Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 467/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragssteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Vom 01.03.2010 bis zu seiner Exmatrikulation am 27.01.2017 war der 1985 geborene Antragssteller Studierender und wohnte mietfrei im Dachgeschoss des im Eigentum seiner Eltern stehenden Wohnhauses in der Estraße in I.
Am 15.12.2016 beantragte der Antragsteller erstmals (zum 01.01.2017) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beim Antragsgegner. In der Anlage Haushaltsgemeinschaft des Antragsvordruckes wurde durch den Sachbearbeiter des Antragstellers bei einer persönlichen Vorsprache am 30.01.2017 eingetragen, ob sich der Antragsteller an den Kosten der Unterkunft beteilige sei noch in Klärung. Unter dem 06.02.2017 forderte der Antragsgegner den Antragsteller unter anderem zur Vorlage eines Mietvertrages und einer Vermieterbescheinigung auf.
Mit Bescheid vom 08.02.2017 wurden dem Antragssteller Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 27.01.2017 bis zum 30.06.2017 ohne Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt.
Am 20.02.2017 legte der Antragsteller eine Anlage zur Feststellung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung sowie einen auf den 27.01.2017 datierten, mit seinem Vater, Herrn Y, geschlossenen "Untermietvertrag" über die oben genannten Räumlichkeiten zum 27.01.2017 vor. Der Antragssteller und sein Vater vereinbarten danach eine monatliche Grundmiete von 300 EUR, eine monatliche Heizkostenvorauszahlung von 75 EUR sowie kalte Nebenkosten von 50 EUR monatlich.
Der Ermittlungsdienst des Jobcenters Kreis I. stellte im Rahmen eines Außentermins am 15.03.2017 fest, dass die Räumlichkeiten des Antragsstellers im Dachgeschoss aus einem Schlafzimmer, einem Wohnzimmer, einem Badezimmer sowie einem Raum für die Küche, in der keine Küchenzeile vorhanden ist, bestehen. In dem Wohnhaus gelangt man über eine frei begehbare Treppe auf jede Etage. Die Etagen sind nicht gesondert verschlossen oder abgetrennt.
Nach Vorlage einige Unterlagen zu den Wohnnebenkosten wurden dem Antragssteller mit Änderungsbescheid vom 20.03.2017 für die Zeit vom 27.01.2017 bis zum 30.06.2017 Kosten für die Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen anteilig wie folgt gewährt:
Kalte Nebenkosten Heizkosten 01/14: 6,94 EUR 4,75 EUR 02/14: 41,65 EUR 28,50 EUR
Gegen diesen Bescheid legte der Antragssteller mit Schreiben vom 21.04.2017 Widerspruch ein und führte aus, er sei aus dem Mietvertrag mit seinem Vater verpflichtet und dieser habe ihm für den Fall der Nichtzahlung die Kündigung des Mietverhältnisses angedroht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2017 wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, dass kein Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung bestünden. Der Antragssteller sei keiner rechtlichen Verpflichtung zur Zahlung von Miete ausgesetzt, da kein wirksames Mietverhältnis mit seinem Vater vorliege. Es handle sich vielmehr um ein Scheingeschäft nach § 117 BGB. Gegen einen wirksamen Mietvertrag spreche, dass die Räumlichkeiten noch nie an Dritte vermietet worden seien und aufgrund des offenen Treppenhauses sich nicht zur Vermietung eigneten. Zudem sei nicht glaubhaft, dass die Eltern des Antragsstellers den Wohnraum nach Beendigung des Studiums kommerzialisierten, zu einem Zeitraum, in dem der Antragssteller kein Einkommen erzielt.
Der Antragssteller erhob am 16.06.2017 Klage vor dem Sozialgericht Aachen gegen den Widerspruchsbescheid (Az. S 5 AS 457/17).
Am 21.06.2017 hat der Antragssteller durch seinen Bevollmächtigten um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er trägt vor ein Mindestmaß an Privatsphäre sei dadurch, dass der Antragssteller das Dachgeschoss alleine bewohne gewährleistet. Ein niedrigerer Mietzins sei vor dem Hintergrund, dass im Fall einer Drittvermietung auch eine Miete von 350 EUR erzielt würde, nicht zu erwarten gewesen. Nach abgeschlossenem Studium sei es das Recht des Vaters gewesen, Miete zu verlangen.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers beantragt,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen, dem Antragsteller vorläufig die Kosten für Unterkunft und Heizung nach SGB II zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Ansicht, es bestehe kein Anordnungsgrund, da keine Gründe für die Eilbedürftigkeit ersichtlich seien. Der Vermieter und Vater des Antragsstellers habe weder die Kündigung des Mietverhältnisses formgerecht angedroht noch ausgesprochen. Insbesondere habe er keine Räumungsklage angedroht oder erhoben. Es habe somit keine schweren und unzumutbaren Nachteile zu befürchten.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
Gründe:
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung liegen nicht vor.
I. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (sog. Anordnungsanspruch) und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (sog. Anordnungsgrund).
Eilbedarf besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – NVwZ 2005, 927, juris, Rn. 23); BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91 – BVerfGE 93, 1, juris, Rn. 28). Der gemäß Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) von den Gerichten zu gewährende effektive Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Daraus folgt, dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995 a. a. O.).
Der geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B – juris (Rn. 5) m. w. N.), wenn also mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.03.2013 – L 5 AS 107/13 B ER, juris, Rn. 32) m. w. N.).
Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 a. a. O., Rn. 25). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 a. a. O., Rn. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rn. 29, 29a).
II. Nach Maßgabe dieser Grundsätze kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht, da weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sind.
Es bestehen bereits erhebliche Zweifel an dem Vorliegen eines Anordnungsanspruchs im oben genannten Sinne.
Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Mangels zeitlicher Präzisierung geht die Kammer davon aus, dass Leistungen ab dem Bezug von SGB II – Leistungen bzw. Beginn des angeblichen Mietverhältnisses, dem 27.01.2016, begehrt werden.
Der Antragssteller ist Leistungsberechtigter im Sinne von §§ 7, 8 SGB II. Leistungsberechtigte erhalten gem. § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II Arbeitslosengeld II, welches auch den Bedarf für Unterkunft und Heizung umfasst.
Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Bedarfe für die Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Aufwendungen sind grundsätzlich alle Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag für die Unterkunft ergeben (Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 19.Oktober 2010 - B 14 AS 2/10 R -, juris Rn. 15 m.w.N.). Übernahmefähig sind damit die tatsächlichen Mietkosten einschließlich der zu zahlenden Nebenkosten. Die Zuordnung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erfolgt, wenn die Unterkunft außer vom leistungsberechtigten Hilfebedürftigen von weiteren auch nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Personen genutzt wird, entsprechend einer Aufteilung nach Kopfzahl unabhängig von Alter, konkretem Wohnflächenbedarf oder Nutzungsintensität (vgl. BSG, vom 19.03.2008 - B 11b AS 13/06 R, juris; vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 55/06 R, juris; vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R, juris; dazu auch schon Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 17. November 1994 - 5 C 11/93 - BVerwGE 97, 110, 112 ff.).
Nach Auffassung des Gerichts bestehen erhebliche Zweifel daran, dass der Antragsteller einen wirksamen Mietvertrag mit seinem Vater geschlossen hat, er tatsächlich einer Zahlungsverpflichtung aus einem Mietvertrag ausgesetzt ist und ihm deswegen für den streitigen Zeitraum höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zustehen. Nach Auffassung der Kammer ist nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dargetan, dass es sich bei der zwischen dem Kläger und seinem Vater getroffenen Abrede nicht um ein Scheingeschäft im Sinne von § 117 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) handelt.
Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Januar 1980 – III ZR 169/78, juris; BGHZ 36, 84, 88; 67, 334, 339).
Zwar trägt der Antragssteller vor, er habe mit seinem Vater einen Untermietvertrag geschlossen und hat er einen entsprechenden schriftlichen Mietvertrag dem Antragsgegner vorgelegt. Allerdings sprechen im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung wesentliche Gründe gegen die Annahme eines Mietverhältnisses.
Die Räumlichkeiten im Dachgeschoss, die aus Schlafzimmer, Wohnzimmer, Bad und Küche bestehen, sind noch nie an Dritte vermietet worden. Sie sind durch eine frei begehbare Treppe erreichbar und nicht gesondert abgetrennt bzw. verschlossen. Sie eignen sich daher nur bedingt zu einer gesonderten Vermietung als eigenständige Wohnung.
Zudem spricht gegen die Annahme eines Mietverhältnisses, dass der Antragsteller, der schon seit Beginn seines Studiums mietfrei in den Räumlichkeiten wohnt(e), trotz Küchenvorrichtung, noch keine eingebaute Küche im Dachgeschoss hat. Dies spricht dafür, dass er mit seinen Eltern letztlich deren Wohneigentum (in Teilen) gemeinsam genutzt, statt als Mieter eine eigene Wohnung im Haus inne zu haben.
Weiter ist zu bemerken, dass der Antragssteller, der schon seit Beginn seines Studiums in den Räumlichkeiten wohnt, dort während dieser Zeit mietfrei wohnte und der Beginn des Mietvertrages exakt auf den Beginn des Leistungsbezuges nach dem SGB II datiert worden ist. Dabei Entstehen der Kammer Zweifel, ob der vorgelegte "Untermietvertrag" tatsächlich am 27.01.2017 verfasst worden ist. Denn insofern erscheint nicht nachvollziehbar, weshalb bei einer persönlichen Vorsprache am 06.02.2017, durch den Antragsteller unterschrieben, zunächst angegeben wurde, es sei noch in Klärung, ob bzw. in welcher Höhe eine Beteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung im Wohnhaus der Eltern des Antragstellers erfolge. Auf dem Aufforderungsschreiben vom 06.02.2017 hat der Sachbearbeiter des Antraggegners entsprechend vermerkt, falls Kosten der Unterkunft geltend gemacht werden sollten, seien die markierten Unterlagen (unter anderem Mietvertrag, Vermieterbescheinigung) vorzulegen. Weiter wird über ein Telefonat mit dem Antragsteller vermerkt, dass er sich wegen der Kosten der Unterkunft später noch melden wolle. Er bitte um Bewilligung der Regelleistungen.
Der Antragssteller hat zudem tatsächlich bislang keine Miete für die Räumlichkeiten entrichtet. Die vom Antragssteller vorgelegten Kontoauszüge belegen nicht, dass entsprechende monatliche Mietzahlungen ab dem 27.01.2017 vorgenommen worden sind. Es ist nicht einmal vorgetragen und ersichtlich, dass die ihm bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung an seine Eltern weitergereicht worden wären. Dabei ist durch nichts glaubhaft gemacht, dass ihm daraus mietrechtliche Konsequenzen drohen; lediglich behauptet worden ist, dass der Vater des Klägers wolle, dass der Kläger dieser das Dachgeschossräume, wenn er nicht zeitnah Miete zahle. Wurden entgegen der vertraglichen Vereinbarung keine Mietzahlungen geleistet und führte dies bislang zu keinen mietrechtlichen Folgen, so spricht dies indes gegen eine wirksame rechtliche Verpflichtung zur Zahlung von Miete und für ein Scheingeschäft gem. § 117 BGB (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen – LSG NRW, Urteil vom 30. Juli 2013 – L 2 AS 1021/12 -, juris; LSG Stuttgart vom 21.11.2012 – L 2 AS 5209/11-, juris).
II. Das Vorliegen eines Anordnungsanspruches kann jedoch dahinstehen, da jedenfalls kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht ist (§§ 86 b Abs. 2 SGG, 920 Abs. 2 ZPO).
