L 8 SB 4588/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 896/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4588/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.10.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Der Kläger trägt die Kosten des im Berufungsverfahren auf seinen Antrag gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens von PD Dr. S. vom 03.07.2017 sowie seine baren Auslagen endgültig selbst.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.

Der 1959 geborene Kläger erkrankte im Jahr 1988 an einem Hodenkarzinom rechts, das - mit der Entfernung des Hodens - erfolgreich behandelt wurde. Bei ihm stellte das Landratsamt K. (LRA) zuletzt mit Teil-Abhilfebescheid vom 21.10.2011 wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Wirbelgleiten, Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten (GdB 30), Verlust des rechten Hodens (GdB 10), einer Funktionsstörung des Dickdarms - Colon irritabile - und Hämorrhoiden (GdB 10) sowie Ohrgeräuschen und Schwerhörigkeit (GdB 10) den GdB mit 30 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz fest. Eine vom Kläger nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 22.11.2011) beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage (S 7 SB 5234/11) nahm er zurück.

Am 18.02.2014 stellte der Kläger beim LRA einen "Verschlechterungsantrag". Zu den bekannten Grunderkrankungen sei eine psychische Belastung, die behandlungsbedürftig sei, hinzugekommen. Er beantrage die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft.

Das LRA holte den Befundbericht der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie W. vom 16.04.2014 ein, die ein berufliches Mobbing und Migräneattacken als psychische Belastung schilderte. In der gutachtlichen Stellungnahme vom 13.06.2014 bewertete der Versorgungsarzt Dr. S. wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Wirbelgleiten und Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten (GdB 30), Verlust des rechten Hodens (GdB 10), einer funktionellen Störung des Dickdarms (Colon irritabile) und Hämorrhoiden (GdB 10), Ohrgeräuschen und Schwerhörigkeit (GdB 10) sowie einer seelischen Störung (GdB 10) den GdB mit 40. Entsprechend dieser gutachtlichen Stellungnahme stellte das LRA mit Bescheid vom 27.06.2014 unter Aufhebung des Bescheides vom 21.10.2011 gemäß § 48 SGB X den GdB neu mit 40 seit dem 18.02.2014 fest.

Hiergegen legte der Kläger (durch seinen Prozessbevollmächtigten) am 04.07.2014 Widerspruch ein. Er machte zur Begründung geltend, eine über Jahre vorliegende, in den Akten mehrfach dokumentierte Migräneerkrankung sei nicht berücksichtigt worden. Ein GdB von mindestens 30 sei hierfür angemessen. Die berücksichtigten Gesundheitsstörungen Verlust des rechten Hodens, funktionelle Störungen des Dickdarms und Hämorrhoiden, die Ohrgeräusche und Schwerhörigkeit sowie die seelische Erkrankung seien zu gering bewertet. In der Gesamtschau sei ein GdB von mindestens 80 gerechtfertigt.

Das LRA holte den Befundbericht der HNO-Ärztin Dr. M. vom 09.09.2014 mit Tonaudiogramm vom 15.07.2013 ein und nahm von Dr. W. vorgelegte medizinische Befundunterlagen (erstellt im Zeitraum zwischen dem 28.08.2007 und 11.11.2011) zu den Akten. Der Versorgungsarzt Dr. St. führte in seiner Stellungnahme vom 15.01.2015 aus, an der bisherigen Stellungnahme sei festzuhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2015 wies daraufhin das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers zurück. Der festgestellte GdB von 40 entspreche den in den Befunden dargestellten Organfunktionsstörungen. Eine Migräne sei ärztlich nicht GdB-relevant belegt. Die vorgenommene Erhöhung des GdB auf 40 gebe das Ausmaß der tatsächlich eingetretenen Änderung des Gesundheitszustandes des Klägers wieder. Eine weitere Erhöhung des GdB lasse sich nicht begründen.

Hiergegen erhob der Kläger (durch seinen Prozessbevollmächtigten) am 16.03.2015 Klage beim SG. Er machte zur Begründung unter Beweisantritt wegen einer Migräne mit schwerer Verlaufsform (GdB 50 bis 60), des Verlustes des rechten Hodens (GdB mindestens 20), funktionellen Störungen des Dickdarms (GdB mindestens 20) und Hämorrhoiden (GdB 20), Hörgeräuschen (Tinnitus-Erkrankung) und Schwerhörigkeit (GdB mindestens 20), einer seelischen Erkrankung (GdB mindestens 30) sowie einem Wirbelsäulenschaden (GdB mindestens 30) die Feststellung des GdB mit 80 geltend. Vorgelegt wurde das Attest von Dr. W. vom 05.03.2015.

Das SG hörte vom Kläger benannte behandelnde Ärzte - unter Übersendung der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. S. vom 13.06.2014 - schriftlich als sachverständige Zeugen an. Die HNO-Ärztin Dr. Ma. teilte in ihrer Aussage vom 21.05.2015 den Behandlungsverlauf und die Diagnosen mit und legte Tonaudiogramme vor. Sie schätzte auf ihrem Fachgebiet den GdB auf 30 ein. Der Orthopäde Dr. Re. , A. R. Kliniken W. , teilte in seiner Aussage vom 22.05.2015 den Behandlungsverlauf und die Befunde mit. Er schätzte auf orthopädischem Fachgebiet in Übereinstimmung mit dem versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten den GdB auf 30 ein. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. W. teilte in ihrer Aussage vom 11.06.2015 den Behandlungsverlauf und Befunde (schwere Migräne) mit. Zu einer Beurteilung des GdB sah sie sich nicht kompetent. Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie W. teilte in ihrer Aussage vom 25.06.2015 den Behandlungsverlauf, die Diagnosen und Befunde mit. Sie teilte auf ihrem Fachgebiet die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes nicht. Sie legte den Entlassungsbericht der S.-W.-Klinik vom 12.10.2011 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 16.09.2011 bis 07.10.2011 nach einer Wirbelsäulenoperation Olisthese L5/S1 und Dekompressionsspondylodese LWK4/SWK1 am 15.07.2011 vor. Der Urologe Dr. R. teilte in seiner Aussage vom 13.07.2015 den Behandlungsverlauf, die Diagnosen und Befunde mit. Er schätzte den GdB auf 10 ein und teilte die Ansicht des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Me. teilte in seiner Aussage vom 15.06.2015 den Behandlungsverlauf und Befunde mit. Er schätzte für eine mittelschwere funktionelle Behinderung der Wirbelsäule in Übereinstimmung mit dem versorgungsärztlichen Dienst des Beklagten den GdB auf 30 ein.

