Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 SF 21/17 K
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Im Rahmen der Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag gem. § 2 Abs. 2 JVEG ist das Verschulden eines Bevollmächtigten dem Antragsteller nicht zuzurechnen.
Dem Antragsteller wird Wiedereinsetzung in die Frist zur Geltendmachung seiner Entschädigung für die Teilnahme an der Begutachtung vom 15. Dezember 2016 im Verfahren S 14 SB 145/15 gewährt.
Gründe:
1. Der Antragsteller ist Kläger im Verfahren S 14 SB 145/15 (zuvor S 6 SB 145/15); in dieser Eigenschaft unterzog er sich am 15. Dezember 2016 einer richterlich angeordneten Begutachtung in M-Stadt. Hierfür entstanden ihm Fahrtkosten, deren Geltendmachung gegenüber der Staatskasse er am 8. März 2017 seinen Bevollmächtigten beauftragte. Dieser unterließ es zunächst – wie er selbst einräumt – versehentlich, die Auslagenerstattung gegenüber dem SG Fulda zu beantragen. Per E-Mail vom 14. Mai 2017 erinnerte der Antragsteller seinen Bevollmächtigten an die Geltendmachung der Auslagenerstattung, wodurch die unterbliebene Antragstellung offenbar wurde. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. Mai 2017, der am selben Tag bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen ist, beantragt der Antragsteller, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 2 Abs. 2 JVEG zu gewähren und ihm die durch die Wahrnehmung der Gutachten-Termine am 15. Dezember 2016 bei Dr. K. und Frau L. in M-Stadt entstandenen Kosten zu erstatten.
Die Vertreterin der Staatskasse hat keinen konkreten Antrag gestellt, vertritt jedoch die Auffassung, dass der Antragsteller sich das Verschulden seines Bevollmächtigten zurechnen lassen müsse. Daher sei die Fristversäumnis in Bezug auf § 2 Abs. 1 JVEG nicht unverschuldet.
2. Zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist die Kammer (durch ihren Vorsitzenden) berufen, nicht der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (anders Hartmann, KostG, 46. Aufl. 2016, § 2 JVEG Rn. 17). Denn gegen eine etwaige ablehnende Entscheidung ist gem. § 2 Abs. 2 S. 4 JVEG die Beschwerde zulässig, die nur gegen Entscheidungen des Richters, nicht des Urkundsbeamten gegeben ist (so auch ThürLSG, Beschl. v. 27. Mai 2015 – L 6 JVEG 329/15 –, juris Rn. 9; ebenso Kammerbeschluss vom 7. Juni 2016 - S 4 SF 17/16 K –, juris Rn. 8; SG Darmstadt, Beschl. v. 15. Juni 2009 – S 10 P 30/05 [unveröff.]; nach Stattgabe/Ablehnung des Antrags differenzierend SG Detmold, Beschl. v. 5. März 2014 – S 2 SF 52/14 E –, juris Rn. 2 ff.; Schneider, JVEG, 2. Aufl. 2014, § 2 Rn. 53; Giers, in: Schneider/Volpert/Fölsch [Hrsg.], Gesamtes Kostenrecht, § 2 JVEG Rn. 14).
