Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 17 KR 296/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 KR 72/11 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Krankenhausaufenthalt des Patienten ..., geb. am ..., in der Zeit vom 15.08.2009 bis 25.08.2009, auf die Hauptforderung i. H. v. 2.045,49 Euro Zinsen i. H. v. 5 % seit dem 27.09.2009 bis zum Zahlungseingang der Hauptforderung bei der Klägerin am 23.09.2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 2.045,49 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Streitgegenständlich geht es um die Zahlung von Verzugszinsen auf eine ursprünglich streitgegenständliche Hauptforderung für einen Vergütungsanspruch der Klägerin wegen einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin ist Trägerin des Fachkrankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie, Neurologie und psychosomatische Medizin in J. (im Folgenden: Krankenhaus), das in den Krankenhausplan des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen ist.
Der am ... geborene und bei der Beklagten versicherte ... (im Folgenden: Versicherter) wurde am 15.08.2009 stationär in das Krankenhaus als Notfall aufgenommen. Die Klägerin übermittelte am selben Tag die Daten nach § 301 SGB V im Rahmen der Aufnahmeanzeige. Als Aufnahmediagnose waren rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode sowie sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen benannt. Die Aufnahme erfolgte auf die Abteilung: Allgemeine Psychiatrie. Die Aufnahmeanzeige umfasste ferner die Stammdaten des Patienten (Versicherungsnummer, Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Geschlecht), das Institutskennzeichen des Krankenhauses (IK 261500176), Detaildaten über die Aufnahme sowie das voraussichtliche Behandlungsende (24.09.2009).
Mit Schreiben vom 18.08.2009 bestätigte die Beklagte die Aufnahme ihres Versicherten. In diesem Schreiben mit der Betreffzeile: Überprüfung der Notwendigkeit der stationären Behandlung gemäß §§ 39 Abs. 1, 275 Abs. 1, 276 Abs. 2 und 4 SGB V; Anforderung medizinische Begründung bei Aufnahme" führt die Beklagte aus, dass Krankenhausbehandlung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung nur erbracht werden könne, wenn nach Art oder Schwere der Krankheit die medizinische Versorgung gemeinsam mit der pflegerischen Betreuung nur mit den Mitteln eines Krankenhauses möglich sei, d. h. wenn ambulante vertragsärztliche Versorgung, ggf. ergänzt durch häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V oder Maßnahmen der stationären oder ambulanten Rehabilitation nach § 40 SGB V, für eine bedarfsgerechte Behandlung nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht ausreichen. Die Beklagte begehrt aus diesem Grund bezüglich der Krankenhausbehandlung der Versicherten auf Basis der geltenden gesetzlichen
Regelungen (§§ 39, 275, 276 SGB V) und der diese konkretisierenden Rechtsprechung (S 11 KR 33/05, B 1 KR 32/04 R, B 3 KR 9/03 R, GS 1/06) die notwendige Überprüfung. Überprüfungsgrund sei, dass in diesem Fall aufgrund der angegebenen Diagnose und der übermittelten Daten nach § 301 SGB V nach Art und Schwere der Erkrankung eine ambulante Behandlung / stationäre Rehabilitation ausreichend erscheint und deshalb nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine Überprüfung durch den MDK notwendig werde. Daher könne zunächst keine Kostenübernahmeerklärung ausgestellt werden. Die Klägerin werde gebeten, die benötigten Informationen zur medizinischen Begründung bis zum 01.09.2009 zu übermitteln, damit auf dieser Basis entweder eine Kostenübernahmeerklärung ausgestellt oder eine MDK-Überprüfung eingeleitet werden könne.
Die Klägerin reagierte darauf mit Schreiben vom 20.08.2009. Darin führte sie aus, dass die Notwendigkeit der teil-/stationären Behandlung nach den Regelungen des § 39 SGB V durch sie ärztlich geprüft und entschieden worden sei, dass die Behandlung voraussichtlich bis zum 24.09.2009 erforderlich ist. Ferner wurde der Beklagten angeboten, dass ihr die Überprüfung im Rahmen der Krankenhausbegehung durch den MDK zur Verfügung stehe, sollte sie mit der Entscheidung der Klägerin nicht einverstanden sein.
