L 4 KR 586/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 238/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 586/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die zwingenden Höchstaltersgrenzen in § 27 a Abs. 3 S. 1 SGB V müssen für beide Partner in jedem Behandlungszyklus (Zyklusfall) erfüllt sein.
2. Maßgebender Zeitpunkt ist der Beginn der Behandlung, also in jedem Behandlungszyklus der Zeitpunkt des ersten Zyklustages im Spontanzyklus, des ersten Stimulationstages im stimulierten Zyklus bzw. des ersten Tages der Down-Regulation.
3. Der Gesetzgeber hat einen zum Zeitpunkt der künstlichen Befruchtung höchstens 50-Jährigen als besonders geeignet angesehen, den Kindeswohlbelangen gerecht zu werden.
4. Bei der Altersgrenze für den männlichen Partner ist somit nicht auf das Alter zum Zeitpunkt einer Kryokonservierung abzustellen.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 1. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten für Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung streitig.

Mit Schreiben vom 23.01.2015 beantragten die Kläger unter Vorlage eines Behandlungsplanes vom 22.01.2015 wegen männlicher Fertilitätsstörung die Übernahme der Kosten für eine Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) durch die Beklagte.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 04.02.2015 gegenüber dem Kläger und mit Bescheid vom 09.02.2015 gegenüber der Klägerin diesen Antrag ab, da der Kläger zum Behandlungsbeginn das 50. Lebensjahr bereits vollendet habe. Mit Schreiben vom 03.03.2015 legten die Kläger Widerspruch gegen die ablehnenden Bescheide ein. Es sei richtig, dass heute das männliche Alter über 50 Jahre betrage. Zum Zeitpunkt der Entnahme und Kryokonservierung des Spermas im Jahre 2007 sei dies aber nicht der Fall gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2015 wurde den Widersprüchen nicht abgeholfen. Versicherte hätten Anspruch auf Krankenbehandlung, die u. a. auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft umfasse, wenn nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht dafür bestehe, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt werde, § 27a Abs.1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Durch das Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) sei seit dem 01.01.2004 bestimmt, dass für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet hätten, kein Anspruch auf Leistungen der künstlichen Befruchtung bestehe, § 27a Abs.3 SGB V.

Auf der Grundlage dieser Vorschriften seien Richtlinien (RL) über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung beschlossen worden. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe die Richtlinien des Bundesausschusses als unmittelbar verbindliches und nach außen wirksames Recht erklärt, mit dem die Leistungsansprüche der Versicherten festgeschrieben würden. Nr.4 der RL laute: "Die Maßnahmen nach diesen Richtlinien umfassen solche Leistungen nicht, die über die künstliche Befruchtung hinausgehen wie etwa die Kryokonservierung von Samenzellen, imprägnierten Eizellen oder noch nicht transferierten Embryonen." Gemäß den RL über künstliche Befruchtung müssten die angegebenen Altersgrenzen für beide Partner in jedem Behandlungszyklus (Zyklusfall) zum Zeitpunkt des ersten Zyklus-tages im Spontanzyklus, des ersten Stimulationstages im stimulierten Zyklus bzw. des ersten Tages der Down-Regulation erfüllt sein (Abschnitt 1 Nr. 9.1 der RL über künstliche Befruchtung). Aus Abschnitt 1 Nr. 9.2 der RL über künstliche Befruchtung gehe hervor, dass vor Beginn der Behandlung der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen sei. Dieser müsse auch Angaben zum Geburtsdatum der Ehepartner, zu Indikation(en) gemäß Nr. 11.1 bis 11.5 der RL über künstliche Befruchtung, zur Behandlungsmethode, Art und Anzahl bisher durchgeführter Maßnahmen der künstlichen Befruchtung und den voraussichtlich entstehenden Behandlungskosten einschließlich aller Medikamentenkosten pro Behandlungszyklus (Zyklusfall) enthalten. Die In vitro Fertilisation (IVF) sei eine Methode der künstlichen Befruchtung, die grundsätzlich im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung mit den gesetzlichen Kranken-kassen abgerechnet werden könne. Dies gelte seit dem 01.07.2002 auch für die ICSI.