3. Dem Antragsteller ist Wiedereinsetzung in die Antragsfrist des § 2 Abs. 1 JVEG zu gewähren. a) Beteiligte eines sozialgerichtlichen Verfahrens können gemäß § 191 SGG auf Antrag die Erstattung ihrer baren Auslagen verlangen und zwar nach den Regeln, wie sie für Zeugen gelten; dies gilt auch für Reisen zu gerichtlich angeordneten Untersuchungen durch einen Gutachter (s. Leitherer, in: Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 191 Rn. 2 m.w.Nw.). Damit unterliegen die Erstattungsansprüche den Vorschriften des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG). Gemäß § 2 Abs. 1 JVEG erlischt ein Anspruch auf Entschädigung, wenn er nach entsprechender Belehrung, wie sie hier erfolgt ist, nicht binnen drei Monaten geltend gemacht wird. Für den Fristbeginn hat der Gesetzgeber unterschiedliche Regelungen getroffen in Abhängigkeit davon, ob ein Anspruchsberechtigter als Zeuge oder Sachverständiger herangezogen wird. Im ersteren Fall beginnt die Frist "mit Beendigung der Vernehmung". Übertragen auf den Fall der Auslagenerstattung wegen einer Begutachtung eines Beteiligten beginnt daher die Dreimonatsfrist mit Beendigung der gutachterlichen Untersuchungen, die insoweit der "Vernehmung" eines Zeugen entspricht. Da der Antragsteller am 15. Dezember 2016 durch die Gutachter untersucht worden ist, ist als Fristbeginn der 16. Dezember 2016 anzunehmen, so dass die Auslagenerstattung spätestens mit Ablauf des 15. März 2017 hätte geltend gemacht werden müssen. Der erst am 15. Mai 2017 gestellte Antrag war daher verfristet. Allerdings kommt bei fehlendem Verschulden betreffend die Versäumung der Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß ausdrücklicher Anordnung in § 2 Abs. 2 JVEG in Betracht. Vorliegend ist einerseits kein eigenes Verschulden des Antragstellers ersichtlich; denn er hat noch innerhalb der Dreimonatsfrist, am 8. März 2017, seinen Bevollmächtigten mit der Geltendmachung beauftragt. Dass hier nur noch eine Woche bis zum Ablauf der Frist zur Verfügung stand, begründet insoweit keine Pflichtverletzung durch den Antragsteller selbst. Dieser Zeitraum genügte ohne Weiteres zur formalen Übermittlung an das Gericht. Der Antragsteller war auch nicht etwa wegen der Kürze des verbleibenden Zeitraums zur eigenen Geltendmachung verpflichtet, sondern konnte sich darauf verlassen, dass sein Bevollmächtigter innerhalb der Frist auftragsgemäß handeln würde. Allerdings liegt nach seinem eigenen Vortrag ein Verschulden des Bevollmächtigten, Rechtsanwalt C, vor. Entscheidend für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher, ob dieses Verschulden des Bevollmächtigten dem Antragsteller selbst zuzurechnen ist. Das JVEG enthält weder allgemein noch in der spezifischen Regelung zu Wiedereinsetzung in § 2 Abs. 2 JVEG eine ausdrückliche Regelung zur Verschuldenszurechnung Dritter. Dies führt dazu, dass eine solche Zurechnung nicht zulasten des Antragstellers erfolgen darf. Insbesondere kann hierfür kein allgemeiner Grundsatz des Verfahrensrechts herangezogen werden, der auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung eine solche Zurechnung gebieten oder erlauben würde. b) Regeln über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand finden sich in verschiedenen Prozessordnungen und Verfahrensgesetzen, allerdings mit unterschiedlichen Normierungen für die Verschuldenszurechnung So wird etwa für den Zivilprozess in § 85 Abs. 2 ZPO als allgemeiner Grundsatz die Zurechnung des Verschuldens eines Bevollmächtigten