Mit Schreiben vom 01.09.2009 erinnerte die Beklagte die Klägerin an die mit Schreiben vom 18.08.2009 geforderte medizinische Begründung und setzte dafür eine weitere Frist bis zum 15.09.2009.
Am 15.09.2009 versandte die Beklagte an die Klägerin ein Schreiben mit der Betreffzeile "Verlust ihres Vergütungsanspruchs". In der Begründung heißt es, dass gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Fehlen von rechtzeitig angeforderten Unterlagen mit dem Eintritt des Fälligkeitsdatums der Rechnung als Verletzung der gesetzlichen Pflichten (§§ 39, 275, 276 SGB V) zu werten sei. Dies ziehe den Verlust des Vergütungsanspruchs – unabhängig von einer etwaigen Notwendigkeit der stationären Behandlung – nach sich. Der mit Rechnungslegung vom 02.09.2009 geforderte Betrag i. H. v. 2.045,49 Euro werde deshalb durch die Beklagte nicht beglichen.
Die Klägerin wandte sich außergerichtlich ergebnislos an die Beklagte.
Mit ihrer am 22.10.2009 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage begehrte die Klägerin ursprünglich die Zahlung der abgerechneten Krankenhausbehandlungskosten i. H. v. 2.045,49 Euro nebst 5 % Verzugszinsen. Zur Begründung führte sie aus, die Beklagte mache hier von einem imaginären Zurückbehaltungsrecht Gebrauch in dem sie meine, ohne gesetzliche Grundlage weitere medizinische Begründungen abfordern zu können. In Sachsen-Anhalt bestünde kein Vertrag nach § 112 SGB V. Die Klägerin habe die Aufnahmeanzeige und Verlängerungsanzeigen wie üblich auf den in Kooperation mit dem MDK entworfenen Formularen beantragt und diese als Datensatz auf elektronischem Wege gem. § 301 SGB V übersandt. So werde es mit sämtlichen Krankenkassen gehandhabt. Es sei nicht vorgesehen, dass weitere medizinische Begründungen abgefordert werden dürften. Eine ergänzende medizinische Begründung können ggf. im Einzelfall verlangt werden, wenn hierfür nach § 275 SGB V ein Grund vorliege. Die Beklagte fordere jedoch von sämtlichen bei
ihr versicherten und bei der Klägerin behandelten Patienten ergänzende medizinische Begründungen ab, womit sie offensichtlich versuche, § 275 Abs. 1 c SGB V kostengünstig zu umgehen. Zwischenzeitlich zahle die Beklagte Forderungen i. H. v. ca. 200.000,00 Euro nicht aus. Mit Schreiben vom 28.01.2010 wies die Klägerin darauf hin, dass sich der Zahlungsrückstand der Beklagten inzwischen auf 750.000,00 Euro belaufe.
Vor dem Landessozialgericht fand unter anderem auch zu diesem Verfahren ein Mediationsverfahren statt, in dessen Rahmen die Beklagte am 23.09.2010 Zahlungen i. H. v. 2.045,49 Euro geleistet und damit die Hauptforderung beglichen hat. Im Streit stehen nunmehr nur noch die Zinsen und die Kosten des Verfahrens.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Krankenhausaufenthalt des Patienten ..., geb. am ..., in der Zeit vom 15.08.2009 bis 25.08.2009, auf die Hauptforderung i. H. v. 2.045,49 Euro Zinsen i. H. v. 5 % seit dem 27.09.2009 bis zum Zahlungseingang der Hauptforderung bei der Klägerin am 23.09.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führte die Beklagte im Hinblick auf die Hauptforderung aus, dass sie zu Recht die Zahlung zurückhalte. Die Beklagte erteile in begründeten Einzelfällen – wie hier – von vornherein keine Kostenübernahmeerklärung. Komme ein Krankenhaus der Aufforderung zur Einreichung weiterer medizinischer Begründung trotz Erinnerung nicht nach, verweigere die Beklagte zu Recht den Ausgleich der Krankenhausrechnung. Die Nichterteilung einer Kostenübernahmeerklärung stehe einer auf null Tage befristeten Kostenübernahmeerklärung gleich. Nach herrschender Rechtsprechung entscheide die Beklagte, ob eine medizinische Krankenhausbehandlung notwendig sei oder nicht. Die Beklagte habe dabei die Erforderlichkeit der stationären Behandlungen eigenständig ohne Bindung an die Beurteilung des zuständigen Krankenhausarztes zu prüfen. Insofern könne sie – auch ohne dass ein Vertrag nach § 112 SGB V vorliege – weitere über die in § 301 SGB V normierten Angaben verlangen. Sie sei daher zur Zahlungsverweigerung berechtigt, wenn
diese Angaben von der Klägerin pflichtwidrig nicht erteilt würden. Die Klägerin habe sich so pflichtwidrig verhalten, dass ein Anlass zur Nachholung der Sachverhaltsaufklärung im gerichtlichen Verfahren nicht bestünde und die Beklagte die Zahlung endgültig verweigern dürfe.
