L 8 U 1676/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 3896/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 1676/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04.02.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf die Gewährung einer höheren Verletztenrente aufgrund eines am 21.03.2001 erlittenen Arbeitsunfalls hat.

Der 1969 geborene Kläger, der bei der Firma J. in O. als Kraftfahrer versicherungspflichtig beschäftigt war, erlitt am 21.03.2001 einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, bei welchem die linke Hand des angeschnallten Klägers beim Ausklappen des Außenspiegels zwischen seinem (stehenden) Fahrzeug und einem vorbeifahrenden LKW eingeklemmt wurde (vgl. hierzu den Durchgangsarztbericht des Dr. Be. vom 21.03.2011, Bl. 1 der Verwaltungsakte). Durchgangsarzt Dr. Be. diagnostizierte eine starke Prellung D II-V links.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten (zukünftig nur noch Beklagte) erhob sodann das Erste Rentengutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. W. vom 02.10.2002 (Bl. 204 ff. der Verwaltungsakte). Bei dem Kläger bestünde eine leichte Funktionseinschränkung des linken Handgelenks sowie des linken Daumens, eine Beugekontraktur sämtlicher Langfinger, Hypästhesien sämtlicher Langfinger und des Handrückens, Residuen eine abgelaufenen SRD sowie eine Kraftminderung um zwei Drittel. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätze er dauerhaft auf 20 v.H. Nach Beiziehung weiter Unterlagen - u.a. des Berichtes zur Berufsfindung und Arbeitserprobung des Berufsförderungswerkes H. vom 28.01.2003 (Bl. 226 ff. der Verwaltungsakte) sowie des Befundbericht des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. vom 09.09.2003 (Bl. 269 f. der Verwaltungsakte) erhob die Beklagte zudem das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Ba. vom 27.10.2003 (Bl. 307 ff. der Verwaltungsakten). Der Kläger leide unter einer anhaltenden phobischen posttraumatischen Belastungsreaktion mit zunehmender Generalisierungstendenz. Die MdE betrage für die Zeit vom 23.10.2003 bis 20.03.2004 20 v.H., vom 21.04.2004 bis 23.10.2004 10 v.H. und für die Zeit danach 0. In einem erneuten Gutachten des Dr. W. vom 05.12.2003 (Bl. 346 der Verwaltungsakte) schätzte dieser die MdE auf orthopädischem Fachgebiet auf 20 v.H.

Mit Bescheid vom 09.01.2004 (Bl. 367 ff. der Verwaltungsakte) erkannte die Beklagte das Ereignis vom 21.03.2001 als Arbeitsunfall an und gewährte den Kläger eine Rente auf unbestimmte Zeit ab dem 23.10.2003 nach einer MdE von 30. Als Folgen des Arbeitsunfalls legte sie dabei eine posttraumatische Belastungsstörung, eine Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk, eine Bewegungseinschränkung des linken Daumens und eine Beugekontraktur der Langfinger links mit Streckdefizit sowie eine Kraftminderung der linken Hand mit verminderter Grob- und Feinmotorik zu Grunde. Nicht als Folgen des Arbeitsunfalls wurden die degenerativen Veränderungen der linken Schulter anerkannt.

Nachdem sich der Kläger wegen Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitslebens an die Beklagte gewandt hatte, zog diese einen Befundbericht des Dipl.-Psych. M. bei. Dieser teilte mit (Bericht vom 17.06.2004, Bl. 397 ff. der Verwaltungsakte), die Stabilisierungsbehandlung habe gut angeschlagen, der Kläger sei gut über seine Störung und die auftretenden Symptome informiert. Erste Anzeichen der Chronifizierung hätten gestoppt werden können. Die sich ständig wiederholenden Begehren nach Begutachtungen führten jedoch immer wieder zu zustandsverschlechternden Rückschlägen.

Die Beklagte erhob sodann das Gutachten des PD Dr. Se. - Leiter der Sektion Psychotraumatologie der Psychosomatischen Universitätsklinik H. - vom 27.08.2004 (Bl. 421 der Verwaltungsakte). Gegenüber PD. Dr. Se. gab der Kläger an, er sei bei dem Unfall immer weiter aus dem Auto herausgezogen worden und habe in diesem Moment "Todesangst pur" erlitten, wobei Bilder von seiner Kindheit, Jugendzeit und der Bundeswehrausbildung vor seinem inneren Auge abgelaufen seien. PD Dr. Se. teilte mit, bei dem Kläger bestünde eine schwere chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung. Der Zustand habe sich gemessen an der Einschätzung des Arztes Ba. verschlechtert. Aufgrund der starken psychischen Belastung schätze er die MdE auf 100 v. H. für einen Zeitraum von zwei Jahren.

