S 14 AS 200/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 200/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klagen werden abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Aufhebung zweier Bescheide mit denen die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum Oktober 2016 bis einschließlich Januar 2017 endgültig "auf Null" und eine entsprechende Erstattungsforderung festgesetzt wird (erster Bescheid) sowie eine vorläufige Leistungsbewilligung für die Monate Februar und März 2017 zurück genommen wird (zweiter Bescheid).

Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Die am 00.00.0000 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter des Klägers zu 2) (geboren am 00.00.0000) und der Klägerin zu 3) (geboren am 00.00.0000). Am 14.04.2014 reiste die Klägerin zu 1) gemeinsam mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen Sohn, dem Kläger zu 2), in die Bundesrepublik Deutschland ein. Anlass der Einreise war nach Angaben der Klägerin zu 1), dass ihr Ehemann in Deutschland Arbeit im Baugewerbe in L. gefunden hatte. Kurz nach einem Umzug von L. nach C. und vor der Geburt der gemeinsamen Tochter, der Klägerin zu 3), verließ der Ehemann der Klägerin zu 1) nach den Angaben der Eheleute die Familie.

Zum 01.10.2016 zogen die Kläger in eine Mietwohnung in K., unter deren Adresse sie bis heute gemeldet sind.

Am 13.10.2016 beantragte die Klägerin zu 1) beim Beklagten Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Seit ihrer Einreise nach Deutschland habe sie bis auf eine Beschäftigung als Übersetzerin in L. nach März 2015 zunächst keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. In ihrem Heimatland sei sie nie erwerbstätig gewesen, habe aber im Jahr 2004 Abitur gemacht. Zwischen 2005 und 2006 habe sie für ein Jahr in Italien als Übersetzerin gearbeitet. Sie gab an, zum 03.10.2016 eine geringfügige Beschäftigung bei der Firma N. aufgenommen zu haben. Es handele sich um eine Firma, die Arbeiter auf Baustellen vermittle. Sie sei dort als Reinigungskraft beschäftigt. Nach erfolgreicher Renovierung führe sie jeweils eine Grundreinigung durch, bevor Wohnungen an Mieter übergeben würden. Sie arbeite viermal pro Woche für 2-3 Stunden. Bislang habe sie am 2. Oktober, 5. Oktober, 7. Oktober, 9. Oktober, 12. Oktober, 13. Oktober, 15. Oktober und am 17.10.2016 jeweils 2-3 Stunden gearbeitet. Die Stunden notiere sie für sich persönlich auf einen Stundenzettel. Es sei vereinbart, dass nach Monatsende eine Vergütung i.H.v. 320 EUR in bar ausgezahlt werde. Warum eine Zahlung in bar vereinbart worden sei wisse sie nicht. Die Anmeldung bei der Minijob – Zentrale werde sie nachreichen. Zur Akte des Beklagten gelangte ein "Anstellungsvertrag für geringfügig Beschäftigte" vom 03.10.2016 zwischen der Klägerin zu 1) und einem Herrn N ... Danach ist die Klägerin mit Wirkung ab dem 03.10.2016 als "Aushilfe" eingestellt. Weiter heißt es in dem ausgefüllten Vordruck: "Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 37,5 Wochenstunden an 9,5 Tagen 4 Stunden und zwei jeweils drei, am Montag und am Donnerstag. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt zwölf Wochenstunden. Die Verteilung auf die Arbeitstage ergibt sich aus dem Dienstplan, der mit dem Arbeitnehmer besprochen wird. Der Arbeitnehmer erhält eine monatliche/stündliche Vergütung von 320. Die Vergütung ist jeweils zum Monatsende fällig und wird auf das Konto Nummer Bar bei der BLZ überwiesen. Kontoinhaber ist der Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer hat im Kalenderjahr Anspruch auf 19 Werktage Urlaub ( )." Den Aufenthalt ihres getrennt lebenden Ehemannes gab die Klägerin zu 1) an nicht zu kennen. Seine Anschrift in C. wurde jedoch durch die Unterhaltsvorschusskasse ermittelt. Ein per Postzustellungsurkunde an diese Adresse übermitteltes Schriftstück wurde allerdings von der Post unter der Adresse der Kläger zugestellt. Im Dezember 2016 erklärte der Ehemann er sei zwar in C. gemeldet, lebe jedoch in London. Ca. zweimal monatlich komme er nach Deutschland um seine Kinder zu besuchen.