Mit Schreiben vom 18.04.2011 teilte die Beklagte mit, dass die Begleichung der Hauptforderung im Rahmen des Mediationsverfahrens auf den Umstand zurückzuführen sei, dass die Klägerin die Vorgänge nochmals medizinisch geprüft habe und die Beklagte dort, wo sie nach erneuter Prüfung keine Einwände gefunden habe, gezahlt habe. Weiterhin wurde mitgeteilt, dass sich die Parteien über die Zinsen und Kosten außerhalb des Mediationsverfahrens einigen wollten. Eine weitergehende Begründung – vor allem hinsichtlich des noch offenen Streitgegenstandes der Zinsen und Kosten – wurde von der Beklagten nicht vorgetragen.
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung am 1.9.2011 einen Beweisantrag gestellt, der mit Beschluss durch die Kammer abgelehnt wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Das Gericht konnte nach mündlicher Verhandlung in der Sache entscheiden. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten vorgetragen, dass eine Entscheidung durch die Kammer unzulässig wäre, weil das Mediationsverfahren noch nicht beendet sei. Dies entspricht jedoch nicht den Tatsachen, da die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 01.03.2011 mitgeteilt hat, dass das Mediationsverfahren gescheitert ist und auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Mediationsverfahren noch durchgeführt wird. Die Argumentation des Prozessbevollmächtigten der Beklagten dahingehend, dass er das Mediationsverfahren noch nicht als beendet ansieht, ändert daran nichts. Hinzu kommt, dass das hier zu entscheidende Verfahren zu keinem Zeitpunkt offiziell zur Mediation abgegeben und dementsprechend unterbrochen bzw. ruhend gestellt worden ist. Vielmehr wurde der hier streitige Sachverhalt im Mediationsverfahren lediglich "am Rande" mitverhandelt, so dass eine Verhandlung und Entscheidung in diesem Verfahren zu jeder Zeit möglich gewesen ist.
2. Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, weil es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (siehe dazu bspw. BSG, Urteil v. 17.05.2000, B 3 KR 33/99 R sowie Urteil v. 16.12.2008, B 1 KN 1/07 KR R).
3. Die Klage ist auch begründet. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 7 der Budget– und Entgeltvereinbarung für das Jahr 2008. Danach tritt Fälligkeit am 24. Kalendertag unter Berücksichtigung eines Post- und Banklaufweges von 3 Tagen ab Rechnungsdatum ein. Bei Verzug werden Verzugszinsen i. H. v. 5 % erhoben, ohne dass es einer vorherigen Mahnung bedarf.
