L 12 AS 6/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 2359/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 6/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 109/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
L 12 AS 794/17 RG erledigt durch Beschluss -
vom 07.07.2017
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 15.12.2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine auf § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) gestützte Versagung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II), die die Beklagte an die fehlende Vorlage von Unterlagen geknüpft hat.

Der Kläger ist selbstständig erwerbstätig und beantragte über ein beim Sozialgericht Duisburg angestrengtes Eilverfahren (S 33 AS 761/16 ER) bei dem Beklagten am 23.02.2016 die Gewährung von laufenden SGB II-Leistungen.

Mit Schreiben vom 22.03.2016 forderte der Beklagte den Kläger auf, zur Beurteilung eines etwaigen Leistungsanspruchs bis zum 08.04.2016 die folgenden Unterlagen vorzulegen:

- (vollständige) Antragsformulare
- (unterschriebene) Merkblätter Mitwirkungspflichten und Unterkunftskosten
- Personalausweis und Gesundheitskarte/Versichertennummer
- Mietvertrag einschließlich letztem Anpassungsschreiben
- Heiz- und Betriebskostenabrechnung 2014
- Beitragsnachweis zur privaten Krankenversicherung
- Gewerbeanmeldung
- Gewinnvorschau für Februar bis Juli 2016 (Anlage EKS)
- Umsatzübersicht aus dem Vorjahr (2015) sowie dazugehörige Summen- und Saldenlisten
- Einkommenssteuerbescheide 2014 und 2015 bzw. Nachweis zur Ablegung der Erklärung
- ggf. eingehende Dokumentation weiterer Einkommenswerte
- (sortiere und lückenlose) Auszüge aller vorhandenen Konten der letzten sechs Monate
- Zulassungsbescheinigung des Pkws sowie Beitragsnachweis der Haftpflichtversicherung
- ggf. eingehende Dokumentation weiterer Vermögenswerte.

Das Aufforderungsschreiben vom 22.03.2016 enthielt den folgenden Hinweis: "Haben Sie bis zum genannten Termin nicht reagiert oder die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht, können die Geldleistungen ganz versagt werden, bis Sie die Mitwirkung nachholen (§§ 60, 66, 67 SGB I). Dies bedeutet, dass Sie und die mit Ihnen in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen keine Leistungen erhalten." Der Kläger verweigerte diese geforderte Mitwirkung.

Mit Bescheid vom 22.04.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2016 versagte der Beklagte dem Kläger die beantragten Leistungen, weil er die mit Aufforderung vom 22.03.2016 bezeichneten Unterlagen trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vorgelegt habe. Im Rahmen der Ermessensausübung sei insbesondere berücksichtigt worden, dass der Kläger einerseits während vergangener Bewilligungsabschnitte Einkommen nicht mitgeteilt habe und andererseits offensichtlich gar nicht gewillt sei, die notwendigen Unterlagen vorzulegen. Anhaltspunkte, die ein Überwiegen der Interessen des Klägers an der Zahlung von SGB II-Leistungen gegenüber den Interessen der Allgemeinheit rechtfertigten, lägen nicht vor.

Der Kläger hat am 02.06.2016 Klage erhoben. Er wendete sich gegen den Versagungsbescheid und begehrte die Gewährung von Leistungen für den Zeitraum Februar 2016 i.H.v. 920,83 EUR bzw. 1.534,32 EUR.

Das Sozialgericht hat durch Gerichtsbescheid vom 15.12.2016 die Klage abgewiesen. Die Klage sei teilweise unzulässig und soweit sie zulässig sei, unbegründet. Das auf die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von SGB II-Leistungen mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) verfolgte Begehren auf Gewährung von Leistungen sei unzulässig. Die Leistungsklage sei unstatthaft. Nach § 54 Abs. 4 SGG könne mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsaktes gleichzeitig die Leistung verlangt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betreffe, auf die ein Rechtsanspruch bestehe. Die Regelung setze voraus, dass die Verwaltung über die begehrte Leistung entschieden habe. Dies sei jedoch dann nicht der Fall, wenn der Leistungsträger die Leistung ohne abschließende Ermittlung bis zur Nachholung der Mitwirkung nach § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) versage. Gegen einen solchen Versagungsbescheid sei nur die Anfechtungsklage eröffnet (BSG Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 78/08 R). Streitgegenstand sei hier eben nicht der materielle Anspruch, sondern die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren. Bei dem streitigen Bescheid vom 22.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2016 handele es sich um eine Versagung der Zahlung von Arbeitslosengeld II ab 01.02.2016. Die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass lediglich die isolierte Anfechtung des Versagensbescheides statthaft sei, läge nicht vor. Für diese Rechtsprechung würden Gründe der Prozessökonomie und des effektiven Rechtsschutzes angeführt. Hier seien die Leistungsvoraussetzungen keinesfalls geklärt oder unstreitig. In einer derartigen Situation, in der bereits Vorfragen zwischen den Beteiligten streitig und die Anspruchsvoraussetzungen insgesamt nicht geklärt seien, könne nicht aus Gründen der Prozessökonomie auf die Durchführung eines vorgehenden Verwaltungsverfahrens zur Klärung sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen verzichtet werden; es fände auch nicht lediglich die Wiederholung des bereits durchgeführten Verwaltungsverfahrens statt, da auf Seiten der Behörde noch Ermittlungsbedarf bestehe.