Anfang November 2016 legte die Klägerin zu 1) beim Beklagten eine Quittung eines Herrn N. über 323 EUR (34 × 9,50 EUR) für den Monat Oktober vor. Dabei sollte es sich um den Arbeitslohn handeln. Die Vorlage einer entsprechenden Quittung für den Monat November erfolgte im Dezember 2016.

Der Beklagte ging davon aus, dass die Klägerin zu 1) ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin besitze und bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 03.11.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27.12.2016 vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Oktober 2016 bis März 2017, die er nur in den Monaten Oktober und November 2016 zur Auszahlung brachte.

Im Dezember 2016 entstanden beim Beklagten Zweifel, ob die Kläger tatsächlich in K. wohnten. Ferner forderte er den von der Klägerin zu 1) genannten Arbeitgeber zur Abgabe einer Einkommensbescheinigung auf, ohne dass darauf eine Reaktion erfolgte. Im Verlauf ermittelte der Beklagte, dass Herr N. auf Veranlassung der Kriminalpolizei unter der dem Beklagten bekannten Adresse nach unbekannt abgemeldet worden sei. Auch das von ihm seit dem 00.00.0000 angemeldete Gewerbe "Trockenbau und Abriss" wurde, unter demselben Tage, abgemeldet. Nach Abmeldung des Gewerbes wurden unter dem Namen des Herrn N. jedoch weiterhin Arbeitsverträge abgeschlossen und Lohnquittungen für mehrere rumänische Personen beim Beklagten eingereicht.

Unter dem 22.12.2016 hörte der Beklagte die Kläger unter Darlegung dieses Sachverhaltes zu einer Aufhebung des Bescheides vom 03.11.2016 und einer Rückforderung bereits gewährter Leistungen an. Die Echtheit sowohl des Arbeitsvertrages als auch der eingereichten Quittungen würden angezweifelt. Der Beklagte gehe davon aus, dass ein Arbeitsverhältnis nicht zustande gekommen sei. Dies habe zur Folge, dass die Kläger zu keinem Zeitpunkt leistungsberechtigt nach dem SGB II gewesen seien.

Eine Reaktion erfolgte hierauf nicht. Mit Bescheid vom 09.01.2017 nahm der Beklagte den Bewilligungsbescheid mit Wirkung ab dem 01.12.2016 zurück. Die Kläger hätten vor dem Hintergrund des bekannt gewordenen Sachverhaltes um das fingierte Arbeitsverhältnis keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Mit weiterem Bescheid vom 09.01.2017 setzte der Beklagte die Leistungen für die Monate Oktober und November 2016 endgültig auf "null Euro" und eine entsprechende Erstattungsforderung (insgesamt 1.907,28) fest.

Gegen beide Bescheide legten die Kläger nunmehr anwaltlich vertreten am 24.01.2017 Widerspruch ein. Der Beklagte gehe von einem falschen Sachverhalt aus. Die Klägerin zu 1) habe beim besten Willen keinen Einfluss darauf, wo sich ihr Arbeitgeber aufhalte; sie habe den Arbeitsvertrag unterzeichnet. Sie arbeite nach wie vor für Herrn N. Abgesehen davon seien die Zahlungen erbracht.

Ein seitens der Kläger am selben Tage durch die Kläger angestrengtes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Az. S 14 AS 72/17 ER) verlief erfolglos. Die Kammer lehnte die die Anträge mit Beschluss vom 14.02.2017 ab. Im Rahmen der hiergegen erhobenen Beschwerde zum Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Az. L 2 AS 428/17 B ER) ließ die Klägerin zu 1) vortragen, auf Anraten ihres Bevollmächtigten am 06.02.2017 eine neue Beschäftigung aufgenommen zu haben. Vorgelegt wurde ein " Anstellungsvertrag für geringfügig Beschäftigte" mit einem Herrn Q. für den der gleiche Vertragsvordruck verwendet wurde, wie mit Herrn N. sowie eine Meldebescheinigung für Arbeitnehmer gem. § 25 der Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von Daten für die Träger der Sozialversicherung (DEÜV). Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Wegen der Begründung wird auf den zurückweisenden Beschluss vom 06.04.2017 verwiesen.

