 30% - gemeinsamer Patienten anzuerkennen ist, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die einen höheren Anteil rechtfertigten, was vorliegend nicht ersichtlich sei. Auch in der Literatur würden, ausgehend davon, dass die Überschneidungsquote bei Praxisgemeinschaften normalerweise bis max. 15% betrage, Kürzungen ab einer Quote von 20% an Doppelpatienten grundsätzlich als rechtens angesehen (vgl. Clemens in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 106a SGB V, Rdnr. 175). Solle eine darüber hinausgehende Kürzung vorgenommen werden, sei dies im Einzelnen zu begründen und reichten bei Ausübung des Kürzungsermessens allgemeine pauschalierende Erwägungen nicht mehr aus. Hieran fehle es aber vorliegend. Nach § 11 Abs. 2 ARL sei eine Abrechnungsauffälligkeit nur ab der genannten Grenzwerte zu vermuten. Eine solche Abrechnungsauffälligkeit bedeute aber noch nicht, dass automatisch eine Honorarkürzung ausgesprochen werden könne, da nach § 12 Abs. 1 und 2 ARL erst dann die Kassenärztliche Vereinigung weitere Prüfungen durchführe mit dem Ziel, mit Hilfe ergänzender Tatsachenfeststellungen und Bewertungen festzustellen, ob gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit verstoßen worden sei oder nicht. § 11 Abs. 2 ARL gebe damit aber eine Untergrenze an, ab deren Überschreiten erst eine weitere Prüfung stattfinde, ohne die eine Honorarkürzung nicht erfolgen könne. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass diese Untergrenze trotz der Feststellung, dass tatsächlich ein Gestaltungsmissbrauch vorliege, auch als Kürzungsgrenze jedenfalls verbleibe, soweit nicht eine ergänzende substantiierte Prüfung ergebe, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Gestaltungsmissbrauch auch Unterhalb der Untergrenze zu unzulässigen Honorarverschiebungen geführt habe. Insofern beschränke die für die Beteiligten verbindliche ARL (§ 106a Abs. 6 i. V. m. Abs. 5 Satz 3 SGB V) das Ermessen der Beklagten. Damit würden trotz der Annahme allgemeiner Vertretungsfälle von unter 10 % und dem Aufgreifkriterium von 20 % dem Kläger im Quartal II/06 und der Praxisgemeinschaftspartnerin in allen streitbefangenen Quartalen im Ergebnis mehr als 20 % gemeinsamer Fälle nicht beanstandet. Dies sei nicht zu beanstanden. Soweit aber dem Kläger in den Quartalen III/06 bis I/07 nur 13,6%, 16,0% bzw. 19,8% an gemeinsamen Fällen zugestanden würden und damit weniger als 20%, sei der angefochtene Bescheid aufzuheben. Soweit sich der Kläger auf eine Beratung berufe, so betreffe diese zunächst nicht die streitigen Quartale II/06 bis I/07. Ferner trage der Kläger lediglich vor, in dem Beratungsgespräch sei eine Fortführung der Praxisgemeinschaft geraten worden. Eine Anzahl an Vertretungsfällen bis zu 20 % sei plausibel und nicht zu beanstanden. Grundsätzlich gehe die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden ebenfalls davon aus. Insofern fehle es an einer genaueren Darlegung, in welcher Weise falsch beraten worden sein soll. Im Übrigen räume der Kläger selbst ein, über keinen Nachweis über das Beratungsgespräch zu verfügen. Soweit sich der Kläger auf eine E-Mail der Landesärztekammer Hessen vom 15. Juni 2012 berufe, so stehe die darin getroffene Aussage nicht im Widerspruch zu der Rechtsauffassung der Beklagten. Aus der Zulassung als Vertragsarzt ergebe sich grundsätzlich eine Behandlungspflicht. Nach der genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestehe dabei ebenso die Verpflichtung, abgesehen von Notfällen, Patienten nicht zu behandeln, die bereits im selben Quartal in der Behandlung eines anderen Hausarztes seien.
