Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 32 AS 1077/15
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 950/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wenn sich ein Kläger gegen eine Meldeaufforderung als solche wendet und damit wirtschaftliche Folgen in Form von Sanktionen nach § 32 SGB II von vornherein abwehren will, ist zur Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstands an die Höhe der nach § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II drohenden Minderung für den Fall, dass ein Leistungsberechtigter trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden, nicht nachkommt, anzuknüpfen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 8. September 2016 wird verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Einladung zu einem Termin beim Beklagten am 12. Januar 2015.
Die 1969 geborene Klägerin steht seit dem 1. November 2009 ununterbrochen beim Beklagten im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Mit Schreiben des Beklagten vom 16. Dezember 2014 wurde die Klägerin zu einem Termin beim Beklagten am 12. Januar 2015 um 8.15 Uhr eingeladen. In dem Schreiben hieß es: "Ich möchte mit Ihnen Ihr(e) Stellengesuch(e) und vermittlungsrelevanten Daten besprechen bzw. ergänzen. [ ] [ ] Bitte bringen Sie folgende Unterlagen zu diesem Termin mit: ausgedruckte Bewerbungsunterlagen [ ] Dies ist eine Einladung nach § 59 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) i. V. m. § 309 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Wenn Sie ohne wichtigen Grund dieser Einladung nicht Folge leisten, wird Ihr Arbeitslosengeld II bzw. das Sozialgeld um 10 Prozent des für Sie nach § 20 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) maßgebenden Regelbedarfs für die Dauer von drei Monaten gemindert."
Gegen diese Meldeaufforderung legte die Klägerin mit Schreiben vom 11. Januar 2015 Widerspruch ein. Dieser wurde mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 25. Februar 2015 als unbegründet zurückgewiesen, da die Meldeaufforderung die gesetzlichen Voraus-setzungen erfülle.
Die am 2. März 2015 erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 8. September 2016 ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Es hat die Klage für unzulässig gehalten, da sich die Meldeaufforderung durch Zeitablauf gemäß § 39 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) mit Ablauf des Meldetermins am 12. Januar 2015 erledigt habe und eine Anfechtungsklage mithin nicht mehr statthaft sei. Auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage sei nicht zulässig. Es fehle am erforderlichen besonderen Fortsetzungsfeststellungsinteresse.
Das Urteil ist der Klägerin am 16. September 2016 zugestellt worden. Noch am selben Tag hat sie Berufung gegen das Urteil eingelegt. Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für unrichtig, da sie die ihr vom SGB II auferlegten Pflichten insgesamt für verfassungs-, menschenrechts-, EU-Grundrechts- und völkerrechtswidrig hält. Die Meldepflicht sei ein unrechtmäßiger Freiheitsentzug. Auch liege eine Wiederholungsgefahr vor.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 8. September 2016 aufzuheben sowie die Verfassungs-, Menschenrechts-, EU-Grundrechts- und Völkerrechtswidrigkeit der Sozialgesetzbücher in Bezug auf die diversen so genannten "Pflichten", hier hauptsächlich die Meldepflicht an sich, und die Verfassungs-, Menschenrechts- und Völkerrechtswidrigkeit in Bezug auf die Verweigerung (Sanktion) der Auszahlung der grundgesetzlich zustehenden Leistung an sich zu überprüfen und festzustellen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Er verweist zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im streitgegenständlichen Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere zum Vorbringen der Klägerin, wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Der Senat entscheidet nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit Zustimmung der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung.
II. Die Berufung ist unzulässig, da sie nicht statthaft ist. Sie bedarf gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG der Zulassung. Eine solche ist durch das Sozialgericht aber nicht erfolgt.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt.
Der Wert des Beschwerdegegenstands bestimmt sich danach, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelführer versagt hat und was dieser mit seinem Rechtsmittel weiter verfolgt (vgl. BSG, Beschluss vom 13. Juni 2013 – B 13 R 437/12 B – juris Rdnr. 11, m. w. N ...; Sächs. LSG, Beschluss vom 16. Juni 2009 – L 3 AS 230/09 B ER. juris Rdnr. 17; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 141 Rdnr. 14, m. w. N ...). Der Wert wird vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt (vgl. § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 3 der Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei ist die sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebende Bedeutung der Sache maßgebend zu berücksichtigen, das heißt in der Regel dessen wirtschaftliches Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2015 – B 4 AS 17/15 B – juris Rdnr. 7).
