Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 531/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 4620/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. November 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich zuletzt nur noch gegen die Herabsetzung des nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) bei ihm festgestellten Grades der Behinderung (GdB).
Bei dem 1951 geborenen Kläger wurde mit Bescheid vom 22.12.2005 ein GdB von 50 ab 13.06.2005 sowie das Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) festgestellt. Mit diesem Bescheid vollzog der Beklagte einen vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg im Verfahren L 6 SB 726/05 geschlossenen Vergleich, der durch Annahme eines entsprechenden Vergleichsangebots des Beklagten durch den Kläger zustande gekommen war. Dem Vergleichsangebot des Beklagten lag dabei die versorgungsärztliche Stellungnahme des Arztes A. vom 19.10.2005 zugrunde, in welcher dieser die Hüftgelenksendoprothese rechts sowie die Funktionsbehinderung des linken Hüftgelenks mit einem Einzel-GdB von 50 und den Gesamt-GdB gleichfalls mit 50 bewertete.
Entsprechend der damaligen Empfehlung des Arztes A. veranlasste der Beklagte im Spätsommer 2006 eine Überprüfung der gesundheitlichen Verhältnisse beim Kläger. Auf Grundlage der beigezogenen Befundberichte bewertete Dr. B.-C. in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom November 2006 die Hüftgelenksendoprothese, nun beidseits, zusammen mit der Funktionsbehinderung des linken Hüftgelenks mit einem Einzel-GdB von 40, die erektile Dysfunktion und depressive Verstimmung mit einem Einzel-GdB von 20, sowie die Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks, die Knorpelschäden am rechten Kniegelenk und die Schwerhörigkeit beidseits jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 und bildete hieraus einen Gesamt-GdB von 50. Nach zwischenzeitlich erfolgter Operation auch der linken Hüfte mit deutlich besserer Funktion als vor der Operation und freier Kniegelenksbeweglichkeit sei das Merkzeichen G nicht mehr angemessen. Nach Anhörung hob der Beklagte daraufhin mit Bescheid vom 04.12.2006 den Bescheid vom 22.12.2005 insoweit auf, als die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G ab 07.12.2006 nicht mehr vorliegen würden. Der GdB betrage "ab 07.12.2006 nur noch 50".
Am 05.05.2014 stellte der Kläger beim Beklagten einen Verschlimmerungsantrag und machte einen höheren GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens G geltend. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. D. vom Mai 2014, in welcher dieser eine Anpassung des Einzel-GdB für die Hüftgelenksendoprothese beidseits mit (nur noch) 20 entsprechend den nun einschlägigen Vorschriften empfahl, änderte der Beklagte nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 29.09.2014 den Bescheid vom 04.12.2006 ab und setzte den GdB ab 02.10.2014 mit nur noch 30 fest. Weiterhin lehnte er die Zuerkennung des Merkzeichens G ab. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger eine Stellungnahme des behandelnden Orthopäden Dr. von E. vom Juli 2014 vor, wonach er unter glaubhaften Hüftgelenksschmerzen rechts und zusätzlich unter Schulterschmerzen rechts bei Omarthrose leide. Der daraufhin vom Beklagten angehörte Dr. I. führte in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom November 2014 aus, auf Grund der Stellungnahme des Dr. von E. seien die Hüftgelenksendoprothesen beidseits mit Funktionsbehinderung des linken Hüftgelenks sowie der Knorpelschäden am rechten Knie mit einem Einzel-GdB von 30 und die Funktionsbehinderungen beider Schultergelenke mit Arthrose mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten, woraus sich insgesamt ein Gesamt-GdB von 40 ergebe. Mit Teilabhilfebescheid vom 16.12.2014 setzte der Beklagte daraufhin den GdB mit 40 seit 02.10.2014 fest und wies den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2015 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 17.02.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, mit welcher er die Beibehaltung eines GdB von mindestens 50 und die Zuerkennung des Merkzeichens G weiter verfolgt hat. Das SG hat die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Die Allgemeinärztin Dr. F. hat mitgeteilt, der Kläger leide an Schmerzen in den Hüften und der rechten Schulter. Weitere Beurteilungen könne sie nicht treffen. Sie hat unter anderem einen Arztbericht des Klinikums Mittelbaden vom 12.05.2014 über eine Vorsprache des Klägers wegen Schmerzen am lateralen Oberschenkel vorgelegt. Dr. von E. hat bei dem Kläger eine Hüftendoprothese beidseits, eine Periarthropathia coxae rechts und eine Omarthrose rechts diagnostiziert. Der Facharzt für Urologie und Andrologie Dr. G. hat über eine Blasenentleerungsstörung sowie über eine erektile Dysfunktion berichtet. In einer zu diesen Auskünften vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme des Arztes A. ist dieser zur Einschätzung gelangt, dass die Befunde und Funktionsdaten keine abweichende Bewertung gegenüber dem angefochtenen Bescheid rechtfertigen würden.
Das SG hat weiterhin von Amts wegen Dr. H. mit der Begutachtung des Klägers auf orthopädischem Gebiet beauftragt. Nachdem der Kläger zu zwei von Dr. H. bestimmten Begutachtungsterminen nicht erschienen ist, hat das SG den Kläger mit Schreiben vom April 2016 auf seine Mitwirkungsobliegenheiten hingewiesen und ihn aufgefordert, einen weiteren vom Sachverständigen zu bestimmenden Termin wahrzunehmen. Daraufhin hat der Kläger dem SG telefonisch und schriftsätzlich mittels seines damaligen Bevollmächtigten mitgeteilt, dass er eine körperliche Untersuchung ablehne, da aus seiner Sicht lediglich Rechtsfragen streitentscheidend seien.
Das SG hat daraufhin nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 07.11.2016 die Klage abgewiesen. Gegenüber dem Bescheid vom 04.12.2006 sei insoweit eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse eingetreten, als nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) seit dem 23.12.2010 bei beidseitiger Endoprothesenversorgung der Hüftgelenke der Mindest-GdB nur noch 20 statt wie zuvor 40 betrage. Die geänderten Rechtsvorschriften seien auf den Kläger auch anwendbar. Zwar seien bei eingeschränkter Versorgungsqualität nach den VG höhere GdB-Werte angemessen. Eine derartige Beeinträchtigung der Versorgungsqualität habe sich indes weder den Zeugenaussagen noch den weiteren medizinischen Unterlagen entnehmen lassen. Die Abklärung der Funktionsbeeinträchtigung des Klägers durch eine fachorthopädische Untersuchung sei auf Grund des Verhaltens des Klägers nicht möglich gewesen. Aufgrund dessen habe zu Gunsten des Klägers allenfalls von einem Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem "Beine" ausgegangen werden können. Auch die übrigen vom Beklagten zugrunde gelegten Einzel-GdB seien nicht zu beanstanden; ebenso wenig der hieraus gebildete Gesamt-GdB von 40. Zutreffend habe der Beklagte auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G abgelehnt.