Am 28.02.2017 half der Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als zuvor Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erstattet verlangt wurden (verbleibende Erstattungsforderung insgesamt 1.699,28 EUR). Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger als unbegründet zurück.

Hiergegen haben die Kläger über ihren Bevollmächtigten am 23.03.2017 Klage erhoben. Das Gericht hat den Träger der Sozialhilfe notwendig beigeladen.

Mit zwei Bescheiden vom 02.05.2017 hat der Beklagte seine Aufhebungsentscheidung für die Monate Dezember 2016 und Januar 2017 aufgehoben (1. Bescheid) und auch für diese Monate durch eine endgültige Leistungsfestsetzung auf "null Euro" ersetzt (2. Bescheid).

Der Kläger-Bevollmächtigte ist der Ansicht, der Beklagte gehe rechtsirrig davon aus, dass die Kläger ab dem 01.10.2016 keine Leistungsansprüche besäßen. Denn ausweislich der im Verwaltungs- und im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorgelegten Unterlagen habe die Klägerin zu 1) von ihrem Arbeitgeber Leistungen erhalten. Bei ihr sei absolutes Vertrauen einer Aufhebung durch die Beklagte vorrangig.

Er verweist ferner auf den weiteren Anstellungsvertrag mit Herrn Q. und legt eine Lohnquittung für den Monat Februar (ohne Jahreszahl) über 280,00 EUR vor.

Der Bevollmächtigte der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung der beiden Bescheide vom 09.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2017 in der Fassung vom 02.05.2017 zu verurteilen, den Klägern Leistungen nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches II. Buch endgültig zu gewähren.

Die Vertreterin des Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Vertreterin der beigeladenen beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Kläger (auch im Hauptsacheverfahren) aufgefordert, konkrete Angaben zur Glaubhaftmachung ihrer Bedürftigkeit zu machen und eidesstattlich zu versichern, ferner entsprechende Unterlagen vorzulegen. Weiterhin hat es die Klägerin zu 1) unter Präzisierung aufgefordert, die Einzelheiten der behaupteten Arbeitsverhältnisse darzulegen Die Kläger haben zunächst ausschließlich Kontoauszüge für eine Girokonto der Klägerin zu 1) von Mitte Januar bis Anfang März 2017 vorgelegt. Die Klägerin zu 1) hat sich in der mündlichen Verhandlung zum Arbeitsverhältnis mit Herrn Q. eingelassen. Das Gericht hat diesen als Zeugen gehört. Wegen des Inhaltes der Einlassung bzw. Aussage wird auf die Sitzungsniederschriften vom 25.07.2017 und 12.09.2017 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach – und Streitverhältnisses wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und auf die Verfahrensakte sowie die Gerichtsakte zum Verfahren S 14 AS 72/17 ER/ L 2 AS 428/17 B ER verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Streitgegenstand sind die Bescheide vom 09.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2017 in der Fassung der Bescheide vom 02.05.2017, mit denen für den Zeitraum Oktober bis einschließlich Januar 2017 Leistungen endgültig "auf null" festgesetzt und die – nur im Oktober und November 2016 zur Auszahlung gelangten vorläufig bewilligten Leistungen – zur Erstattung festgesetzt worden sind bzw. die vorläufige Leistungsbewilligung (Bescheid vom 03.11.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27.12.2016) für die Monate Februar und März 2017 aufgehoben worden ist. Die Bescheide vom 02.05.2017 sind gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, denn sie sind nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen und ändern die angefochtenen Bescheide. Der streitgegenständliche Zeitraum umfasst damit insgesamt im Zeitraum von Oktober 2016 bis März 2017. B. Die Klagen des Klägers zu 2) und der Klägerin zu 3) sind mangels Prozessfähigkeit teilweise unzulässig (C.), im Übrigen (auch) unbegründet (vgl. D).

Die Klage der Klägerin zu 1) ist hinsichtlich des gesamten streitgegenständlichen Zeitraumes als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. § 54 Abs. 4 SGG) statthaft und zulässig (D.), aber unbegründet (E.)

C. Die Klagen des Klägers zu 2) und der Klägerin zu 3) sind mangels ordnungsgemäßer Vertretung unzulässig, soweit sie sich nicht gegen die Erstattungsfestsetzungen richtet.