Zu allererst ist zu bestimmen, welches Ziel der Rechtsmittelführer verfolgt. Die Klägerin selbst hat weder im Ausgangs-, noch hier im Berufungsverfahren einen zulässigen Antrag gestellt, sondern begehrt nur allgemein Feststellungen zu den "SGB´s". Dies ist nicht statthaft, da das Sozialgericht derartige Popularklagen nicht kennt. Das Rechtschutzziel der Klägerin kann hier aber durch Auslegung ermittelt werden, da der Senat an den Wortlaut des Antrags selbst nicht gebunden ist (vgl. § 123 SGG). In der Sache begehrt die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Einladung vom 16. Dezember 2014 zum Termin am 12. Januar 2015. Bei dieser Einladung handelt es sich um eine Meldungsforderung nach § 59 SGB II i. V. m § 309 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III). Sie stellt nach weitgehend einheitlicher Meinung einen Verwaltungsakt dar (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Dezember 2011 – B 14 AS 146/11 B – juris Rdnr. 6, m. w. N ...). Die Meldeaufforderung kann zu den in § 309 Abs. 2 SGG genannten Zwecken erfolgen und dient hauptsächlich der Vermittlung des Hilfebedürftigen in ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis (vgl. Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB III [Stand: Erg.-Lfg. Stand 3/17, Mai 2017], § 309 Rdnr. 14). Sie ist damit ein auf eine Dienstleistung gerichteter Verwaltungsakt (ebenso Bay. LSG, Urteil vom 21. Dezember 2016 – L 18 AS 669/16 – juris Rdnr. 22 f.; a. A ... LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Januar 2015 – L 7 AS 1306/14 – juris Rdnr. 22 ff., das die Meldeaufforderung als einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt sieht; a. A ... auch Thür. LSG, Beschluss vom 20. Juni 2016 – L 9 AS 318/16 B – juris Rdnr. 15 ff., das die Meldeaufforderung als Verwaltungsakt, aber nicht i. S. d. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG sieht).
Im nächsten Schritt erfolgt die wertmäßige Bestimmung des Ziels, wobei auch eine Schätzung vorgenommen werden kann. Hier ist die Klage nicht auf die Erlangung einer der in § 309 Abs. 2 SGB III genannten Dienstleistungen gerichtet. Vielmehr wendet sich die Klägerin gegen die Einladung als solche. Mit ihrer Klage will sie hier und zukünftig wirtschaftliche Folgen in Form von Sanktionen nach § 32 SGB II von vornherein abwehren. Daher ist in einer solchen Konstellation zur Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstands an die Höhe der nach § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II drohenden Minderung für den Fall, dass ein Leistungsberechtigter trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden, nicht nachkommt, anzuknüpfen (ebenso Bay. LSG, Urteil vom 21. Dezember 2016 – L 18 AS 669/16 – juris Rdnr. 26 f.).
Für den Fall, dass die Klägerin der Meldeaufforderung vom 16. Dezember 2014 nicht nachkommt, wird ihr im streitbefangenen Bescheid gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II eine dreimonatige Minderung des Arbeitslosengelds II um 10 Prozent des für sie nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs angedroht. Im Jahr 2015 betrug dieser 399,00 EUR (vgl. § 2 der Verordnung zur Bestimmung des für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch maßgeblichen Prozentsatzes sowie zur Ergänzung der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das Jahr 2015 [Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2015 – RBSFV 2015] vom 14. Oktober 2014 [BGBl. I S. 1618]). Damit drohte der Klägerin eine Minderung ihres Arbeitslosengelds II in Höhe von insgesamt 119,70 EUR. Eine Erhöhung bei wiederholter Pflichtverletzung wie nach § 31 Abs. 3 SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung findet nicht mehr statt. Die entsprechende Regelung wurde durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl I S. 453) zum 1. April 2011 gestrichen.
Damit wird der Grenzwert von 750,00 EUR nicht überschritten.