Das SG holte (von Amts wegen) das Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie, psychotherapeutische Medizin und Psychoanalyse M. vom 04.02.2016 ein. Der Sachverständige M. diagnostizierte nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers eine Migräne, eine bei Zustand nach Spondylodese L4 bis S1 eingeschränkte Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule ohne Hinweis auf eine Nervenwurzelkompression oder Nervenwurzelirritation und einen Tinnitus aurium ohne wesentliche psychische Einschränkung. Einen sicheren Hinweis auf eine überdauernde psychische Störung wurde vom Sachverständigen verneint. Er schätzte wegen der Migräne den GdB auf 30 und unter Mitberücksichtigung der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 30), des Verlustes des rechten Hodens (GdB 10), einer Funktionsstörung des Dickdarms (GdB 10) sowie eines Tinnitus und Schwerhörigkeit (GdB 10) den Gesamt-GdB auf 50 ein.

Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. R. vom 26.11.2015 und 21.04.2016 und Dr. G. vom 11.07.2016 entgegen.

Der Kläger hat im Hinblick auf das Gutachten vom 04.02.2016 einen GdB von mindestens 50 für gerechtfertigt erachtet (Schriftsätze vom 19.05.2016 mit Vorlage eines Migräne-Tagebuchs für April und Mai 2016, vom 18.07.2016 und 24.08.2016).

Mit Urteil vom 10.10.2016 wies das SG die Klage ab. Das SG führte zur Begründung aus, für die Wirbelsäulenbeschwerden sowie das Migräneleiden habe der Beklagte zutreffend einen GdB von jeweils 30 angenommen. Die Hämorrhoiden und die Störung des Dickdarms sowie der Tinnitus und die Schwerhörigkeit rechtfertigten allenfalls einen GdB von jeweils 10. Eine psychische Störung sowie der Verlust des rechten Hodens hätten keinen GdB von mindestens 10 zur Folge. Hieraus sei der Gesamt-GdB mit 40 zu bilden. Einer Bewertung des Gesamt-GdB mit 50 habe sich die Kammer nicht anschließen können. Bei einem Einzel-GdB von 30 führe ein weiterer Einzel-GdB von 30 in der Regel nicht zu einem Gesamt-GdB von 50. Auch mit Blick auf die beim Kläger bestehenden Leiden sei er nicht im selben Ausmaß in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt, wie etwa beim Verlust der ganzen Hand (GdB 50) oder der Versteifung eines Hüftgelenks in ungünstiger Stellung (GdB 50 bis 60).

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 14.11.2016 zugestellte Urteil richtet sich die vom Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 09.12.2016 eingelegte Berufung. Der Kläger hat unter Berufung auf das Gutachten des Sachverständigen M. vom 02.02.2016 und unter Hinweis auf sozialgerichtliche Rechtsprechung sowie seines erstinstanzlichen Vorbringens zur Begründung ausgeführt, bei ihm liege eine Migräneerkrankung mit weitgehenden Einschränkungen im privaten Leben und im beruflichen Bereich vor. Gemessen an den rechtlichen Bewertungsvorgaben zur Bildung des Gesamt-GdB sei bei ihm aufgrund der vorliegenden verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen und ihren Auswirkungen auf die gesellschaftliche Teilhabe am Leben von einem Gesamt-GdB von mindestens 50 auszugehen. Das SG hätte aufgrund eigener Sachkunde nicht von der Einschätzung des von ihm selbst eingeholten Sachverständigengutachtens abweichen dürfen. Zumindest hätte eine ergänzende Befragung des Sachverständigen zur Bildung des Gesamt-GdB stattfinden müssen, jedenfalls nach der nachträglichen Vorlage des vom SG erbetenen Kopfschmerzkalenders. In den Entscheidungsgründen des Urteils finde keine weitere Auseinandersetzung mit dem Gutachten statt. Dies gelte auch für die versorgungsärztlichen Stellungnahmen. Statt dessen wende das SG auf Vorschlag des Beklagten eine den rechtlichen Vorgaben zur Bildung des Gesamt-GdB nicht gerecht werdende Berechnungsmethode an. Die Argumentation des SG gehe vollkommen am konkreten Beschwerdebild vorbei. Es sei in keiner Weise nachvollziehbar, warum die hinzugekommene nicht anerkannte Migräneerkrankung mit einem GdB von 30 nicht zu einer Erhöhung des festgestellten Gesamt-GdB von 40 führen solle. Mit seinen Rückenbeschwerden und der Migräneproblematik, die unstreitig einen GdB von jeweils 30 bedingten, lägen sich nicht überschneidende Krankheiten vor, die nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen dazu führten, dass ein Gesamt-GdB von 50 zuzusprechen sei. Dass bei Hinzutreten eines Einzel-GdB von 30 grundsätzlich nur eine Erhöhung des Gesamt-GdB um 10 und nur ausnahmsweise um 20 in Betracht käme, lasse sich den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht ableiten. Es müsse bei einer Einzelbetrachtung verbleiben. Nach Hinzutreten der Migränebeschwerden sei ein Gesamt-GdB von mindestens 50 gerechtfertigt. Vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass nach seiner Auffassung für die Schwerhörigkeit und die Ohrgeräusche der GdB mit 10 zu gering angesetzt sei. Ein GdB von 30 sei festzustellen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10.10.2016 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 27.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2015 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Bewertung der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen sei zwischen den Parteien unstreitig. Es sei nicht gerechtfertigt, den festgestellten Gesamt-GdB von 40 unter Berücksichtigung der neu hinzugetretene Migräne-Erkrankung mit einem Teil-GdB von max. 30 um 20 zu erhöhen. Die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sei nicht so erheblich wie etwa beim Verlust einer Hand, eines Unterschenkels oder bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule. Zudem gebe es keine Regel, dass bei Vorliegen von zwei Einzel-GdB-Werten grundsätzlich ein Gesamt-GdB von 50 zu bilden sei.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG das Gutachten des Neurologen PD Dr. S. vom 03.07.2017 eingeholt. Der Sachverständige gelangte nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers zu den Bewertungen, beim Kläger lägen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Wirbelgleiten, Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten und eine somatoforme Schmerzstörung (Einzel-GdB 30), der Verlust des rechten Hodens (Einzel-GdB 10), (anamnestisch) eine funktionelle Störung des Dickdarms, Colonia irritabile und Hämorrhoiden (Einzel-GdB 10), Ohrgeräusche, Tinnitus und Schwerhörigkeit (Einzel-GdB 10) sowie eine Migräne ohne Aura (Einzel-GdB 20) vor. PD Dr. S. schätzte den Gesamt-GdB mit 40 ein. Insgesamt sei eine Schwerbehinderung nicht erkennbar.