Die ICSI-Behandlung dürfe zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) allerdings grundsätzlich nur erbracht werden, wenn die männliche Fertilitätsstörung nachgewiesen sei durch zwei aktuelle Spermiogramme im Abstand von mindestens zwölf Wochen, welche abhängig von der Gewinnung des Spermas bestimmte Grenzwerte unterschreite (so genannte andrologische Indikation).

Der Kläger sei 1961 geboren, er habe das 50. Lebensjahr bereits vollendet. Daher bestehe für die Beklagte keinerlei Leistungsmöglichkeit, auch wenn der Arzt die Behandlung befürworte. Der Gesetzestext sei eindeutig. Wenn der Gesetzgeber gewollt hätte, dass Krankenkassen im Ausnahmefall trotz Überschreitens der Altersgrenze eine positive Entscheidung treffen könnten, wäre dies entsprechend in § 27 a SGB V aufgenommen worden. Durch das GMG sollten umfangreiche Einsparungen erzielt werden, so dass bewusst keine Ausnahme formuliert worden sei. Dies bestätige auch die Rechtsprechung. So habe in einem vergleichbaren Fall das BSG mit Urteil vom 24.05.2007, B 1 KR 10/06 R, die Klage eines 1946 geborenen Klägers abgewiesen. Ferner erlaube sich die Beklagte darauf hinzuweisen, dass zur Feststellung der Leistungspflicht das zuvor genannte Antragsverfahren für die Kinderwunschbehandlung zwingend vorgeschrieben sei. Vor Beginn der Behandlung bzw. vor Gewinnung der Spermien im Jahre 2007 sei der Beklagten kein Behandlungsplan im Sinne der RL über künstliche Befruchtung zur Genehmigung vorgelegt worden. Im Übrigen habe der Bundesausschuss die Kryokonservierung aus der vertragsärztlichen Versorgung ausdrücklich ausgeschlossen. Das BSG habe mit Urteil vom 25.05.2000 entschieden, dass die Kosten einer Kryokonservierung und Lagerung von befruchteten Eizellen im Vorkernstadium nicht von der GKV zu übernehmen seien. Die Richter seien zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kryokonservierung nicht der Krankenbehandlung diene. Sie erweise sich auch nicht als Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Zu solchen Maßnahmen würden nur jene medizinisch-technischen, den einzelnen Zeugungsakt (teilweise) ersetzenden Verrichtungen gehören, die unmittelbar der künstlichen Befruchtung dienten. Dass die Kryokonservierung für einen möglichen Wiederholungsfall einer (erfolglosen) Befruchtungsmaßnahme im Einzelfall sinnvoll sein könne, erhebe sie nicht zu einer einklagbaren gesetzlichen Leistung. Auch dem Urteil des BSG vom 22.03.2005, B 1 KR 11/03 R sei zu entnehmen, dass die Kryokonservierung nicht zu den Maßnahmen i.S. von § 27a Abs.1 SGB V gehöre, die unmittelbar dem Zeugungsakt entsprächen und einen einzelnen natürlichen Zeugungsakt der Ehegatten ersetzen sollten. Der Antrag sei nicht zu Unrecht abgelehnt worden, daher komme eine Kostenerstattung gemäß § 13 Abs.3 SGB V nicht in Betracht. Auch eine Kostenübernahme für die Zukunft sei daher nicht möglich.

Die Kläger haben am 12.08.2015 Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben. Die streitgegenständliche Behandlung sei erforderlich. Sie sei medizinisch deswegen notwendig, weil auf Seiten des Klägers eine männliche Fertilitätsstörung vorliege. Hinreichende Erfolgsaussichten für die Behandlung würden bestehen. Das weibliche Alter sei günstig und die weibliche Altershöchstgrenze werde erst am 02.07.2017 erreicht. Die Behandlung solle an einer zugelassenen Einrichtung durchgeführt werden. Die Kläger hätten sich vor Durchführung der Behandlung von einem anderen Arzt gemäß § 27a Abs.1 Nr.5 SGB V beraten lassen.