III. Die Berufung wäre aber auch unbegründet. Da sich die Meldeaufforderung als solche durch Zeitablauf nach § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hat (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 14 AS 19/14 R - Rdnr. 30 juris), kann die Klägerin ihr Rechtschutzziel nur im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG erreichen. Entsprechend war ihr Rechtschutzbegehren auch auszulegen.
1. Die Klage war zwar zulässig.
Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht, wenn sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein solches berechtigtes Interesse setzt kein rechtliches Interesse voraus. Es genügt ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann. Das Interesse kann sich unter dem Gesichtspunkt einer Wiederholungsgefahr, einer Präjudizialität oder eines Rehabilitationsinteresses ergeben (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 131 Rdnr. 10 ff.). Zwar sind hinsichtlich der Geltendmachung eines solchen Feststellungsinteresses keine großen Anforderungen an die Substantivierungspflicht zu stellen. Allerdings hat der Rechtssuchende darzulegen, welche der genannten Umstände sein Feststellungsinteresse begründen (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2007 – B 7/a AL 16/06 R – SozR 4-1500 § 131 Nr. 3 = juris Rdnr. 12).
Unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr lässt sich hier ein berechtigtes Interesse an der Feststellung begründen. Die Klägerin ist nach wie vor im Leistungsbezug, ist bereits von mehreren Meldeaufforderungen betroffen und wird, solange sie im Leistungsbezug verbleibt, weitere Meldeaufforderungen erhalten.
2. Die Klage war aber unbegründet.
§ 59 SGB II i. V. m. § 309 Abs. 2 SGB III ermöglicht die Aufforderung zur Meldung zum Zwecke der Berufsberatung, der Vermittlung in Ausbildung und Arbeit, der Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen, der Vorbereitungen von Entscheidungen im Leistungsverfahren und der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch. Dieser gesetzlichen Pflicht unterliegt die Klägerin, solange sie sich im Leistungsbezug nach dem SGB II befindet. Die Einladung zur Besprechung über Maßnahmen zur Unterstützung der beruflichen Eingliederung ist vor diesem Hintergrund sowie unter anderem im Hinblick auf den Grundsatz des Forderns und Förderns (vgl. §§ 2 und 3 SGB II) nicht zu beanstanden und wirft entgegen dem Vorbringen der Klägerin keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken auf. Auch Ermessensfehler in Bezug auf die Meldeaufforderung des Beklagten sind für den Senat nicht ersichtlich.
IV. Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
V. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Einladung zu einem Termin beim Beklagten am 12. Januar 2015.
Die 1969 geborene Klägerin steht seit dem 1. November 2009 ununterbrochen beim Beklagten im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Mit Schreiben des Beklagten vom 16. Dezember 2014 wurde die Klägerin zu einem Termin beim Beklagten am 12. Januar 2015 um 8.15 Uhr eingeladen. In dem Schreiben hieß es: "Ich möchte mit Ihnen Ihr(e) Stellengesuch(e) und vermittlungsrelevanten Daten besprechen bzw. ergänzen. [ ] [ ] Bitte bringen Sie folgende Unterlagen zu diesem Termin mit: ausgedruckte Bewerbungsunterlagen [ ] Dies ist eine Einladung nach § 59 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) i. V. m. § 309 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Wenn Sie ohne wichtigen Grund dieser Einladung nicht Folge leisten, wird Ihr Arbeitslosengeld II bzw. das Sozialgeld um 10 Prozent des für Sie nach § 20 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) maßgebenden Regelbedarfs für die Dauer von drei Monaten gemindert."
Gegen diese Meldeaufforderung legte die Klägerin mit Schreiben vom 11. Januar 2015 Widerspruch ein. Dieser wurde mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 25. Februar 2015 als unbegründet zurückgewiesen, da die Meldeaufforderung die gesetzlichen Voraus-setzungen erfülle.
Die am 2. März 2015 erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 8. September 2016 ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Es hat die Klage für unzulässig gehalten, da sich die Meldeaufforderung durch Zeitablauf gemäß § 39 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) mit Ablauf des Meldetermins am 12. Januar 2015 erledigt habe und eine Anfechtungsklage mithin nicht mehr statthaft sei. Auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage sei nicht zulässig. Es fehle am erforderlichen besonderen Fortsetzungsfeststellungsinteresse.