Der Kläger hat gegen das Gutachten des PD Dr. S. Einwendungen erhoben weshalb es nach seiner Auffassung nicht verwertbar sei (Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 27.07.2017, Schreiben des Klägers vom 19.07.2017).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Kläger Schriftsatz vom 27.07.2017, Beklagte Schreiben vom 18.07.2017).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat den Berufungsantrag des Klägers nach seinem erkennbaren Begehren sinngemäß gefasst.

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Beklagten vom 27.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2015 festgestellt, weshalb seine Klage und Berufung unbegründet sind. Das SG hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Rechtsgrundlage für die Neufeststellung eines höheren GdB bei Vorliegen einer wesentlichen Änderung ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.).

Voraussetzung einer höheren Neufeststellung des GdB wegen einer nach Wirksamwerden des ursprünglichen feststellenden Verwaltungsaktes (§ 31 Satz 1 SGB X) eingetretenen Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ist demnach, dass eine Änderung tatsächlich eingetreten ist und diese wesentlich ist, was beides von der Versorgungsverwaltung bzw. dem Gericht festzustellen ist. Dabei ist zu beachten, dass die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, im bisher bindenden Feststellungsbescheid zugrunde gelegten Einzel- und Teil-GdB-Sätze nicht in Bindungswirkung erwachsen (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54), denn hierbei handelt es sich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- und Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen; alleine die Feststellung des Gesamt-GdB ist bindend. Ob im Verhältnis hierzu eine spätere Änderung eingetreten ist, muss dabei durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden. Wesentlich ist eine Änderung immer dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Bei dieser Bemessung des GdB ist – mangels Bindungswirkung – die Versorgungsverwaltung nicht darauf beschränkt, ausgehend von den bisherigen GdB-Werten eine neue Bemessung des GdB vorzunehmen. Vielmehr hat sie auch bei der Feststellung, ob eine tatsächlich eingetretene Änderung der Gesundheits- bzw. Funktionsstörungen wesentlich ist, die zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Rechtslage anzuwenden und die jeweiligen Teil- und Einzel-GdB-Werte konkret und aktuell zu bestimmen. Ausgehend von dem so gebildeten neuen Gesamt-GdB ist durch Vergleich mit dem bisher bindend festgestellten GdB festzustellen, ob sich der Gesamt-GdB wegen der Änderung um mindestens 10 erhöht oder vermindert hat. Im Falle einer solchen wesentlichen Änderung ist der Verwaltungsakt nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufzuheben und durch eine zutreffende feststellende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.).

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung – wonach auch zu beurteilen ist, ob eine tatsächlich eingetretene Änderung wesentlich ist sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen. Dabei gilt, dass der GdB bezüglich der gesundheitlichen Funktionsbehinderungen, unabhängig ihrer jeweiligen Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (A Nr. 2 Buchst. e) VG).

Unter Anwendung dieser Voraussetzungen ist der Senat zunächst zu der Feststellung gelangt, dass beim Kläger keine wesentliche Änderung im Behinderungszustand im Vergleich zu demjenigen, der dem Bescheid vom 21.10.2011 zugrunde lag, eingetreten ist. Soweit das LRA und ihm nachfolgend der Beklagte angenommen haben, durch das Hinzutreten eines weiteren Einzel-GdB von 10 für eine bisher nicht berücksichtigte seelische Störung sei nicht nur eine Änderung eingetreten, sondern diese sei auch wesentlich, so folgt der Senat dem nicht. Denn bei bisherigen Einzel-GdB-Werten von 30 (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Wirbelgleiten, Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten), 10 (Verlust des rechten Hodens), 10 Funktionelle Störung des Dickdarms (Colon irritabile), Hämorrhoiden), und 10 (Ohrgeräusche (Tinnitus), Schwerhörigkeit; dazu vgl. Blatt 76 der Beklagtenakte) bedeutet das Hinzutreten eines weiteren Einzel-GdB von 10 für die vom LRA und dem Beklagten als "seelische Störung" bezeichneten Funktionsbehinderungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche keine Erhöhung des Gesamt-GdB um mindestens 10; der Senat konnte dabei feststellen, dass das LRA und der Beklagte die jeweiligen Einzel-GdB nicht zu Lasten des Klägers zu niedrig angenommen hatten (dazu siehe unten). Damit liegt im Auftreten der seelischen Störung und deren funktionellen Behinderungen zwar im Verhältnis zum Bescheid vom 21.10.2011 eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen vor, diese ist jedoch nicht i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X rechtlich wesentlich.

