S 45 SO 85/17 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
43
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 45 SO 85/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 206/17 B ER RG
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

Der zulässige Antrag auf Bewilligung von weiteren Heizkosten – 2.750 Liter – nach dem SGB XII im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist unbegründet.

Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG liegen nicht vor. Nach dieser Vor-schrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Haupt-sacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05).

Allerdings ergeben sich aus Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn die Gewährung existenzsichernder Leistungen im Streit steht. Aus Art. 19 Abs. 4 GG folgen dabei Vorgaben für den Prüfungsmaßstab. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.10.1988, Az.: 2 BvR 745/88). Wenn es, wie hier, um Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums geht, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Dies bedeutet, dass das Fachgericht diejenigen Ermittlungsmaßnahmen von Amts wegen (vgl. § 103 SGG) durchführen muss, die aus seiner Sicht zur Überzeugungsbildung und zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig sind, wobei eine Entscheidung aufgrund objektiver Indizien oder der Beweislastverteilung, vor allem bei nicht ausreichender Mitwirkung des Antragstellers bei der Aufklärung des Sachverhalts, nicht ausgeschlossen ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 01.02.2010, Az.: 1 BvR 20/10). Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage in diesem Sinne im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05).

Aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG folgen darüber hinaus inhaltliche Anforderun-gen an die Feststellung der Hilfebedürftigkeit in tatsächlicher Hinsicht: Es darf nur auf die gegenwärtige Lage abgestellt werden; Umstände der Vergangenheit dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage des Hilfesuchende ermöglichen. In keinem Fall dürfen existenzsichernde Leistungen nur aufgrund bloßer Mutmaßungen verweigert werden, insbesondere wenn diese sich auf vergangene Umstände stützen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die begehrte einstweilige Anordnung nicht zu erlassen. Nach gebotener summarischer Prüfung fehlt bereits der Anordnungsanspruch. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf weitere Heizkosten.

Nach § 35 Abs. 4 SGB XII werden Bedarfe für Heizung und zentrale Warmwasserversor-gung in tatsächlicher Höhe anerkannt, soweit sie angemessen sind. Die Bedarfe können durch eine monatliche Pauschale festgesetzt werden. Bei der Bemessung der Pauschale sind die persönlichen und familiären Verhältnisse, die Größe und Beschaffenheit der Wohnung, die vorhandenen Heizmöglichkeiten und die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen.

Der Antragsteller hat bereits nach seinen eigenen Berechnungen den auf ihn fallenden angemessenen Anteil an Heizkosten erhalten. Die Antragsgegnerin verschaffte ihm schon 1.750 Liter. Da der Antragsteller nach eigenen Angaben mindestens 4.500 Liter Heizöl benötigt, wie im Jahr zuvor, hat er bereits einen höheren Anteil erhalten, als sein Kopfteil von 1.500 Liter. Daneben bezog der Antragsteller noch 365 Liter, die er über den SGB II-Träger für sich bezogen haben will.

Entgegen seiner Auffassung sind dabei die zwei bei ihm wohnenden Söhne P (geboren am XX.XX.XXXX) und U (geboren am XX.XX.XXXX) mit zu berücksichtigen. Der Antrag-steller kann nur 1/3 der angemessenen Heizkosten geltend machen.