Das Urteil ist der Klägerin am 16. September 2016 zugestellt worden. Noch am selben Tag hat sie Berufung gegen das Urteil eingelegt. Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für unrichtig, da sie die ihr vom SGB II auferlegten Pflichten insgesamt für verfassungs-, menschenrechts-, EU-Grundrechts- und völkerrechtswidrig hält. Die Meldepflicht sei ein unrechtmäßiger Freiheitsentzug. Auch liege eine Wiederholungsgefahr vor.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 8. September 2016 aufzuheben sowie die Verfassungs-, Menschenrechts-, EU-Grundrechts- und Völkerrechtswidrigkeit der Sozialgesetzbücher in Bezug auf die diversen so genannten "Pflichten", hier hauptsächlich die Meldepflicht an sich, und die Verfassungs-, Menschenrechts- und Völkerrechtswidrigkeit in Bezug auf die Verweigerung (Sanktion) der Auszahlung der grundgesetzlich zustehenden Leistung an sich zu überprüfen und festzustellen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Er verweist zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im streitgegenständlichen Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere zum Vorbringen der Klägerin, wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Der Senat entscheidet nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit Zustimmung der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung.
II. Die Berufung ist unzulässig, da sie nicht statthaft ist. Sie bedarf gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG der Zulassung. Eine solche ist durch das Sozialgericht aber nicht erfolgt.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt.
Der Wert des Beschwerdegegenstands bestimmt sich danach, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelführer versagt hat und was dieser mit seinem Rechtsmittel weiter verfolgt (vgl. BSG, Beschluss vom 13. Juni 2013 – B 13 R 437/12 B – juris Rdnr. 11, m. w. N ...; Sächs. LSG, Beschluss vom 16. Juni 2009 – L 3 AS 230/09 B ER. juris Rdnr. 17; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 141 Rdnr. 14, m. w. N ...). Der Wert wird vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt (vgl. § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 3 der Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei ist die sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebende Bedeutung der Sache maßgebend zu berücksichtigen, das heißt in der Regel dessen wirtschaftliches Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen (vgl. BSG, Beschluss vom 5. August 2015 – B 4 AS 17/15 B – juris Rdnr. 7).
Zu allererst ist zu bestimmen, welches Ziel der Rechtsmittelführer verfolgt. Die Klägerin selbst hat weder im Ausgangs-, noch hier im Berufungsverfahren einen zulässigen Antrag gestellt, sondern begehrt nur allgemein Feststellungen zu den "SGB´s". Dies ist nicht statthaft, da das Sozialgericht derartige Popularklagen nicht kennt. Das Rechtschutzziel der Klägerin kann hier aber durch Auslegung ermittelt werden, da der Senat an den Wortlaut des Antrags selbst nicht gebunden ist (vgl. § 123 SGG). In der Sache begehrt die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Einladung vom 16. Dezember 2014 zum Termin am 12. Januar 2015. Bei dieser Einladung handelt es sich um eine Meldungsforderung nach § 59 SGB II i. V. m § 309 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III). Sie stellt nach weitgehend einheitlicher Meinung einen Verwaltungsakt dar (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Dezember 2011 – B 14 AS 146/11 B – juris Rdnr. 6, m. w. N ...). Die Meldeaufforderung kann zu den in § 309 Abs. 2 SGG genannten Zwecken erfolgen und dient hauptsächlich der Vermittlung des Hilfebedürftigen in ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis (vgl. Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB III [Stand: Erg.-Lfg. Stand 3/17, Mai 2017], § 309 Rdnr. 14). Sie ist damit ein auf eine Dienstleistung gerichteter Verwaltungsakt (ebenso Bay. LSG, Urteil vom 21. Dezember 2016 – L 18 AS 669/16 – juris Rdnr. 22 f.; a. A ... LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Januar 2015 – L 7 AS 1306/14 – juris Rdnr. 22 ff., das die Meldeaufforderung als einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt sieht; a. A ... auch Thür. LSG, Beschluss vom 20. Juni 2016 – L 9 AS 318/16 B – juris Rdnr. 15 ff., das die Meldeaufforderung als Verwaltungsakt, aber nicht i. S. d. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG sieht).