Eine rechtlich wesentliche Änderung liegt auch nicht in der später berücksichtigten Migräne mit einem weiteren Einzel-GdB von 30. Denn der Senat konnte feststellen, dass diese Migräne schon bei Erlass/Wirksamwerden des Bescheids vom 21.10.20911 vorgelegen hatte. Dies hatte nicht nur die behandelnde Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie W. in ihrem Bericht für das LRA vom 16.04.2014 (Blatt 99 der Beklagtenakte) so angegeben, sondern auch Dr. W. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 11.06.2015 an das SG, wonach der Kläger seit Jahrzehnten unter Migräneanfällen leidet. Dem entspricht auch das Widerspruchsvorbringen des Klägers (Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 18.08.2014), sowie seine im Gutachten des Sachverständigen M. vom 04.02.2016 beschriebenen Angaben, wonach ihn die Migräne sein ganzes Leben begleitet habe und er bereits in der Schule oft wegen Migräne gefehlt habe. Dass hinsichtlich des Migräneleidens seit dem Feststellungsbescheid vom 21.10.2011 eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten ist, ist nach den vorliegenden medizinischen Befundunterlagen nicht belegt. Vielmehr hat der Kläger bei der Untersuchung durch Dr. S. sogar angegeben, die seit der Kindheit bestehende Migräne habe sich seit seiner Chemotherapie in den Jahren 1989/1990 verschlechtert. Soweit der Bescheid vom 21.10.2011 dies nicht beachtet der Versorgungsarzt hatte früher schon (Stellungnahme vom 25.05.2007, Blatt 31 der Beklagtenakte) lediglich lapidar ausgeführt, in den vorliegenden Unterlagen sei eine Migräne nirgendwo erwähnt, was aber auch nach dem Attest der Ärztin W. vom 16.04.2014 zu keinen weiteren Ermittlungen geführt hatte dürfte er i.S.d. § 44 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB X von einem Sachverhalt ausgegangen sein, der sich als unrichtig erwiesen hat. Eine Änderung, die nach Wirksamwerden des Bescheids vom 21.10.2011 eingetreten ist, lässt sich daraus aber gerade nicht ableiten.

Liegt mithin keine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die beim Erlass des Bescheids vom 21.11.2011 vorgelegen haben, vor, war das LRA nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X rechtlich nicht befugt, mit Bescheid vom 27.06.2014 einen höheren GdB als 30 festzustellen; dass das LRA und der Beklagte angenommen haben, eine Änderung sei eingetreten, die auch noch wesentlich sei, bindet den Senat nicht. Soweit sich der Bescheid vom 27.06.2014 wegen der Nichtberücksichtigung der Migräne als rechtswidrig herausgestellt hat, haben das LRA und der Beklagte hierüber gemäß § 44 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB X im angefochtenen Bescheid vom 27.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2015 nicht entschieden, denn ausweislich des Bescheids und des Widerspruchsbescheid wurde alleine über das Vorliegen einer (wesentlichen) Änderung i.S.d. § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X entschieden.

Damit ist der Bescheid vom 27.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2015 rechtswidrig, denn er verstößt gegen § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Der Kläger ist aber insoweit rechtlich nicht nachteilig beschwert, denn er hat mit der GdB-Feststellung von 40 eine bestandskräftig gewordene Erhöhung seines GdB erreicht, die ihm nicht zugestanden hätte. Mangels Vorliegens einer Änderung ist der Senat im Hinblick auf die gesetzlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X auch nicht befugt, einen höheren GdB anzunehmen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.

Aber selbst wenn man der Auffassung sein wollte, es liege tatsächlich eine rechtlich wesentliche Änderung vor bzw. der Beklagte habe auch nach § 44 SGB X entschieden (zum Problem einer Entscheidung nach § 44 SGB X im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nach § 48 SGB X: vgl. hierzu einerseits BSG Urt. vom 28.04.1999 - B 9 V 16/98 - juris, andererseits BSG Urt. vom 16.05.2012 - B 4 AS 132/11 R - , juris; vgl. auch Schütze in von Wulffen/Schütze: SGB X Kommentar, 8. Aufl., § 48 RdNr. 12b mit weiteren Hinweisen auf den Streitstand), hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40, wie sich aus Folgendem ergibt:

Auf nervenärztlichem Fachgebiet steht beim Kläger eine Migräne im Vordergrund. Das Migräneleiden des Klägers ist mit einem Einzel-GdB von 20, allenfalls wohlwollend angenommenen 30 angemessen und ausreichend bewertet; so hatte zwar der Gutachter M. den GdB insoweit auf 30 eingeschätzt, Dr. S. in seinem Gutachten jedoch auf 20. Der Senat stützt seine Feststellung auf die eigene Beurteilung der von den Sachverständigen dargelegten funktionellen Auswirkungen aus der diagnostizierten Migräne. Nach den im Gutachten des Sachverständigen M. als glaubhaft angesehen beschriebenen Angaben des Klägers bestehen Schmerzen, die Stunden, meist den ganzen Tag, manchmal auch 2 oder 3 Tage anhielten und oft nicht auszuhalten seien. Dies wird auch durch das vom Kläger dem SG nachgereichte Migränetagebuch für April und Mai 2016 dokumentiert. Nach Einnahme von Ibuprofen 600 sei der Schmerz auszuhalten, aber nicht weg. Zudem macht der Kläger Spaziergänge, Wechselbäder und eine Wärmebehandlung, wenn der Schmerz komme. Manchmal seien die Schmerzen so schlimm, dass er Erbrechen müsse, wobei es danach besser sei. Der Schmerz sei im Winter mehr und im Sommer weniger. Auf die Einordnung der Schmerzen auf einer visuellen Analogskala von 0 bis 10 hat sich der Kläger nicht einlassen können. Nach der vom SG eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. W. vom 11.06.2015 hat sie dem Kläger oft wegen schwerer Migräneattacken mit Begleiterscheinungen, wie Sehstörungen und Emesis (Erbrechen), Arbeitsunfähigkeit attestieren müssen, bis zu 30 bis 40 Tage pro Jahr, wobei nach ihrer Aussage der Kläger in den vergangenen Jahren sehr häufig in einem Zustand der verminderten Leistungsfähigkeit unter Einnahme starker Schmerzmittel zur Arbeit gegangen sei, um noch längere Ausfallzeiten zu vermeiden. Nach den weiteren Beschreibungen im Gutachten des Sachverständigen M. hat der Kläger davon berichtet, dass er in den Wintermonaten jede Woche ein bis zwei und im Sommer deutlich weniger Migräneattacken habe. Die Migräne wird ausschließlich hausärztlich mit homöopathischen Arzneien und Akupunktur behandelt, wobei die Behandlungsmöglichkeiten nach der gutachtlichen Bewertung des Sachverständigen M. suboptimal ausgeschöpft sind. Ansonsten bemühe sich der Kläger, alles zu vermeiden, was Migräneauslöser sein könne. Nach den weiteren nachvollziehbaren und zutreffenden Ausführungen des Sachverständigen M. taucht die Migräne in der Aktenlage eher am Rande auf. Danach ist beim Kläger insgesamt von einer mittelgradigen Verlaufsform der Migräne auszugehen. Gegen diese Angaben spricht aber, dass der Kläger ein erfülltes Arbeits- und Freizeitverhalten – auch mit öfteren Auslandsreisen, vor allem aber mit dreimal wöchentlichem Fußballtraining von Kindern/Jugendlichen und einem Spiel/Woche (bei Dr. S. hat er angegeben dies aus zeitlichen Gründen eingestellt zu haben, nicht wegen der Migräne), regelmäßigem Fahrradfahren (z.B. 25 km zur Arbeit) und Schwimmen und täglichem Sport bzw. Training beschrieben hat, das nicht zu einer solch häufigen Migränefrequenz passt. Insoweit hat der Gutachter M. schon Zweifel geäußert (vgl. Seite 114 der SG-Akte = Seite 22 des Gutachtens), auch fehlt trotz angeblich langjähriger und häufiger Beschwerdeangaben eine konsequente und erfolgversprechende Behandlung der Migräne, die bisher lediglich mit Ibu und Aspirin Migräne (vgl. Blatt 102 der SG-Akte = Seite 10 des Gutachtens M. ) behandelt wird. Dennoch konnte der Senat auch mit Dr. S. eine Migräne annehmen.