Gegen den dem Kläger am 15.11.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 06.12.2016 Berufung beim SG eingelegt und eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots geltend gemacht, da diejenigen Antragsteller mit einer Endoprothese, die keinen Änderungsantrag beim Beklagten nach dem 23.12.2010 gestellt hätten, den ursprünglich zuerkannten höheren Einzel-GdB behalten dürften, während diejenigen, die einen Änderungsantrag gestellt hätten, mit einer Herabsetzung rechnen müssten. Man habe ihn ohne jede Änderung im medizinischen Sachverhalt auf Grund seines Antrags auf einen GdB von 40 und damit von einem Schwerbehinderten zu einem nur Gleichgestellten zurückgestuft. Er sei vor der Herabsetzung nicht ordnungsgemäß angehört worden, sondern vielmehr erst nach vollzogener Herabsetzung. Ansonsten hätte er seinen Antrag zurückgenommen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. November 2016 sowie den Bescheid vom 29. September 2014 und den Teilabhilfebescheid vom 16. Dezember 2014, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2015, aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung, welche die betreffenden Bescheide bestätigt habe. Auch sei der Kläger vor der Herabsetzung ordnungsgemäß angehört worden; diesbezüglich werde auf das aktenkundige Anhörungsschreiben vom 01.07.2014 hingewiesen.
Der Berichterstatter hat mit Verfügung vom 21.02.2017 dem Kläger mitgeteilt, dass nach derzeitigem Stand die Herabsetzung des GdB nicht zu beanstanden sei und es einer fachorthopädischen Abklärung durch ein Gutachten auf Grund ambulanter Untersuchung bedürfe. Er hat dem Kläger aufgegeben, schriftlich mitzuteilen, ob er bereit sei, sich nun doch einer solchen Begutachtung zu unterziehen. Der Kläger hat daraufhin mitgeteilt, er habe sich, da der Gutachter "in keiner Weise anders entscheiden wird, wie das Versorgungsamt", entschieden, dass er zu keinem Gutachter gehen werde.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge, die hinzugezogenen Gerichtsakten sowie auf die beim Beklagten für den Kläger geführten Verwaltungsakten, die allesamt Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenständlich ist vorliegend der Bescheid vom 29.09.2014 in Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 16.12.2014, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2015, soweit der Beklagte darin unter Abänderung des Bescheides vom 04.12.2006 den Gesamt-GdB ab 02.10.2014 nur noch mit 40 festgestellt hat. Das noch mit der Klage gleichfalls verfolgte Merkzeichen G macht der Kläger dagegen in der Berufung nicht mehr geltend.
Rechtsgrundlage für die Herabsetzung des Gesamt-GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist, soweit in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt vor, wenn sich durch das Hinzutreten neuer Gesundheitsstörungen oder eine Verschlimmerung der anerkannten Gesundheitsstörungen der Gesundheitszustand des behinderten Menschen verschlechtert oder er sich durch den Wegfall oder einer Besserung bereits anerkannter Gesundheitsstörungen gebessert hat. Von einer wesentlichen Änderung im Gesundheitszustand ist auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung oder Herabsetzung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt. Ob dies der Fall ist, ist durch einen Vergleich der für die letzte bindend gewordene Feststellung maßgebenden Befunde mit den jetzt vorliegenden Befunden zu ermitteln.
Für die Ermittlung des GdB gilt folgendes: Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie die Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei gemäß § 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.
Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung ab 15.01.2015 (BGBl. II S. 15) wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der Fassung ab 15.01.2015 (BGBl. II S. 15), dass - soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist - die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab 01.07.2011 (BGBl. I S. 2904) erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 2904), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).
Nach dieser Maßgabe sind im Vergleich zu dem für die letzte bindend gewordene Feststellung maßgebenden Rechtsvorschriften und Befunde wesentliche Änderungen eingetreten, weshalb der Beklagte zu Recht seit dem 02.10.2014 nur noch einen Gesamt-GdB von 40 festgestellt hat. Dabei stellt der Bescheid vom 04.12.2006 auch für den GdB die letzte bindend gewordene Feststellung in diesem Sinne dar. Allerdings hat der Beklagte bereits mit Bescheid vom 22.12.2005 einen GdB von 50 (ab 13.06.2005) festgestellt. Gleichwohl liegt mit dem Bescheid vom 04.12.2006 nicht nur eine wiederholende Verfügung vor, die selbst kein Verwaltungsakt ist, weil nur die bereits getroffene Regelung der Feststellung wiederholt und keine eigenständige Regelung getroffen wird (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 17/13 R; Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2015, L 6 SB 4878/13; beide in juris). Eine solche wiederholende Verfügung scheidet aber vorliegend bereits deshalb aus, da der Beklagte ausweislich des eindeutigen Wortlautes im Bescheid vom 04.12.2006 - wenngleich irrtümlich - von einer dem Kläger nachteiligen Abänderung einer im Bescheid vom 22.12.2005 getroffenen, dem Kläger günstigeren, GdB-Feststellung ausgegangen ist. So hat der Beklagte im Bescheid vom 04.12.2006 ausgeführt, der GdB betrage "ab 07.12.2006 nur noch 50". Aufgrund dessen trifft der Bescheid vom 04.12.2006 eine zwar rechtswidrige, aber nicht nichtige, Regelung des GdB für die Zeit ab 07.12.2006, die, nachdem der Bescheid vom Kläger nicht angefochten worden ist, in Bestandskraft erwachsen ist.
Die Verhältnisse, welche dem Bescheid vom 04.12.2006 zugrunde gelegen haben und maßgeblich für die Bewertung der Funktionsbehinderungen des Klägers mit einem Gesamt-GdB von 50 waren, haben sich zunächst in rechtlicher Hinsicht wesentlich geändert. Eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse ist bei einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften, also einer Aufhebung oder Änderung der maßgebenden Rechtsvorschriften gegeben; dabei sind gesetzliche Regelungen in diesem Sinne sämtliche Gesetze im materiellen Sinne (Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 1. Aufl. 2013, § 48 Rn. 57 f.).