Die Beklagte hat Verzugszinsen nach § 7 der Budget- und Entgeltvereinbarung 2008 zu leisten, da sie die ursprünglich geltend gemachte Hauptforderung i. H. v. 2.045,49 Euro am 23.09.2010 beglichen hat. Der Zinsanspruch ist eine Nebenforderung zur ursprünglich geltend gemachten Hauptforderung i. H. v. 2.045,49 Euro. Die Beklagte hat schon aufgrund der Akzessorietät des Zinsanspruchs vom Hauptanspruch Verzugszinsen nach § 7 der Budget- und Entgeltvereinbarung 2008 zu leisten. Abgesehen davon, dass die Beklagte keine weitere Begründung dazu abgegeben hat, warum sie Zinsen nicht auch im Rahmen des Mediationsverfahrens anerkannt hat, kann auch die Begründung, dass die Hauptforderung beglichen worden sei, weil die Klägerin die Vorgänge nochmals medizinisch geprüft habe und die Beklagte dort, wo sie nach erneuter Prüfung keine Einwände gefunden habe, gezahlt habe, zu keiner anderen Beurteilung führen. Dadurch verschiebt sich auch nicht die in § 7 der Budget- und Entgeltvereinbarung festgelegte Fälligkeit am 24.
Kalendertag ab Rechnungsdatum, da die Beklagte – auch wenn sie nicht im Rahmen des Mediationsverfahrens den offenen Rechnungsbetrag beglichen hätte – dazu spätestens zum Fälligkeitsdatum am 26.09.2009 verpflichtet gewesen wäre.
Das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt hat in einigen der zahlreichen Verfahren der Klägerin gegen die Beklagte (L 4 KR 66/09, Urteil vom 16.03.2011, anhängig beim BSG unter B 1 KR 431/11 B sowie L 4 KR 68/09, Urteil vom 30.06.2011, nicht rechtskräftig), in denen es – abgesehen von der Tatsache, dass es sich in jedem einzelnen Klageverfahren um eine andere stationäre Krankenhausabrechnung der Klägerin handelt – um gleichgelagerte Sachverhalte mit den gleichen Argumenten der Parteien geht, ausführlich dargelegt, dass die Beklagte kein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 39, 275, 276 SGB V hat. Vielmehr ergebe sich bereits aus § 7 Abs. 1 S. 1 der Budget- und Entgeltvereinbarung 2008 eine Vorleistungspflicht der Beklagten. Sie sei daher innerhalb der in § 7 Abs. 2 der Budget- und Entgeltvereinbarung festgelegten Fristen verpflichtet, nach Rechnungsstellung und Übersendung der notwendigen Daten gem. § 301 SGB V verpflichtet gewesen, die fällige Summe zu zahlen. Dabei habe ihr kein Zurückbehaltungsrecht
zugestanden. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, die Notwendigkeit der Behandlung genauer zu begründen. Eine derartige Pflicht ergebe sich weder aus § 301 SGB V noch aus möglichen Besonderheiten des Einzelfalls. Wäre die Klägerin der Forderung der Beklagten nach einer gesonderten Begründung für den Behandlungsfall nachgekommen, hätte dies eine Verletzung des § 26 Abs. 1 Nr. 2 des Datenschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (DSG-LSA) zur Folge gehabt. Darüber hinaus führte das LSG in seiner Entscheidung vom 16.03.2011 aus, dass die Beklagte mit ihrer Vorgehensweise das gesetzliche Prüfverfahren nach § 275 SGB V umgangen und dadurch Einwände gegen den Vergütungsanspruch nach § 275 Abs. 1 c Satz 2 SGB V endgültig verloren habe. Die Vorgehensweise der Beklagten sei auch unter Beachtung der wechselseitigen Obhutspflichten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen rechtsmissbräuchlich und führe zu einem Einwendungsausschluss.
Der Rechtsauffassung des LSG schließt sich die Kammer vorliegend nach kritischer Würdigung vollumfassend an. Auf weitere Ausführungen wird daher mit Hinweis auf das Urteil des LSG v. 16.03.2011 und v. 30.06.2011 verzichtet.