Die Beklagte mache geltend, dass die männliche Höchstaltersgrenze überschritten sei und beziehe sich dabei auf den Zeitpunkt der Befruchtung. Das kryokonservierte Sperma, welches zur Befruchtung verwendet werde, sei jedoch bereits 2007 gewonnen und konserviert worden, also zu einem Zeitpunkt, als die Altersgrenze noch deutlich unterschritten gewesen sei. Nach Auffassung der Kläger komme es auf jenen Zeitpunkt an. Gesetzlich ungeregelt sei der Umstand, der für die zeitliche Anknüpfung maßgebend sei. Jedenfalls finde sich im Wortlaut des Gesetzes dazu nichts. Der Gesetzgeber habe mit der Normierung der Höchstaltersgrenzen beabsichtigt, das Risiko von Missbildungen zu begrenzen, die bei zunehmendem Alter häufiger werden. Dies hänge aber vorrangig mit dem Alter der Keimzellen zusammen. Kryokonservierte Keimzellen würden im Zustand der Entnahme und des Einfrierens konserviert; der Alterungsprozess werde gestoppt oder unterbrochen. Daher sei vom Zweck des Gesetzes ausgehend auf den Zeitpunkt der Kryokonservierung im Jahr 2007 abzustellen. Damals sei der Kläger 45 Jahre alt gewesen.

Ein weiteres Motiv des Gesetzgebers in Bezug auf die Höchstaltersgrenzen sei die Erfolgsprognose für die Behandlung gewesen. Der Zusammenhang zwischen Erfolgsprognose und Alter sei weitestgehend durch das weibliche Alter geprägt. Ab einem weiblichen Alter von 40 Jahren nehme die statistische Erfolgsprognose ab, nicht dagegen werde die Erfolgsprognose der Behandlung beeinflusst von einem männlichen Altersunterschied. Wenn es somit um die Erfolgsprognose als Anspruchsvoraussetzung gehe, so sei insoweit aus medizinischer Sicht die Höchstaltersgrenze von 50 Jahren irrelevant. Durch die Heranziehung eines irrelevanten, sachlich fehlerhaften und willkürlichen Kriteriums als Anspruchsvoraussetzung seien die Kläger in ihren Rechten verletzt, auch in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Abs.1 und Artikel 3 Abs.1 sowie Artikel 3 Abs.2 und Artikel 3 Abs.3 Grundgesetz (GG). Soweit die Beklagte im Widerspruchsbescheid die Auffassung vertrete, dass Kosten der Kryokonservierung von der Leistung der GKV ausgeschlossen seien, betreffe die dort genannte Rechtsprechung die Kryokonservierung selbst. Daraus folge aber nicht, dass die spätere künstliche Befruchtung mit kryokonserviertem Sperma auch von der Leistung ausgeschlossen wäre.