Gegen das ihr am 10. Februar 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 4. März 2014 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt und mit Schriftsatz vom 16. April 2014 die Berufung auf das Urteil zu Az. S 12 KA 359/12 beschränkt und klargestellt, das sich die Berufung ausschließlich auf die Quartale III/06 bis I/07 bezieht.
Zur Begründung trägt sie vor, dass das Sozialgericht zu Unrecht davon ausgehe, dass sie ihr Kürzungsermessen überschritten habe, in dem sie dem Kläger in den Quartalen III/06 bis I/07 im Ergebnis weniger als 20% an gemeinsamen Patienten zugestanden habe. Zur Berechnung ermittle sie zunächst die gemeinsamen Patienten der jeweiligen Praxen und prüfe dann, ob sich bei den gemeinsam festgestellten Patienten plausible Fälle aufgrund von regulären Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen oder Behandlung von Notfällen oder korrekten Überweisungen zur Auftragsleistung befanden. Diese Fälle würden dann von den gemeinsamen Fällen abgezogen, weil sie als plausibel bewertet würden. Dann nehme die Beklagte einen Sicherheitsabschlag von 30% der gemeinsamen Fälle vor und von den verbleibenden gemeinsamen Fällen würden 50% abgezogen, da davon ausgegangen werde, dass beide Praxen gleichermaßen am Gestaltungsmissbrauch beteiligte seien. Die nicht plausiblen Fälle würden somit gleichmäßig auf die beiden Praxen aufgeteilt. Bei dem Kläger und Frau Dr. A. seien indes alle gemeinsamen Fälle als nicht plausibel eingestuft worden, so dass ein Abzug plausibler Fälle nicht erfolgt sei. Das Sozialgericht habe verkannt, dass es bei den pauschal als plausibel anerkannten gemeinsamen Fällen von 30% (als Sicherheitsabschlag) in den verschiedenen Quartalen zu unterschiedlichen Zugeständnissen hinsichtlich der zugestandenen gemeinsamen Fälle führen "müsse". Dies sei darauf zurückzuführen, dass in jedem Quartal differierende Fallzahlen und auch eine differierende Anzahl von gemeinsamen Patienten vorliegen. Sie habe jedoch in jedem Quartal die gleiche Berechnungsmethode angewandt, so dass das Gebot der Gleichbehandlung nicht verletzt sei. Auch der Sicherheitsabschlag von 30% sei nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfungen sei für die Prüfmethode "repräsentative Einzelfallprüfung mit Hochrechnung" seitens der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Sicherheitsabschlag von 25% zu erfolgen habe. Auch im Rahmen der patientenbezogenen Plausibilitätsprüfung sei ein Sicherheitsabschlag vorzunehmen, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass noch plausible Fälle aufgrund einer korrekten Krankheits- oder Urlaubsvertretung vorlägen, da Urlaubsvertretungen von unter einer Woche und kürzere Krankheitsvertretungen nicht angezeigt werden müssten und daher von ihr nicht ermittelt oder herausgerechnet werden könnten. Auch die Aufteilung der dann noch verbleibenden plausiblen Doppelfälle auf die beiden beteiligten Praxen sei nicht zu beanstanden, da der eindeutig vorliegende Gestaltungsmissbrauch gleichmäßig auf die beiden beteiligten Praxen aufgeteilt würde. Das Sozialgericht habe weiterhin eine Untergrenze für eine Überschneidungsquote bei Praxisgemeinschaften eingeführt, und dabei nicht beachtet, dass in § 11 Abs. 2 ARL die KV und der GKV-Spitzenverband vereinbart hätten, dass eine Abrechnungsauffälligkeit zu vermuten sei, wenn bei versorgungsbereichsidentischen Praxen 20% Patientenidentität und bei versorgungsbereichsübergreifenden Praxen 30% Patientenidentität vorliege. In der Verfahrensordnung zur Durchführung von Plausibilitätsprüfungen der KVH gemäß § 106a Abs. 2 