Die Beklagte befand sich ab 27.09.2009 (= 25 Kalendertage nach Rechnungslegung am 02.09.2009) im Verzug. Ende des Verzugs tritt mit Ablauf des Tages ein, an dem die Hauptforderung bezahlt worden ist (Palandt, BGB, § 288 Rn. 5), mithin am 23.09.2010. Der Zinsanspruch besteht daher im tenorierten Umfang.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 52 Abs. 3 GKG. Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus dem im Klageantrag bezifferten Geldleistungsbetrag – mithin die von der Klägerin ursprünglich geltend gemachten Behandlungskosten i. H. v. 2.045,49 Euro.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 2.045,49 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Streitgegenständlich geht es um die Zahlung von Verzugszinsen auf eine ursprünglich streitgegenständliche Hauptforderung für einen Vergütungsanspruch der Klägerin wegen einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin ist Trägerin des Fachkrankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie, Neurologie und psychosomatische Medizin in J. (im Folgenden: Krankenhaus), das in den Krankenhausplan des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen ist.
Der am ... geborene und bei der Beklagten versicherte ... (im Folgenden: Versicherter) wurde am 15.08.2009 stationär in das Krankenhaus als Notfall aufgenommen. Die Klägerin übermittelte am selben Tag die Daten nach § 301 SGB V im Rahmen der Aufnahmeanzeige. Als Aufnahmediagnose waren rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode sowie sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen benannt. Die Aufnahme erfolgte auf die Abteilung: Allgemeine Psychiatrie. Die Aufnahmeanzeige umfasste ferner die Stammdaten des Patienten (Versicherungsnummer, Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Geschlecht), das Institutskennzeichen des Krankenhauses (IK 261500176), Detaildaten über die Aufnahme sowie das voraussichtliche Behandlungsende (24.09.2009).
Mit Schreiben vom 18.08.2009 bestätigte die Beklagte die Aufnahme ihres Versicherten. In diesem Schreiben mit der Betreffzeile: Überprüfung der Notwendigkeit der stationären Behandlung gemäß §§ 39 Abs. 1, 275 Abs. 1, 276 Abs. 2 und 4 SGB V; Anforderung medizinische Begründung bei Aufnahme" führt die Beklagte aus, dass Krankenhausbehandlung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung nur erbracht werden könne, wenn nach Art oder Schwere der Krankheit die medizinische Versorgung gemeinsam mit der pflegerischen Betreuung nur mit den Mitteln eines Krankenhauses möglich sei, d. h. wenn ambulante vertragsärztliche Versorgung, ggf. ergänzt durch häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V oder Maßnahmen der stationären oder ambulanten Rehabilitation nach § 40 SGB V, für eine bedarfsgerechte Behandlung nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht ausreichen. Die Beklagte begehrt aus diesem Grund bezüglich der Krankenhausbehandlung der Versicherten auf Basis der geltenden gesetzlichen
Regelungen (§§ 39, 275, 276 SGB V) und der diese konkretisierenden Rechtsprechung (S 11 KR 33/05, B 1 KR 32/04 R, B 3 KR 9/03 R, GS 1/06) die notwendige Überprüfung. Überprüfungsgrund sei, dass in diesem Fall aufgrund der angegebenen Diagnose und der übermittelten Daten nach § 301 SGB V nach Art und Schwere der Erkrankung eine ambulante Behandlung / stationäre Rehabilitation ausreichend erscheint und deshalb nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine Überprüfung durch den MDK notwendig werde. Daher könne zunächst keine Kostenübernahmeerklärung ausgestellt werden. Die Klägerin werde gebeten, die benötigten Informationen zur medizinischen Begründung bis zum 01.09.2009 zu übermitteln, damit auf dieser Basis entweder eine Kostenübernahmeerklärung ausgestellt oder eine MDK-Überprüfung eingeleitet werden könne.
Die Klägerin reagierte darauf mit Schreiben vom 20.08.2009. Darin führte sie aus, dass die Notwendigkeit der teil-/stationären Behandlung nach den Regelungen des § 39 SGB V durch sie ärztlich geprüft und entschieden worden sei, dass die Behandlung voraussichtlich bis zum 24.09.2009 erforderlich ist. Ferner wurde der Beklagten angeboten, dass ihr die Überprüfung im Rahmen der Krankenhausbegehung durch den MDK zur Verfügung stehe, sollte sie mit der Entscheidung der Klägerin nicht einverstanden sein.