Die Beklagte holte hierzu die beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dipl.-Psych. F. vom 22.11.2004 ein (Bl. 470 ff. der Verwaltungsakte). Dieser gab an, dass sich die MdE-Einschätzung des PD Dr. Se. maßgeblich auf die massive Beeinträchtigung durch die finanzielle Situation abstelle, welche sicher nicht Grundlage für eine Bescheiderteilung sein könne. Es zeige sich, dass Situationen vorhanden seien, die nicht primär mit dem Unfallereignis im Zusammenhang stünden. Insofern könne man eine MdE von 100 v.H. nicht annehmen, er empfehle eine MdE von 50 v.H.

Am 10.03.2005 beantragte der Kläger im Hinblick auf das Gutachten des PD. Dr. Se. die Gewährung einer höheren Verletztenrente (Bl. 485 der Verwaltungsakte).

Die Beklagte zog daraufhin ein Gutachten der Bundesagentur für Arbeit vom 10.02.2005 (Bl. 498 der Verwaltungsakte), Zwischenberichte des Dipl. Psych. M. vom 21.10.2005 (Bl. 519 der Verwaltungsakte), vom 01.02.2007 (Bl. 557 der Verwaltungsakte) sowie ein im Verfahren gegen die damalige Landesversicherungsanstalt Baden wegen einer Erwerbsminderungsrente erstelltes nervenärztliches Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 07.06.2005 (Bl. 560 ff. der Verwaltungsakte). Dr. B. gab an, der Kläger leide unter einer posttraumatischen Bewegungseinschränkung im Bereich der linken Hand (partielle Beugekontraktur der Langfinger) nach Quetschung 3/01 ohne richtungsweisende primär neurologische Symptomatik sowie einer akzentuierten Unfallverarbeitung, jetzt dabei ganz im Vordergrund ein von Versorgungswünschen bestimmtes Verhalten.

Die Beklagte erhob sodann das Gutachten der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N.-B. sowie des Psychologischen Psychotherapeuten Dr. A. vom 25.06.2007 (Bl. 621 ff. der Verwaltungsakte). Nach mehr als 5-jähriger ambulanter Therapie bei einem psychotraumatologisch arbeitenden Behandler sei der Kläger mit den entsprechenden Begrifflichkeiten, mit den Konzepten und Einschätzungen so vertraut, dass eine Querschnittserhebung des psychischen Befundes deutlich erschwert sei. Mit diesen Einschränkungen, insbesondere der schwierigen Beurteilung der Authentizität der Beschreibungen und Aussagen, sei vom Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung auszugehen. Die von PD Dr. Se. aus dem Gesundheitsschaden und dessen Therapieresistenz abgeleitete Beurteilung der MdE in Höhe von 100 v.H. weiche in sehr beachtlichem Maße von den in der Gutachtenliteratur diskutierten Sätzen ab und kontrastiere zu der Einschätzung des Klägers, wonach dieser unter Annahme einer gelingenden Veränderungsprozesses in der Sicherheitsbranche, als Rettungsassistent oder Flugrettungsassistent arbeiten wolle.

Die Beklagte holte hierzu die beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dipl.-Psych. F. vom 29.12.2007 ein (Bl. 722 der Verwaltungsakte). Es sei kritisch zu hinterfragen, ob das Eingangskriterium für die Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung bei dem Unfallereignis, nämlich dem Einklemmen einer Hand durch einen nah vorbeifahrenden LKW, überhaupt erfüllt sei. Aufgrund des langjährigen Verlaufes müsse man auch fragen, inwieweit eine Änderung der Wesensgrundlage eingetreten sei und chronifizierte Beschwerden in der Persönlichkeit und Entschädigungswünsche eine wesentliche Rolle spielten. Es bestehe derzeit keine messbare MdE unfallabhängig.

Mit Bescheid vom 11.04.2008 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rentenerhöhung ab (Bl. 745 ff. der Verwaltungsakte). Die dem Bescheid vom 09.01.2004 zu Grunde liegenden Verhältnisse hätten sich nicht wesentlich geändert. Die seitens der psychosomatischen Universitätsklinik H. im dortigen Gutachten vom 27.08.2004 beschriebene Verschlimmerung und Chronifizierung der posttraumatischen Belastungsstörung könne nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht objektiviert werden.