In Eilverfahren liegt ein Anordnungsgrund zur Gewährung von Leistungen für die Unterkunft grundsätzlich erst vor, wenn der Verlust der Unterkunft droht (LSG NRW, Beschluss vom 13.06.2013 – L 7 AS 1450/12 B; Beschluss vom 05. Mai 2014 – L 19 AS 632/14 B ER [Anordnungsgrund erst ab Rechtshängigkeit einer Räumungsklage], juris; Beschluss vom 10.09.2013 – L 2 AS1541/13 B ER, juris; Beschluss vom 08.07.2013 – L 2 AS 111/13 B ER, juris; Beschluss vom 26.05.2008 – L 7 B 56/08 AS ER, juris; im Anschluss: SG Stade, Beschluss vom 06.09.2011 – S 28 AS 586/11 ER, juris; ferner: Bay LSG, Beschluss vom 30.07.2009 – L 7 AS 364/09 B ER, juris; LSG Sach. Anh., Beschluss vom 04.09.2012 – L 5 AS 343/12 B ER, juris).
Soweit vereinzelt in der Rechtsprechung - wie sie vom Bevollmächtigten des Antragstellers angeführt wird – die Auffassung vertreten wird, dass bereits eine Bedarfsunterdeckung bei glaubhaft gemachter Hilfebedürftigkeit den Kernbereich des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG), weil nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 –, Rn. 140, juris) ein grundsicherungsrechtlicher Bedarf in dem Augenblick zu befriedigen sei, indem er bestehe, oder die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) berühre, ein Anordnungsgrund also mangels der Verfügung über bedarfsdeckende Mittel immer bestehe (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04. Mai 2015 – L 7 AS 139/15 B ER –, Rn. 31, juris, Beschluss vom 17.06.2015 - L 7 AS 704/15 B ER, L 7 AS 705/15 B - juris Rn. 22 m.w.N.; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19. März 2013 – L 16 AS 61/13 B ER –, Rn. 30, juris; in diesem Sinne auch LSG NRW, Beschluss vom 29.01.2015 - L 6 AS 2085/14 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.01.2015 - L 11 AS 261/14 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.07.2014 - L 10 AS 1393/14 B ER, L 10 AS 1394/ B ER), kann dem nicht gefolgt werden.
Denn Mietrückstände allein begründeten noch keine unmittelbare Gefährdung der Grundrechte aus Art. 1 Abs.1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) oder aus Art. 13 Abs. 1 Abs. GG. Eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 GG vermag die Kammer nicht zu erkennen, weil das Grundrecht ein Abwehrrecht zum Schutz der räumlichen Privatsphäre darstellt und das Recht gewährleistet, in privaten Räumen in Ruhe gelassen zu werden, nicht aber die Schaffung und Zurverfügungstellung von Wohnraum durch den Staat (Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 07.03.2013 – L 3 AS 69/13 B ER –, Rn. 20, juris; VG Darmstadt, Urteil vom 28.10.2015 – 4 K 1852/14.DA –, Rn. 37, juris m.w.Nachw.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 13 Rn. 1, 6). Das Begehren Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung als Grundsicherungsleistung betrifft hingegen nicht die allein abwehrrechtliche Dimension des Art. 13 GG (BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 – B 3 P 4/02 R –, BSGE 91, 174-182, SozR 4-3300 § 37 Nr. 1, Rn. 20 m.w.Nachw.), sondern erfordert eine leistungsrechtliche Grundrechtsdimension, wie sie Art. 1 Abs.1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG im Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum entbinden (BVerfG, a.a.O.) ...
Eine Gefährdung oder gar Verletzung dieses Grundrechtes ist indes nicht bereits gegeben, wenn die privatrechtliche Verpflichtung zur Mietzahlung nicht mehr erfüllt werden kann. Sie tritt frühestens ein, wenn auch der Verlust der Wohnung unmittelbar droht. Denn der grundsicherungsrelevante Bedarf liegt im "Wohnen", die physische Existenz hängt vom Innehaben einer Unterkunft ab (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 –, Rn. 135, juris) und nicht davon, seinen mietrechtlichen Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.07.2015 – L 19 AS 931/15 B ER –, Rn. 36, juris; LSG NRW, Beschluss vom 03.11.2015 - L 2 AS 1101/15 B ER, L 2 AS 1102/15 B, - juris Rn. 5 m.w.N.).
Daher kann in auf die Gewährung von Leistungen für die Unterkunft gerichteten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Anordnungsgrund grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung konkret die Wohnungslosigkeit oder eine vergleichbare Notlage - etwa die Sperre der Strom- oder Heizungsversorgung - droht. (vgl. etwa LSG NRW, Beschlüsse vom 25.09.2007 – L 20 B 145/07 AS ER, juris; vom 29.04.2008 – L 12 B 46/08 AS ER; vom 26.05.2008 – L 7 B 56/08 AS ER, juris; vom 17.03.2008 – L 7 B 10/08 AS ER, juris; vom 29.06.2009 - L 20 B 31/09 SO und L 20 B 27/09 SO ER, juris; vom 15.07.2009 – L 9 B 41/09 AS ER; offengelassen: Beschluss vom 06.03. 2014 – L 6 AS 141/14 B ER –, juris).
Die Gefahr der Wohnungslosigkeit droht grundsätzlich erst bei der Rechtshängigkeit einer Räumungsklage. Selbst eine fristlose Kündigung reicht für die Bejahung der Eilbedürftigkeit nicht aus. Denn auch im Falle einer fristlosen Kündigung und einer sich anschließenden Räumungsklage kann die Kündigung noch abgewendet werden. Für den Fall der Räumungsklage enthält § 22 Abs. 9 SGB II Regelungen zur Sicherung der Unterkunft. So ist das Amtsgericht nach dieser Vorschrift verpflichtet, dem Grundsicherungsträger unverzüglich Tatsachen und näher bezeichnete Einzelheiten einer Räumungsklage nach der Kündigung von Wohnraum wegen Zahlungsverzuges mitzuteilen. Dies dient der Prävention von Obdachlosigkeit und soll es den Leistungsträgern ermöglichen, auch unabhängig von einem Antrag zu prüfen, ob die Kündigung durch Übernahme der Mietrückstände abzuwenden ist (Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 22, Rn. 255). Denn gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB wird eine Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet (siehe BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.03.2007 - 1 BvR 535/07 unter Hinweis auf § 22 Abs. 5 S. 1 und 2, Abs. 6 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, seither § 22 Abs. 9 SGB II; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Juni 2013 – L 7 AS 1450/12 B –, Rn. 3, juris). Die Kammer sieht sich in ihrer Auffassung durch die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestützt. Das BVerfG hat bestätigt, dass die Annahme, in einem auf die Bewilligung von Kosten der Unterkunft und Heizung gerichteten Eilverfahren liege ein Anordnungsgrund allein nach Kündigung des Mietverhältnisses ohne bereits erhobene Räumungsklage noch nicht vor, Art. 19 Abs. 4 GG nicht verletze (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18.04.2016 – 1 BvR 704/16 –, Rn. 5, juris; vorangehend: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.02.2016 – L 19 AS 1834/15 B ER –, Rn. 24, juris).