Dem Bescheid vom 04.12.2006 bzw. der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. B.-C., auf der dieser beruhte, lagen die AHP 2004 zugrunde, die in der GdB-Tabelle, Teil A Nr. 26.18 bei beidseitigem prothetischen Ersatz der Hüftgelenke einen Mindest-GdB von 40 vorgesehen haben. Dagegen sehen die VG ab der Fassung vom 17.12.2010 (Anlageband zum BGBl. I Nr. 57 vom 15.12.2008, in Kraft ab 23.12.2010 - künftig: n.F.) für Hüftgelenke bei beidseitiger Endoprothese einen Mindest-GdB von nur noch 20 vor (VG, Teil B Nr. 18.12), wobei der Mindest-GdB angegeben wird, der für Endoprothesen bei bestmöglichem Behandlungsergebnis gilt. Die VG, die anstelle der AHP getreten sind, fallen als Anlage zur VersMedV als Gesetz im materiellen Sinne, ohne weiteres unter § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Aber auch eine Änderung der AHP ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG wie eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse zu beurteilen (BSG, Urteil vom 11.10.1994, 9 RVs 1/93, juris), da die AHP ein geschlossenes Beurteilungsgefüge zum GdB darstellen, die in ihrer jeweiligen Fassung die Verwaltung binden und von den Gerichten nur in beschränktem Umfang überprüft werden können, weshalb den AHP rechtsnormähnliche Qualität zukommt. Die Ersetzung der Beurteilungen von Endoprothesen in den AHP 2004 durch die dem Kläger ungünstigere Regelung in den VG, Teil B Nr. 18.12 n.F. stellt daher eine Rechtsänderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar. Wie bereits das SG zutreffend dargelegt hat, finden die VG, Teil B Nr. 18.12 auch auf den Kläger unmittelbar Anwendung. Denn eine Übergangsregelung, die eine spätere Anwendung auf Altfälle oder gar die generelle Herausnahme von Altfällen vorsehen würde, hat der Verordnungsgeber nicht getroffen, weshalb die VG ab ihrem Inkrafttreten auch ausnahmslos Geltung beanspruchen.
Die danach anzuwendenden VG, Teil B Nr. 18.12 n.F. "Endoprothesen" führen zur Frage der prothetischen Versorgung im Hüftgelenk folgendes aus:
"Es werden Mindest-GdS angegeben, die für Endoprothesen bei bestmöglichem Behandlungsergebnis gelten. Bei eingeschränkter Versorgungsqualität sind höhere Werte angemessen. Die Versorgungsqualität kann insbesondere beeinträchtigt sein durch - Beweglichkeits- und Belastungseinschränkung, - Nervenschädigung, - deutliche Muskelminderung, - ausgeprägte Narbenbildung. Die in der GdS-Tabelle angegebenen Werte schließen die bei der jeweiligen Versorgungsart üblicherweise gebotenen Beschränkungen ein".
Für das Hüftgelenk sehen die VG bei einseitiger Endoprothese einen GdB von mindestens 10, bei beidseitiger Endoprothese von mindestens 20 vor. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kommt eine Bewertung der Hüftgelenksendoprothese beidseits auch unter Berücksichtigung der von Dr. von E. angegebenen hüftnahen Arthrosen mit mehr als 30 nicht in Betracht. So ist im Bericht des Klinikums Mittelbaden vom 12.05.2014 von einer guten Beweglichkeit der Hüftgelenke beidseits mit Schmerzfreiheit bei Abduktion und bei axialer Stauchung berichtet worden. Die vom Kläger beklagten Schmerzen im Schaftbereich sind demnach nicht ständig vorhanden und belastungsunabhängiger Natur. Klinisch haben sich keine Auffälligkeiten gezeigt; es liegt eine reizlose Narbe vor. Zwar hat Dr. von E. in seiner Stellungnahme gegenüber dem Beklagten vom Juli 2014 von glaubhaften Hüftgelenksschmerzen rechts berichtet. In seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom Mai 2015 hat er dessen ungeachtet die Hüftgelenksendoprothese beidseits wie auch die hüftgelenksnahe Arthrose rechts jeweils nur als leicht bewertet. Damit sind weder nach den sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte und den aktenkundigen medizinischen Unterlagen, noch unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Versorgungsqualität ersichtlich. Weder liegt beim Kläger in Hinblick auf die Hüftendoprothesen eine Einschränkung der Beweglichkeit und Belastung, noch eine Nervenschädigung, noch eine deutliche Muskelminderung oder eine ausgeprägte Narbenbildung vor. Lediglich im Hinblick auf die Angaben des Klägers über einen nicht ständig vorliegenden Schmerz im Bereich des Schaftbereichs der rechten Hüftprothese und unter Berücksichtigung von Knorpelschäden am rechten Kniegelenk - wobei diesbezüglich zu keiner Zeit über Funktionsbeeinträchtigungen berichtet worden ist und die Knieproblematik weder in den sachverständigen Zeugenaussagen der Dr. F. noch in denjenigen des Dr. von E. überhaupt noch Erwähnung finden - kann für das Funktionssystem "Beine" ein Einzel-GdB von 30 noch gerechtfertigt werden. Im Hinblick auf die Bemühungen sowohl des SG wie auch des Senats um eine Begutachtung auf orthopädischem Gebiet von Amts wegen, die letztlich an der Verweigerung des Klägers gescheitert ist, weist der Senat darauf hin, dass im Hinblick auf die Beurteilung der unteren Gliedmaßen, insbesondere der Endoprothesen, angesichts der detaillierten, schlüssigen und nachvollziehbaren Bekundungen des Dr. von E. sowie im Befundbericht des Klinikums Mittelbaden keine vernünftigen Restzweifel am oben dargestellten Ausmaß der Gesundheitsstörungen sowie an deren Bewertung mit einem Einzel-GdB von 30 verbleiben.
Die Verhältnisse, welche dem Bescheid vom 04.12.2006 zugrunde gelegen haben, haben auch in tatsächlicher Hinsicht eine wesentliche Änderung erfahren.
Soweit der Beklagte weiterhin vom Vorliegen einer depressiven Verstimmung ausgeht und diese (im Zusammenspiel mit einer erektilen Dysfunktion) mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet wissen will, vermag sich der Senat schon nicht vom Vorliegen einer solchen depressiven Verstimmung zu überzeugen. Der Kläger befindet sich, worauf bereits der Beklagte zutreffend hingewiesen hat, diesbezüglich nicht mehr in fachpsychiatrischer Behandlung. Es findet aber auch keine begleitende Therapie durch die Hausärztin Dr. F. statt. Vielmehr hat diese in ihrer sachverständigen Zeugenaussage noch nicht einmal eine Diagnose auf psychiatrischem Gebiet genannt. Auch eine entsprechende Medikamenteneinnahme (Antidepressiva oder Schlafmittel) als mögliches Indiz für eine Fortdauer einer zu früherer Zeit gegebenen psychischen Erkrankung ist nicht belegt. Nach alledem ist davon auszugehen, dass sich eine Besserung eingestellt hat, dergestalt, dass beim Kläger keine belangvolle psychische Erkrankung mehr vorliegt.
Soweit Dr. von E. von einem mittelschweren degenerativen Wirbelsäulensyndrom spricht und hierfür einen Einzel-GdB von 20 in Ansatz bringen will, fehlen jedwede Anhaltspunkte für wenigstens mittelgradige funktionelle Auswirkungen in wenigstens einem Wirbelsäulenabschnitt (vgl. VG, Teil B Nr. 18.9). Bewegungsmaße hat Dr. von E. nicht erhoben und er hat auch nicht zum Ausdruck gebracht, in welchem Wirbelsäulensegment er eine Verschlimmerung der funktionellen Auswirkungen sieht. Weitere Ermittlungen diesbezüglich waren auf Grund der Weigerung des Klägers, sich einer Begutachtung auf orthopädischem Gebiet von Amts wegen zu unterziehen, nicht möglich. Andere Ermittlungsansätze wie beispielsweise eine Begutachtung nach Aktenlage waren angesichts insoweit fehlender medizinischer Befundberichte von vornherein nicht erfolgversprechend. Der das sozialgerichtliche Verfahren grundsätzlich beherrschende Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) gilt im Fall einer Verletzung der Mitwirkungslast nicht uneingeschränkt. Der Senat ist berechtigt, bei Gesamtwürdigung der Entscheidungsgrundlage, insbesondere bei der Beweiswürdigung, die Verletzung der Mitwirkungslast seitens des Klägers durch seine grundlose Weigerung, sich einer Begutachtung zu unterziehen, zu berücksichtigen, worauf der Kläger auch hingewiesen worden ist. Der Umstand, dass eine Verschlechterung der Wirbelsäulenschäden nicht erweislich ist, geht daher zu Lasten des Klägers.