SGB V sei in § 14 Abs. 3 geregelt, dass der prozentuale Anteil an identischen Patienten ermittelt werde, indem die Patienten beider Praxen einander gegenübergestellt würden und festgestellt werde, wie viele Patienten sowohl in der einen wie in der anderen Praxis geführt würden. Die Anzahl der doppelt geführten Patienten sei in Verhältnis zur praxiseigenen Patientenzahl zu setzen. Erreiche der Prozentsatz in nur einer Praxis den in der Richtlinie vorgesehenen Aufgreifwert, werde danach auch die andere Praxis einer weitergehenden Prüfung unterzogen. Geregelt sei somit, dass auch die Praxis der Praxisgemeinschaft in die Prüfung einzubeziehen sie, die das Aufgreifkriterium von 20 oder 30% nicht erfülle, wenn die andere Praxis oberhalb des Aufgreifkriteriums liege. Diese Vorgehensweise beruhe darauf, dass bei stark unterschiedlicher Praxisgröße sonst das Verhalten der größeren Praxis überhaupt nicht beanstandet werden könne. Würde man eine Untergrenze von 20% der gemeinsamen Patienten einführen, würden aber gerade größere Praxen keiner Honorarkürzung unterzogen werden können. Dies werde i. v. F. gerade in den Quartalen III/06 bis I/07 deutlich, in denen die der Praxis anerkannte Zahl der gemeinsamen Patienten unter 20% gelegen hätten. Nach der Rechtsauffassung des Sozialgerichts könnte eine Honorarkürzung nicht vorgenommen werden, obwohl für beide Praxen die missbräuchliche Kooperationsform nachgewiesen worden sei. Die patientenbezogene Plausibilitätsprüfung würde leer laufen, wenn eine große Praxis beteiligt sei. Es könne auch nicht sein, dass für die größere Praxis, obwohl für beide Praxen die missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform nachgewiesen worden sei, eine über die 20%-Grenze hinausgehende Kürzung nur dann vorgenommen werden könne, wenn dies mit einer ergänzenden substantiierten Prüfung erfolge, dies stelle eine Ungleichbehandlung dar. Wenn die Erwägungen der Implausibilität für die identischen Fälle in der kleineren Praxis ausreichend seien, müssten die Erwägungen auch für die größere Praxis ausreichend sein. Bereits aus dem Anteil der gemeinsam behandelten Patienten von 20,8% und 33,1% lasse sich auf eine missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform schließen. Des Weiteren habe sie unter Benennung von Beispielsfällen dargelegt, dass eine missbräuchliche Nutzung vorgelegen habe. Im vorliegenden Fall habe es sich so verhalten, dass gerade keine korrekten Vertretungen vorgelegen hätten, da in nahezu allen Doppelfällen beide Ärzte am gleichen Tag Leistungen erbracht hätten und somit in der Praxis anwesend gewesen seien. Selbstverständlich würden korrekte Vertretungen vollständig als plausibel bewertet und bereits vor Berücksichtigung des Sicherheitsabschlags von 30% und nochmaliger Aufteilung von 50% vorab berücksichtigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 29. Januar 2014 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt vor, die von der Beklagten beschriebene Berechnungsweise sei nicht wie beschrieben durchgeführt worden. Es seien nicht die gemeinsamen Patienten zur Anzahl aller Patienten ins Verhältnis gesetzt worden. Die Beklagte habe gemeinsame Patienten zu der Anzahl der Patienten einer Praxis ins Verhältnis gesetzt. Richtig wäre gewesen, wenn die 50% der gemeinsamen Patienten ins Verhältnis zu der Fallzahl der Praxis insgesamt gesetzt worden wären. Er habe nicht die Möglichkeit bekommen nachzuvollziehen, wann echte Vertretungsfälle durch die Beklagte dokumentiert vorgelegen hätten und mithin von den sog. "unechten" Vertreterfällen hätten abgezogen