Mit Gerichtsbescheid vom 01.12.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Widersprüche zu Recht zurückgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe werde nach § 136 Abs.3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgesehen und auf die überzeugenden und ausführlich begründeten Rechtsausführungen der Beklagten in dem Widerspruchsbescheid vom 30.07.2015 verwiesen. Ergänzend sei auf die Ausführungen des BSG zur Altersgrenze für Männer mit der Vollendung des 50. Lebensjahres im Urteil vom 24.05.2007, B 1 KR 10/06 R hinzuweisen, nach der der Gesetzgeber die Ehe einer Frau mit einem zur Zeit der Befruchtung höchstens 50-Jährigen als besonders geeignet ansehen durfte, die mit den erstrebten medizinischen Maßnahmen verbundenen Belastungen und Risiken etwa bei der in Frage stehenden ICSI-Methode auch das erhöhte Risiko einer Fehlbildung des Kindes betreffend gemeinsam zu bewältigen. Die Kammer folge dieser Rechtsprechung des BSG, denn Zweck der oberen Altersbegrenzung gemäß § 27a Abs.3 S.1 SGB V sei nach der Gesetzesbegründung, das Kindeswohl zu wahren. Bei der klägerischen Auffassung, nicht auf den Zeitpunkt der Befruchtung, sondern auf den Zeitpunkt der Spermagewinnung abzustellen, würde für den Zeitpunkt der Befruchtung keinerlei Altersgrenze für den Mann greifen, so dass das Kindeswohl und damit der Gesetzeszweck völlig außer Acht bliebe. Am 18.12.2015 haben die Kläger beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. § 27a SGB V regle zwar die Höchstaltersgrenze, nicht aber die Anknüpfungstatsachen, nach denen die Altersgrenzen zu bestimmen seien. Die Stichtagsregelung knüpfe an diverse Umstände auf weiblicher Seite an, die unter Umständen ganz erhebliche Zeit vor dem Embryotransfer liegen könnten. Übertrage man dies auf die Verhältnisse bei der Spermagewinnung, so würde es hier ebenfalls auf den Zeitpunkt der Gewinnung und nicht den Zeitpunkt der Weiterverwendung ankommen. Kryokonserviertes Sperma altere nicht, seine Eigenschaften seien so, wie zum Zeitpunkt der Entnahme.

Aufgrund der IVF-Behandlung sei es nach zwei Behandlungszyklen (erster Zyklus 2015, zweiter Zyklus 2016) zu einer Schwangerschaft gekommen, der zunächst mit beantragte dritte Behandlungszyklus sei daher nicht mehr notwendig. Am 04.01.2017 sei ein Sohn auf die Welt gekommen.

In der mündlichen Verhandlung am 26.07.2017 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger erklärt, dass die künstliche Befruchtung erst 2015 und nicht bereits 2007 erfolgt sei, weil der Ehemann arbeitslos geworden sei und die Kläger damals noch nicht verheiratet gewesen seien. Er hat vorgetragen, dass der Mann benachteiligt sei, wenn nicht auf das Einfrieren der Samenzellen sondern auf den Beginn der Befruchtung abgestellt werde.

Auf die Niederschrift wird verwiesen.

Die Kläger beantragen, 1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 01.12.2015 aufzuheben, 2. die Bescheide vom 09.02.2015 und vom 04.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2015 aufzuheben, 3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 2.661,38 Euro (erster Behandlungszyklus) sowie weitere 2.393,87 Euro (zweiter Behandlungszyklus) jeweils nebst gesetzlichen Zinsen zu zahlen, 4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 1.009,79 Euro (erster Behandlungszyklus) sowie weitere 976,74 Euro (zweiter Behandlungszyklus) jeweils nebst gesetzlichen Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet. Den Klägern steht ein Anspruch auf die Erstattung der Kosten für die durchgeführten Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht zu.

Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 13 Abs.3 S.1 SGB V in Betracht. Konnte danach die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Der Leistungsanspruch scheitert daran, dass die Beklagte die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt hat (§ 13 Abs.3 S.1 Alt.2 SGB V). Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG, Urteil vom 07.05.2013, B 1 KR 8/12 R).

Zwar umfassen gemäß § 27a Abs.1 SGB V die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn 1. diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind, 2. nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist, wenn 3. die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind, 4. ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und 5. sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a SGB V erteilt worden ist.

Nach Absatz 3 besteht Anspruch auf Sachleistungen nach Absatz 1 jedoch nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben.

Die Regelung zu den Altersgrenzen im Rahmen des § 27a SGB V hat der Gesetzgeber mit dem GMG mit Wirkung zum 01.01.2004 eingeführt (vgl. Bundesgesetzblatt Teil I, 2003, Nr.55, S.2190 ff). Nach der Gesetzesbegründung trägt die Regelung "Höchstalter weiblich 40 Jahre" dem Gesichtspunkt Rechnung, dass bereits jenseits des 30. Lebensjahres das natürliche Konzeptionsoptimum überschritten ist und die Konzeptionswahrscheinlichkeit nach dem 40. Lebensjahr sehr gering ist. Die oberen Altersgrenzen dienen auch einer starken Gewichtung des künftigen Wohls des erhofften Kindes (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und Bündnis 90 /Die Grünen zum GMG, Bt-Drs. 15/1525, Bl.83, Nr.14 Buchst. b).