normiert; sie gilt entsprechend auch für die Entscheidung über die in den §§ 233 f. ZPO geregelte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Diese prozessuale Grundnorm der Zivilprozessordnung betreffend die Zurechnung eines Bevollmächtigtenverschuldens gilt kraft der Verweisungen auch für Wiedereinsetzungsentscheidungen im Verwaltungsprozess (§§ 60, 70 i.V.m. 173 VwGO) sowie im arbeitsgerichtlichen Verfahren (§ 46 Abs. 2 ArbGG). Gleiches folgt für das finanzgerichtliche Verfahren aus §§ 56 i.V.m. 155 S. 1 FGO sowie für das sozialgerichtliche gemäß §§ 67 i.V.m. § 73 Abs. 6 SGG. Ebenso wird in § 11 S. 5 FamFG (auch) auf § 85 ZPO ausdrücklich in Bezug genommen, § 9 Abs. 4 FamFG enthält eine ausdrücklich Zurechnung des Verschuldens gesetzlicher Vertreter. Auch die Strafprozessordnung enthält die Wiedereinsetzungsoption gem. § 44 StPO, die allerdings aus grundsätzlichen Erwägungen keine Zurechnung des Verteidigerverschuldens (mehr) kennt (s. KK-StPO/Maul, 7. Aufl. 2013, § 44 Rn. 30 m.w.Nw.). Im Verwaltungsverfahrensrecht finden sich eigene Regelungen zur Wiedereinsetzung, die regelmäßig ausdrückliche Verschuldenszurechnungen beinhalten, etwa § 27 Abs. 1 S. 2 SGB X, § 32 Abs. 1 S. 2 VwVfG, § 110 Abs. 1 S. 2 AO 1977. Das Gerichtskostengesetz enthält in § 68 Abs. 2 GKG Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, bei denen jedoch eine Regelung über das Verschulden eines Vertreters fehlt. Gleichwohl hat etwa das OVG NW (NJW 2008, S. 1333 ff.) betreffend eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Beteiligten selbst zugerechnet und hierfür § 173 VwGO i.V.m. § 85 ZPO herangezogen, ohne allerdings darzulegen, warum das Verwaltungsprozessrecht für die Verfahren nach dem Gerichtskostengesetz Anwendung findet. Gleichsinnig ging das LSG Hamburg im Beschluss vom 15. Juni 2015 (L 5 KA 6/15 B, juris) vor, begründet jedoch ebenfalls nicht, warum ohne entsprechende Regelung in § 68 Abs. 2 GKG eine Verschuldenszurechnung erfolgen darf. c) Wollte man diesen Ansatz einer Übertragung des allgemeinen Prozessrechts auf das besonders geregelte Kostenverfahren auch auf die Entschädigungsregelungen des JVEG übertragen, die wie das GKG für sämtliche Heranziehungen durch Gerichte, unabhängig von dem jeweiligen Rechtsweg, gelten, so ließe sich über § 202 SGG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO auch eine Verschuldenszurechnung im Hinblick auf die Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 JVEG begründen. Dem folgt die Kammer jedoch nicht. Zunächst ist hierfür festzustellen, dass der Gesetzgeber wie auch im GKG für die Entschädigung von Zeugen im JVEG unabhängig von den jeweiligen zugrunde liegenden Ausgangsverfahren und den hierfür anwendbaren Prozessordnungen ein eigenes Verfahrensrecht geschaffen hat. Schon diese systematische Eigenständigkeit spricht dagegen, Regelungen des jeweiligen Prozessrechts auch auf die Festsetzung von Vergütungen und Entschädigungen zu übertragen. Wenn das jeweilige Prozessrecht nach dem Willen des Gesetzgebers die Entschädigung nach dem JVEG hätte (mit)bestimmen sollen, hätte es einer eigenen Wiedereinsetzungsermächtigung nicht bedurft: Sie wäre aus allen Prozessordnungen ableitbar und auf die Entschädigung übertragbar gewesen (einschließlich der jeweiligen Regelung zur Verschuldenszurechnung). Wenn also der Gesetzgeber hier eigene prozedurale Regelungen aufstellt, so spricht dies dafür, dass insoweit ein Rückgriff auf ergänzende Regelungen nicht zulässig ist. Gleichzeitig ist dem Gesetzgeber