Die beim Kläger weiterhin vorliegende Funktionsbehinderung beider Schultergelenke ist vom Beklagten mit einem Einzel-GdB von 20 zutreffend bewertet worden. Nach den VG, Teil B Nr. 18.13 ist eine Bewegungseinschränkung des Schultergelenks einschließlich des Schultergürtels bei einer Armhebung nur bis zu 120° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit mit einem Einzel-GdB von 10 und bei einer Armhebung nur bis zu 90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit mit einem solchen von 20 zu bewerten. Ausweislich der von Dr. von E. im Rahmen seiner sachverständigen Zeugenaussage vorgelegten Befundberichte vom März 2012 und November 2012 war die Schulterbeweglichkeit schmerzbedingt nur leicht eingeschränkt. So hat sich der Nacken- und Schürzengriff beidseits schmerzhaft leicht eingeschränkt gezeigt. In seiner sachverständigen Zeugenaussage vom Mai 2015 hat Dr. von E. diesbezüglich eine wesentliche Änderung verneint und der Bewertung mit einem Einzel-GdB von 20 zugestimmt. Angesichts des beidseitigen Auftretens der Funktionseinschränkung ist zu Gunsten des Klägers trotz der nur leichten Bewegungseinschränkung ein Einzel-GdB von 20 noch zu rechtfertigen.
Die Beurteilung der Entleerungsstörung der Harnblase durch den Beklagten, die dieser mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet hat, ist von Dr. G., dem behandelnden Urologen, in seiner sachverständigen Zeugenaussage sowohl nach Befund wie auch Bewertung bestätigt worden und steht in Einklang mit den VG. Gleichermaßen schlüssig und nachvollziehbar und in Einklang mit den VG hat Dr. G. die erektile Dysfunktion mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet. Weiterhin sind, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass für das Funktionssystem "Ohren" (Schwerhörigkeit beidseits) ein höherer Einzel-GdB als 10 anzusetzen wäre. Weder macht der Kläger diesbezüglich eine Verschlechterung geltend, noch ergeben sich für eine solche Anhaltspunkte aus den medizinischen Unterlagen.
Unter Berücksichtigung des Vorstehenden hat der Beklagte und ihm folgend das SG den Gesamt-GdB mit 40 im Ergebnis zutreffend ermittelt. Ausgehend von den Gesundheitsstörungen im Funktionssystem "Beine" als der Funktionsbeeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB, nämlich 30, rechtfertigt der weitere Einzel-GdB von 20 für die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke mit Arthrose einen Gesamt-GdB von 40. Die weiteren Einzel-GdB von jeweils 10 führen gemäß den VG, Teil A Nr. 3d) ee) nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, welches einen höheren Gesamt-GdB rechtfertigen könnte.
Soweit der Kläger einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot geltend macht, weil, so der Kläger, nur diejenigen behinderten Menschen, die einen Verschlechterungsantrag stellen würden, einer Neubewertung ihrer Hüftgelenksendoprothesen entsprechend den VG, Teil B Nr. 18.12. n.F. unterzogen würden, teilt der Senat diese Bedenken nicht. Der Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 Grundgesetz (GG) verbietet es, gleichgelagerte Fälle ohne sachlichen Grund und damit willkürlich unterschiedlich zu behandeln. Für eine Handhabung des Beklagten, wonach dieser bei einzelnen behinderten Menschen trotz Kenntnis einer unzutreffenden Bewertung der Hüftgelenksendoprothesen von einer Herabsetzung absieht, gibt es keine Anhaltspunkte; eine solche wird vom Kläger auch nicht behauptet. Es stellt auch keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar, wenn der Beklagte den GdB in solchen Fällen nicht herabgesetzt hat, in denen ihm eine unzutreffende Bewertung der Hüftgelenksendoprothesen bisher verborgen geblieben ist (vgl. Verwaltungsgerichtshof [VGH] Baden-Württemberg, Urteil vom 29.02.1996, 8 S 3371/95, juris, auch zum Nachfolgenden). In einem solchen Fall reicht es vielmehr aus, dass der Beklagte nach Bekanntwerden entsprechender Vergleichsfälle tätig wird, woran vorliegend kein Zweifel besteht. Soweit der Kläger offensichtlich meint, der Beklagte müsse anlassunabhängig eine komplette Durchforstung sämtlicher Schwerbehindertenakten durchführen, um auf Spuren einer möglichen unzutreffenden Bewertung von Hüftgelenksendoprothesen aufgrund der Neubewertung in den VG zu stoßen, überspannt er die aus dem Gleichheitssatz zu folgernden Anforderungen bei weitem. Eine Verpflichtung zu einem solchen umfassenden "Aktensturz" aus Anlass einer Rechtsänderung wird durch den Gleichheitsgrundsatz nicht begründet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich eine unzutreffende Bewertung der Hüftgelenksendoprothesen nicht allein der Aktenlage entnehmen lässt. Denn bei den nun anstelle der früheren Bewertungen getretenen Einzel-GdB für Endoprothesen handelt es sich, wie bereits dargelegt, um Mindest-GdB, die nur Geltung für Endoprothesen mit bestmöglichem Behandlungsergebnis beanspruchen. Eine fehlerhafte Bewertung der Endoprothesen liegt demnach nur im Einzelfall vor, wenn die beigezogenen medizinischen Befundberichte und ärztlichen Stellungnahmen ein solches bestmögliches Behandlungsergebnis belegen. Eine rechtsfehlerhafte Bewertung des GdB ergibt sich damit nicht bereits aus der bloßen Rechtsänderung, sondern nur in Verbindung mit der Bewertung der Versorgungsqualität, gestützt auf medizinische Ermittlungen.
Soweit der Kläger darüber hinaus geltend macht, er sei vor der Herabsetzung des GdB nicht angehört worden, so ist dies unzutreffend. Vielmehr ist der Kläger mit Schreiben vom 01.07.2014, abgesandt am 02.07.2014, ausführlich zur beabsichtigten Herabsetzung des Gesamt-GdB angehört worden und er hat dieses Anhörungsschreiben ausweislich eines Aktenvermerks über ein am 07.07.2014 geführtes Telefongespräch mit einem Mitarbeiter des Beklagten auch erhalten.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich zuletzt nur noch gegen die Herabsetzung des nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) bei ihm festgestellten Grades der Behinderung (GdB).