Die Regelung zur Altersgrenze für Männer verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 GG) und ist auch sonst verfassungsgemäß. Wie das BSG in seinem Urteil vom 24.05.2007, B 1 KR 10/06 R ausgeführt hat, gebietet der allgemeine Gleichheitssatz, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit sei dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletze das Grundrecht nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandle, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigten.

Die Altersgrenze für Männer in § 27a SGB V verletze diese Anforderungen nicht. Sie begründe zwar eine Ungleichbehandlung: Die Überschreitung der Grenze schließe gesetzlich krankenversicherte Eheleute von der Gewährung einer medizinischen Maßnahme nach § 27a SGB V aus, auch wenn im Übrigen die Voraussetzungen gegeben seien. Die Eheleute würden dadurch im Verhältnis zu Paaren, bei denen der Ehemann noch nicht 50 Jahre alt sei, benachteiligt. Sie müssten, wenn sie die gewünschte künstliche Befruchtung vornehmen lassen wollten, deren gesamte Kosten selbst tragen.

Diese unterschiedliche Behandlung sei jedoch sachlich gerechtfertigt. Das Gewicht der Ungleichbehandlung sei beschränkt. § 27a SGB V regle keinen Kernbereich der Leistungen der GKV, sondern begründe einen eigenständigen Versicherungsfall. Der Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung knüpfe nicht an den regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand des versicherten Ehegatten, sondern an die Unfruchtbarkeit des Ehepaares an. Vorausgesetzt werde allein, dass die vorgesehenen Maßnahmen zur Herbeiführung der gewünschten Schwangerschaft erforderlich und nach ärztlicher Einschätzung erfolgversprechend seien. Welche Umstände die Infertilität verursachten und ob ihr eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne zugrunde liege, sei unerheblich. Nicht die Krankheit, sondern die Unfähigkeit des Paares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen und die daraus resultierende Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung bildeten den Versicherungsfall. Betroffen sei ein Grenzbereich zwischen Krankheit und solchen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen eines Menschen, deren Beseitigung oder Besserung durch Leistungen der GKV nicht von vornherein veranlasst sei. Hier habe der Gesetzgeber grundsätzlich die Freiheit, selbst die Voraussetzungen der Gewährung dieser Leistungen der GKV näher zu bestimmen.

Die Sachgründe des Gesetzgebers, hierbei zwecks Ausgabenbegrenzung zum 01.01.2004 eine Altersgrenze für Männer mit der Vollendung des 50. Lebensjahres einzuführen, hätten ein hinreichendes, die Grenzziehung rechtfertigendes Gewicht. Der Gesetzgeber habe die Grenzen seines Einschätzungsermessens, bei dem ihm eine typisierende Betrachtung erlaubt sei, nicht überschritten. Auch bei der Ausgestaltung der Ansprüche aus der GKV dürfe der Gesetzgeber Sachverhalte typisieren oder pauschalieren, ohne dabei für jeden Einzelfall Ausnahmen schaffen zu müssen. Das gelte auch, wenn der Gesetzgeber die Grenzen von Ansprüchen neu gestalte, erst recht aber dann, wenn gerade kein Kernbereich der GKV-Leistungen betroffen sei.

Der Gesetzgeber habe die Ehe einer Frau mit einem zur Zeit der Befruchtung höchstens 50-Jährigen als besonders geeignet ansehen dürfen, die mit den erstrebten medizinischen Maßnahmen verbundenen Belastungen und Risiken - etwa bei der ICSI-Methode auch das erhöhte Risiko einer Fehlbildung des Kindes betreffend - gemeinsam zu bewältigen. Zweck der oberen Altersgrenze für Männer sei nach der Gesetzesbegründung insbesondere, das Kindeswohl zu wahren. Das Kindeswohl sei ein unbestimmter Begriff, der durch die Rechtsprechung eine Konkretisierung gefunden habe. Er meine das Wohlbefinden eines Kindes in körperlicher, geistiger und seelischer Hinsicht. Das Kindeswohl finde seine Ausprägung z.B. in Art.6 Abs.2 GG, sei Ausdruck der Garantie der Würde des Kindes in Art.1 Abs.1 GG sowie seiner Grundrechte und habe damit ebenso wie der allgemeine Gleichheitssatz Verfassungsrang.