Einer Vertretung des vier Jahre alten Klägers zu 2) bzw. der zwei Jahre alten Klägerin zu 3) hätte es deshalb bedurft, weil diese nicht selbst prozessfähig i.S. des § 71 Abs. 1 und 2 SGG i.V.m. §§ 104 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind. Ein Beteiligter ist nach § 71 Abs. 1 SGG prozessfähig, wenn er sich durch Verträge verpflichten kann. Minderjährige sind gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 SGG in eigenen Sachen prozessfähig, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind. Der Kläger zu 2) und die Klägerin zu 3) sind nicht nach den Vorschriften des öffentlichen Rechts handlungsfähig, weil die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit nach § 36 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) die Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres voraussetzt. Nach der bürgerlich-rechtlichen Vorschrift des § 107 BGB bedarf der Minderjährige zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters.

Die Verfahrensführung ist für die Kinder der Klägerin zu 1) ist – soweit sie über die Anfechtung der Erstattungsfestsetzungen hinausgeht - nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Die Geltendmachung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ist bereits deshalb nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, weil eine Leistungsgewährung zum Erlöschen der Forderung führt. (vgl. für einen Rentenzahlungsanspruch BSGE 53, 8, 9 = SozR 7610 § 1813 Nr 1 S 2; BSG, Urteil vom 02. Juli 2009 – B 14 AS 54/08 R –, BSGE 104, 48-57, SozR 4-1500 § 71 Nr 2, SozR 4-1200 § 36 Nr 2, SozR 4-4200 § 7 Nr 12, SozR 4-4200 § 21 Nr 6, Rn. 17). Insofern sind die Kinder für das Anfechtungs- und (endgültige) Leistungsbegehren für den Zeitraum Oktober 2016 bis Januar 2017) nicht prozessführungsbefugt.

Die gesetzliche Vertretung des Kindes erfolgt gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB gemeinschaftlich durch die Eltern. Ein Elternteil vertritt das Kind nur dann allein, wenn er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 BGB übertragen worden ist, § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB. Keine dieser Voraussetzungen für eine Alleinvertretungsbefugnis der Klägerin zu 1) für den Kläger zu 2) und die Klägerin zu 3) ist hier ersichtlich. Zwar kann auch bei einem gemeinsamen Sorgerecht nur ein Elternteil zur Ausübung der Sorge befugt und damit nach § 1629 Absatz 1 S. 3 BGB alleinvertretungsberechtigt sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die elterliche Sorge eines Elternteils ruht, weil er geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist oder weil er sie auf längere Zeit tatsächlich nicht ausüben kann (§§ 1673-1675 BGB). Bei gemeinsamer Sorge getrennt lebender Eltern hat außerdem derjenige Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteiles gewöhnlich aufhält, eine gesetzliche Alleinvertretungsbefugnis in Angelegenheiten des täglichen Lebens (§ 1687 Absatz 1 S. 2 BGB). Dass der Vater des Klägers zu 2) und der Klägerin zu 3) in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt wäre, ist nicht ersichtlich. Selbst der Umstand, dass er sich nach seinen Angaben gewöhnlich in London auffällt und lediglich zweimal monatlich seine Kinder besucht, kann nicht zu der Annahme führen, dass er die elterliche Sorge nicht ausüben kann bzw. die Klägerin zu 1) – wie offensichtlich ihr Bevollmächtigter meint (vergleiche die Begründung der Beschwerde im Verfahren L 2 AS 428/17 B ER) vom 14.03.2017) – ohne weiteres das alleinige Sorgerecht innehat. Das Ruhen der Sorge bei einem tatsächlichen Hindernis ist zudem von einer familiengerichtlichen Feststellung abhängig (§ 1674 Abs. 1 BGB). Bei der Führung eines gerichtlichen Verfahrens handelt es sich auch nicht um eine Angelegenheit des täglichen Lebens im Sinne des § 1687 Abs. 1 S. 2, 3 BGB. Denn zur Alltagssorge gehört alles, was im täglichen Leben der Familie anfällt (vgl. Palandt, 74. Auflage 2015, § 1687, Rn. 7).