Die zulässige Anfechtungsklage sei unbegründet. Der o. g. Bescheid sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I lägen vor. Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung sei der Erlass des Widerspruchsbescheides am 24.05.2016. Der Kläger habe zu diesem Zeitpunkt seine Mitwirkungspflichten verletzt. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I habe, wer Sozialleistungen beantrage oder erhalte, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich seien, Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Diese Mitwirkungsobliegenheiten würden auch im Rahmen des SGB II gelten (so BSG Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 10/08 R). Komme derjenige, der eine Sozialleistung beantrage oder erhalte, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nach und werde hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, könne der Leistungsträger nach § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen seien. Sozialleistungen dürften wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden sei und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen sei, § 66 Abs. 3 SGB I. Der Kläger sei gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 SGB I verpflichtet gewesen, die von dem Beklagten mit Schreiben vom 22.03.2016 angeforderten Unterlagen vorzulegen. Ohne diese Unterlagen sei eine Anspruchsermittlung nicht möglich. Dies habe der Kläger bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2016 nicht getan. Die Vorlagepflicht sei nicht durch § 65 SGB I begrenzt gewesen. Die Beklagte habe den Kläger in dem Schreiben vom 23.02.2016 ausdrücklich und unmissverständlich über die Rechtsfolgen der fehlenden Mitwirkung informiert und belehrt (§ 66 Abs. 3 SGB I). Die Aufklärung des Sachverhalts sei durch die Nichtvorlage der angeforderten Nachweise erheblich erschwert i.S.v. § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I gewesen, da es sich überwiegend um Angaben aus der Sphäre des Klägers handele. Da infolge der fehlenden Mitwirkung des Klägers die Voraussetzungen für die Bewilligung der Leistungen, insbesondere die Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen werden konnte, sei die Ermessensentscheidung der Beklagten, die Leistungen vollständig zu versagen, auch nicht zu beanstanden, stelle sich vielmehr als eine sog. Ermessensreduzierung auf Null, Leistungen zu versagen, dar.

Der Gerichtsbescheid vom 15.12.2016 ist dem Kläger am 02.01.2017 zugestellt worden. Er hat hiergegen am gleichen Tag Berufung "mit eingebauter Rüge" eingelegt. Das Verfahren habe an einem wesentlichen Mangel gelitten. Es sei eindeutig beantragt worden, über die Bestandteile und Zahlungen zu entscheiden. Der Gerichtsbescheid entspreche nicht der Wahrheitspflicht. Der Klageantrag erfolge in Anwendung des Monatsprinzips. Auf die Einzelheiten seiner Begründung wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 15.12.2016 abzuändern und unter Aufhebung des Bescheides vom 22.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2016 den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Monat Februar 2016 i.H.v. 920,83 Euro alternativ 1.534,32 Euro zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er verweist auf die angefochtene Entscheidung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 15.12.2016 ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sozialgerichts nach Prüfung der Sach- und Rechtslage an und sieht aus diesem Grund insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).

Der Kläger hat im Berufungsverfahren weder einen neuen Vortrag vorgebracht noch gibt es nach Überzeugung des Senats neue Tatsachen, die eine andere Entscheidung rechtfertigen würden, insbesondere leidet das sozialgerichtliche Verfahren an keinem Verfahrensmangel wie zum Beispiel an einem Gehörsverstoß im Sinne von § 62 SGG i.V.m. Art. 103 Grundgesetz (GG). Denn dem Kläger wurde seitens des Sozialgerichts ausreichend Gelegenheit geboten, sein Begehren vorzutragen. Dies hat der Kläger auch genutzt. Entgegen seiner Ansicht besteht kein Anspruch auf die Durchführung eines Erörterungs- oder Gütetermins. Der Gesetzgeber hat vielmehr durch die Norm des § 105 SGG die Möglichkeit geschaffen, Sachen, die keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen und in denen der Sachverhalt geklärt ist, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Einzige Vorgabe seitens des Gesetzgebers gemäß Satz 2 der Norm ist, dass die Beteiligten vorab zu hören sind. Dieser Anhörungspflicht ist das Sozialgericht durch sein Schreiben vom 01.12.2016, dem Kläger am 05.12.2016 zugestellt, nachgekommen. Anhaltspunkte, die zu einer Ergänzung des Urteils i.S.d. § 140 SGG führen könnten, liegen offensichtlich nicht vor und sind auch von dem Kläger letztlich nicht vorgetragen worden. Der Kläger hat lediglich ohne sachlichen Zusammenhang bloß auf die Norm hingewiesen, ohne die einzelnen Voraussetzungen des § 140 SGG - das Gericht hat einen Anspruch oder die Notwendigkeit der Kostenentscheidung übersehen - im Ansatz darzustellen. So verhält es sich im Ergebnis auch im Hinblick auf die übrigen zahlreichen Schriftsätze des Klägers, die sich von der Sache her in allgemeine Ausführungen, ohne Bezug zum vorliegenden Streitgegenstand, verlaufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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