Das Bundesverfassungsgericht habe bereits entschieden, dass es mit dem GG vereinbar sei, dass § 27a Abs.1 Nr.3 SGB V die Leistung medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (künstliche Befruchtung) durch die GKV - auch in Würdigung des Kindeswohls - auf Personen beschränke, die miteinander verheiratet seien. Es halte sich danach im Rahmen sachlicher Erwägungen, die auf Dauer angelegte Ehe als besonders geeignet dafür anzusehen, die mit der künstlichen Befruchtung einhergehenden Risiken gemeinsam zu tragen. Im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative habe der Gesetzgeber auch die gewöhnliche Lebenserwartung der Eheleute einbeziehen und typisierend davon ausgehen können, dass mit der 50-Jahres-Grenze jedenfalls bis zum regelmäßigen Abschluss der Schul- und Berufsausbildung des Kindes die Ehe als eine Lebensbasis für das Kind bestehe, die den Kindeswohlbelangen besser Rechnung trage, als die Erziehung und Versorgung nur durch einen (überlebenden) Ehegatten.

Der Gesetzgeber habe sich unter Berücksichtigung der statistischen Lebenserwartung der Eltern und des typischerweise in Betracht kommenden Abschlusses der Schul- und Berufsausbildung des Kindes einer Typisierung bedient, die er in ähnlicher Weise auch in anderen Leistungsbereichen unbeanstandet verwende, etwa bei der Altersgrenze für Kinder in der Familienversicherung in der GKV (§ 10 Abs.2 Nr.3 SGB V: Vollendung des 25. Lebensjahres), für die (Halb)-Waisenrente (§ 48 Abs.4 Nr.2 SGB VI: Vollendung des 27. Lebensjahres ), im Einkommensteuerrecht (§ 32; § 63 EStG: bisher Vollendung des 27., seit 01.01.2007 des 25. Lebensjahres) oder im Kindergeldrecht (§ 2 Abs.2 Nr.2 BKGG: bisher Vollendung des 27., seit 01.01.2007 des 25. Lebensjahres).

Die in § 27a Abs.3 S.1 SGB V angegebenen Höchstaltersgrenzen sind zwingend, es gibt keine Ausnahmen, ein Ermessensspielraum besteht nicht. Sie müssen für beide Partner in jedem Behandlungszyklus (Zyklusfall) erfüllt sein. Maßgebender Zeitpunkt ist der Beginn der Behandlung, also der Einleitung der medizinischen Maßnahmen (vgl. Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB, 06/11, § 27a SGB V, Rn. 21, 21a). Dies ergibt sich aus den vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 27a Abs.4 SGB V i.V.m. § 92 Abs.1 S.2 Nr.10 SGB V beschlossenen RL über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung. Nach 9.1 der RL besteht der Anspruch auf Leistungen zur künstlichen Befruchtung nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben. Der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. Lebensjahr und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Die angegebenen Altersgrenzen müssen für beide Partner in jedem Behandlungszyklus (Zyklusfall) zum Zeitpunkt des ersten Zyklustages im Spontanzyklus, des ersten Stimulationstages im stimulierten Zyklus bzw. des ersten Tages der Down-Regulation erfüllt sein.

Darüber hinaus müssen diese Voraussetzungen von dem Ehepaar als Ganzes erfüllt werden. Die Altersgrenzen nach § 27a Abs.3 S.1 SGB V sind also nur gewahrt, wenn sie im Zeitpunkt der Leistungsinanspruchnahme von beiden Eheleuten eingehalten werden. Die obere Altersgrenze ist demnach nur eingehalten, wenn zu Beginn der Durchführung der Maßnahmen die Ehefrau das 40. und der Ehemann das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (vgl. Gerlach, a.a.O., Rn.21, 21a).