Auch eine an sich zulässige Bevollmächtigung der Klägerin zu 1) durch den Vater der Kinder, den möglicherweise getrennt lebenden Ehemann der Klägerin zu 1), oder die nachträgliche Genehmigung des vollmachtlosen Handelns der Klägerin zu 1) für die Kinder sind im vorliegenden Verfahren weder vorgetragen noch belegt. (BSG, Urteil vom 02. Juli 2009 – B 14 AS 54/08 R –, BSGE 104, 48-57, SozR 4-1500 § 71 Nr 2, SozR 4-1200 § 36 Nr 2, SozR 4-4200 § 7 Nr 12, SozR 4-4200 § 21 Nr 6, Rn. 21).

Den anwaltlich vertretenen Klägern musste die (teils) fehlende Prozessfähigkeit des Klägers zu 2) und der Klägerin zu 3) spätestens aus den Gründen des Beschusses der Kammer im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vom 14.02.2017 (Az. S 14 AS 72/17 ER bekannt sein. Dennoch haben sie im Hauptsacheverfahren keine Genehmigung des Vaters der Kinder beigebracht oder eine alleine Vertretungsberechtigung der Klägerin zu 1) nachgewiesen.

D. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage der Klägerin zu 1) ist zulässig und insbesondere auch hinsichtlich der Monate Februar und März 2017, für die der Beklagte seine vorläufige Leistungsbewilligung zurückgenommen und hat, nicht ohne Rechtsschutzbedürfnis in Bezug auf das Leistungsbegehren einer endgültigen Leistungsgewährung. Denn eine bloße Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) hülfe insofern letztlich nicht weiter, da bei Aufhebung der Rücknahmeentscheidung die vorläufige Leistungsbewilligung zunächst zwar wieder "aufleben" würde, der Beklagte jedoch zu einer endgültigen Leistungsfestsetzung auf "null" ermächtigt und berufen (vgl. § 41a Abs. 3 S. 1 Alt. 1 SGB II, hierzu E. I. 1.) bliebe. Er hat durch seine Rücknahmeentscheidung der vorläufigen Bewilligung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er endgültig keinen Leistungsanspruch der Kläger erkennt. Die Klägerin zu 1) auf eine isolierte Anfechtung der Rücknahme zu verweisen, um sodann erneut Anfechtungs- und Leistungsklage gegen eine endgültige Leistungsfestsetzung erheben zu müssen, wäre unter prozessökonomischen Gesichtspunkten – bei Ablauf des Bewilligungszeitraumes - ohne Sinn (dazu, dass eine auf endgültige Leistungsgewährung gerichtete Klage bei vorläufiger Leistungsbewilligung nicht grds. unzulässig ist: BSG, Urteil vom 06. April 2011 – B 4 AS 119/10 R –, BSGE 108, 86-97, SozR 4-1500 § 54 Nr 21). In der Konsequenz trägt die Klägerin zu 1) dann aber auch für die Monate Februar und März 2017 die objektive Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen.

E. Die Klagen sind unbegründet und – soweit sie zulässig sind – als solches abzuweisen.

Die Bescheide vom 09.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2017 in der Fassung der Bescheide vom 02.05.2017 sind rechtmäßig und beschweren die Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Den Klägern steht im streitgegenständlichen Zeitraum von Oktober 2016 bis März 2017 kein Anspruch nach dem SGB II zu (I 1., II.).

Die Kläger hatten in dieser Zeit aber auch keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) gegen die Beigeladene (I. 2.)

I. 1. Den angefochtenen Bescheid vom 09.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2017 in der Fassung der Bescheide vom 02.05.2017, der die den Klägern mit Bescheid vom 03.11.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27.12.2016 vorläufig bewilligten Leistungen nach dem SGB II auf "null" festsetzt, trägt die Ermächtigungsgrundlage des § 41a in der ab dem 01.08.2016 gültigen Fassung vom 26.07.2016 (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) (hierzu: Geiger, NZS, S. 139 ff.).

Gemäß § 41a Abs. 3 S. 1 SGB II entscheiden die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern eine vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt.