Am 29.04.2008 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch (Bl. 755 der Verwaltungsakte) und führte zur Begründung an, die Renten-Gutachten des Dr. B. - auf welche sich auch die Beklagte stütze - seien nach Kenntnis des Prozessbevollmächtigte allzu oft negativ, es erfolgten im Detail befremdliche Tatsachenerhebungen und anschließende Gerichtsverfahren führten oft zu anderen Ergebnissen. Erforderlich sei daher eine gründliche Analyse der umfangreichen ärztlichen Befunde. Eine Teil-MdE von 10 v.H. sei jedenfalls wesentlich zu niedrig.

Die Beklagte erhob sodann das Gutachten der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Br. vom 25.08.2009 (Bl. 804 ff der Verwaltungsakte). Bei dem Kläger bestehe eine chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung (mittelschwer). Die MdE werde ab dem 01.04.2005 unter Berücksichtigung der Chronifizierung auf 40 v.H. eingestuft. Das A-Kriterium sei erfüllt.

Die Beklagte holte hierzu die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Dipl.-Psych. F. vom 14.10.2009 (Bl. 831 der Verwaltungsakte). Dieser teilte mit, dass unter Berücksichtigung eines Entschädigungsbegehrens und aggravatorischen Tendenzen, welche auch von der Gutachterin Dr. Br. selbst beschrieben würden, die Bewertung mit einer MdE von 40 v.H. nicht nachvollziehbar sei. Das Kriterium A2, die Betäubung und massive seelische Beeinträchtigung in der Anfangsphase sei nicht dokumentiert.

Im Rahmen einer Heilverfahrenskontrolle teilte der Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. H. mit (Stellungnahme vom 18.06.2013, Bl. 917 der Verwaltungsakte), bei dem Kläger bestünden folgende Diagnosen: chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung, chronifizierte Agoraphobie mit Panikstörung, chronifizierte mittelgradige depressive Episode, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie ein Z.n. Quetschverletzung der linken Hand mit eingeschränkter Beweglichkeit und Belastbarkeit. Im Rahmen einer ersten Begutachtung durch PD. Dr. Se. , an der er - Dr. H. - als Assistent beteiligt gewesen sei, habe man die MdE, aus heutiger Sicht zu hoch, auf 100 v.H. eingeschätzt. Es sei sodann eine Verhaltenstherapie durch ihn, Dr. H. , durchgeführt worden. Er schätze die MdE nunmehr auf 60 v. H ... Unter Berücksichtigung einer MdE von 20 v.H. für die Quetschverletzung der linken Hand betrage die Gesamt-MdE 70 v.H.

Mit Bescheid vom 27.08.2013 half die Beklagte dem Widerspruch ab und gewährte dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 v.H. für die Zeit ab dem 01.09.2004 (Bl. 925 ff. der Verwaltungsakte). Die dem Bescheid vom 09.01.2004 zu Grunde liegenden Verhältnisse hätten sich wesentlich verändert. Es bestünden zunehmende psychische Beschwerden im Rahmen einer Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik und einer somatoformen Schmerzstörung. Die Entscheidung stütze sich auf das Ergebnis der Untersuchung durch Dr. H ...

In der Zeit vom 28.11.2013 bis 24.12.2013 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in den W.-Z. Kliniken (vgl. hierzu den Entlassbericht vom 14.01.2014, Bl. 986 ff. der Verwaltungsakte).

Am 13.02.2014 stellte der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, einen "Neufeststellungantrag" (Bl. 971 der Verwaltungsakte). Die Voraussetzungen von § 44 SGB X lägen vor. Ausweislich des Gutachtens des Dr. H. werde eine Gesamt-MdE von 40 empfohlen, der Bescheid sei daher zu korrigieren.

Die Beklagte holte sodann die beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. vom 19.04.2014 ein (Bl. 996 ff. der Verwaltungsakte). Dieser gab an, der von dem Kläger erlittene Unfall sei nach den geltenden Kriterien nicht geeignet eine posttraumatische Belastungsreaktion zu begründen. Bei intensiver Überschneidung der chirurgischen und der psychischen Unfallfolgen sei eine MdE von 40 v.H. angemessen.

Mit Bescheid vom 12.05.2014 (Bl. 1004 ff. der Verwaltungsakte) lehnte es die Beklagte ab, die Verletztenrente abweichend von dem Bescheid vom 27.08.2013 neu festzustellen. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X lägen nicht vor.