Nach B Nr. 2.3 VG ist eine echte Migräne je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen zu bewerten. Eine mittelgradige Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) rechtfertigt die Feststellung eines GdB von 20 bis 40. Vorliegend erachtet der Senat es beim Kläger nicht für gerechtfertigt, den nach den VG vorgegebenen Bewertungsrahmen auf 40 auszuschöpfen, insbesondere da die Migräne im Verlauf des Jahres unterschiedlich ausgeprägt ist (im Sommer bestehen deutlich weniger Migräneattacken), weshalb nach den A 2 Buchst. f) VG den Schwankungen mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen ist, was einer Ausschöpfung des GdB-Rahmens entgegen steht. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass nach der überzeugenden Bewertung des Sachverständigen M. die Behandlungsmöglichkeiten beim Kläger nicht optimal ausgeschöpft und dem Kläger auch sonst Möglichkeiten eröffnet sind, die Schwere der Migräneattacken durch eigenes gegenwirkendes Verhalten günstig zu beeinflussen. Jedoch fehlt eine konsequente Behandlung und auch das ausgefüllte Arbeits- und Freizeiterleben des Klägers (vgl. dazu Blatt 104/106 der SG-Akte = Seite 12/14 des Gutachtens M. ) spricht gegen einen erheblichen Leidensdruck des Klägers und eine Bewertung im mittleren oder gar oberen Bereich des für mittelgradige Verlaufsformen vorgesehenen GdB-Bemessungsrahmens von 20 bis 40, sodass für den Senat die Bewertung des Sachverständigen M. im Gutachten vom 02.02.2016, der wegen der Migräne den Einzel-GdB mit 30 bewertet hat, nur als wohlwollend nachvollziehbar ist und der Senat eher dem Gutachter S. mit der Bewertung der Migräne mit einem GdB von 20 zu folgen geneigt ist. Dass auch Dr. R. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.04.2016 von einem GdB von 30 ausgeht bindet den Senat nicht.

Dass hinsichtlich der Wirbelsäule des Klägers eine Verschlechterung der funktionellen Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden eingetreten ist, kann nicht festgestellt werden. Vielmehr ist festzustellen, dass nach der erfolgten Wirbelsäulenoperation am 15.07.2011 eine Besserung eingetreten ist, die es nicht (mehr) rechtfertigt, wegen funktioneller Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden einen voll ausgefüllten Einzel-GdB von 30 anzuerkennen. Nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des Dr. Re. vom 22.05.2015 war die Lendenwirbelsäule des Klägers, bezogen auf den Untersuchungsbefund zum Abschluss einer intensivierten Rehabilitationsnachsorge der Rentenversicherung vom 17.11.2011 bis 07.03.2012 in der Fachklinik W. nach der Lendenwirbelsäulenoperation, um ca. zwei Drittel betreffend die Seitneigung und Rotation eingeschränkt, bei verspürten Schmerzen nach längerem Sitzen bzw. beim Aufstehen und verspannter Glutealmuskulatur. Nach der Aussage des Dr. Re. bestanden schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Lendenwirbelsäule) ohne neurologische Defizite und ohne verbliebene Instabilität. Nach den im Gutachten des Sachverständigen M. vom 02.02.2016 beschriebenen Angaben des Klägers bestehen seit der erfolgreichen Versteifung der unteren Wirbelsäule im Jahr 2011 deutlich weniger Beschwerden und an und für sich auch keine Schmerzen mehr. Dem entspricht auch die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Dr. Me. vom 15.06.2015, der schwere funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden der Lendenwirbelsäule nicht beschreibt. Zwar verneint er eine Änderung seit Oktober 2011. Dr. Me. geht jedoch in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage lediglich noch von mittelschweren Beschwerden der Lendenwirbelsäule aus. Gegen das Vorliegen schwerer funktioneller Auswirkungen von Lendenwirbelsäulenschäden sprechen auch die vom Kläger unternommenen sportlichen Aktivitäten. Nach den Beschreibungen des Sachverständigen M. in seinem Gutachten vom 02.02.2016 ist der Kläger in der Lage, im Grunde jeden Tag nach der Arbeit Sport zu treiben (regelmäßig Fahrrad fahren, regelmäßig Schwimmen, gemeinsame Spaziergänge mit seiner Frau oder Walken, wobei der Kläger auch mit dem Fahrrad zur Arbeit mit einer Fahrstrecke von 25 km fährt). Dem entsprechen auch die im Gutachten des PD Dr. S. beschriebenen Angaben des Klägers, wonach er nach Beendigung seiner Arbeit zu Hause etwas Gymnastik macht, gegebenenfalls läuft, Fahrrad fährt oder schwimmt. Mittelschwere funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden rechtfertigen jedoch nach den VG wie auch der Rechtsprechung des Senats keinen Einzel-GdB von 30. Nach den B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris und im Internet sozialgerichtsbarkeit.de). Nach den B Nr. 18.1 VG kommt allein dem Vorliegen degenerativer Veränderungen der Haltungs- und Bewegungsorgane für die Bewertung des Teil-GdB nicht die ausschlaggebende Bedeutung zu, sondern der dadurch hervorgerufenen Funktionsbehinderung. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z.B. degenerativer Art) rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z.B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen. Danach ist beim Kläger aufgrund der erfolgten Versteifungsoperation im Jahr 2011 eine Besserung seiner Wirbelsäulenbeschwerden festzustellen, weshalb allenfalls noch von einem lediglich schwach ausgefüllten Einzel-GdB von 30 auszugehen ist, der als wohlwollend anzusehen ist, worauf auch Dr. R. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 26.11.2015 an das SG zutreffend hingewiesen hat. Der Kläger kann sich deshalb nicht berechtigt darauf berufen, der Einzel-GdB von 30 für seine Wirbelsäulenleiden sei unstreitig, wie er im Berufungsverfahren vorgetragen hat.