Sofern § 41 a Abs. 2 S. 4 SGB II regelt, dass, soweit eine vorläufige Entscheidung rechtswidrig ist, sie für die Zukunft zurückzunehmen ist, kommt darin die Vorstellung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass eine – wie hier anfänglich rechtswidrige Bewilligungsentscheidung – nicht zurücknehmen, dem vielmehr vergangenheitsgerichtet im Wege der endgültigen Leistungsbewilligung Rechnung zu tragen ist. So heißt es in der Gesetzesbegründung, eine Anwendbarkeit der §§ 45, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) zu Ungunsten der leistungsberechtigten Person mit Wirkung für die Vergangenheit sei systematisch nicht angezeigt, da die vorläufige Entscheidung sich nicht im Wege der Aufhebung, sondern der abschließenden Entscheidung erledige (BT-Drs. 18/8041, S. 53). Bereits vor Einführung des § 41a SGB II hat die Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die §§ 44 ff. SGB X im Rahmen der endgültigen Leistungsfestsetzung nach dem bis zum Juli 2016 über den Verweis in § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a. F. (nunmehr weggefallen) anwendbaren § 328 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) nicht möglich sei (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 31/14 R –, SozR 4-4200 § 40 Nr 9; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. September 2015 – L 19 AS 2333/14 –, Rn. 22, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. September 2015 – L 7 AS 1880/12 –, Rn. 29, juris; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. Oktober 2015 – L 4 AS 561/15 B –, Rn. 15, juris; s. ferner: Aubel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 40, Rn. 72.2). Ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Bewilligungsbescheides, wie es in den §§ 44 ff. SGB X Berücksichtigung findet, scheidet bei einer bloß vorläufigen Leistungsentscheidung – auch für die Vergangenheit (für die Zukunft siehe § 41a Abs. 2 S. 5 SGB II) von vorneherein aus (BT-Drs. 18/8041, S. 53; für die Rechtslage vor Einführung des § 41a SGB II: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. September 2015 – L 7 AS 1880/12 –, Rn. 29, juris). Die vorläufige Leistungsbewilligung nach § 41 a Abs. 1 SGB II (bzw. §§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a. F.i.V.m. 328 Abs. 1 Satz 1 SGB III) soll nach Wortlaut und Sinn und Zweck der Vorschrift ausschließlich im Interesse des Betroffenen eine schnelle Sicherung der Lebensgrundlage ermöglichen (BT-Drs. 18/8041, S. 52 – so ergeht gem. § 41a Abs. 1 S. 3 SGB II eine vorläufige Entscheidung nicht, wenn der Leistungsberechtigte die Umstände, die einer sofortigen Entscheidung entgegenstehen, zu vertreten hat) und entfaltet damit keinerlei Bindungswirkung über die vorläufige Bewilligung hinaus. Vorläufige Bewilligungen zielen ausschließlich auf eine Zwischenlösung und sind demgemäß auf die Ersetzung durch eine endgültige Entscheidung nach Wegfall der Vorläufigkeitsvoraussetzungen angelegt. Vorläufig bewilligte Leistungen sind als aliud gegenüber endgültigen Leistungen anzusehen (BSG, Urteile vom 29.04.2015 - B 14 AS 31/14 R m. w. N. und vom 15.08.2002 - B 7 AL 24/01 R; LSG Sachsen, Urteil vom 18.02.2010 - L 3 AL 28/09; ausführlich Düe, in: Brand, SGB III, 7. Aufl. 2015, § 328 Rn. 8 f). Die Regelung des § 41a Abs. 2 S. 1 SGB II (§§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a. F. i.V.m. 328 Abs. 1 Satz 2 SGB III), wonach Umfang und Grund der Vorläufigkeit anzugeben sind, ändert hieran nichts (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19.03.2014 - L 13 AS 325/11). Nur, wenn der vorläufige Bewilligungsbescheid weitere Verfügungssätze enthält, kann u. U eine über die vorläufige Leistungsbewilligung hinausgehende Bindungswirkung eintreten (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. September 2015 – L 7 AS 1880/12 –, Rn. 29, juris).