Den hiergegen am 16.06.2014 erhobenen Widerspruch (Bl. 1026 f. der Verwaltungsakte), mit welchem der Kläger sein Vorbringen wiederholte und eine Stellungnahme des Dr. Wa. vorlegte (Bl. 1053 der Verwaltungsakte), wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2014 (Bl. 1072 ff. der Verwaltungsakte) zurück.

Am 12.12.2014 erhob der Kläger hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Mannheim (SG). Zur Begründung trug er vor, bei Erlass des Verwaltungsaktes vom 27.08.2013 sei von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden. Die Entscheidung der Beklagten erscheine widersprüchlich, wenn die Beklagte ihre Entscheidung auf die Einschätzung von Dr. H. stütze, dessen Diagnosen jedoch zu einem großen Teil überhaupt nicht berücksichtige. Die Beklagte folge tatsächlich der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. S. , der jedoch den Kläger nie gesehen habe. Er habe sich daher schwerlich ein aussagekräftiges Bild von dessen Gesundheitszustand machen können. Darüber hinaus überzeugten die Ausführungen auch inhaltlich nicht. Er verkenne, dass die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht von Dr. H. sondern auch von anderen Ärzten gestellt worden sei. Insbesondere könne insoweit auf den Entlassbericht der W.-Z. -Kliniken verwiesen werden, den Dr. S. nicht gewürdigt habe. Auch bei der Entscheidung durch die Beklagte sei dieser nicht berücksichtigt worden, was eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes darstelle.

Der Kläger legte zudem das psychotherapeutische Attest des Dr. Wa. vom 01.02.2015 vor (Bl. 20 der SG-Akte), welcher die MdE auf 70 v.H. schätze.

Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts erhob das SG das nervenärztliche Gutachten des Arztes für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie des Prof. Dr. D. vom 15.09.2015 (Bl. 47 ff. der SG-Akte), der den Kläger am 20.05.2015 sowie am 01.07.2015 persönlich untersuchte. Auf psychiatrischem Fachgebiet könne bei dem Kläger gegenwärtig keine Diagnose mit ausreichender diagnostischer Sicherheit gestellt werden. Er habe bei der Untersuchung zwar eine Vielzahl von psychischen Beschwerden angegeben, die Validität der Beschwerden sei wegen einer deutlichen Aggravationstendenz jedoch stark eingeschränkt. Der Unfallhergang könne das A-Kriterium der posttraumatischen Belastungsstörung zweifellos nicht erfüllen. Auch der Verlauf der Symptomentwicklung sei mit dieser Diagnose nicht kompatibel. Die von dem Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet geklagten Beschwerden könnten nicht mit der notwendigen diagnostischen Sicherheit auf das Unfallereignis am 21.03.2001 zurückgeführt werden.

Mit Urteil vom 04.02.2016 wies das SG die Klage ab und stützte sich dabei auf das Gutachten des Prof. Dr. D ...

Gegen das seiner Prozessbevollmächtigten am 07.04.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.05.2016 Berufung zu dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend führt er an, das SG sei zwar sehr ausführlich auf das Gutachten des Prof. Dr. D. eingegangen, eine Auseinandersetzung mit den für ihn günstigen Befunden fehle hingegen beinahe völlig. Dies betreffe nicht nur die Bewertung durch Dr. H. sondern auch den Entlassbericht der W. -Z. Kliniken und das Gutachten der Dr. Br.

Der Kläger beantragt - sachdienlich gefasst,

das Urteil des SG Mannheim vom 04.02.2016 sowie den Bescheid vom 12.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12.11.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11.04.2008 in der Gestalt des Abhilfebescheides vom 27.08.2013 zu verurteilen, dem Kläger eine Verletztenrente nach eine MdE von 70 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie auf die Ausführungen des SG Bezug.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Bl. 33 der Senatsakte sowie Bl. 34 der Senatsakte).

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch unbegründet.

Das SG hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 04.02.2016 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 12.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2014, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger unter Abänderung des Bescheids vom 11.04.2008 in der Gestalt des Abhilfebescheids vom 27.08.2013 Verletztenrente nach einer MdE von 70 v.H. zu gewähren, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abänderung des bestandskräftigen Bescheids nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und auf die Gewährung einer höheren Verletztenrente.

Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG oder nach Wahl des Versicherten mit der Feststellungsklage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (vgl. BSG 05.07.2011 B 2 U 17/10 R, BSGE 108, 274 und BSG 27.04.2010 B 2 U 23/09 R). Einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, bedarf es in einem Gerichtsverfahren zur Überprüfung eines Verwaltungsakts nach § 44 SGB X nicht. Es kann deshalb mit der Anfechtungsklage gegen den eine Zugunstenentscheidung ablehnenden Bescheid zugleich die Aufhebung des früheren, dem Klageanspruch entgegenstehenden (Ausgangs-)Bescheides unmittelbar durch das Gericht verlangt werden (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18; LSG Baden-Württemberg 25.01.2013 - L 8 U 4645/11 -, juris).

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr. 15; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29). Auch wenn der Versicherte schon wiederholt Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X gestellt hat, darf die Verwaltung einen erneuten Antrag nicht ohne Rücksicht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen. Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss sie in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18 m. w. H.). Dabei ist innerhalb des Zugunstenverfahrens maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des zur Überprüfung gestellten Bescheides der Zeitpunkt seines Erlasses (vgl. Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 44, RdNr. 24 i.V.m. RdNr. 9). Zur Beurteilung der Fehlerhaftigkeit des streitgegenständlichen Bescheids kommt es im Übrigen nicht auf den Stand der Erkenntnis bei Erlass, sondern bei Überprüfung an. Erforderlich ist dazu eine rückschauende Betrachtungsweise im Lichte einer - eventuell geläuterten - Rechtsauffassung zu der bei Erlass des zu überprüfenden Verwaltungsaktes geltenden Sach- und Rechtslage. In diesem Sinne beurteilt sich die Rechtswidrigkeit nach der damaligen Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht (vgl. Schütze, a.a.O., RdNr. 10 m.w.N.).

Unabhängig von der Frage, inwieweit der Rechtsprechung zu einem abgestuften Prüfungsverfahren gefolgt werden kann, ist maßgebend, dass § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwei Alternativen anführt, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel und ein abgestuftes Verfahren, wie oben dargestellt, ankommen. Bei der ersten Alternative handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss (vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 18).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten rechtlich zutreffend die begehrte Abänderung des bestandskräftigen Bescheids vom 11.04.2008 in der Gestalt des Abhilfebescheides vom 27.08.2013 abgelehnt worden. Die Beklagte hat bei Erlass dieses Bescheids weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich aus heutiger Sicht als unrichtig erweist.

Zwischen den Beteiligten ist insoweit unstreitig, dass der Kläger am 21.03.2001 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Die Beklagte hat einen solchen bestandskräftig mit Bescheid vom 09.01.2004 festgestellt. Sie hat zugleich eine posttraumatische Belastungsstörung, eine Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk, eine Bewegungseinschränkung des linken Daumens und eine Beugekontraktur der Langfinger links mit Streckdefizit sowie eine Kraftminderung der linken Hand mit verminderter Grob- und Feinmotorik als Unfallfolge anerkannt. Mit dem hier zu überprüfenden Bescheid vom 11.04.2008 in der Gestalt des Abhilfebescheides vom 27.08.2013 hat die Beklagte als Unfallfolge eine Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik und eine somatoforme Schmerzstörung anerkannt. Der Senat kann insoweit offenlassen, ob diese Unfallfolge neben die bereits mit Bescheid vom 09.01.2004 als Unfallfolge festgestellte posttraumatische Belastungsstörung treten (wovon wohl die Beteiligten ausgehen, s. auch Vermerk der Beklagten vom 08.10.2014, Bl. 1069 der Verwaltungsakte) oder diese ersetzen sollte, denn er konnte sich jedenfalls nicht davon überzeugen, dass ein Anspruch auf die Gewährung einer höheren Verletztenrente besteht. Soweit der Kläger auf die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung abstellt, konnte der Senat bereits nicht feststellen, dass diese Unfallfolge zulasten des Klägers rechtswidrig nicht mehr festgestellt wurde bzw. etwaige hieraus ableitbare Funktionseinschränkungen, die für die Bemessung der unfallbedingten MdE allein ausschlaggebend sind, zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sind.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern (§ 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII ). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird die Vollrente geleistet, bei einer MdE wird eine Teilrente geleistet, die in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt wird, der der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).

Die Bemessung der MdE wird vom BSG in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; BSG Urteil vom 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Die Erfahrungswerte bilden in der Regel die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet, die aber nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 23 und 27; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8; BSG Urteil vom 18.03.2003 - B 2 U 31/02 R -; BSGE 93, 63 = SozR 4-2700 § 56 Nr. 1; Burchardt in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, Stand 2005, § 56 RdNr 71). Die Feststellung der Höhe der MdE als tatsächliche Feststellung erfordert stets die Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG (BSG, Urteil vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R - veröffentlicht in juris m. H. auf BSG, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8; Urteil vom 18.03.2003 a.a.O.).