werden müssen, denn nur für das Quartal II/05 habe die Beklagte die jeweiligen ambulanten Behandlungsscheine mit Diagnose zur Verfügung gestellt. Die Beklagte habe sich nicht die Mühe gemacht, berechtigte gemeinsame Fälle herauszurechnen. Die Behauptung, es gäbe keine plausiblen gemeinsamen Fälle, lasse sich durch die vorgelegte Dokumentation K2 widerlegen. Die Kooperationsform sei nicht missbräuchlich betrieben worden. Aufgrund der Falschberatung der Beklagten sei davon ausgegangen worden, dass die Vertretungstatbestände, wie sie sich in der Abrechnungslage darstellten, ordnungsgemäß seien. Die Erbringung seiner Arbeitsleistung im Altersheim, sei nicht als Vertretungstatbestand anerkannt worden. Bei einem Vorwurf der Missbräuchlichkeit hätte mindestens ein bedingter Vorsatz nachgewiesen werden müssen. Dies sei aber weder durch die Beklagte noch durch die Staatsanwaltschaft erfolgte, das Strafverfahren sei vielmehr eingestellt worden, weil es gerade an dieser missbräuchlichen subjektiven Haltung gefehlt habe. Bei der von der Beklagten gewählten Form der pauschalen Ermittlung werde der missbräuchliche Gebrauch der Kooperationsform lediglich vermutet. Die Beklage habe die Behandlung von Patienten bei medizinischer Notwendigkeit nicht auf der Grundlage der abgerechneten und eingereichten Unterlagen vorgenommen. Die Beklagte könne für seine Praxis auch keinen Gestaltungsmissbrauch nachweisen, da bei der durch sie ermittelten Anzahl von gemeinsamen Fällen von 9,4% bis 12,8% der Praxis die Voraussetzungen für eine Honorarkürzung nicht gegeben seien. Die Beklagte habe eine pauschale Honorarkürzung nur auf Grundlage der pauschalen Überschreitung der anderen Praxis (Frau Dr. A.) vorgenommen. Dies sei durchgeführt worden ohne eine inhaltliche und von der Verfahrensordnung vorgesehene Plausibilitätsprüfung durchzuführen. Es könne auch gar nicht sein, dass mehr Behandlungsfälle – Vertretungsfälle von der KV zurückgefordert würden als überhaupt abgerechnet worden seien.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts vom 29. Januar 2014 ist abzuändern und die gegen den Bescheid vom 23. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juni 2012 gerichtete Klage auch hinsichtlich der Honorarrückforderungen betreffend die noch streitgegenständlichen Quartale III/06 bis I/07 abzuweisen, denn der Bescheid ist auch insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Dabei ist das Sozialgericht zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger und Frau Dr. A. in den streitgegenständlichen Quartalen die Kooperationsform der Praxisgemeinschaft in missbräuchlicher Weise genutzt haben.
Eine solche missbräuchliche Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft liegt vor, wenn Ärzte oder Zahnärzte ihre Zusammenarbeit im Innen- und Außenverhältnis so gestalten, wie dies für eine Gemeinschaftspraxis (heute: Berufsausübungsgemeinschaft) typisch ist (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Juli 2014, B 6 KA 2/14 B, Juris Rn. 8; Beschluss vom 11. Mai 2011, B 6 KA 1/11 B, Juris Rn. 11). Ein hoher gemeinsamer Patientenanteil spricht stets dafür, dass die Rechtsform der Praxisgemeinschaft im Praxisalltag nicht transparent realisiert wurde, sondern tatsächlich die für eine Gemeinschaftspraxis kennzeichnende Ausübung der ärztlichen Tätigkeit stattfindet. Ein Formenmissbrauch ist dabei nicht erst bei einer Patientenidentität von mehr als 50% anzunehmen, vielmehr können auch deutlich unter 50% liegende Quoten ausreichen (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Juli 2014, B 6 KA 2/14 B, Juris Rn. 8).