Mit Schreiben vom 01.09.2009 erinnerte die Beklagte die Klägerin an die mit Schreiben vom 18.08.2009 geforderte medizinische Begründung und setzte dafür eine weitere Frist bis zum 15.09.2009.
Am 15.09.2009 versandte die Beklagte an die Klägerin ein Schreiben mit der Betreffzeile "Verlust ihres Vergütungsanspruchs". In der Begründung heißt es, dass gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Fehlen von rechtzeitig angeforderten Unterlagen mit dem Eintritt des Fälligkeitsdatums der Rechnung als Verletzung der gesetzlichen Pflichten (§§ 39, 275, 276 SGB V) zu werten sei. Dies ziehe den Verlust des Vergütungsanspruchs – unabhängig von einer etwaigen Notwendigkeit der stationären Behandlung – nach sich. Der mit Rechnungslegung vom 02.09.2009 geforderte Betrag i. H. v. 2.045,49 Euro werde deshalb durch die Beklagte nicht beglichen.
Die Klägerin wandte sich außergerichtlich ergebnislos an die Beklagte.
Mit ihrer am 22.10.2009 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage begehrte die Klägerin ursprünglich die Zahlung der abgerechneten Krankenhausbehandlungskosten i. H. v. 2.045,49 Euro nebst 5 % Verzugszinsen. Zur Begründung führte sie aus, die Beklagte mache hier von einem imaginären Zurückbehaltungsrecht Gebrauch in dem sie meine, ohne gesetzliche Grundlage weitere medizinische Begründungen abfordern zu können. In Sachsen-Anhalt bestünde kein Vertrag nach § 112 SGB V. Die Klägerin habe die Aufnahmeanzeige und Verlängerungsanzeigen wie üblich auf den in Kooperation mit dem MDK entworfenen Formularen beantragt und diese als Datensatz auf elektronischem Wege gem. § 301 SGB V übersandt. So werde es mit sämtlichen Krankenkassen gehandhabt. Es sei nicht vorgesehen, dass weitere medizinische Begründungen abgefordert werden dürften. Eine ergänzende medizinische Begründung können ggf. im Einzelfall verlangt werden, wenn hierfür nach § 275 SGB V ein Grund vorliege. Die Beklagte fordere jedoch von sämtlichen bei
ihr versicherten und bei der Klägerin behandelten Patienten ergänzende medizinische Begründungen ab, womit sie offensichtlich versuche, § 275 Abs. 1 c SGB V kostengünstig zu umgehen. Zwischenzeitlich zahle die Beklagte Forderungen i. H. v. ca. 200.000,00 Euro nicht aus. Mit Schreiben vom 28.01.2010 wies die Klägerin darauf hin, dass sich der Zahlungsrückstand der Beklagten inzwischen auf 750.000,00 Euro belaufe.
Vor dem Landessozialgericht fand unter anderem auch zu diesem Verfahren ein Mediationsverfahren statt, in dessen Rahmen die Beklagte am 23.09.2010 Zahlungen i. H. v. 2.045,49 Euro geleistet und damit die Hauptforderung beglichen hat. Im Streit stehen nunmehr nur noch die Zinsen und die Kosten des Verfahrens.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Krankenhausaufenthalt des Patienten ..., geb. am ..., in der Zeit vom 15.08.2009 bis 25.08.2009, auf die Hauptforderung i. H. v. 2.045,49 Euro Zinsen i. H. v. 5 % seit dem 27.09.2009 bis zum Zahlungseingang der Hauptforderung bei der Klägerin am 23.09.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führte die Beklagte im Hinblick auf die Hauptforderung aus, dass sie zu Recht die Zahlung zurückhalte. Die Beklagte erteile in begründeten Einzelfällen – wie hier – von vornherein keine Kostenübernahmeerklärung. Komme ein Krankenhaus der Aufforderung zur Einreichung weiterer medizinischer Begründung trotz Erinnerung nicht nach, verweigere die Beklagte zu Recht den Ausgleich der Krankenhausrechnung. Die Nichterteilung einer Kostenübernahmeerklärung stehe einer auf null Tage befristeten Kostenübernahmeerklärung gleich. Nach herrschender Rechtsprechung entscheide die Beklagte, ob eine medizinische Krankenhausbehandlung notwendig sei oder nicht. Die Beklagte habe dabei die Erforderlichkeit der stationären Behandlungen eigenständig ohne Bindung an die Beurteilung des zuständigen Krankenhausarztes zu prüfen. Insofern könne sie – auch ohne dass ein Vertrag nach § 112 SGB V vorliege – weitere über die in § 301 SGB V normierten Angaben verlangen. Sie sei daher zur Zahlungsverweigerung berechtigt, wenn
diese Angaben von der Klägerin pflichtwidrig nicht erteilt würden. Die Klägerin habe sich so pflichtwidrig verhalten, dass ein Anlass zur Nachholung der Sachverhaltsaufklärung im gerichtlichen Verfahren nicht bestünde und die Beklagte die Zahlung endgültig verweigern dürfe.