Der 19. Senat des Landessozialgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 06. Juli 2015 – L 19 AS 931/15 B ER –, Rn. 38 ff., juris, nach Auffassung der Kammer zutreffend weitergehend ausgeführt, dass dem nicht bereits grundsätzlich entgegengehalten werden könne, das Risiko baldigen und unabwendbaren Unterkunftsverlustes ergebe sich aus der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung wegen Mietrückstandes, deren Abwendung durch nachträgliche Begleichung von Mietschulden nicht gesetzlich geregelt sei und zu der uneinheitliche Rechtsprechung der Zivilgerichte bezüglich einer Verschuldenszurechnung bei verspäteter Zahlung der Leistungsträger nach dem SGB II existiere (so hingegen: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. 06.2015 – L 6 AS 853/15 B ER –, Rn. 16, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.05. 2015 – L 7 AS 139/15 B ER –, Rn. 32, juris).
Denn die ordentliche Kündigung setzte nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs ein Verschulden des Mieters voraus. Während der Mieter grundsätzlich, insbesondere auch bei Zahlungsverzug als Voraussetzung der außerordentlichen Kündigung, für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen habe und sich bei Geldmangel nicht auf § 286 Abs. 4 BGB berufen könne, entlaste ihn im Rahmen von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine unverschuldete Zahlungsunfähigkeit. Bei der Prüfung der schuldhaften und nicht unerheblichen Pflichtverletzung i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB seien die Gesamtumstände im Zusammenhang mit dem Zahlungsverhalten zu berücksichtigen. Damit begünstige § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB den Mieter bei einer ordentlichen Kündigung und eröffne ihm im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs die Möglichkeit, sich auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe zu berufen. Im Rahmen des Verschuldens könne zudem eine nachträgliche Zahlung des Mieters innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, weil sie ein etwaiges Eigenverschulden in einem milderen Licht erscheinen lasse (BGH, Urteile vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12 und 16.05.2005 - VII ZR 6/04 m.w.N.; Beschlüsse des 19. Senates des LSG NRW vom 29.05.2012 - L 19 AS 957/12 B ER und 10.04.2014 - L 19 AS 471/14 B ER, vom 19.05.2014 - L 19 AS 805/14 B ER-, sämtlich juris; Weidenkaff in Palandt, BGB, 70. Aufl., § 573 Rn. 16 m.w.N.). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen schuldhaften Verhaltens nach dem Maßstab des § 276 BGB treffe - sowohl bei behauptetem Eigenverschulden des Mieters als auch bei behauptetem zurechenbarem Fremdverschulden - jeweils den kündigenden Vermieter.
Soweit einer jüngeren Entscheidung des BGH (BGH, Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 175/14 –, BGHZ 204, 134-144) eine Verschärfung der Verschuldenszurechnung im Rahmen der ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzuges zu Lasten des Mieters entnommen werde (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Juni 2015 – L 6 AS 853/15 B ER), teile der Senat diese Besorgnis nicht, weil sich das Urteil des BGH - nur - zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund wegen Zahlungsverzuges (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB) verhalte und in Abgrenzung zu vorheriger Rechtsprechung (Urteil des BGH vom 21.10.2009 - VIII ZR 64/09 -, juris, Rn. 21) besage, dass eine Abwägung nach § 543 Abs.1 S.2 BGB unter Berücksichtigung des Verschuldens der Vertragsparteien bei der Prüfung der außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB zu unterbleiben habe. Eine Aussage zum Prüfungsmaßstab selbst noch gar zur Verschuldensprüfung bei der ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzuges nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB enthalte das Urteil nicht.
Das Urteil des BGH vom 04.02.2015 - VIII ZR 175/14 gebe darüber hinaus keinen Anlass, die Aktualität der vom 19. Senat des LSG NRW deshalb weiterhin zugrundegelegten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.03.2007 - 1 BvR 535/07) in Frage zu stellen, wonach der im Recht der Grundsicherung nach dem SGB II vorgesehene Schutzmechanismus (§ 22 Abs. 5 S. 1 und 2, Abs. 6 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, seither § 22 Abs. 9 SGB II; vgl. auch §§ 543 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3, 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) ein Abwarten der Räumungsklage regelmäßig erlaube. Denn das Urteil betreffe den von dieser Rechtsprechung denknotwendig nicht erfassten Fall der wiederholten außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges binnen 2 Jahren nach Abwendung der ersten Kündigung wegen Zahlungsverzuges durch Nachzahlung (vgl. BGH, Urteil vom 04. Februar 2015 – VIII ZR 175/14 –, BGHZ 204, 134-144, Rn. 5). Die wiederholte Abwendung der Kündigung in diesem Fall sei kraft gesetzlicher Regelung ausgeschlossen (§ 569 Abs.3 Nr.2 S.2 BGB).
Hiernach kann ein Anordnungsgrund vorliegend nicht bestehen. Bis dato ist nicht einmal der Ausspruch einer Kündigung behauptet oder glaubhaft gemacht.
Ohnedies, auch nach der Gegenauffassung bedarf es hinreichend konkretisierter Anhaltspunkte, dass der Leistungsberechtigte einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19.03.2013, L 16 AS 61/13 B ER).
Wie bereits dargelegt hat die Kammer durchgreifende Zweifel, dass der Antragssteller überhaupt einer solchen Mietzinsforderung ausgesetzt ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
IV. Die Beschwerde ist für die Antragstellerinnen nach den §§ 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulässig, da eine Berufung in der Hauptsache auch ohne Zulassung statthaft ist - der Wert des Beschwerdegegenstands liegt über 750 EUR -.
Gründe:
I.