In Übereinstimmung mit diesen Vorgaben hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung in den Richtlinien zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen gemäß § 106a SGB V (DÄ 2008, Nr. 13, S. A 1925ff - ARL) in § 11 Abs. 2 bestimmt, dass eine Abrechungsauffälligkeit bei versorgungsbereichsidentischen Praxen bereits dann zu vermuten ist, wenn eine Patientenidentität von mehr als 20 % besteht. Das ist bei dem Kläger und Frau Dr. A. in den betroffenen Quartalen der Fall, da Überschneidungsquoten von 20,8% (III/06), 24,6% (IV/06) und 30,4% (I/07) bestanden. Der Anteil der gemeinsam behandelten Patienten ist ausweislich der Darstellung der Berechnungsweise im angefochtenen Verwaltungsakt auch in Übereinstimmung mit § 4 Abs. 3 der Verfahrensordnung zur Durchführung von Plausibilitätsprüfungen der KVH gemäß § 106a Abs. 2 SGB V ermittelt worden, nämlich indem die Patienten beider Praxen einander gegenüber gestellt wurden und festgestellt wurde, wie viele Patienten sowohl in der einen, wie in der anderen Praxis geführt wurden. Die Anzahl der doppelt geführten Patienten ist sodann ins Verhältnis zur praxiseigenen Patientenzahl der Klägers gesetzt worden und erreichte in den streitgegenständlichen Quartalen die angegebenen, jeweils oberhalb des sich aus § 11 Abs. 2 der Richtlinie gemäß § 106a SGB V ergebenen Grenzwertes liegenden Anteils von 20% bei – wie hier – versorgungsbereichsidentischen Praxen.
Nach der Rechtsprechung des BSG trägt grundsätzlich bereits eine hohe Quote der gemeinsamen Behandlung von Patienten die Annahme des Rechtsformmissbrauchs. Neben einer auffälligen Patientenidentität müssen nicht stets zusätzliche Sachverhalte eines Formenmissbrauchs gegeben seien. Jedenfalls im Regelfall ist nach neuerer Rechtsprechung des BSG bei einem bestimmten Vomhundertsatz gemeinsam behandelter Patienten ein Missbrauch der Rechtsform ohne Weiteres anzunehmen. Allerdings entzieht es sich einer generellen Festlegung, ob bei einer nur in geringem Maße auffälligen Patientenidentität und plausiblen Erklärungen dafür die Feststellung eines Formenmissbrauchs das Vorliegen weiterer Anhaltspunkte erfordert (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Juli 2014, B 6 KA 2/14 B, Juris Rn. 9 m. w. N.; Beschluss vom 6. Februar 2013 - B 6 KA 43/12 B, Juris Rn. 8). Insbesondere sind nach neuerer BSG-Rechtsprechung Fälle einer "kollegialen Vertretung" nicht aus der Zahl der von beiden Ärzten behandelten Fälle herauszurechnen. Dies hat das BSG damit begründet, dass Umfang und Häufigkeit der gemeinsamen Behandlung von Patienten gerade als Indiz für eine gemeinsame Praxisführung zu werten sind; bei hohen Patientenidentitäten steht außer Zweifel, dass sie sich nicht durch Vertretungsfälle im üblichen Umfang erklären lassen (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Juli 2014, B 6 KA 2/14 B, Juris Rn. 10 – der Beschluss bezog sich auf Patientenidentitäten von 31,4 %, 32,5 %, 29,75 % einschließlich berechtigter Vertretungsfälle; Beschluss vom 6. Februar 2013 - B 6 KA 43/12 B, Juris Rn. 6).
Der Senat kann offen lassen, ob die beim Kläger und Frau Dr. A. vorliegenden Quoten gemeinsamer Patienten es nach der oben dargelegten BSG-Rechtsprechung rechtfertigen, in der Regel bereits eine Honorarrückforderung wegen Missbrauchs der Kooperationsform ohne weitere Umstände vorzunehmen, denn jedenfalls ergeben sich weitere Anhaltspunkte (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Juli 2014, B 6 KA 2/14 B, Juris Rn. 9 m. w. N.; Beschluss vom 6. Februar 2013 - B 6 KA 43/12 B, Juris Rn. 8) für das Vorliegen des Formenmissbrauchs, wie bereits das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts (Umdruck S. 14, 3. Absatz bis S. 20 1. Absatz) nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach eigener Überzeugungsbildung Bezug und sieht insoweit von der Darstellung der weiteren Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs. 2 SGG.