Die Ohrgeräusche (Tinnitus) und Schwerhörigkeit rechtfertigen entgegen der Ansicht des Klägers keinen höheren Einzel-GdB als 10. Nach den von Dr. Ma. ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 21.05.2015 beigefügten Tonaudiogrammen errechnen sich nach 4-Frequenztabelle nach Röser 1973 zur Ermittlung des prozentualen Hörverlustes aus dem Tonaudiogramm bei unregelmäßigem Verlauf der Tongehörskurve, sowie der Frequenztabelle nach Röser 1980 für die Beurteilung bei Hochtonverlusten vom Typ Lärmschwerhörigkeit (vgl. VG Teil B 5.2.2 Tabellen B und C) Hörverluste für das rechte wie auch das linke Ohr von jeweils unter 20 %, was noch einer Normalhörigkeit entspricht und keinen Einzel-GdB rechtfertigt. Dem entspricht auch das Gutachten des PD Dr. S. vom 03.07.2017, der eine wesentliche Hörstörung beim Kläger nicht hat feststellen können. Die Ohrgeräusche (Tinnitus) rechtfertigen einen Einzel-GdB von max. 10. Nach den VG Teil B 5.3 rechtfertigen Ohrgeräusche (Tinnitus) mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen einen GdB von 20, mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägte depressive Störungen) einen GdB von 30 bis 40 und mit schweren psychischen Störungen und sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von mindestens 50. Dass der Tinnitus beim Kläger solche Erscheinungen hervorruft, lässt sich nach dem Gutachten des Sachverständigen M. vom 02.02.2016 sowie den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen nicht feststellen. Vielmehr hat der Sachverständige M. das Vorliegen einer wesentlichen psychischen Einschränkung durch den Tinnitus in seinem Gutachten verneint. Auch Dr. Ma. beschreibt in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 21.05.2015 keine objektiv medizinische Befunde, die nach den GdB-Bewertungsvorgaben der VG wegen des Tinnitus einen Einzel-GdB von 20 oder höher rechtfertigen. Sie bezieht sich vielmehr lediglich auf die Angaben des Klägers, insbesondere dass wegen der Ohrgeräusche sehr starke Konzentrationsprobleme bestünden. Eigene medizinische Untersuchungen, die die Angaben des Klägers untermauern, beschreibt Dr. Ma. in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage nicht und sind auch sonst nicht festzustellen. Ihre Bewertung des GdB mit 30 auf HNO-ärztlichem Fachgebiet ist nicht nachvollziehbar und überzeugend deshalb nicht, weshalb der Senat ihrer Bewertung nicht zu folgen vermag.

Der Verlust des rechten Hodens nach erfolgreich behandeltem Hodenkarzinom (1988) rechtfertigt keinen GdB sowie die Störung des Dickdarmes und die Hämorrhoiden rechtfertigen allenfalls einen Einzel-GdB von 10, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend begründet hat. Der Senat schließt sich den hierzu gemachten Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil nach eigener Überprüfung zur Begründung seiner eigenen Entscheidung an (§ 153 Abs. 2 SGG). Hiergegen hat sich der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht gewandt. außerdem lässt sich den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht entnehmen, dass hinsichtlich des Verlustes des rechten Hodens, der Störung des Dickdarmes oder dem Hämorrhoidalleiden des Klägers im Vergleich zum letzten Feststellungsbescheid eine Veränderung (im Sinne einer Verschlimmerung) eingetreten ist, die nunmehr die Feststellung eines höheren Einzel-GdB rechtfertigt.

Sonstige GdB-relevante Gesundheitsstörungen sind beim Kläger nicht festzustellen. Insbesondere liegt beim Kläger eine GdB-relevante seelische Störung nicht vor. Nach den im Gutachten des Sachverständigen M. vom 02.02.2016 beschrieben Befund besteht beim Kläger ein unauffälliger psychischer Befund. Eine Einschränkung der Erlebnis-und Gestaltungsfähigkeit durch eine psychische Störung lässt sich beim Kläger nicht eruieren. Eine psychotherapeutische Behandlung bei der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie W. bestand lediglich vom 30.08.2013 bis 27.02.2014, wobei sich im Februar 2014 nach der Aussage der Ärztin W. eine depressive Symptomatik soweit gebessert hatte, dass eine ambulante psychotherapeutische Behandlung nicht eingeleitet wurde. Bei der Untersuchung durch den Sachverständigen M. ließ sich eine depressive Episode nicht (mehr) ableiten. Auch eine krankhafte narzisstische Persönlichkeitsveränderung hat der Sachverständige M. nicht diagnostizieren können. Diesen nach den Befundbeschreibungen im Gutachten des Sachverständigen M. nachvollziehbar und plausiblen sachverständige Bewertungen schließt sich der Senat an. Dem entspricht auch das Gutachten des PD Dr. S. , der ebenfalls das Vorliegen einer seelischen Erkrankung des Klägers verneint hat. Das Vorliegen einer zu berücksichtigenden seelischen Störung hat der Kläger im Übrigen im Berufungsverfahren nicht mehr ausdrücklich geltend gemacht.