aus den spezialisierten Regelungen zur Wiedereinsetzung in den Verfahrensgesetzen die Frage der Verschuldenszurechnung durchaus bewusst. Hätte er daher eine Verschuldenszurechnung gewollt, hätte einer entsprechenden ausdrücklichen Normierung auch in § 2 Abs. 2 JVEG nichts entgegengestanden. Daher ergibt sich im Hinblick auf den gesetzgeberischen Willen nichts dafür, dass eine solche Verschuldenszurechnung durch ihn gewollt ist. Die Eigenständigkeit der Wiedereinsetzungsvorschriften des § 2 Abs. 2 JVEG zeigt sich etwa auch daran, dass hier eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nicht vorgesehen ist, während dies etwa in § 67 Abs. 2 S. 4 SGG ermöglicht wird. Folgerichtig hat das BayLSG in seinem Beschluss vom 1. August 2012 (L 15 SF 156/12 –, juris Rn. 27, ebenso Beschl. v. 28. Januar 2015 – L 15 SF 208/14 – juris Rn. 28 m.w.Nw.) für eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 2 Abs. 1 JVEG einen ausdrücklichen Antrag verlangt (ebenso der Kammerbeschluss vom 13. März 2017 – S 4 SF 45/16 K), weil die allgemeinen Vorschriften des SGG insoweit keine Anwendung finden. Vor diesem Hintergrund stellt sich das Verfahren zur Vergütung und Entschädigung auch von Zeugen nach dem JVEG als selbstständiges System dar, was es ausschließt, ergänzend Regelungen des sonstigen Verfahrens- oder Prozessrechts hierfür heranzuziehen. Da aber in § 2 Abs. 2 JVEG eine Vorschrift zur Zurechnung von Bevollmächtigtenverschulden fehlt, hindert ein solches die Wiedereinsetzung nicht. d) Auch die übrigen Voraussetzungen liegen vor: Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat am Tag nach dem Wegfall des Hindernisses und damit innerhalb der Zweiwochenfrist des § 2 Abs. 2 JVEG den Wiedereinsetzungsantrag gestellt; das Hindernis bestand darin, dass er die Geltendmachung schlicht vergessen hatte. Dies wurde durch die Erinnerung des Antragstellers vom 14. Mai 2017 beseitigt. Hierbei hat er sowohl den Anspruch beziffert wie auch durch die anwaltliche Versicherung die Umstände glaubhaft gemacht.
4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Die Festsetzung der Entschädigung als solche obliegt im Folgenden der Kostenbeamtin.
Gründe:
1. Der Antragsteller ist Kläger im Verfahren S 14 SB 145/15 (zuvor S 6 SB 145/15); in dieser Eigenschaft unterzog er sich am 15. Dezember 2016 einer richterlich angeordneten Begutachtung in M-Stadt. Hierfür entstanden ihm Fahrtkosten, deren Geltendmachung gegenüber der Staatskasse er am 8. März 2017 seinen Bevollmächtigten beauftragte. Dieser unterließ es zunächst – wie er selbst einräumt – versehentlich, die Auslagenerstattung gegenüber dem SG Fulda zu beantragen. Per E-Mail vom 14. Mai 2017 erinnerte der Antragsteller seinen Bevollmächtigten an die Geltendmachung der Auslagenerstattung, wodurch die unterbliebene Antragstellung offenbar wurde. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. Mai 2017, der am selben Tag bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen ist, beantragt der Antragsteller, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 2 Abs. 2 JVEG zu gewähren und ihm die durch die Wahrnehmung der Gutachten-Termine am 15. Dezember 2016 bei Dr. K. und Frau L. in M-Stadt entstandenen Kosten zu erstatten.
Die Vertreterin der Staatskasse hat keinen konkreten Antrag gestellt, vertritt jedoch die Auffassung, dass der Antragsteller sich das Verschulden seines Bevollmächtigten zurechnen lassen müsse. Daher sei die Fristversäumnis in Bezug auf § 2 Abs. 1 JVEG nicht unverschuldet.
2. Zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist die Kammer (durch ihren Vorsitzenden) berufen, nicht der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (anders Hartmann, KostG, 46. Aufl. 2016, § 2 JVEG Rn. 17). Denn gegen eine etwaige ablehnende Entscheidung ist gem. § 2 Abs. 2 S. 4 JVEG die Beschwerde zulässig, die nur gegen Entscheidungen des Richters, nicht des Urkundsbeamten gegeben ist (so auch ThürLSG, Beschl. v. 27. Mai 2015 – L 6 JVEG 329/15 –, juris Rn. 9; ebenso Kammerbeschluss vom 7. Juni 2016 - S 4 SF 17/16 K –, juris Rn. 8; SG Darmstadt, Beschl. v. 15. Juni 2009 – S 10 P 30/05 [unveröff.]; nach Stattgabe/Ablehnung des Antrags differenzierend SG Detmold, Beschl. v. 5. März 2014 – S 2 SF 52/14 E –, juris Rn. 2 ff.; Schneider, JVEG, 2. Aufl. 2014, § 2 Rn. 53; Giers, in: Schneider/Volpert/Fölsch [Hrsg.], Gesamtes Kostenrecht, § 2 JVEG Rn. 14).
3. Dem Antragsteller ist Wiedereinsetzung in die Antragsfrist des § 2 Abs. 1 JVEG zu gewähren. a) Beteiligte eines sozialgerichtlichen Verfahrens können gemäß § 191 SGG auf Antrag die Erstattung ihrer baren Auslagen verlangen und zwar nach den Regeln, wie sie für Zeugen gelten; dies gilt auch für Reisen zu gerichtlich angeordneten Untersuchungen durch einen Gutachter (s. Leitherer, in: Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 191 Rn. 2 m.w.Nw.). Damit unterliegen die Erstattungsansprüche den Vorschriften des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG). Gemäß § 2 Abs. 1 JVEG erlischt ein Anspruch auf Entschädigung, wenn er nach entsprechender Belehrung, wie sie hier erfolgt ist, nicht binnen drei Monaten geltend gemacht wird. Für den Fristbeginn hat der Gesetzgeber unterschiedliche Regelungen getroffen in Abhängigkeit davon, ob ein Anspruchsberechtigter als Zeuge oder Sachverständiger herangezogen wird. Im ersteren Fall beginnt die Frist "mit Beendigung der Vernehmung". Übertragen auf den Fall der Auslagenerstattung wegen einer Begutachtung eines Beteiligten beginnt daher die Dreimonatsfrist mit Beendigung der gutachterlichen Untersuchungen, die insoweit der "Vernehmung" eines Zeugen entspricht. Da der Antragsteller am 15. Dezember 2016 durch die Gutachter untersucht worden ist, ist als Fristbeginn der 16. Dezember 2016 anzunehmen, so dass die Auslagenerstattung spätestens mit Ablauf des 15. März 2017 hätte geltend gemacht werden müssen. Der erst am 15. Mai 2017 gestellte Antrag war daher verfristet. Allerdings kommt bei fehlendem Verschulden betreffend die Versäumung der Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß ausdrücklicher Anordnung in § 2 Abs. 2 JVEG in Betracht. Vorliegend ist einerseits kein eigenes Verschulden des Antragstellers ersichtlich; denn er hat noch innerhalb der Dreimonatsfrist, am 8. März 2017, seinen Bevollmächtigten mit der Geltendmachung beauftragt. Dass hier nur noch eine Woche bis zum Ablauf der Frist zur Verfügung stand, begründet insoweit keine Pflichtverletzung durch den Antragsteller selbst. Dieser Zeitraum genügte ohne Weiteres zur formalen Übermittlung an das Gericht. Der Antragsteller war auch nicht etwa wegen der Kürze des verbleibenden Zeitraums zur eigenen Geltendmachung verpflichtet, sondern konnte sich darauf verlassen, dass sein Bevollmächtigter innerhalb der Frist auftragsgemäß handeln würde. Allerdings liegt nach seinem eigenen Vortrag ein Verschulden des