Mit Schreiben vom 18.04.2011 teilte die Beklagte mit, dass die Begleichung der Hauptforderung im Rahmen des Mediationsverfahrens auf den Umstand zurückzuführen sei, dass die Klägerin die Vorgänge nochmals medizinisch geprüft habe und die Beklagte dort, wo sie nach erneuter Prüfung keine Einwände gefunden habe, gezahlt habe. Weiterhin wurde mitgeteilt, dass sich die Parteien über die Zinsen und Kosten außerhalb des Mediationsverfahrens einigen wollten. Eine weitergehende Begründung – vor allem hinsichtlich des noch offenen Streitgegenstandes der Zinsen und Kosten – wurde von der Beklagten nicht vorgetragen.
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung am 1.9.2011 einen Beweisantrag gestellt, der mit Beschluss durch die Kammer abgelehnt wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Das Gericht konnte nach mündlicher Verhandlung in der Sache entscheiden. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten vorgetragen, dass eine Entscheidung durch die Kammer unzulässig wäre, weil das Mediationsverfahren noch nicht beendet sei. Dies entspricht jedoch nicht den Tatsachen, da die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 01.03.2011 mitgeteilt hat, dass das Mediationsverfahren gescheitert ist und auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Mediationsverfahren noch durchgeführt wird. Die Argumentation des Prozessbevollmächtigten der Beklagten dahingehend, dass er das Mediationsverfahren noch nicht als beendet ansieht, ändert daran nichts. Hinzu kommt, dass das hier zu entscheidende Verfahren zu keinem Zeitpunkt offiziell zur Mediation abgegeben und dementsprechend unterbrochen bzw. ruhend gestellt worden ist. Vielmehr wurde der hier streitige Sachverhalt im Mediationsverfahren lediglich "am Rande" mitverhandelt, so dass eine Verhandlung und Entscheidung in diesem Verfahren zu jeder Zeit möglich gewesen ist.
2. Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, weil es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (siehe dazu bspw. BSG, Urteil v. 17.05.2000, B 3 KR 33/99 R sowie Urteil v. 16.12.2008, B 1 KN 1/07 KR R).
3. Die Klage ist auch begründet. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 7 der Budget– und Entgeltvereinbarung für das Jahr 2008. Danach tritt Fälligkeit am 24. Kalendertag unter Berücksichtigung eines Post- und Banklaufweges von 3 Tagen ab Rechnungsdatum ein. Bei Verzug werden Verzugszinsen i. H. v. 5 % erhoben, ohne dass es einer vorherigen Mahnung bedarf.
Die Beklagte hat Verzugszinsen nach § 7 der Budget- und Entgeltvereinbarung 2008 zu leisten, da sie die ursprünglich geltend gemachte Hauptforderung i. H. v. 2.045,49 Euro am 23.09.2010 beglichen hat. Der Zinsanspruch ist eine Nebenforderung zur ursprünglich geltend gemachten Hauptforderung i. H. v. 2.045,49 Euro. Die Beklagte hat schon aufgrund der Akzessorietät des Zinsanspruchs vom Hauptanspruch Verzugszinsen nach § 7 der Budget- und Entgeltvereinbarung 2008 zu leisten. Abgesehen davon, dass die Beklagte keine weitere Begründung dazu abgegeben hat, warum sie Zinsen nicht auch im Rahmen des Mediationsverfahrens anerkannt hat, kann auch die Begründung, dass die Hauptforderung beglichen worden sei, weil die Klägerin die Vorgänge nochmals medizinisch geprüft habe und die Beklagte dort, wo sie nach erneuter Prüfung keine Einwände gefunden habe, gezahlt habe, zu keiner anderen Beurteilung führen. Dadurch verschiebt sich auch nicht die in § 7 der Budget- und Entgeltvereinbarung festgelegte Fälligkeit am 24.