Der Antragssteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Vom 01.03.2010 bis zu seiner Exmatrikulation am 27.01.2017 war der 1985 geborene Antragssteller Studierender und wohnte mietfrei im Dachgeschoss des im Eigentum seiner Eltern stehenden Wohnhauses in der Estraße in I.
Am 15.12.2016 beantragte der Antragsteller erstmals (zum 01.01.2017) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beim Antragsgegner. In der Anlage Haushaltsgemeinschaft des Antragsvordruckes wurde durch den Sachbearbeiter des Antragstellers bei einer persönlichen Vorsprache am 30.01.2017 eingetragen, ob sich der Antragsteller an den Kosten der Unterkunft beteilige sei noch in Klärung. Unter dem 06.02.2017 forderte der Antragsgegner den Antragsteller unter anderem zur Vorlage eines Mietvertrages und einer Vermieterbescheinigung auf.
Mit Bescheid vom 08.02.2017 wurden dem Antragssteller Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 27.01.2017 bis zum 30.06.2017 ohne Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt.
Am 20.02.2017 legte der Antragsteller eine Anlage zur Feststellung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung sowie einen auf den 27.01.2017 datierten, mit seinem Vater, Herrn Y, geschlossenen "Untermietvertrag" über die oben genannten Räumlichkeiten zum 27.01.2017 vor. Der Antragssteller und sein Vater vereinbarten danach eine monatliche Grundmiete von 300 EUR, eine monatliche Heizkostenvorauszahlung von 75 EUR sowie kalte Nebenkosten von 50 EUR monatlich.
Der Ermittlungsdienst des Jobcenters Kreis I. stellte im Rahmen eines Außentermins am 15.03.2017 fest, dass die Räumlichkeiten des Antragsstellers im Dachgeschoss aus einem Schlafzimmer, einem Wohnzimmer, einem Badezimmer sowie einem Raum für die Küche, in der keine Küchenzeile vorhanden ist, bestehen. In dem Wohnhaus gelangt man über eine frei begehbare Treppe auf jede Etage. Die Etagen sind nicht gesondert verschlossen oder abgetrennt.
Nach Vorlage einige Unterlagen zu den Wohnnebenkosten wurden dem Antragssteller mit Änderungsbescheid vom 20.03.2017 für die Zeit vom 27.01.2017 bis zum 30.06.2017 Kosten für die Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen anteilig wie folgt gewährt:
Kalte Nebenkosten Heizkosten 01/14: 6,94 EUR 4,75 EUR 02/14: 41,65 EUR 28,50 EUR
Gegen diesen Bescheid legte der Antragssteller mit Schreiben vom 21.04.2017 Widerspruch ein und führte aus, er sei aus dem Mietvertrag mit seinem Vater verpflichtet und dieser habe ihm für den Fall der Nichtzahlung die Kündigung des Mietverhältnisses angedroht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2017 wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, dass kein Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung bestünden. Der Antragssteller sei keiner rechtlichen Verpflichtung zur Zahlung von Miete ausgesetzt, da kein wirksames Mietverhältnis mit seinem Vater vorliege. Es handle sich vielmehr um ein Scheingeschäft nach § 117 BGB. Gegen einen wirksamen Mietvertrag spreche, dass die Räumlichkeiten noch nie an Dritte vermietet worden seien und aufgrund des offenen Treppenhauses sich nicht zur Vermietung eigneten. Zudem sei nicht glaubhaft, dass die Eltern des Antragsstellers den Wohnraum nach Beendigung des Studiums kommerzialisierten, zu einem Zeitraum, in dem der Antragssteller kein Einkommen erzielt.
Der Antragssteller erhob am 16.06.2017 Klage vor dem Sozialgericht Aachen gegen den Widerspruchsbescheid (Az. S 5 AS 457/17).
Am 21.06.2017 hat der Antragssteller durch seinen Bevollmächtigten um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er trägt vor ein Mindestmaß an Privatsphäre sei dadurch, dass der Antragssteller das Dachgeschoss alleine bewohne gewährleistet. Ein niedrigerer Mietzins sei vor dem Hintergrund, dass im Fall einer Drittvermietung auch eine Miete von 350 EUR erzielt würde, nicht zu erwarten gewesen. Nach abgeschlossenem Studium sei es das Recht des Vaters gewesen, Miete zu verlangen.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers beantragt,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen, dem Antragsteller vorläufig die Kosten für Unterkunft und Heizung nach SGB II zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Ansicht, es bestehe kein Anordnungsgrund, da keine Gründe für die Eilbedürftigkeit ersichtlich seien. Der Vermieter und Vater des Antragsstellers habe weder die Kündigung des Mietverhältnisses formgerecht angedroht noch ausgesprochen. Insbesondere habe er keine Räumungsklage angedroht oder erhoben. Es habe somit keine schweren und unzumutbaren Nachteile zu befürchten.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
Gründe:
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung liegen nicht vor.
I. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (sog. Anordnungsanspruch) und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (sog. Anordnungsgrund).
Eilbedarf besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – NVwZ 2005, 927, juris, Rn. 23); BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91 – BVerfGE 93, 1, juris, Rn. 28). Der gemäß Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) von den Gerichten zu gewährende effektive Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Daraus folgt, dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995 a. a. O.).
Der geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B – juris (Rn. 5) m. w. N.), wenn also mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.03.2013 – L 5 AS 107/13 B ER, juris, Rn. 32) m. w. N.).
Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 a. a. O., Rn. 25). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 a. a. O., Rn. 26; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rn. 29, 29a).
II. Nach Maßgabe dieser Grundsätze kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht, da weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sind.
Es bestehen bereits erhebliche Zweifel an dem Vorliegen eines Anordnungsanspruchs im oben genannten Sinne.
Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Mangels zeitlicher Präzisierung geht die Kammer davon aus, dass Leistungen ab dem Bezug von SGB II – Leistungen bzw. Beginn des angeblichen Mietverhältnisses, dem 27.01.2016, begehrt werden.
Der Antragssteller ist Leistungsberechtigter im Sinne von §§ 7, 8 SGB II. Leistungsberechtigte erhalten gem. § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II Arbeitslosengeld II, welches auch den Bedarf für Unterkunft und Heizung umfasst.
Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Bedarfe für die Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Aufwendungen sind grundsätzlich alle Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag für die Unterkunft ergeben (Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 19.Oktober 2010 - B 14 AS 2/10 R -, juris Rn. 15 m.w.N.). Übernahmefähig sind damit die tatsächlichen Mietkosten einschließlich der zu zahlenden Nebenkosten. Die Zuordnung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erfolgt, wenn die Unterkunft außer vom leistungsberechtigten Hilfebedürftigen von weiteren auch nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Personen genutzt wird, entsprechend einer Aufteilung nach Kopfzahl unabhängig von Alter, konkretem Wohnflächenbedarf oder Nutzungsintensität (vgl. BSG, vom 19.03.2008 - B 11b AS 13/06 R, juris; vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 55/06 R, juris; vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R, juris; dazu auch schon Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 17. November 1994 - 5 C 11/93 - BVerwGE 97, 110, 112 ff.).
Nach Auffassung des Gerichts bestehen erhebliche Zweifel daran, dass der Antragsteller einen wirksamen Mietvertrag mit seinem Vater geschlossen hat, er tatsächlich einer Zahlungsverpflichtung aus einem Mietvertrag ausgesetzt ist und ihm deswegen für den streitigen Zeitraum höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zustehen. Nach Auffassung der Kammer ist nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dargetan, dass es sich bei der zwischen dem Kläger und seinem Vater getroffenen Abrede nicht um ein Scheingeschäft im Sinne von § 117 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) handelt.
Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Januar 1980 – III ZR 169/78, juris; BGHZ 36, 84, 88; 67, 334, 339).
Zwar trägt der Antragssteller vor, er habe mit seinem Vater einen Untermietvertrag geschlossen und hat er einen entsprechenden schriftlichen Mietvertrag dem Antragsgegner vorgelegt. Allerdings sprechen im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung wesentliche Gründe gegen die Annahme eines Mietverhältnisses.
Die Räumlichkeiten im Dachgeschoss, die aus Schlafzimmer, Wohnzimmer, Bad und Küche bestehen, sind noch nie an Dritte vermietet worden. Sie sind durch eine frei begehbare Treppe erreichbar und nicht gesondert abgetrennt bzw. verschlossen. Sie eignen sich daher nur bedingt zu einer gesonderten Vermietung als eigenständige Wohnung.
Zudem spricht gegen die Annahme eines Mietverhältnisses, dass der Antragsteller, der schon seit Beginn seines Studiums mietfrei in den Räumlichkeiten wohnt(e), trotz Küchenvorrichtung, noch keine eingebaute Küche im Dachgeschoss hat. Dies spricht dafür, dass er mit seinen Eltern letztlich deren Wohneigentum (in Teilen) gemeinsam genutzt, statt als Mieter eine eigene Wohnung im Haus inne zu haben.
Weiter ist zu bemerken, dass der Antragssteller, der schon seit Beginn seines Studiums in den Räumlichkeiten wohnt, dort während dieser Zeit mietfrei wohnte und der Beginn des Mietvertrages exakt auf den Beginn des Leistungsbezuges nach dem SGB II datiert worden ist. Dabei Entstehen der Kammer Zweifel, ob der vorgelegte "Untermietvertrag" tatsächlich am 27.01.2017 verfasst worden ist. Denn insofern erscheint nicht nachvollziehbar, weshalb bei einer persönlichen Vorsprache am 06.02.2017, durch den Antragsteller unterschrieben, zunächst angegeben wurde, es sei noch in Klärung, ob bzw. in welcher Höhe eine Beteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung im Wohnhaus der Eltern des Antragstellers erfolge. Auf dem Aufforderungsschreiben vom 06.02.2017 hat der Sachbearbeiter des Antraggegners entsprechend vermerkt, falls Kosten der Unterkunft geltend gemacht werden sollten, seien die markierten Unterlagen (unter anderem Mietvertrag, Vermieterbescheinigung) vorzulegen. Weiter wird über ein Telefonat mit dem Antragsteller vermerkt, dass er sich wegen der Kosten der Unterkunft später noch melden wolle. Er bitte um Bewilligung der Regelleistungen.
Der Antragssteller hat zudem tatsächlich bislang keine Miete für die Räumlichkeiten entrichtet. Die vom Antragssteller vorgelegten Kontoauszüge belegen nicht, dass entsprechende monatliche Mietzahlungen ab dem 27.01.2017 vorgenommen worden sind. Es ist nicht einmal vorgetragen und ersichtlich, dass die ihm bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung an seine Eltern weitergereicht worden wären. Dabei ist durch nichts glaubhaft gemacht, dass ihm daraus mietrechtliche Konsequenzen drohen; lediglich behauptet worden ist, dass der Vater des Klägers wolle, dass der Kläger dieser das Dachgeschossräume, wenn er nicht zeitnah Miete zahle. Wurden entgegen der vertraglichen Vereinbarung keine Mietzahlungen geleistet und führte dies bislang zu keinen mietrechtlichen Folgen, so spricht dies indes gegen eine wirksame rechtliche Verpflichtung zur Zahlung von Miete und für ein Scheingeschäft gem. § 117 BGB (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen – LSG NRW, Urteil vom 30. Juli 2013 – L 2 AS 1021/12 -, juris; LSG Stuttgart vom 21.11.2012 – L 2 AS 5209/11-, juris).
II. Das Vorliegen eines Anordnungsanspruches kann jedoch dahinstehen, da jedenfalls kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht ist (§§ 86 b Abs. 2 SGG, 920 Abs. 2 ZPO).