Vorliegend hatte der im Januar 1961 geborene Kläger die männliche Höchstaltersgrenze von 50 Jahren bei Stellung des Antrags auf Übernahme der Kosten für eine ICSI unter Vorlage eines Behandlungsplanes vom 22.01.2015 und zum maßgebenden Zeitpunkt des Beginns der Behandlung bereits weit überschritten.

Entgegen der Ansicht der Kläger ist nicht auf das männliche Alter zu einem anderen Zeitpunkt, nämlich zum Zeitpunkt einer nach Ausführungen der Kläger durchgeführten Kryokonservierung von Spermien im Jahr 2007 abzustellen. Diese Kryokonservierung von Spermien diente einer künftigen künstlichen Befruchtung und war damit offensichtlich nicht Teil bzw. Beginn einer Maßnahme nach § 27a SGB V. § 27a SGB V erfasst nur Maßnahmen der künstlichen Befruchtung, die dem einzelnen Zeugungsakt entsprechen und unmittelbar der Befruchtung dienen. Eine Maßnahme umfasst dabei den zyklusbezogenen extrakorporalen Befruchtungsvorgang samt Eizellenübertragung (vgl. BSG, Urteil vom 25.05.2000, B 8 KN 3/99 KR R). Die Gewinnung von Samenzellen und deren Konservierung, die eine künstliche Befruchtung zu einem späteren Zeitpunkt ermöglichen sollen, sind davon erkennbar nicht umfasst. Sie sind nicht Teil einer Maßnahme nach § 27a SGB V. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus den RL des Bundesausschusses. Dort ist unter Leistungsvoraussetzungen geregelt: "4. Maßnahmen nach diesen Richtlinien umfassen solche Leistungen nicht, die über die künstliche Befruchtung hinausgehen - wie etwa die Kryokonservierung von Samenzellen, ...".

Da die Altersgrenze für beide Partner zu Beginn eines Behandlungszyklus erfüllt sein muss, kann auf den Zeitpunkt der Kryokonservierung von Samenzellen im Jahr 2007, zu dem im Übrigen die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 27a SGB V auch deshalb nicht vorlagen, weil die Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht verheiratet waren, nicht abgestellt werden. Die von Klägerseite vorgetragene Benachteiligung des Mannes ist nicht ersichtlich, denn maßgebender Zeitpunkt für die Bestimmung der Höchstaltersgrenze ist für beide Partner gleichermaßen der Beginn eines Behandlungszyklus.

Auch soweit vorgetragen wird, kryokonserviertes Sperma altere nicht, seine Eigenschaften seien wie zum Zeitpunkt der Entnahme, kommt es auf diesen Vortrag nicht an. Maßgeblicher Zeitpunkt ist - wie dargelegt - der Beginn der konkreten Behandlung. Entgegen der klägerischen Ausführungen kam es im Übrigen dem Gesetzgeber - wie oben dargestellt - auf die statistische Erfolgsprognose einer künstlichen Befruchtung bzw. auf die Rate von Missbildungen bei der Regelung der männlichen Höchstaltersgrenze gerade nicht an. Vielmehr ging es dem Gesetzgeber - wie das BSG in seinem Urteil vom 24.05.2007 ausführlich darstellt - allein um die Wahrung des Kindeswohls. Der Gesetzgeber hat einen zum Zeitpunkt der künstlichen Befruchtung höchstens 50-Jährigen als besonders geeignet angesehen, den Kindeswohlbelangen gerecht zu werden.

Unabhängig vom Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach § 27a SGB V ist für die Beurteilung der Frage, ob die männliche Altersgrenze überschritten ist, daher der maßgebliche Zeitpunkt offensichtlich nicht das Jahr 2007, sondern der Zeitpunkt der Beginn der Maßnahme nach Antragstellung im Jahr 2015. Ein Anspruch auf die Erstattung der Kosten für die durchgeführten Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft kommt daher nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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