Bevollmächtigten, Rechtsanwalt C, vor. Entscheidend für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher, ob dieses Verschulden des Bevollmächtigten dem Antragsteller selbst zuzurechnen ist. Das JVEG enthält weder allgemein noch in der spezifischen Regelung zu Wiedereinsetzung in § 2 Abs. 2 JVEG eine ausdrückliche Regelung zur Verschuldenszurechnung Dritter. Dies führt dazu, dass eine solche Zurechnung nicht zulasten des Antragstellers erfolgen darf. Insbesondere kann hierfür kein allgemeiner Grundsatz des Verfahrensrechts herangezogen werden, der auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung eine solche Zurechnung gebieten oder erlauben würde. b) Regeln über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand finden sich in verschiedenen Prozessordnungen und Verfahrensgesetzen, allerdings mit unterschiedlichen Normierungen für die Verschuldenszurechnung So wird etwa für den Zivilprozess in § 85 Abs. 2 ZPO als allgemeiner Grundsatz die Zurechnung des Verschuldens eines Bevollmächtigten normiert; sie gilt entsprechend auch für die Entscheidung über die in den §§ 233 f. ZPO geregelte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Diese prozessuale Grundnorm der Zivilprozessordnung betreffend die Zurechnung eines Bevollmächtigtenverschuldens gilt kraft der Verweisungen auch für Wiedereinsetzungsentscheidungen im Verwaltungsprozess (§§ 60, 70 i.V.m. 173 VwGO) sowie im arbeitsgerichtlichen Verfahren (§ 46 Abs. 2 ArbGG). Gleiches folgt für das finanzgerichtliche Verfahren aus §§ 56 i.V.m. 155 S. 1 FGO sowie für das sozialgerichtliche gemäß §§ 67 i.V.m. § 73 Abs. 6 SGG. Ebenso wird in § 11 S. 5 FamFG (auch) auf § 85 ZPO ausdrücklich in Bezug genommen, § 9 Abs. 4 FamFG enthält eine ausdrücklich Zurechnung des Verschuldens gesetzlicher Vertreter. Auch die Strafprozessordnung enthält die Wiedereinsetzungsoption gem. § 44 StPO, die allerdings aus grundsätzlichen Erwägungen keine Zurechnung des Verteidigerverschuldens (mehr) kennt (s. KK-StPO/Maul, 7. Aufl. 2013, § 44 Rn. 30 m.w.Nw.). Im Verwaltungsverfahrensrecht finden sich eigene Regelungen zur Wiedereinsetzung, die regelmäßig ausdrückliche Verschuldenszurechnungen beinhalten, etwa § 27 Abs. 1 S. 2 SGB X, § 32 Abs. 1 S. 2 VwVfG, § 110 Abs. 1 S. 2 AO 1977. Das Gerichtskostengesetz enthält in § 68 Abs. 2 GKG Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, bei denen jedoch eine Regelung über das Verschulden eines Vertreters fehlt. Gleichwohl hat etwa das OVG NW (NJW 2008, S. 1333 ff.) betreffend eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Beteiligten selbst zugerechnet und hierfür § 173 VwGO i.V.m. § 85 ZPO herangezogen, ohne allerdings darzulegen, warum das Verwaltungsprozessrecht für die Verfahren nach dem Gerichtskostengesetz Anwendung findet. Gleichsinnig ging das LSG Hamburg im Beschluss vom 15. Juni 2015 (L 5 KA 6/15 B, juris) vor, begründet jedoch ebenfalls nicht, warum ohne entsprechende Regelung in § 68 Abs. 2 GKG eine Verschuldenszurechnung erfolgen darf. c) Wollte man diesen Ansatz einer Übertragung des allgemeinen Prozessrechts auf das besonders geregelte Kostenverfahren auch auf die Entschädigungsregelungen des JVEG übertragen, die wie das GKG für sämtliche Heranziehungen durch Gerichte, unabhängig von dem jeweiligen Rechtsweg, gelten, so ließe sich über § 202 SGG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO auch eine