In Eilverfahren liegt ein Anordnungsgrund zur Gewährung von Leistungen für die Unterkunft grundsätzlich erst vor, wenn der Verlust der Unterkunft droht (LSG NRW, Beschluss vom 13.06.2013 – L 7 AS 1450/12 B; Beschluss vom 05. Mai 2014 – L 19 AS 632/14 B ER [Anordnungsgrund erst ab Rechtshängigkeit einer Räumungsklage], juris; Beschluss vom 10.09.2013 – L 2 AS1541/13 B ER, juris; Beschluss vom 08.07.2013 – L 2 AS 111/13 B ER, juris; Beschluss vom 26.05.2008 – L 7 B 56/08 AS ER, juris; im Anschluss: SG Stade, Beschluss vom 06.09.2011 – S 28 AS 586/11 ER, juris; ferner: Bay LSG, Beschluss vom 30.07.2009 – L 7 AS 364/09 B ER, juris; LSG Sach. Anh., Beschluss vom 04.09.2012 – L 5 AS 343/12 B ER, juris).
Soweit vereinzelt in der Rechtsprechung - wie sie vom Bevollmächtigten des Antragstellers angeführt wird – die Auffassung vertreten wird, dass bereits eine Bedarfsunterdeckung bei glaubhaft gemachter Hilfebedürftigkeit den Kernbereich des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG), weil nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 –, Rn. 140, juris) ein grundsicherungsrechtlicher Bedarf in dem Augenblick zu befriedigen sei, indem er bestehe, oder die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) berühre, ein Anordnungsgrund also mangels der Verfügung über bedarfsdeckende Mittel immer bestehe (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04. Mai 2015 – L 7 AS 139/15 B ER –, Rn. 31, juris, Beschluss vom 17.06.2015 - L 7 AS 704/15 B ER, L 7 AS 705/15 B - juris Rn. 22 m.w.N.; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19. März 2013 – L 16 AS 61/13 B ER –, Rn. 30, juris; in diesem Sinne auch LSG NRW, Beschluss vom 29.01.2015 - L 6 AS 2085/14 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.01.2015 - L 11 AS 261/14 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.07.2014 - L 10 AS 1393/14 B ER, L 10 AS 1394/ B ER), kann dem nicht gefolgt werden.
Denn Mietrückstände allein begründeten noch keine unmittelbare Gefährdung der Grundrechte aus Art. 1 Abs.1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) oder aus Art. 13 Abs. 1 Abs. GG. Eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 GG vermag die Kammer nicht zu erkennen, weil das Grundrecht ein Abwehrrecht zum Schutz der räumlichen Privatsphäre darstellt und das Recht gewährleistet, in privaten Räumen in Ruhe gelassen zu werden, nicht aber die Schaffung und Zurverfügungstellung von Wohnraum durch den Staat (Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 07.03.2013 – L 3 AS 69/13 B ER –, Rn. 20, juris; VG Darmstadt, Urteil vom 28.10.2015 – 4 K 1852/14.DA –, Rn. 37, juris m.w.Nachw.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 13 Rn. 1, 6). Das Begehren Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung als Grundsicherungsleistung betrifft hingegen nicht die allein abwehrrechtliche Dimension des Art. 13 GG (BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 – B 3 P 4/02 R –, BSGE 91, 174-182, SozR 4-3300 § 37 Nr. 1, Rn. 20 m.w.Nachw.), sondern erfordert eine leistungsrechtliche Grundrechtsdimension, wie sie Art. 1 Abs.1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG im Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum entbinden (BVerfG, a.a.O.) ...
Eine Gefährdung oder gar Verletzung dieses Grundrechtes ist indes nicht bereits gegeben, wenn die privatrechtliche Verpflichtung zur Mietzahlung nicht mehr erfüllt werden kann. Sie tritt frühestens ein, wenn auch der Verlust der Wohnung unmittelbar droht. Denn der grundsicherungsrelevante Bedarf liegt im "Wohnen", die physische Existenz hängt vom Innehaben einer Unterkunft ab (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 –, Rn. 135, juris) und nicht davon, seinen mietrechtlichen Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.07.2015 – L 19 AS 931/15 B ER –, Rn. 36, juris; LSG NRW, Beschluss vom 03.11.2015 - L 2 AS 1101/15 B ER, L 2 AS 1102/15 B, - juris Rn. 5 m.w.N.).
Daher kann in auf die Gewährung von Leistungen für die Unterkunft gerichteten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Anordnungsgrund grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung konkret die Wohnungslosigkeit oder eine vergleichbare Notlage - etwa die Sperre der Strom- oder Heizungsversorgung - droht. (vgl. etwa LSG NRW, Beschlüsse vom 25.09.2007 – L 20 B 145/07 AS ER, juris; vom 29.04.2008 – L 12 B 46/08 AS ER; vom 26.05.2008 – L 7 B 56/08 AS ER, juris; vom 17.03.2008 – L 7 B 10/08 AS ER, juris; vom 29.06.2009 - L 20 B 31/09 SO und L 20 B 27/09 SO ER, juris; vom 15.07.2009 – L 9 B 41/09 AS ER; offengelassen: Beschluss vom 06.03. 2014 – L 6 AS 141/14 B ER –, juris).
Die Gefahr der Wohnungslosigkeit droht grundsätzlich erst bei der Rechtshängigkeit einer Räumungsklage. Selbst eine fristlose Kündigung reicht für die Bejahung der Eilbedürftigkeit nicht aus. Denn auch im Falle einer fristlosen Kündigung und einer sich anschließenden Räumungsklage kann die Kündigung noch abgewendet werden. Für den Fall der Räumungsklage enthält § 22 Abs. 9 SGB II Regelungen zur Sicherung der Unterkunft. So ist das Amtsgericht nach dieser Vorschrift verpflichtet, dem Grundsicherungsträger unverzüglich Tatsachen und näher bezeichnete Einzelheiten einer Räumungsklage nach der Kündigung von Wohnraum wegen Zahlungsverzuges mitzuteilen. Dies dient der Prävention von Obdachlosigkeit und soll es den Leistungsträgern ermöglichen, auch unabhängig von einem Antrag zu prüfen, ob die Kündigung durch Übernahme der Mietrückstände abzuwenden ist (Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 22, Rn. 255). Denn gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB wird eine Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet (siehe BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.03.2007 - 1 BvR 535/07 unter Hinweis auf § 22 Abs. 5 S. 1 und 2, Abs. 6 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, seither § 22 Abs. 9 SGB II; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Juni 2013 – L 7 AS 1450/12 B –, Rn. 3, juris). Die Kammer sieht sich in ihrer Auffassung durch die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestützt. Das BVerfG hat bestätigt, dass die Annahme, in einem auf die Bewilligung von Kosten der Unterkunft und Heizung gerichteten Eilverfahren liege ein Anordnungsgrund allein nach Kündigung des Mietverhältnisses ohne bereits erhobene Räumungsklage noch nicht vor, Art. 19 Abs. 4 GG nicht verletze (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18.04.2016 – 1 BvR 704/16 –, Rn. 5, juris; vorangehend: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.02.2016 – L 19 AS 1834/15 B ER –, Rn. 24, juris).