Das auf Antrag des Klägers eingeholte Gutachten des PD Dr. S. vom 03.07.2017 erbringt keine neuen Erkenntnisse zu Gunsten des Klägers. PD Dr. S. hat vielmehr den Gesamt-GdB mit 40 bestätigt. Auf das Gutachten des PD Dr. S. kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites auch nicht entscheidungserheblich an, wie sich aus dem oben Ausgeführten ergibt. Es bedarf deshalb keiner weiteren Erörterungen durch den Senat zu den vom Kläger gegen das Gutachten des PD Dr. S. erhobenen Einwendungen, der das Gutachten für nicht verwertbar erachtet.

Damit wäre der festgesetzte Gesamt-GdB beim Kläger mit 40 auch dann nicht zu beanstanden, wenn eine Änderung i. S. v. § 48 SGB X oder eine von Amts wegen zuzügliche Prüfung nach § 44 SGB X unterstellt würde. Ein höherer GdB ist nicht gerechtfertigt, sodass der Kläger auch unabhängig von den obigen Ausführungen zur Anwendung der §§ 44 und 48 SGB X keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB hätte. Denn die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX, wonach zu beachten ist, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft - gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 - oder ein anderer Wert - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht allein die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB. Vielmehr ist der Gesamt-GdB durch einen wertenden Vergleich dadurch zu bilden, dass die in dem zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen in Beziehung zu setzen sind - z.B. ist bei Feststellung der Schwerbehinderung der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen. Maßgeblich sind damit grundsätzlich weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 - L 8 SB 5215/13 - juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist - wie dargestellt - anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.

Hiervon ausgehend ist bei der Bildung des Gesamt-GdB das Migräneleiden des Klägers mit einem Einzel-GdB von 20, allenfalls wohlwollenden, also nicht voll ausgefüllten 30 zu berücksichtigen. Der Gesamt-GdB wird durch das Wirbelsäulenleiden des Klägers mit einem schwach ausgefüllten Einzel-GdB von 30 auf 40 erhöht; die mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewertenden Gesundheitsstörungen des Klägers erhöhen den Gesamt-GdB nicht. Eine Erhöhung des Gesamt-GdB durch das Wirbelsäulenleiden auf 50, ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht gerechtfertigt. Zwar ist der Ansicht des Klägers zuzustimmen, dass die VG nicht vorgeben, dass bei der Bildung des Gesamt-GdB aus zwei Einzel-GdB-Werten von 30 in der Regel noch kein Gesamt-GdB von 50 gebildet werden kann, wovon der Beklagte gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 11.07.2016 im Schreiben vom 13.07.2016 sowie in der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - an die Landratsämter - Versorgungsämter - vom 25.07.2016, Az.: 101.2.7-4035.3/16 ausgeht. Dieser Ansicht folgt der Senat in dieser Pauschalität nicht (vgl. Senatsurteile vom 16.06.2017 - L 8 SB 4357/16 - und 24.03.2017 - L 8 SB 4203/15 -, nicht veröffentlicht). Hierauf kommt es vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Denn eine starre Regelung dahin, dass bei zwei Einzel-GdB-Werte von 30 der Gesamt-GdB mit 50 zu bilden ist, existiert nicht, worauf der Beklagte in der Berufungserwiderung seinerseits zutreffend hinweist. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalles, wovon auch der Kläger ausgeht. Danach ist es unter anderem allenfalls dann gerechtfertigt, aus zwei Einzel-GdB-Werten von 30 einen Gesamt-GdB von 50 zu bilden, wenn die Einzel-GdB-Werte voll ausgefüllt sind, was vorliegend jedoch, wie oben ausgeführt, sowohl hinsichtlich des Wirbelsäulenleidens des Klägers als auch hinsichtlich seiner Migräne nicht festzustellen ist, sondern die vom Beklagten berücksichtigten Einzel-GdB-Werte von 30 wohlwollend erscheinen.

Unabhängig davon erreicht die Gesamtheit der Behinderungen des Klägers im Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen kein Ausmaß, das die Schwerbehinderung bedingt. Nach den Beschreibungen des Sachverständigen M. in seinem Gutachten vom 02.02.2016 ist der Kläger hinsichtlich der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft trotz seiner Behinderungen in der Lage, im Grunde jeden Tag nach der Arbeit Sport zu treiben (regelmäßig Fahrrad fahren, regelmäßig Schwimmen, gemeinsame Spaziergänge mit seiner Frau oder Walken, wobei der Kläger auch mit dem Fahrrad zur Arbeit mit einer Fahrstrecke von 25 km fährt). Weiter ist der Kläger in der Lage, Urlaub in Kanada mit Großstadtbesichtigungen oder Spaziergängen in der Natur zu machen oder als Fan des FC Bayern München drei- bis viermal im Jahr zu Spielen nach München bzw. auch zu Spielen ins Ausland zu fahren. Dem entsprechen auch die im Gutachten des PD Dr. S. beschriebenen Angaben des Klägers, wonach er nach Beendigung seiner Arbeit zu Hause etwas Gymnastik macht, gegebenenfalls läuft, Fahrrad fährt oder schwimmt. Eine bei der Untersuchung im Rahmen der Begutachtung des Sachverständigen M. vom Kläger noch ausgeübte Tätigkeit im Fußballverein als Jugendtrainer von 10- bis 11-jährigen mit 3-maligem Training in der Woche und sonntäglichen Spielen hat der Kläger nach den von PD Dr. S. im Gutachten beschriebenen Angaben zwar zwischenzeitlich aufgegeben, jedoch nicht aus gesundheitlichen, sondern aus zeitlichen Gründen. Nach den weiter von PD Dr. S. beschriebenen Angaben befand sich der Kläger - nach seinem Kanada Urlaub - zuletzt im Februar (2017) 14 Tage in Dubai im Urlaub. Der Hinweis des Klägers im Schreiben vom 19.07.2017, seine Aktivitäten, insbesondere die sportlichen Aktivitäten, seien erforderliche Maßnahmen, um seine bestehenden Leiden einigermaßen in Griff zu bekommen, kann nicht Gesamt-GdB erhöhend berücksichtigt werden. Zwar ist begrüßenswert, dass der Kläger sich durch eigene Initiative mit sportlichen und sonstigen Aktivitäten betätigt, um seine Behinderungen günstig zu beeinflussen, was der Senat nicht verkennt. Eine fiktive Bemessung des Gesamt-GdB danach, welche Gesamtheit der Behinderungen ohne diese Aktivitäten bestünden, ist jedoch einerseits spekulativ und damit nicht möglich und andererseits nach den rechtlichen Bewertungsvorgaben der VG nicht vorgesehen. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Kläger zu den oben beschriebenen Aktivitäten tatsächlich in der Lage ist. Im Vergleich mit den in den VG gelisteten Fällen, die einen GdB von 50 vorsehen, erreicht die Gesamtheit der Behinderungen des Klägers nach den beschriebenen, ihm trotz seiner Behinderungen möglichen Aktivitäten kein Ausmaß eines GdB von 50 (oder höher), sondern es ist festzustellen, dass der Kläger im Ausmaß in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft weniger beeinträchtigt ist, wie auch das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat. Von einem Gesamt-GdB von 40 GdB geht im Übrigen auch PD Dr. S. in seinem Gutachten vom 03.07.2017 aus. Der davon abweichenden Ansicht des Sachverständigen M. in seinem Gutachten vom 02.02.2016, der beim Kläger von einem Gesamt-GdB von 50 ausgeht, vermag sich der Senat daher nicht anzuschließen.