Im nächsten Schritt erfolgt die wertmäßige Bestimmung des Ziels, wobei auch eine Schätzung vorgenommen werden kann. Hier ist die Klage nicht auf die Erlangung einer der in § 309 Abs. 2 SGB III genannten Dienstleistungen gerichtet. Vielmehr wendet sich die Klägerin gegen die Einladung als solche. Mit ihrer Klage will sie hier und zukünftig wirtschaftliche Folgen in Form von Sanktionen nach § 32 SGB II von vornherein abwehren. Daher ist in einer solchen Konstellation zur Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstands an die Höhe der nach § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II drohenden Minderung für den Fall, dass ein Leistungsberechtigter trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden, nicht nachkommt, anzuknüpfen (ebenso Bay. LSG, Urteil vom 21. Dezember 2016 – L 18 AS 669/16 – juris Rdnr. 26 f.).
Für den Fall, dass die Klägerin der Meldeaufforderung vom 16. Dezember 2014 nicht nachkommt, wird ihr im streitbefangenen Bescheid gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II eine dreimonatige Minderung des Arbeitslosengelds II um 10 Prozent des für sie nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs angedroht. Im Jahr 2015 betrug dieser 399,00 EUR (vgl. § 2 der Verordnung zur Bestimmung des für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch maßgeblichen Prozentsatzes sowie zur Ergänzung der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das Jahr 2015 [Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2015 – RBSFV 2015] vom 14. Oktober 2014 [BGBl. I S. 1618]). Damit drohte der Klägerin eine Minderung ihres Arbeitslosengelds II in Höhe von insgesamt 119,70 EUR. Eine Erhöhung bei wiederholter Pflichtverletzung wie nach § 31 Abs. 3 SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung findet nicht mehr statt. Die entsprechende Regelung wurde durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl I S. 453) zum 1. April 2011 gestrichen.
Damit wird der Grenzwert von 750,00 EUR nicht überschritten.
III. Die Berufung wäre aber auch unbegründet. Da sich die Meldeaufforderung als solche durch Zeitablauf nach § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hat (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 14 AS 19/14 R - Rdnr. 30 juris), kann die Klägerin ihr Rechtschutzziel nur im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG erreichen. Entsprechend war ihr Rechtschutzbegehren auch auszulegen.
1. Die Klage war zwar zulässig.
Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht, wenn sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein solches berechtigtes Interesse setzt kein rechtliches Interesse voraus. Es genügt ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann. Das Interesse kann sich unter dem Gesichtspunkt einer Wiederholungsgefahr, einer Präjudizialität oder eines Rehabilitationsinteresses ergeben (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz [12. Aufl., 2017], § 131 Rdnr. 10 ff.). Zwar sind hinsichtlich der Geltendmachung eines solchen Feststellungsinteresses keine großen Anforderungen an die Substantivierungspflicht zu stellen. Allerdings hat der Rechtssuchende darzulegen, welche der genannten Umstände sein Feststellungsinteresse begründen (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2007 – B 7/a AL 16/06 R – SozR 4-1500 § 131 Nr. 3 = juris Rdnr. 12).
Unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr lässt sich hier ein berechtigtes Interesse an der Feststellung begründen. Die Klägerin ist nach wie vor im Leistungsbezug, ist bereits von mehreren Meldeaufforderungen betroffen und wird, solange sie im Leistungsbezug verbleibt, weitere Meldeaufforderungen erhalten.
2. Die Klage war aber unbegründet.
§ 59 SGB II i. V. m. § 309 Abs. 2 SGB III ermöglicht die Aufforderung zur Meldung zum Zwecke der Berufsberatung, der Vermittlung in Ausbildung und Arbeit, der Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen, der Vorbereitungen von Entscheidungen im Leistungsverfahren und der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch. Dieser gesetzlichen Pflicht unterliegt die Klägerin, solange sie sich im Leistungsbezug nach dem SGB II befindet. Die Einladung zur Besprechung über Maßnahmen zur Unterstützung der beruflichen Eingliederung ist vor diesem Hintergrund sowie unter anderem im Hinblick auf den Grundsatz des Forderns und Förderns (vgl. §§ 2 und 3 SGB II) nicht zu beanstanden und wirft entgegen dem Vorbringen der Klägerin keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken auf. Auch Ermessensfehler in Bezug auf die Meldeaufforderung des Beklagten sind für den Senat nicht ersichtlich.
IV. Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
V. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
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