Der 19. Senat des Landessozialgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 06. Juli 2015 – L 19 AS 931/15 B ER –, Rn. 38 ff., juris, nach Auffassung der Kammer zutreffend weitergehend ausgeführt, dass dem nicht bereits grundsätzlich entgegengehalten werden könne, das Risiko baldigen und unabwendbaren Unterkunftsverlustes ergebe sich aus der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung wegen Mietrückstandes, deren Abwendung durch nachträgliche Begleichung von Mietschulden nicht gesetzlich geregelt sei und zu der uneinheitliche Rechtsprechung der Zivilgerichte bezüglich einer Verschuldenszurechnung bei verspäteter Zahlung der Leistungsträger nach dem SGB II existiere (so hingegen: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. 06.2015 – L 6 AS 853/15 B ER –, Rn. 16, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.05. 2015 – L 7 AS 139/15 B ER –, Rn. 32, juris).
Denn die ordentliche Kündigung setzte nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs ein Verschulden des Mieters voraus. Während der Mieter grundsätzlich, insbesondere auch bei Zahlungsverzug als Voraussetzung der außerordentlichen Kündigung, für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen habe und sich bei Geldmangel nicht auf § 286 Abs. 4 BGB berufen könne, entlaste ihn im Rahmen von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine unverschuldete Zahlungsunfähigkeit. Bei der Prüfung der schuldhaften und nicht unerheblichen Pflichtverletzung i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB seien die Gesamtumstände im Zusammenhang mit dem Zahlungsverhalten zu berücksichtigen. Damit begünstige § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB den Mieter bei einer ordentlichen Kündigung und eröffne ihm im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs die Möglichkeit, sich auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe zu berufen. Im Rahmen des Verschuldens könne zudem eine nachträgliche Zahlung des Mieters innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, weil sie ein etwaiges Eigenverschulden in einem milderen Licht erscheinen lasse (BGH, Urteile vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12 und 16.05.2005 - VII ZR 6/04 m.w.N.; Beschlüsse des 19. Senates des LSG NRW vom 29.05.2012 - L 19 AS 957/12 B ER und 10.04.2014 - L 19 AS 471/14 B ER, vom 19.05.2014 - L 19 AS 805/14 B ER-, sämtlich juris; Weidenkaff in Palandt, BGB, 70. Aufl., § 573 Rn. 16 m.w.N.). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen schuldhaften Verhaltens nach dem Maßstab des § 276 BGB treffe - sowohl bei behauptetem Eigenverschulden des Mieters als auch bei behauptetem zurechenbarem Fremdverschulden - jeweils den kündigenden Vermieter.
Soweit einer jüngeren Entscheidung des BGH (BGH, Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 175/14 –, BGHZ 204, 134-144) eine Verschärfung der Verschuldenszurechnung im Rahmen der ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzuges zu Lasten des Mieters entnommen werde (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Juni 2015 – L 6 AS 853/15 B ER), teile der Senat diese Besorgnis nicht, weil sich das Urteil des BGH - nur - zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund wegen Zahlungsverzuges (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB) verhalte und in Abgrenzung zu vorheriger Rechtsprechung (Urteil des BGH vom 21.10.2009 - VIII ZR 64/09 -, juris, Rn. 21) besage, dass eine Abwägung nach § 543 Abs.1 S.2 BGB unter Berücksichtigung des Verschuldens der Vertragsparteien bei der Prüfung der außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB zu unterbleiben habe. Eine Aussage zum Prüfungsmaßstab selbst noch gar zur Verschuldensprüfung bei der ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzuges nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB enthalte das Urteil nicht.
Das Urteil des BGH vom 04.02.2015 - VIII ZR 175/14 gebe darüber hinaus keinen Anlass, die Aktualität der vom 19. Senat des LSG NRW deshalb weiterhin zugrundegelegten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.03.2007 - 1 BvR 535/07) in Frage zu stellen, wonach der im Recht der Grundsicherung nach dem SGB II vorgesehene Schutzmechanismus (§ 22 Abs. 5 S. 1 und 2, Abs. 6 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, seither § 22 Abs. 9 SGB II; vgl. auch §§ 543 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3, 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) ein Abwarten der Räumungsklage regelmäßig erlaube. Denn das Urteil betreffe den von dieser Rechtsprechung denknotwendig nicht erfassten Fall der wiederholten außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges binnen 2 Jahren nach Abwendung der ersten Kündigung wegen Zahlungsverzuges durch Nachzahlung (vgl. BGH, Urteil vom 04. Februar 2015 – VIII ZR 175/14 –, BGHZ 204, 134-144, Rn. 5). Die wiederholte Abwendung der Kündigung in diesem Fall sei kraft gesetzlicher Regelung ausgeschlossen (§ 569 Abs.3 Nr.2 S.2 BGB).
Hiernach kann ein Anordnungsgrund vorliegend nicht bestehen. Bis dato ist nicht einmal der Ausspruch einer Kündigung behauptet oder glaubhaft gemacht.
Ohnedies, auch nach der Gegenauffassung bedarf es hinreichend konkretisierter Anhaltspunkte, dass der Leistungsberechtigte einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19.03.2013, L 16 AS 61/13 B ER).
Wie bereits dargelegt hat die Kammer durchgreifende Zweifel, dass der Antragssteller überhaupt einer solchen Mietzinsforderung ausgesetzt ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
IV. Die Beschwerde ist für die Antragstellerinnen nach den §§ 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulässig, da eine Berufung in der Hauptsache auch ohne Zulassung statthaft ist - der Wert des Beschwerdegegenstands liegt über 750 EUR -.
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