Das Vorbringen des Klägers im Klage- und im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Bewertung. Den (rechtlichen) Ausführungen des Klägers zur Bildung des Gesamt-GdB kann aus den oben dargestellten Gründen nicht gefolgt werden. Weiter rechtfertigen die Ausführungen des Klägers nach dem oben Ausgeführten keine bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigenden höhere Einzel-GdB-Werte hinsichtlich der beim Kläger festzustellenden Gesundheitsstörungen.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die insbesondere vom SG durchgeführten Ermittlungen und die zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen vollständig aufgeklärt und vermitteln dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Das im Berufungsverfahren auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des PD Dr. S. ist verwertbar, denn soweit der Kläger dieses Gutachten damit angreift, dass es für die Feststellungen und Vermutungen des Gutachters keine wissenschaftliche Anknüpfungspunkt gebe und es dem Gutachter "sehr schwer falle", Schwerbehinderteneigenschaft anzunehmen, was keine eindeutige Festlegung hinsichtlich des GdB bedeute, folgt ihm der Senat nicht. Vielmehr hat Dr. S. aufgezeigt, auf welcher Grundlage er sein Gutachten erstattet hat, welche Angaben der Kläger gemacht und welche Untersuchungsbefunde er erhoben hat und wie er zu seiner Einschätzung des GdB gekommen ist. Dabei ist zu beachten, dass letztlich die Bewertung des GdB auf der Grundlage der medizinisch festgestellten Funktionsbehinderungen – insoweit weichen die Gutachten M. und Dr. S. kaum voneinander ab – eine Rechtsfrage darstellt, die der Senat beantworten muss und dabei nicht an die Einschätzung des Gutachters gebunden ist. Oben hat der Senat dargelegt, aus welchen Gründen er zu einem GdB von maximal 40 gekommen ist, sodass die vom Kläger zitierte Aussage von Dr. S. , er täte sich mit der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft sehr schwer, nicht falsch ist, denn der Senat konnte eine solche, mithin einen GdB von 50, ebenfalls nicht feststellen. Gesichtspunkte, durch die sich der Senat zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müsste, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt. Insbesondere ist eine im Verlauf des Rechtsstreits eingetretene Verschlimmerung, die Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen gibt, nicht ersichtlich. Es besteht auch kein Anlass, den Sachverständigen M. zur Ergänzung seines Gutachtens anzuhören. Klärungsbedürftige medizinische Fragen, die eine ergänzende Anhörung des Sachverständigen M. erforderlich machen, hat der Kläger nicht aufgezeigt. Solche klärungsbedürftige medizinische Fragen sind auch sonst nicht ersichtlich. Soweit der Kläger eine ergänzende Anhörung des Sachverständigen M. wegen der Bewertung des GdB für notwendig erachtet, drängt sich deswegen eine ergänzende Anhörung nicht auf. Die Bewertung des GdB obliegt als rechtliche Bewertung dem Senat. Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung durch den Senat zu bilden, weshalb es einer Anhörung des Sachverständigen M. hierzu nicht bedarf. Auch sonst zeigt der Kläger keine Gesichtspunkte auf, durch die sich der Senat zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen gedrängt fühlen müsste.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kosten des gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des PD Dr. S. vom 03.07.2017 sowie die baren Auslagen des Klägers, über die als Gerichtskosten der Senat in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens von Amts wegen auch mit der Kostenentscheidung im Urteil entscheiden kann (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 1 U 3854/06 KO-B -, juris; Urteil des Senats vom 23.11.2012 - L 8 U 3868/11 -, unveröffentlicht), werden nicht auf die Staatskasse übernommen. Der Kläger hat diese daher endgültig selbst zu tragen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen an dem Prozessziel des Klägers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich gefördert haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist. Vielmehr muss sich die Förderung der Sachaufklärung auf den Streitgegenstand beziehen (Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage, § 109 RdNr. 11).

Hiervon ausgehend ist es nicht gerechtfertigt, die Kosten des Gutachtens von PD Dr. S. vom 03.07.2017 auf die Staatskasse zu übernehmen. Das Gutachten hat den Rechtsstreit nicht objektiv gefördert, Anlass zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts gegeben und auch nicht zu seiner Erledigung beigetragen. Vielmehr hat das Gutachten von PD Dr. S. vom 03.07.2017 unter vergleichbaren Befunden wie die des Vorgutachtens von Psychiater M. Gesamt-GdB mit 40 bestätigt, und damit das Begehren des Klägers nicht gestützt. Im Übrigen hält der Kläger das Gutachten des PD Dr. S. vom 03.07.2017 für nicht verwertbar.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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