Bei dem 1951 geborenen Kläger wurde mit Bescheid vom 22.12.2005 ein GdB von 50 ab 13.06.2005 sowie das Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) festgestellt. Mit diesem Bescheid vollzog der Beklagte einen vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg im Verfahren L 6 SB 726/05 geschlossenen Vergleich, der durch Annahme eines entsprechenden Vergleichsangebots des Beklagten durch den Kläger zustande gekommen war. Dem Vergleichsangebot des Beklagten lag dabei die versorgungsärztliche Stellungnahme des Arztes A. vom 19.10.2005 zugrunde, in welcher dieser die Hüftgelenksendoprothese rechts sowie die Funktionsbehinderung des linken Hüftgelenks mit einem Einzel-GdB von 50 und den Gesamt-GdB gleichfalls mit 50 bewertete.
Entsprechend der damaligen Empfehlung des Arztes A. veranlasste der Beklagte im Spätsommer 2006 eine Überprüfung der gesundheitlichen Verhältnisse beim Kläger. Auf Grundlage der beigezogenen Befundberichte bewertete Dr. B.-C. in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom November 2006 die Hüftgelenksendoprothese, nun beidseits, zusammen mit der Funktionsbehinderung des linken Hüftgelenks mit einem Einzel-GdB von 40, die erektile Dysfunktion und depressive Verstimmung mit einem Einzel-GdB von 20, sowie die Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks, die Knorpelschäden am rechten Kniegelenk und die Schwerhörigkeit beidseits jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 und bildete hieraus einen Gesamt-GdB von 50. Nach zwischenzeitlich erfolgter Operation auch der linken Hüfte mit deutlich besserer Funktion als vor der Operation und freier Kniegelenksbeweglichkeit sei das Merkzeichen G nicht mehr angemessen. Nach Anhörung hob der Beklagte daraufhin mit Bescheid vom 04.12.2006 den Bescheid vom 22.12.2005 insoweit auf, als die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G ab 07.12.2006 nicht mehr vorliegen würden. Der GdB betrage "ab 07.12.2006 nur noch 50".
Am 05.05.2014 stellte der Kläger beim Beklagten einen Verschlimmerungsantrag und machte einen höheren GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens G geltend. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. D. vom Mai 2014, in welcher dieser eine Anpassung des Einzel-GdB für die Hüftgelenksendoprothese beidseits mit (nur noch) 20 entsprechend den nun einschlägigen Vorschriften empfahl, änderte der Beklagte nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 29.09.2014 den Bescheid vom 04.12.2006 ab und setzte den GdB ab 02.10.2014 mit nur noch 30 fest. Weiterhin lehnte er die Zuerkennung des Merkzeichens G ab. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger eine Stellungnahme des behandelnden Orthopäden Dr. von E. vom Juli 2014 vor, wonach er unter glaubhaften Hüftgelenksschmerzen rechts und zusätzlich unter Schulterschmerzen rechts bei Omarthrose leide. Der daraufhin vom Beklagten angehörte Dr. I. führte in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom November 2014 aus, auf Grund der Stellungnahme des Dr. von E. seien die Hüftgelenksendoprothesen beidseits mit Funktionsbehinderung des linken Hüftgelenks sowie der Knorpelschäden am rechten Knie mit einem Einzel-GdB von 30 und die Funktionsbehinderungen beider Schultergelenke mit Arthrose mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten, woraus sich insgesamt ein Gesamt-GdB von 40 ergebe. Mit Teilabhilfebescheid vom 16.12.2014 setzte der Beklagte daraufhin den GdB mit 40 seit 02.10.2014 fest und wies den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2015 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 17.02.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, mit welcher er die Beibehaltung eines GdB von mindestens 50 und die Zuerkennung des Merkzeichens G weiter verfolgt hat. Das SG hat die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Die Allgemeinärztin Dr. F. hat mitgeteilt, der Kläger leide an Schmerzen in den Hüften und der rechten Schulter. Weitere Beurteilungen könne sie nicht treffen. Sie hat unter anderem einen Arztbericht des Klinikums Mittelbaden vom 12.05.2014 über eine Vorsprache des Klägers wegen Schmerzen am lateralen Oberschenkel vorgelegt. Dr. von E. hat bei dem Kläger eine Hüftendoprothese beidseits, eine Periarthropathia coxae rechts und eine Omarthrose rechts diagnostiziert. Der Facharzt für Urologie und Andrologie Dr. G. hat über eine Blasenentleerungsstörung sowie über eine erektile Dysfunktion berichtet. In einer zu diesen Auskünften vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme des Arztes A. ist dieser zur Einschätzung gelangt, dass die Befunde und Funktionsdaten keine abweichende Bewertung gegenüber dem angefochtenen Bescheid rechtfertigen würden.
Das SG hat weiterhin von Amts wegen Dr. H. mit der Begutachtung des Klägers auf orthopädischem Gebiet beauftragt. Nachdem der Kläger zu zwei von Dr. H. bestimmten Begutachtungsterminen nicht erschienen ist, hat das SG den Kläger mit Schreiben vom April 2016 auf seine Mitwirkungsobliegenheiten hingewiesen und ihn aufgefordert, einen weiteren vom Sachverständigen zu bestimmenden Termin wahrzunehmen. Daraufhin hat der Kläger dem SG telefonisch und schriftsätzlich mittels seines damaligen Bevollmächtigten mitgeteilt, dass er eine körperliche Untersuchung ablehne, da aus seiner Sicht lediglich Rechtsfragen streitentscheidend seien.
Das SG hat daraufhin nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 07.11.2016 die Klage abgewiesen. Gegenüber dem Bescheid vom 04.12.2006 sei insoweit eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse eingetreten, als nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) seit dem 23.12.2010 bei beidseitiger Endoprothesenversorgung der Hüftgelenke der Mindest-GdB nur noch 20 statt wie zuvor 40 betrage. Die geänderten Rechtsvorschriften seien auf den Kläger auch anwendbar. Zwar seien bei eingeschränkter Versorgungsqualität nach den VG höhere GdB-Werte angemessen. Eine derartige Beeinträchtigung der Versorgungsqualität habe sich indes weder den Zeugenaussagen noch den weiteren medizinischen Unterlagen entnehmen lassen. Die Abklärung der Funktionsbeeinträchtigung des Klägers durch eine fachorthopädische Untersuchung sei auf Grund des Verhaltens des Klägers nicht möglich gewesen. Aufgrund dessen habe zu Gunsten des Klägers allenfalls von einem Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem "Beine" ausgegangen werden können. Auch die übrigen vom Beklagten zugrunde gelegten Einzel-GdB seien nicht zu beanstanden; ebenso wenig der hieraus gebildete Gesamt-GdB von 40. Zutreffend habe der Beklagte auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G abgelehnt.
