L 9 AS 2685/17 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 1806/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 2685/17 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 3. Juli 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim (SG) vom 03.07.2017 ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 01.08.2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17.08.2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgs-aussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, sondern in einer Wechselbeziehung, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 12. Aufl., § 86b Rdnr. 27, m.w.N). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann (Keller, a.a.O., Rdnr. 29, m.w.N.). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 13.10.2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 06.09.2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - jeweils Juris, jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, hier also der Entscheidung über die Beschwerde (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats; s. auch Keller, a.a.O., § 86b Rdnr. 42).

Nach diesen Grundsätzen ist aktuell ein Rechtsschutzinteresse in Bezug auf die geltend gemachten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nicht (mehr) erkennbar. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller durch Bescheid vom 17.07.2017 Leistungen für den Lebensunterhalt einschließlich der - hälftigen - Kosten der Unterkunft für die seit Mai 2017 zusammen mit Frau K. bewohnte Wohnung für Juni und Juli 2017 in Höhe von 809,57 EUR monatlich bewilligt und durch weiteren Bescheid vom 07.08.2017 Leistungen auch für die Zeit von August 2017 bis April 2018 in gleicher Höhe, nachdem bereits zuvor Frau K. entsprechende Leistungen (nachträglich) bewilligt worden waren (s. dazu LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.07.2017 - L 12 AS 2556/17 ER-B -). Hierdurch ist der Antragsteller "klaglos" gestellt, weshalb der Antrag insoweit unzulässig ist.

Auch in Bezug auf die vom Antragsteller beanspruchte Übernahme einer Mietkaution von 1700,- EUR, die er nach seinen Angaben aus dem mit seinem Bruder S. S. geschlossenen Untermietvertrag schuldet, liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor, unabhängig davon, dass der Antragsgegner hierüber bislang nicht entschieden hat. Denn bezüglich der Mietkaution ist ein Anordnungsgrund, also ein dem Antragsteller drohender erheblicher Nachteil, etwa in Gestalt der Gefährdung der aktuellen Unterkunft, nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner hat für die von Herrn S. neu angemietete Wohnung (in H.) die Mietkaution in Höhe von 1500,- EUR durch Bescheid vom 25.07.2017 darlehensweise übernommen, nachdem sich Herr S. im Rechtsbehelfsverfahren offenbar darauf berufen hatte, die Kaution für die Wohnung in der B. (wohl ebenfalls 1700,- EUR) vom dortigen Vermieter nicht zurückzuerhalten, da das dortige Mietverhältnis mit ihm als Hauptmieter fortbesteht. Ist die Mietkaution für die vom Antragsteller bewohnte Wohnung damit beim Vermieter verblieben und bestehen daher im Verhältnis zu diesem keine Mietrückstände, so ist die Unterkunft des Antragstellers bis auf Weiteres gesichert, unabhängig davon, ob dieser tatsächlich seitens seines Bruders aufgrund des Untermietvertrages einer ernsthaften, nicht dauerhaft gestundeten Kautionsforderung ausgesetzt ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23.05.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 68; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 21 Rdnr. 16 ff.), was sich im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens nicht feststellen lässt.

Damit sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht glaubhaft gemacht, weshalb die Beschwerde gegen den Beschluss des SG zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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