Soweit der Kläger beanstandet, er habe nicht die Möglichkeit bekommen nachzuvollziehen, wann echte Vertretungsfälle durch die Beklagte dokumentiert vorgelegen hätten und mithin von den sog. "unechten" Vertreterfällen hätten abgezogen werden müssen, denn nur für das Quartal II/05 habe die Beklagte die jeweiligen ambulanten Behandlungsscheine mit Diagnose zur Verfügung gestellt, greift dies nicht durch. Der Kläger verkennt, dass es sich um die Prüfung seiner eigenen Abrechnungsunterlagen der jeweiligen Quartale handelt, welche ihm folgerichtig selbst vorliegen müssen. Eine Darlegung der Anzahl der "echten" Vertretungsfälle ebenso wie eine entsprechende Substantiierung wäre ihm also bereits deshalb möglich gewesen.
Auch soweit der Kläger vorträgt, die Beklagte habe behauptet, es gäbe keine plausiblen gemeinsamen Fälle, ist dies der Sache nach bereits unrichtig, da die Beklagte ja allerdings pauschalierend-statistisch durch den 30%igen und nochmaligen 50%-igen Abschlag – gerade einen erheblichen Anteil der Fälle gemeinsam behandelter Patienten als plausibel anerkannt hat.
Angesichts des Formenmissbrauchs erweisen sich die von dem Kläger in den genannten Quartalen jeweils der Abrechnung beigefügten Abrechnungssammelerklärungen, in denen er die ordnungsgemäße Erbringung der abgerechneten Leistungen bestätigt hat, als falsch, mit der Folge, dass die Beklagte berechtigt war, die Honorarbescheide aufzuheben und die Honorare im Wege der Schätzung neu festzusetzen (vgl. BSG vom 17. September 1997, Az.: 6 RKa 86/95, SozR 3-5500 § 35 Nr.1; Bayerisches LSG, Urteil vom 16. Mai 2007 – L 12 KA 563/04 –, Rn. 37, juris), wobei die Rechtmäßigkeit nachträglicher sachlich-rechnerischer Berichtigung entgegen der Auffassung des Klägers im Fall eines Gestaltungsmissbrauchs der Rechtsformen der beruflichen Kooperation grundsätzlich kein Verschulden der beteiligten Ärzte voraussetzt (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2006 - L 4 KA 76/04 R, Juris Rn. 28).
Der Beklagten kommt insoweit ein weites Schätzungsermessen zu. Das BSG hat zur Höhe der Rückforderung in Fällen des Gestaltungsmissbrauchs ausgeführt, dass auf die Abrechnungsregelungen für die Gemeinschaftspraxis zurückgegriffen werden kann (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Februar 2013 - B 6 KA 43/12 B, Juris Rn. 6). Innerhalb einer Gemeinschaftspraxis kann jedoch eine Vertretung grundsätzlich nicht abgerechnet werden, da es einer Vertretung nur für die seltenen Fälle bedarf, in denen der Ausfall eines Partners nicht durch den weiterhin tätigen anderen Partner aufgefangen werden kann (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Juli 2014, B 6 KA 2/14 B, Juris Rn. 10; Urteil vom 14. Dezember 2011 = SozR-4 2500 § 106a Nr. 8, Juris Rn. 27, 28 ff). Bei der Berechnung der Rückforderung wurden zugunsten des Klägers 30% der Doppelbehandlungsfälle als zutreffend unterstellt und die verbleibenden gemeinsamen Fälle beiden Partnern der Praxisgemeinschaft zugerechnet, d. h. nochmals halbiert. Damit ist dem Kläger in erheblichem Umfang Honorar für einen Anteil von Patientenidentitäten belassen worden, so dass Fehler bei der sachgerechten Ausübung des Schätzungsermessens nicht ersichtlich sind (vgl. zur Methode der Honorarberechnung aufgrund einer fiktiven Zahl "plausibler" Behandlungsfälle: LSG NRW, Urteil vom 13. Dezember 2006, L 11 KA 2006, juris Rn. 22) ...