Gegen den dem Kläger am 15.11.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 06.12.2016 Berufung beim SG eingelegt und eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots geltend gemacht, da diejenigen Antragsteller mit einer Endoprothese, die keinen Änderungsantrag beim Beklagten nach dem 23.12.2010 gestellt hätten, den ursprünglich zuerkannten höheren Einzel-GdB behalten dürften, während diejenigen, die einen Änderungsantrag gestellt hätten, mit einer Herabsetzung rechnen müssten. Man habe ihn ohne jede Änderung im medizinischen Sachverhalt auf Grund seines Antrags auf einen GdB von 40 und damit von einem Schwerbehinderten zu einem nur Gleichgestellten zurückgestuft. Er sei vor der Herabsetzung nicht ordnungsgemäß angehört worden, sondern vielmehr erst nach vollzogener Herabsetzung. Ansonsten hätte er seinen Antrag zurückgenommen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. November 2016 sowie den Bescheid vom 29. September 2014 und den Teilabhilfebescheid vom 16. Dezember 2014, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2015, aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung, welche die betreffenden Bescheide bestätigt habe. Auch sei der Kläger vor der Herabsetzung ordnungsgemäß angehört worden; diesbezüglich werde auf das aktenkundige Anhörungsschreiben vom 01.07.2014 hingewiesen.
Der Berichterstatter hat mit Verfügung vom 21.02.2017 dem Kläger mitgeteilt, dass nach derzeitigem Stand die Herabsetzung des GdB nicht zu beanstanden sei und es einer fachorthopädischen Abklärung durch ein Gutachten auf Grund ambulanter Untersuchung bedürfe. Er hat dem Kläger aufgegeben, schriftlich mitzuteilen, ob er bereit sei, sich nun doch einer solchen Begutachtung zu unterziehen. Der Kläger hat daraufhin mitgeteilt, er habe sich, da der Gutachter "in keiner Weise anders entscheiden wird, wie das Versorgungsamt", entschieden, dass er zu keinem Gutachter gehen werde.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge, die hinzugezogenen Gerichtsakten sowie auf die beim Beklagten für den Kläger geführten Verwaltungsakten, die allesamt Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenständlich ist vorliegend der Bescheid vom 29.09.2014 in Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 16.12.2014, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2015, soweit der Beklagte darin unter Abänderung des Bescheides vom 04.12.2006 den Gesamt-GdB ab 02.10.2014 nur noch mit 40 festgestellt hat. Das noch mit der Klage gleichfalls verfolgte Merkzeichen G macht der Kläger dagegen in der Berufung nicht mehr geltend.
Rechtsgrundlage für die Herabsetzung des Gesamt-GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist, soweit in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt vor, wenn sich durch das Hinzutreten neuer Gesundheitsstörungen oder eine Verschlimmerung der anerkannten Gesundheitsstörungen der Gesundheitszustand des behinderten Menschen verschlechtert oder er sich durch den Wegfall oder einer Besserung bereits anerkannter Gesundheitsstörungen gebessert hat. Von einer wesentlichen Änderung im Gesundheitszustand ist auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung oder Herabsetzung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt. Ob dies der Fall ist, ist durch einen Vergleich der für die letzte bindend gewordene Feststellung maßgebenden Befunde mit den jetzt vorliegenden Befunden zu ermitteln.
Für die Ermittlung des GdB gilt folgendes: Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie die Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei gemäß § 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.
Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung ab 15.01.2015 (BGBl. II S. 15) wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der Fassung ab 15.01.2015 (BGBl. II S. 15), dass - soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist - die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab 01.07.2011 (BGBl. I S. 2904) erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 2904), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).
Nach dieser Maßgabe sind im Vergleich zu dem für die letzte bindend gewordene Feststellung maßgebenden Rechtsvorschriften und Befunde wesentliche Änderungen eingetreten, weshalb der Beklagte zu Recht seit dem 02.10.2014 nur noch einen Gesamt-GdB von 40 festgestellt hat. Dabei stellt der Bescheid vom 04.12.2006 auch für den GdB die letzte bindend gewordene Feststellung in diesem Sinne dar. Allerdings hat der Beklagte bereits mit Bescheid vom 22.12.2005 einen GdB von 50 (ab 13.06.2005) festgestellt. Gleichwohl liegt mit dem Bescheid vom 04.12.2006 nicht nur eine wiederholende Verfügung vor, die selbst kein Verwaltungsakt ist, weil nur die bereits getroffene Regelung der Feststellung wiederholt und keine eigenständige Regelung getroffen wird (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 17/13 R; Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2015, L 6 SB 4878/13; beide in juris). Eine solche wiederholende Verfügung scheidet aber vorliegend bereits deshalb aus, da der Beklagte ausweislich des eindeutigen Wortlautes im Bescheid vom 04.12.2006 - wenngleich irrtümlich - von einer dem Kläger nachteiligen Abänderung einer im Bescheid vom 22.12.2005 getroffenen, dem Kläger günstigeren, GdB-Feststellung ausgegangen ist. So hat der Beklagte im Bescheid vom 04.12.2006 ausgeführt, der GdB betrage "ab 07.12.2006 nur noch 50". Aufgrund dessen trifft der Bescheid vom 04.12.2006 eine zwar rechtswidrige, aber nicht nichtige, Regelung des GdB für die Zeit ab 07.12.2006, die, nachdem der Bescheid vom Kläger nicht angefochten worden ist, in Bestandskraft erwachsen ist.
Die Verhältnisse, welche dem Bescheid vom 04.12.2006 zugrunde gelegen haben und maßgeblich für die Bewertung der Funktionsbehinderungen des Klägers mit einem Gesamt-GdB von 50 waren, haben sich zunächst in rechtlicher Hinsicht wesentlich geändert. Eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse ist bei einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften, also einer Aufhebung oder Änderung der maßgebenden Rechtsvorschriften gegeben; dabei sind gesetzliche Regelungen in diesem Sinne sämtliche Gesetze im materiellen Sinne (Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 1. Aufl. 2013, § 48 Rn. 57 f.).