Die unfallmedizinischen Bewertungsgrundsätze sind als Grundlage für die gleiche und gerechte Bewertung in allen Parallelfällen heranzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1), denn diese allgemein anerkannten arbeitsmedizinischen Erfahrungssätze bewirken nach dem grundgesetzlichen Gleichbehandlungsgebot über die daraus folgende Selbstbindung der Verwaltung die gebotene Gleichbehandlung aller Versicherten in allen Zweigen der gesetzlichen Unfallversicherung. Abweichungen von den zulässigerweise pauschalisierten Bewertungskriterien sind rechtlich nur dann geboten, wenn die zu bewertende funktionelle Beeinträchtigung des verletzten Organs von dem in der versicherungsrechtlichen und unfallmedizinischen Literatur vorgegebenen, einschlägigen Bewertungsansatz nicht oder nicht vollständig erfasst wird (vgl. Senatsurteil vom 25.10.2013 - L 8 U 2828/12, juris). Auch für den Bereich der psychischen Erkrankungen haben sich Eckwerte für die MdE-Bewertung entwickelt. Diesen kommt jedoch nicht die Qualität anerkannter "allgemeiner Erfahrungswerte" zu, da sie noch keine wiederkehrende Anerkennung bzw. Akzeptanz erfahren (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 169). Derzeit findet im Hinblick auf die MdE-Bewertung von psychischen Erkrankungen zudem eine wissenschaftliche Diskussion darüber statt, welches Bewertungssystem zu Grunde zu legen ist (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, in: MedSach 6/2015, S. 255 ff; Stevens/Grüner, Die MdE bei psychischen Störungen, in: MedSach 1/2017, S. 15 ff.).

Maßgebend für die Bewertung der MdE sind - auch bei psychischen Erkrankungen - die Funktionsstörungen und deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen im Erwerbsleben. Zwar bilden festgestellte und eindeutig nach gängigen Diagnosesystemen konkret zu bezeichnende Krankheiten (BSG Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr. 22) die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens zu beurteilen ist (BSG Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 50/02 R - juris RdNr 23; BSG Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, RdNr. 22). Aus der bloßen Diagnose allein lassen sich jedoch noch keine Schlussfolgerungen ziehen. In Bezug auf das erwerbsrelevante (Rest-)Leistungsvermögen sind bei psychischen Erkrankungen vielmehr drei Dimensionen maßgebend und jeweils zu bewerten: psychisch-emotionale (z.B. durch Ängste, Zwänge, depressive Kognitionen), sozial-kommunikative (z.B. durch Rückzugsverhalten, Gereiztheit, Misstrauen) und körperlich-funktionelle (z.B. funktionelle Lähmungen, Behinderungen durch somatoforme Schmerzen, reduzierte Konzentrations- auf Aufmerksamkeitsleistungen) Beeinträchtigungen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 169, Philipp, a.a.O., S. 255).

Unter Heranziehung dieser Maßstäbe konnte der Senat weder im Hinblick auf die als Unfallfolge angenommene Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik und einer somatoformen Schmerzstörung noch im Hinblick auf eine posttraumatische Belastungsstörung (sofern man annimmt, dass diese neben die Anpassungsstörung tritt) Funktionsstörungen feststellen, die eine höhere Teil-MdE als 20 v.H. ab 01.09.2004 rechtfertigt.

Bei der Untersuchung durch Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. am 02.06.2005 (vgl. Gutachten vom 07.06.2005, welches im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden kann), war der Kläger bewusstseinsklar, sicher in allen Qualitäten orientiert, im Denken formal geordnet. Auch in der langen Exploration blieben Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit, Gedächtnis und Aufmerksamkeit völlig ungestört. Der Kläger war hellwach, präsent, je nach Angesprochenem auch durchaus schlagfertig in den Bemerkungen, flexibel im Gedankengang, auch länger zurückliegend anfangs Gesagtes noch einmal selbst aufgreifend. Die Antriebslage war völlig normal. Je nach angesprochenem Thema zeigte der Kläger auch eine regelrechte affektive und psychomotorische Resonanz. Die Angaben zur Alltags- und Freizeitgestaltung ließen kein aktives Vermeidungsverhalten erkennen. Auch ein sozialer Rückzug, etwa Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit gegenüber der Umgebung oder wesentliche Einschränkungen der Erlebnisfähigkeit wurden nicht erkennbar. Hieraus ergeben sich weder Einschränkungen auf psychisch-emotionaler, sozial-kommunikativer noch auf körperlich-funktioneller Ebene. Dr. B. kam in dem für die Rentenversicherung erstatteten Gutachten daher überzeugend zu dem Ergebnis, dass keine psychisch begründbaren quantitaven und qualitativen Leistungseinschränkungen vorliegen, wobei er die Frage, ob unfallabhängige oder vorbestehende Persönlichkeitsakzentuierungen bzw. biographische Störfaktoren vorliegen, ausdrücklich offen gelassen hat, denn für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung müsse dies nicht diskutiert werden.