Verschuldenszurechnung im Hinblick auf die Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 JVEG begründen. Dem folgt die Kammer jedoch nicht. Zunächst ist hierfür festzustellen, dass der Gesetzgeber wie auch im GKG für die Entschädigung von Zeugen im JVEG unabhängig von den jeweiligen zugrunde liegenden Ausgangsverfahren und den hierfür anwendbaren Prozessordnungen ein eigenes Verfahrensrecht geschaffen hat. Schon diese systematische Eigenständigkeit spricht dagegen, Regelungen des jeweiligen Prozessrechts auch auf die Festsetzung von Vergütungen und Entschädigungen zu übertragen. Wenn das jeweilige Prozessrecht nach dem Willen des Gesetzgebers die Entschädigung nach dem JVEG hätte (mit)bestimmen sollen, hätte es einer eigenen Wiedereinsetzungsermächtigung nicht bedurft: Sie wäre aus allen Prozessordnungen ableitbar und auf die Entschädigung übertragbar gewesen (einschließlich der jeweiligen Regelung zur Verschuldenszurechnung). Wenn also der Gesetzgeber hier eigene prozedurale Regelungen aufstellt, so spricht dies dafür, dass insoweit ein Rückgriff auf ergänzende Regelungen nicht zulässig ist. Gleichzeitig ist dem Gesetzgeber aus den spezialisierten Regelungen zur Wiedereinsetzung in den Verfahrensgesetzen die Frage der Verschuldenszurechnung durchaus bewusst. Hätte er daher eine Verschuldenszurechnung gewollt, hätte einer entsprechenden ausdrücklichen Normierung auch in § 2 Abs. 2 JVEG nichts entgegengestanden. Daher ergibt sich im Hinblick auf den gesetzgeberischen Willen nichts dafür, dass eine solche Verschuldenszurechnung durch ihn gewollt ist. Die Eigenständigkeit der Wiedereinsetzungsvorschriften des § 2 Abs. 2 JVEG zeigt sich etwa auch daran, dass hier eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nicht vorgesehen ist, während dies etwa in § 67 Abs. 2 S. 4 SGG ermöglicht wird. Folgerichtig hat das BayLSG in seinem Beschluss vom 1. August 2012 (L 15 SF 156/12 –, juris Rn. 27, ebenso Beschl. v. 28. Januar 2015 – L 15 SF 208/14 – juris Rn. 28 m.w.Nw.) für eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 2 Abs. 1 JVEG einen ausdrücklichen Antrag verlangt (ebenso der Kammerbeschluss vom 13. März 2017 – S 4 SF 45/16 K), weil die allgemeinen Vorschriften des SGG insoweit keine Anwendung finden. Vor diesem Hintergrund stellt sich das Verfahren zur Vergütung und Entschädigung auch von Zeugen nach dem JVEG als selbstständiges System dar, was es ausschließt, ergänzend Regelungen des sonstigen Verfahrens- oder Prozessrechts hierfür heranzuziehen. Da aber in § 2 Abs. 2 JVEG eine Vorschrift zur Zurechnung von Bevollmächtigtenverschulden fehlt, hindert ein solches die Wiedereinsetzung nicht. d) Auch die übrigen Voraussetzungen liegen vor: Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat am Tag nach dem Wegfall des Hindernisses und damit innerhalb der Zweiwochenfrist des § 2 Abs. 2 JVEG den Wiedereinsetzungsantrag gestellt; das Hindernis bestand darin, dass er die Geltendmachung schlicht vergessen hatte. Dies wurde durch die Erinnerung des Antragstellers vom 14. Mai 2017 beseitigt. Hierbei hat er sowohl den Anspruch beziffert wie auch durch die anwaltliche Versicherung die Umstände glaubhaft gemacht.
4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Die Festsetzung der Entschädigung als solche obliegt im Folgenden der Kostenbeamtin.
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