Dem Bescheid vom 04.12.2006 bzw. der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. B.-C., auf der dieser beruhte, lagen die AHP 2004 zugrunde, die in der GdB-Tabelle, Teil A Nr. 26.18 bei beidseitigem prothetischen Ersatz der Hüftgelenke einen Mindest-GdB von 40 vorgesehen haben. Dagegen sehen die VG ab der Fassung vom 17.12.2010 (Anlageband zum BGBl. I Nr. 57 vom 15.12.2008, in Kraft ab 23.12.2010 - künftig: n.F.) für Hüftgelenke bei beidseitiger Endoprothese einen Mindest-GdB von nur noch 20 vor (VG, Teil B Nr. 18.12), wobei der Mindest-GdB angegeben wird, der für Endoprothesen bei bestmöglichem Behandlungsergebnis gilt. Die VG, die anstelle der AHP getreten sind, fallen als Anlage zur VersMedV als Gesetz im materiellen Sinne, ohne weiteres unter § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Aber auch eine Änderung der AHP ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG wie eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse zu beurteilen (BSG, Urteil vom 11.10.1994, 9 RVs 1/93, juris), da die AHP ein geschlossenes Beurteilungsgefüge zum GdB darstellen, die in ihrer jeweiligen Fassung die Verwaltung binden und von den Gerichten nur in beschränktem Umfang überprüft werden können, weshalb den AHP rechtsnormähnliche Qualität zukommt. Die Ersetzung der Beurteilungen von Endoprothesen in den AHP 2004 durch die dem Kläger ungünstigere Regelung in den VG, Teil B Nr. 18.12 n.F. stellt daher eine Rechtsänderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar. Wie bereits das SG zutreffend dargelegt hat, finden die VG, Teil B Nr. 18.12 auch auf den Kläger unmittelbar Anwendung. Denn eine Übergangsregelung, die eine spätere Anwendung auf Altfälle oder gar die generelle Herausnahme von Altfällen vorsehen würde, hat der Verordnungsgeber nicht getroffen, weshalb die VG ab ihrem Inkrafttreten auch ausnahmslos Geltung beanspruchen.
Die danach anzuwendenden VG, Teil B Nr. 18.12 n.F. "Endoprothesen" führen zur Frage der prothetischen Versorgung im Hüftgelenk folgendes aus:
"Es werden Mindest-GdS angegeben, die für Endoprothesen bei bestmöglichem Behandlungsergebnis gelten. Bei eingeschränkter Versorgungsqualität sind höhere Werte angemessen. Die Versorgungsqualität kann insbesondere beeinträchtigt sein durch - Beweglichkeits- und Belastungseinschränkung, - Nervenschädigung, - deutliche Muskelminderung, - ausgeprägte Narbenbildung. Die in der GdS-Tabelle angegebenen Werte schließen die bei der jeweiligen Versorgungsart üblicherweise gebotenen Beschränkungen ein".
Für das Hüftgelenk sehen die VG bei einseitiger Endoprothese einen GdB von mindestens 10, bei beidseitiger Endoprothese von mindestens 20 vor. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kommt eine Bewertung der Hüftgelenksendoprothese beidseits auch unter Berücksichtigung der von Dr. von E. angegebenen hüftnahen Arthrosen mit mehr als 30 nicht in Betracht. So ist im Bericht des Klinikums Mittelbaden vom 12.05.2014 von einer guten Beweglichkeit der Hüftgelenke beidseits mit Schmerzfreiheit bei Abduktion und bei axialer Stauchung berichtet worden. Die vom Kläger beklagten Schmerzen im Schaftbereich sind demnach nicht ständig vorhanden und belastungsunabhängiger Natur. Klinisch haben sich keine Auffälligkeiten gezeigt; es liegt eine reizlose Narbe vor. Zwar hat Dr. von E. in seiner Stellungnahme gegenüber dem Beklagten vom Juli 2014 von glaubhaften Hüftgelenksschmerzen rechts berichtet. In seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom Mai 2015 hat er dessen ungeachtet die Hüftgelenksendoprothese beidseits wie auch die hüftgelenksnahe Arthrose rechts jeweils nur als leicht bewertet. Damit sind weder nach den sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte und den aktenkundigen medizinischen Unterlagen, noch unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Versorgungsqualität ersichtlich. Weder liegt beim Kläger in Hinblick auf die Hüftendoprothesen eine Einschränkung der Beweglichkeit und Belastung, noch eine Nervenschädigung, noch eine deutliche Muskelminderung oder eine ausgeprägte Narbenbildung vor. Lediglich im Hinblick auf die Angaben des Klägers über einen nicht ständig vorliegenden Schmerz im Bereich des Schaftbereichs der rechten Hüftprothese und unter Berücksichtigung von Knorpelschäden am rechten Kniegelenk - wobei diesbezüglich zu keiner Zeit über Funktionsbeeinträchtigungen berichtet worden ist und die Knieproblematik weder in den sachverständigen Zeugenaussagen der Dr. F. noch in denjenigen des Dr. von E. überhaupt noch Erwähnung finden - kann für das Funktionssystem "Beine" ein Einzel-GdB von 30 noch gerechtfertigt werden. Im Hinblick auf die Bemühungen sowohl des SG wie auch des Senats um eine Begutachtung auf orthopädischem Gebiet von Amts wegen, die letztlich an der Verweigerung des Klägers gescheitert ist, weist der Senat darauf hin, dass im Hinblick auf die Beurteilung der unteren Gliedmaßen, insbesondere der Endoprothesen, angesichts der detaillierten, schlüssigen und nachvollziehbaren Bekundungen des Dr. von E. sowie im Befundbericht des Klinikums Mittelbaden keine vernünftigen Restzweifel am oben dargestellten Ausmaß der Gesundheitsstörungen sowie an deren Bewertung mit einem Einzel-GdB von 30 verbleiben.
Die Verhältnisse, welche dem Bescheid vom 04.12.2006 zugrunde gelegen haben, haben auch in tatsächlicher Hinsicht eine wesentliche Änderung erfahren.
Soweit der Beklagte weiterhin vom Vorliegen einer depressiven Verstimmung ausgeht und diese (im Zusammenspiel mit einer erektilen Dysfunktion) mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet wissen will, vermag sich der Senat schon nicht vom Vorliegen einer solchen depressiven Verstimmung zu überzeugen. Der Kläger befindet sich, worauf bereits der Beklagte zutreffend hingewiesen hat, diesbezüglich nicht mehr in fachpsychiatrischer Behandlung. Es findet aber auch keine begleitende Therapie durch die Hausärztin Dr. F. statt. Vielmehr hat diese in ihrer sachverständigen Zeugenaussage noch nicht einmal eine Diagnose auf psychiatrischem Gebiet genannt. Auch eine entsprechende Medikamenteneinnahme (Antidepressiva oder Schlafmittel) als mögliches Indiz für eine Fortdauer einer zu früherer Zeit gegebenen psychischen Erkrankung ist nicht belegt. Nach alledem ist davon auszugehen, dass sich eine Besserung eingestellt hat, dergestalt, dass beim Kläger keine belangvolle psychische Erkrankung mehr vorliegt.
Soweit Dr. von E. von einem mittelschweren degenerativen Wirbelsäulensyndrom spricht und hierfür einen Einzel-GdB von 20 in Ansatz bringen will, fehlen jedwede Anhaltspunkte für wenigstens mittelgradige funktionelle Auswirkungen in wenigstens einem Wirbelsäulenabschnitt (vgl. VG, Teil B Nr. 18.9). Bewegungsmaße hat Dr. von E. nicht erhoben und er hat auch nicht zum Ausdruck gebracht, in welchem Wirbelsäulensegment er eine Verschlimmerung der funktionellen Auswirkungen sieht. Weitere Ermittlungen diesbezüglich waren auf Grund der Weigerung des Klägers, sich einer Begutachtung auf orthopädischem Gebiet von Amts wegen zu unterziehen, nicht möglich. Andere Ermittlungsansätze wie beispielsweise eine Begutachtung nach Aktenlage waren angesichts insoweit fehlender medizinischer Befundberichte von vornherein nicht erfolgversprechend. Der das sozialgerichtliche Verfahren grundsätzlich beherrschende Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) gilt im Fall einer Verletzung der Mitwirkungslast nicht uneingeschränkt. Der Senat ist berechtigt, bei Gesamtwürdigung der Entscheidungsgrundlage, insbesondere bei der Beweiswürdigung, die Verletzung der Mitwirkungslast seitens des Klägers durch seine grundlose Weigerung, sich einer Begutachtung zu unterziehen, zu berücksichtigen, worauf der Kläger auch hingewiesen worden ist. Der Umstand, dass eine Verschlechterung der Wirbelsäulenschäden nicht erweislich ist, geht daher zu Lasten des Klägers.