Auch im Hinblick auf die Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch Prof. Dr. D. und Prof. Dr. Schw. konnte der Senat nicht feststellen, dass entsprechende Einschränkungen bei dem Kläger vorliegen. Es bestand eine deutliche Diskrepanz zwischen der Schilderung seiner Beschwerden und dem psychopathologischen Befund. Zwar wurden schwere soziale Ängste und Hemmungen vor anderen Menschen, eine massive Schreckhaftigkeit, eine schwere Angstsymptomatik, schwere Konzentrationsstörungen und ein massiver Antriebsmangel beschrieben, waren aber während der Untersuchung nicht oder allenfalls kaum nachvollziehbar. Es fand sich während der Untersuchung kein Anhalt für Zwänge und Phobien, ebenfalls war kein traumaspezifisches Vermeidungsverhalten erkennbar. So war der Kläger in der Lage, seine Vorgeschichte und seine gesundheitliche Problematik inklusive des Unfalls ausführlich und detailreich zu berichten. Verdeutlichungs- und Aggravationstendenzen zeigten sich übereinstimmend bei der neurologischen Untersuchung, der Erhebung des psychischen Befunds und auch in einem Teil der psychologischen Testverfahren zur Beschwerdevalidierung. So stimmte im Trail-Making-Test der erste Subtest mit dem klinischen Untersuchungsbefund überein, das Ergebnis im zweiten Subtest war hingegen unplausibel. Wäre das Ergebnis valide, würde dies bedeuten, dass der Kläger eine schlechtere Leistung erbringen würde als Menschen mit schweren Hirnschädigungen. Das Ergebnis stimmte jedoch nicht mit der klinischen Untersuchung überein, in der sich keine schwerwiegenden Konzentrationsdefizite zeigten.

Aggravationstendenzen wurden bereits durch Dr. B. in seinem Gutachten vom 07.06.2005 ausführlich beschrieben und auch von Dr. Br. in ihrem Gutachten vom 25.08.2009 erwähnt.

Der Senat konnte damit nicht feststellen, dass bei dem Kläger Funktionseinschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet vorliegen. Gelingen eindeutige Feststellungen nicht, trägt der Betroffene die Folgen der Nichtaufklärbarkeit seelischer Störungen, ihrer Unüberwindbarkeit aus eigener Kraft und ihrer Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit (LSG Hessen, Beschluss vom 17.07.2003 - L 3 U 36/02, juris).

An dieser Beurteilung ändert weder das Gutachten des PD. Dr. Se. noch das Gutachten der Dr. N.-B. und des Dr. A. , das Gutachten der Dr. Br. oder die Stellungnahme des Dr. H. etwas. Der Senat konnte sich auch unter Berücksichtigung der genannten Gutachten nicht davon überzeugen, dass bei dem Kläger Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die eine höhere Teil-MdE als 20 rechtfertigen.