Es erfolgt die Zuordnung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bei Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen grundsätzlich nach Kopfzahl (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 18.01.2011, Az.: L 8 SO 25/10). Verliert beispielsweise ein einzelnes Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft seinen Anspruch (z.B. aufgrund von Erwerbsunfähigkeit oder Aufnahme eines grundsätzlicher nach BaföG geförderten Studi-ums) erhöht dies nicht den pro-Kopf-KdU Anspruch des Leistungsberechtigten. Die ab-solute Zahl der Nutzer einer Wohnung behält ihre Bedeutung bei der Aufteilung der tat-sächlichen Wohnkosten nach Kopfzahl (Bundessozialgericht, Urteil vom 27.02.2008, Az.: B 14/11b AS 55/06 R). Die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Familienmitglieder lässt in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für diese Wohnung nicht zu (Bundessozialgericht, Urteil vom 27.02.2008, Az.: B 14/11b AS 55/06 R). Für den Regelfall ist die Miete und auch die Heizkosten nach der Zahl der zur Haushaltsgemeinschaft zählenden Personen ohne Rücksicht auf deren Alter aufzuteilen. Dies wird der Verwaltungsprakti-kabilität gerecht und führt nicht zu willkürlichen Grenzziehungen nach Altersgruppen. Diese Praxis bedarf nur dann der Korrektur, wenn und soweit der Hilfefall durch sozial-hilferechtlich bedeutsame Umstände gekennzeichnet ist, die ohne weiteres objektivierbar und dem Träger der Sozialhilfe möglicherweise sogar bereits bekannt sind. Das kann einerseits ein über das normale Maß hinausgehender und dementsprechend nach § 9 SGB XII (Person des Hilfeempfängers, der Art seines Bedarfs und den örtlichen Verhält-nissen) besonders zu berücksichtigender Bedarf des Hilfesuchenden an Unterkunft sein. Andererseits können die besonderen Umstände, die ein anerkennenswertes Mehr an Unterkunftsbedarf ausmachen, in der Person eines der nicht hilfebedürftigen Mitglie-der der Haushaltsgemeinschaft bestehen. Zu denken ist hierbei insbesondere an Fälle der Behinderung oder Pflegebedürftigkeit (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 18.01.2011, Az.: L 8 SO 25/10).

Es findet die Kopfzahlmethode Anwendung, so dass je ein Drittel an Heizkosten auf den Antragsteller und je einen Sohn entfallen. Die Söhne sind in der Wohnung des Antrag-stellers gemeldet und sind nur wegen der mangelnden Heizung außerhalb der Eigen-tumswohnung. Ansonsten würden sie sich beim Antragsteller aufhalten. Wie bei Familien üblich kann eine besondere Intensität der Nutzung nicht festgestellt werden. Die Söhne verfügen über eigene Zimmer in der Wohnung und nutzen die übrigen Gemeinschaftsräume, wie z.B. Bad und Küche, gemeinsam mit dem Antragsteller. Ein Abweichen von diesem Grundsatz ist nicht deshalb geboten, da weder eine Behinderung noch Pflegebedürftigkeit vorliegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller über ein besonderes Wärmebedürfnis verfügt. Für ihn ist entscheidend, ebenso wie für die Söhne, eine gewisse Grundwärme der Eigentumswohnung.

Schließlich darf der Antragsteller keine Heizkosten beanspruchen, die ihm selbst gar nicht zukommen und dadurch Leistungen vom beklagten Grundsicherungsträger einfordern, die Personen zuzurechnen wären, die selbst nicht oder in anderen Leistungssystemen ihren Aufwand erhalten würden. Damit würde letztlich die Wertung des Gesetzgebers im SGB II und SGB XII umgangen. Dies bedeutet – wie bereits wiederholt von der Antragsgegnerin und der Kammer betont, dass die volljährigen Söhne des Antragstellers ihre Ansprüche selbstständig geltend machen müssen. Dabei ist nicht entscheidend, ob letztlich die Antragsgegnerin zuständig ist. Es handelt sich um persönliche Ansprüche der Söhne, die diese jedoch nicht geltend machen. Im Hinblick auf die bereits erfolgten Lieferungen an Heizöl – insbesondere im Januar aber auch im Februar 2017 – bestand mehr als ausreichend Zeit zur Verfügung zur Verwirklichung von eigenen Ansprüchen der Söhne.

Eine besondere und unzumutbare Härte – wie vom Antragsteller geltend gemacht – ist im Gesetz insoweit nicht vorgesehen.

Entgegen seiner Auffassung hat der Antragsteller auch keinen Anspruch nach § 43 SGB I gegen die Antragsgegnerin als erstangegangenen Träger. Nach § 43 SGB I kann der zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen und deren Umfang nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmen, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es ist nicht zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer die Leistung zu erbringen hat. Unproblematisch ist für den Antragsteller – um dessen Ansprüche es hier alleine geht – die Antragsgegnerin zuständig. Diese erbringt im Übrigen auch laufende Leistungen. Für die Söhne ist der SGB II-Träger zu-ständig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in analoger Anwendung.
Rechtskraft
Aus
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