Die beim Kläger weiterhin vorliegende Funktionsbehinderung beider Schultergelenke ist vom Beklagten mit einem Einzel-GdB von 20 zutreffend bewertet worden. Nach den VG, Teil B Nr. 18.13 ist eine Bewegungseinschränkung des Schultergelenks einschließlich des Schultergürtels bei einer Armhebung nur bis zu 120° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit mit einem Einzel-GdB von 10 und bei einer Armhebung nur bis zu 90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit mit einem solchen von 20 zu bewerten. Ausweislich der von Dr. von E. im Rahmen seiner sachverständigen Zeugenaussage vorgelegten Befundberichte vom März 2012 und November 2012 war die Schulterbeweglichkeit schmerzbedingt nur leicht eingeschränkt. So hat sich der Nacken- und Schürzengriff beidseits schmerzhaft leicht eingeschränkt gezeigt. In seiner sachverständigen Zeugenaussage vom Mai 2015 hat Dr. von E. diesbezüglich eine wesentliche Änderung verneint und der Bewertung mit einem Einzel-GdB von 20 zugestimmt. Angesichts des beidseitigen Auftretens der Funktionseinschränkung ist zu Gunsten des Klägers trotz der nur leichten Bewegungseinschränkung ein Einzel-GdB von 20 noch zu rechtfertigen.
Die Beurteilung der Entleerungsstörung der Harnblase durch den Beklagten, die dieser mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet hat, ist von Dr. G., dem behandelnden Urologen, in seiner sachverständigen Zeugenaussage sowohl nach Befund wie auch Bewertung bestätigt worden und steht in Einklang mit den VG. Gleichermaßen schlüssig und nachvollziehbar und in Einklang mit den VG hat Dr. G. die erektile Dysfunktion mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet. Weiterhin sind, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass für das Funktionssystem "Ohren" (Schwerhörigkeit beidseits) ein höherer Einzel-GdB als 10 anzusetzen wäre. Weder macht der Kläger diesbezüglich eine Verschlechterung geltend, noch ergeben sich für eine solche Anhaltspunkte aus den medizinischen Unterlagen.
Unter Berücksichtigung des Vorstehenden hat der Beklagte und ihm folgend das SG den Gesamt-GdB mit 40 im Ergebnis zutreffend ermittelt. Ausgehend von den Gesundheitsstörungen im Funktionssystem "Beine" als der Funktionsbeeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB, nämlich 30, rechtfertigt der weitere Einzel-GdB von 20 für die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke mit Arthrose einen Gesamt-GdB von 40. Die weiteren Einzel-GdB von jeweils 10 führen gemäß den VG, Teil A Nr. 3d) ee) nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, welches einen höheren Gesamt-GdB rechtfertigen könnte.
Soweit der Kläger einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot geltend macht, weil, so der Kläger, nur diejenigen behinderten Menschen, die einen Verschlechterungsantrag stellen würden, einer Neubewertung ihrer Hüftgelenksendoprothesen entsprechend den VG, Teil B Nr. 18.12. n.F. unterzogen würden, teilt der Senat diese Bedenken nicht. Der Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 Grundgesetz (GG) verbietet es, gleichgelagerte Fälle ohne sachlichen Grund und damit willkürlich unterschiedlich zu behandeln. Für eine Handhabung des Beklagten, wonach dieser bei einzelnen behinderten Menschen trotz Kenntnis einer unzutreffenden Bewertung der Hüftgelenksendoprothesen von einer Herabsetzung absieht, gibt es keine Anhaltspunkte; eine solche wird vom Kläger auch nicht behauptet. Es stellt auch keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar, wenn der Beklagte den GdB in solchen Fällen nicht herabgesetzt hat, in denen ihm eine unzutreffende Bewertung der Hüftgelenksendoprothesen bisher verborgen geblieben ist (vgl. Verwaltungsgerichtshof [VGH] Baden-Württemberg, Urteil vom 29.02.1996, 8 S 3371/95, juris, auch zum Nachfolgenden). In einem solchen Fall reicht es vielmehr aus, dass der Beklagte nach Bekanntwerden entsprechender Vergleichsfälle tätig wird, woran vorliegend kein Zweifel besteht. Soweit der Kläger offensichtlich meint, der Beklagte müsse anlassunabhängig eine komplette Durchforstung sämtlicher Schwerbehindertenakten durchführen, um auf Spuren einer möglichen unzutreffenden Bewertung von Hüftgelenksendoprothesen aufgrund der Neubewertung in den VG zu stoßen, überspannt er die aus dem Gleichheitssatz zu folgernden Anforderungen bei weitem. Eine Verpflichtung zu einem solchen umfassenden "Aktensturz" aus Anlass einer Rechtsänderung wird durch den Gleichheitsgrundsatz nicht begründet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich eine unzutreffende Bewertung der Hüftgelenksendoprothesen nicht allein der Aktenlage entnehmen lässt. Denn bei den nun anstelle der früheren Bewertungen getretenen Einzel-GdB für Endoprothesen handelt es sich, wie bereits dargelegt, um Mindest-GdB, die nur Geltung für Endoprothesen mit bestmöglichem Behandlungsergebnis beanspruchen. Eine fehlerhafte Bewertung der Endoprothesen liegt demnach nur im Einzelfall vor, wenn die beigezogenen medizinischen Befundberichte und ärztlichen Stellungnahmen ein solches bestmögliches Behandlungsergebnis belegen. Eine rechtsfehlerhafte Bewertung des GdB ergibt sich damit nicht bereits aus der bloßen Rechtsänderung, sondern nur in Verbindung mit der Bewertung der Versorgungsqualität, gestützt auf medizinische Ermittlungen.
Soweit der Kläger darüber hinaus geltend macht, er sei vor der Herabsetzung des GdB nicht angehört worden, so ist dies unzutreffend. Vielmehr ist der Kläger mit Schreiben vom 01.07.2014, abgesandt am 02.07.2014, ausführlich zur beabsichtigten Herabsetzung des Gesamt-GdB angehört worden und er hat dieses Anhörungsschreiben ausweislich eines Aktenvermerks über ein am 07.07.2014 geführtes Telefongespräch mit einem Mitarbeiter des Beklagten auch erhalten.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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