Kalendertag ab Rechnungsdatum, da die Beklagte – auch wenn sie nicht im Rahmen des Mediationsverfahrens den offenen Rechnungsbetrag beglichen hätte – dazu spätestens zum Fälligkeitsdatum am 26.09.2009 verpflichtet gewesen wäre.
Das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt hat in einigen der zahlreichen Verfahren der Klägerin gegen die Beklagte (L 4 KR 66/09, Urteil vom 16.03.2011, anhängig beim BSG unter B 1 KR 431/11 B sowie L 4 KR 68/09, Urteil vom 30.06.2011, nicht rechtskräftig), in denen es – abgesehen von der Tatsache, dass es sich in jedem einzelnen Klageverfahren um eine andere stationäre Krankenhausabrechnung der Klägerin handelt – um gleichgelagerte Sachverhalte mit den gleichen Argumenten der Parteien geht, ausführlich dargelegt, dass die Beklagte kein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 39, 275, 276 SGB V hat. Vielmehr ergebe sich bereits aus § 7 Abs. 1 S. 1 der Budget- und Entgeltvereinbarung 2008 eine Vorleistungspflicht der Beklagten. Sie sei daher innerhalb der in § 7 Abs. 2 der Budget- und Entgeltvereinbarung festgelegten Fristen verpflichtet, nach Rechnungsstellung und Übersendung der notwendigen Daten gem. § 301 SGB V verpflichtet gewesen, die fällige Summe zu zahlen. Dabei habe ihr kein Zurückbehaltungsrecht
zugestanden. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, die Notwendigkeit der Behandlung genauer zu begründen. Eine derartige Pflicht ergebe sich weder aus § 301 SGB V noch aus möglichen Besonderheiten des Einzelfalls. Wäre die Klägerin der Forderung der Beklagten nach einer gesonderten Begründung für den Behandlungsfall nachgekommen, hätte dies eine Verletzung des § 26 Abs. 1 Nr. 2 des Datenschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (DSG-LSA) zur Folge gehabt. Darüber hinaus führte das LSG in seiner Entscheidung vom 16.03.2011 aus, dass die Beklagte mit ihrer Vorgehensweise das gesetzliche Prüfverfahren nach § 275 SGB V umgangen und dadurch Einwände gegen den Vergütungsanspruch nach § 275 Abs. 1 c Satz 2 SGB V endgültig verloren habe. Die Vorgehensweise der Beklagten sei auch unter Beachtung der wechselseitigen Obhutspflichten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen rechtsmissbräuchlich und führe zu einem Einwendungsausschluss.
Der Rechtsauffassung des LSG schließt sich die Kammer vorliegend nach kritischer Würdigung vollumfassend an. Auf weitere Ausführungen wird daher mit Hinweis auf das Urteil des LSG v. 16.03.2011 und v. 30.06.2011 verzichtet.
Die Beklagte befand sich ab 27.09.2009 (= 25 Kalendertage nach Rechnungslegung am 02.09.2009) im Verzug. Ende des Verzugs tritt mit Ablauf des Tages ein, an dem die Hauptforderung bezahlt worden ist (Palandt, BGB, § 288 Rn. 5), mithin am 23.09.2010. Der Zinsanspruch besteht daher im tenorierten Umfang.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 52 Abs. 3 GKG. Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus dem im Klageantrag bezifferten Geldleistungsbetrag – mithin die von der Klägerin ursprünglich geltend gemachten Behandlungskosten i. H. v. 2.045,49 Euro.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
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