Aus den dortigen Diagnosen allein kann dabei noch nichts für die Bewertung der MdE abgeleitet werden. Soweit in den genannten Gutachten Funktionsbeeinträchtigungen dargestellt werden, stützen sich diese weitgehend auf die Schilderungen des Klägers. Befund- und Befindlichkeitsangaben werden vermischt. So hat PD Dr. Se. den vom Kläger geschilderten Unfallhergang übernommen, ohne diesen mit der in der Akte unmittelbar im Anschluss an den Unfall geschilderten Hergang abzugleichen und sich im Hinblick auf die Todesangst mit dem Widerspruch auseinanderzusetzen. Weiter setzt er sich weder mit der Frage auseinander wie der Kläger trotz der bei ihm geschilderten Phobien vor LKW weiterhin Auto fahren kann noch wie der Kläger noch im Jahr 2002 einen Eignungstest bei der Polizei bestehen konnte. Auch die übrigen Gutachter äußern sich hierzu nicht. Eine testpsychologische Validierung wurde nicht durchgeführt, obwohl insbesondere auch Dr. Br. Aggravationstendenzen beschrieben hat. Gleiches gilt für Dr. N. und Dr. A. , welche darauf hingewiesen haben, dass der Kläger nach mehr als 5-jähriger ambulanter Therapie bei einem psychotraumatologisch arbeitenden Behandler mit der entsprechenden Begrifflichkeit, mit den Konzepten und Einschätzungen so vertraut sei, dass eine Querschnittserhebung des psychischen Befunds deutlich erschwert sei. Darüber hinaus setzen sich die Gutachter auch nicht damit auseinander, dass der Kläger selbst die Erwartung äußerte, in der Sicherheitsbranche, als Rettungsassistent oder Flugrettungsassistent arbeiten zu können. Für beide Gutachter und auch für Dr. H. hätte aufgrund des für sie ersichtlichen Akteninhalts Anlass bestanden, zu den Aggravationstendenzen des Klägers konkret und näher Stellung zu nehmen, zumal die eigenen Schilderungen der Beschwerden keine tragfähige Grundlage für die Feststellung einer psychischen Störung sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Seite 161). Gegen eine stärkere Beeinträchtigung spricht auch, dass der Kläger bis zu seinem Aufenthalt in den W.-Z. -Kliniken lediglich mit einem pflanzlichen Antidepressivum (Johanniskraut) behandelt wurde. Sowohl bei PD Dr. Se. als auch bei Dr. H. handelt es sich zudem um behandelnde Ärzte des Klägers.

Auch der Entlassbericht der W.-Z. -Kliniken vom 14.01.2014 ändert an dieser Beurteilung nichts. Die Behandler hatten weder Kenntnis von den unterschiedlichen Darstellungen des Tathergangs noch von den übrigen medizinischen Unterlagen, die auf Aggravationstendenzen hinweisen und haben sich dementsprechend auch nicht mit diesen Widersprüchen auseinandergesetzt. Soweit in dem Entlassbericht Funktionsbeeinträchtigungen beschrieben werden, konnte sich der Senat unter Berücksichtigung des Gutachtens des Prof. D. und des Prof. Dr. Schw. nicht davon überzeugen, dass es sich dabei um anhaltende Einschränkungen handelt. Soweit der Kläger im Rahmen des Aufenthalts Fragen nur noch mit "Ja" beantwortete, zeigten sich entsprechende Leistungsbeeinträchtigungen bei keinem anderen Gutachter.

Für den Senat haben sich daher aus dem Gutachten von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. Schw. , das sich auf die Untersuchung des Klägers am 20.05.2015 und 01.07.2015 stützt, zeitnah zu der von der Beklagten mit Bescheid 27.08.2013 festgesetzten Rentenerhöhung ab 01.09.2014 keine hinreichend gesicherten, auf eine psychiatrische Erkrankung zurückführbaren Funktionseinschränkungen ergeben. Dieser Befund und die Einschätzung dieses Gutachtens vom 15.09.2015 stimmt mit dem Ergebnis des Gutachtens von Dr. B. vom 07.06.2005 überein, der den Kläger am 02.06.2005 untersucht hatte, weshalb der Senat einen durchgehenden unveränderten Beschwerdeverlauf hat annehmen können.

Es bedurfte deshalb auch keiner näheren Differenzierung, inwieweit auf die als Unfallfolgen anerkannte somatoforme Schmerzstörung und die Anpassungsstörung/posttraumatische Belastungsstörung mit depressiver Symptomatik beziehbare spezifische Funktionseinschränkungen vorliegen. Soweit der Kläger durch sein aggravierendes Verhalten die medizinische Feststellung etwaiger tatsächlich vorhandener psychisch bedingter Leistungseinschränkungen durch die begutachtenden Ärzte möglicherweise verhindert hat, war der Senat nicht gehalten, insoweit weitere Aufklärung zu betreiben. Belastbare Anhaltspunkte für eine tatsächlich vorhandene Funktionseinschränkung ergeben sich aus den überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. D. und Dr. B. nicht, weshalb sich der Senat auch nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt gesehen hat.

Anhaltspunkte für eine höhere Bewertung der MdE im Hinblick auf die unfallchirurgische Unfallfolgen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Senat konnte somit eine höhere unfallbedingte MdE als 40 v.H. nicht feststellen.

Die Berufung gegen das Urteil des SG Mannheim war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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