Soweit das Sozialgericht bei dieser Vorgehensweise beanstandet, dass sie bei den beteiligten Praxen der Praxisgemeinschaft aufgrund der hälftigen Teilung zwischen den unterschiedliche großen Praxen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führt, weil bei dem Kläger in den streitgegenständlichen Quartalen bezogen auf die Gesamtfallzahl der Praxis verhältnismäßig weniger gemeinsame Behandlungsfälle als plausibel anerkannt wurden, nämlich 13,6% (III/06), 16% (IV/06) bzw. 19,8% (I/07), als bei Frau Dr. A., der 20,4% (III/06), 22,3% (IV/06) und 26,5% (I/07) belassen wurden, ist dies der Sache nach zwar zutreffend. Der Senat kann aber offen lassen, ob diese unterschiedlichen Ergebnisse zur Rechtswidrigkeit der Ermessensausübung der Beklagten bei der Festsetzung des Rückforderungsbetrags führt, da der Kläger als Inhaber der verhältnismäßig größeren Praxis von dieser Berechnungsweise im Vergleich zu der Partnerin der Praxisgemeinschaft begünstigt wird und somit die Berechnungsweise insoweit jedenfalls nicht zu einer Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte des Klägers führt. Denn wie sich aus der nachfolgenden Tabelle ergibt, erfolgte beim Kläger bezogen auf das Gesamtnettohonorar eine verhältnismäßig geringere Honorarkürzung:
Kläger Fr. Dr. A.
Quartal III/06 IV/06 I/07 III/06 IV/06 I/07
Nettohonorar in EUR. 40.169,88 50.013,69 45.460,60 24.887,47 29.192,27 28.119,04
Kürzung in EUR 2.922,81 4.312,25 4.833,37 2.713,37 3.514,99 4.001,11
Kürzung in % von Nettohonorar 7,25 8,62 10,63 10,90 12,04 14,23
Soweit das Sozialgericht weiterhin die Ausübung des Schätzungsermessens der Beklagten beanstandet, weil die Beklagte aufgrund der statistisch-pauschalierten Berechnungsmethode Kürzungen vorgenommen hat, die zu einer Anerkennungsquote der patientenidentischen Behandlungsfälle von weniger als 20% führten und die damit unterhalb des in § 11 Abs. 2 a) ARL nach § 106a SGB V angegebenen Grenzwertes führten, ist auch dies im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Zwar betrifft der Grenzwert nach § 11 Abs. 2 a) ARL nach § 106a SGB V als Aufgreifkriterium im Rahmen der Plausibilitätsprüfung bei Praxisgemeinschaften und damit die Tatbestandsseite der Auffälligkeitsprüfung, während die Ausübung des Schätzungsermessens die Rechtsfolgenseite betrifft, mithin die Ermittlung der Höhe der Honorarkürzung als Rechtsfolge der Implausibilität der Abrechnung. Damit hat die 20%-Grenze zunächst nur die Funktion, den Zugang zur Prüfung der Auffälligkeit zu eröffnen. Bis zur Höhe dieses normativ festgelegten Wertes von 20% (bei versorgungsbereichsidentischen Praxen) sind Honorarkürzungen aber auch bei pauschalierender Berechnung grundsätzlich ermessensfehlerfrei. Da indessen eine Überschneidungsquote bei Praxisgemeinschaften von bis 15% – worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat – in der Literatur (vgl. Clemens in jurisPK-SGB V, 3. Auflage 2016, § 106a SGB V Rn. 201) als noch normgerecht erachtet wird und erst ab der Höhe des Grenzwertes – normativ – eine Implausibilität vermutet werden kann, hat das Sozialgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass somit allein pauschalierende Erwägungen zur Begründung des Kürzungsermessens nicht ausreichend sind, wenn der Grenzwert unterschritten wird. Hierfür reicht es nach Auffassung des Senats indessen aus, dass ausweislich des streitgegenständlichen Ausgangsbescheids die Beklagte in ihre Ermessenserwägungen die Größenordnung der gegenseitigen Vertretung von unter 10% im Fachgruppendurchschnitt in Hessen eingestellt hat. Angesichts der von der Beklagten ermittelten fiktiven Fallzahl plausibler Fälle mit Patientenidentität in einer Quote von jeweils deutlich über 10% der Gesamtfallzahl in den betroffenen Quartalen, wird der in der Fachgruppe erreichte Wert von unter 10% nicht unterschritten. Somit ist die Höhe der Honorarkürzung nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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