a) Dem hat der Beklagte mit den Bescheiden vom 02.05.2017 Rechnung getragen. Nachdem er zunächst mit Bescheiden vom 09.01.2017 lediglich die Monate Oktober und November 2016, in denen Leistungen letztlich tatsächlich zur Auszahlung gelangt sind, endgültig festgesetzt und die vorläufige Leistungsbewilligung bis einschließlich März 2017 ab Dezember 2016 zurückgenommen hat, hat er die Rücknahme der vorläufigen Bewilligungsentscheidung nunmehr auf die Monate Februar und März 2017 beschränkt und im Übrigen die Leistungen endgültig auf "null" festgesetzt. Dies ist dogmatisch deshalb korrekt, weil eine Aufhebung/Rücknahme für die Zukunft Aufhebung/Rücknahme für die Zeit nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes bedeutet (BSG, Urteil vom 24. Februar 1987 – 11b RAr 53/86 –, BSGE 61, 189-193, SozR 1300 § 48 Nr 31; Schütze, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, § 48, Rn. 18 m.w.N.). Wird die aufgehobene oder zurückgenommene Leistung – wie Leistungen nach dem SGB II, vergleiche § 42 Abs. 1 SGB II – monatsweise gewährt, beginnt die Zukunftswirkung mit Beginn des Monats, der auf die Aufhebung/Rücknahme folgt (BSG, Urteil vom 24. Februar 1987 – 11b RAr 53/86 –, BSGE 61, 189-193, SozR 1300 § 48 Nr 31); hier dem Februar 2017. Dies gilt auch, wenn die bewilligten Leistungen noch nicht ausgezahlt worden sind (BSG, Urteil vom 24. April 1997 – 13 RJ 23/96 –, BSGE 80, 186-198, SozR 3-7140 § 1 Nr 1; Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 45 SGB X, Rn. 106).

b) Den Klägern standen für den von der endgültigen Leistungsfestsetzung auf "null" betroffenen Zeitraum auch tatsächlich keine Leistungen nach dem SGB II zu, so dass die vorläufig bewilligten Leistungen nicht den abschließend festzustellenden entsprachen (§ 41 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 SGB II).

Die Kläger hatten bereits zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 03.11.2016 (in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27.12.2016) keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gegen den Beklagten.

Für die Zeit vom 01.10.2016 bis zum 28.12.2016 schied ein Leistungsanspruch gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SG II in der ab dem 01.08.2016 bis zum 28.12.2016 gültigen Fassung (a. F.) aus. Seit dem 29.12.2016 schied ein Anspruch gemäß § 7 S. 2 Nr. 2 a) SGB II (n.F.) aus.

(1) § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (a.F.) enthielt/enthält (vgl. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 b) n. F. – gültig ab dem 29.12.2016) einen Ausnahmetatbestand zum Nachteil solcher Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU in der seit dem 09.12.2014 geltenden Fassung des "Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften" vom 02.12.2014 (BGBl I, 1922 - n. F.)) ergibt. Der Ausschlusstatbestand betrifft auch Familienangehörige.

Über den Wortlaut des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II a. F. hinaus waren bereits diejenigen Unionsbürger "erst-recht" von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auszunehmen, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder kein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in Deutschland verfügen, also nicht einmal über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung aus dem Zweck der Arbeitssuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II a. F. war insoweit planwidrig lückenhaft gewesen, als sie nicht ausdrücklich den Ausschluss auch derjenigen normiert, denen keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht zusteht, weil sie einen Leistungsausschluss schon für solche Ausländer anordnet, die sich auf eine solche materielle Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des FreizügG/EU berufen können (vgl. ausführlich BSG, Urteil vom 03. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R , juris, Rn. 19 ff.; BSG, Urteil vom 03. Dezember 2015 - B 4 AS 59/13 R, juris, Rn. 14). Der Gesetzgeber hat dies nunmehr in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 a) SGB II n. F. (Gesetz vom 22.12.2016 - Bundesgesetzblatt Teil I 2016 Nr. 65 28.12.2016 S. 3155) ausdrücklich klargestellt (vgl. BR-Drs. 18/10518, S. 1).

Die Anwendbarkeit der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (alter und neuer Fassung) erfordert aber eine Prüfung des Grundes bzw. der Gründe für eine im streitigen Leistungszeitraum (weiterhin) bestehende materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht nach den - im Wege eines Günstigkeitsvergleichs - anwendbaren Regelungen des Aufenthaltsgesetzes (§ 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU; vgl. hierzu BSG, Urteil vom 30.01.2013, B 4 AS 54/12 R, juris, Rn. 31 ff. m.w.N.). Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BSG, der einhellig gefolgt wird, hindert bereits das Vorliegen der Voraussetzungen für ein mögliches anderes (im Falle des § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU im Ermessenswege zu erteilendes) bzw. bestehendes Aufenthaltsrecht als ein solches aus dem Zweck der Arbeitsuche die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" i.S. von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (BSG, Urteil vom 30. Januar 2013, B 4 AS 54/12 R, juris, Rn. 31 ff.; BSG, Urteil vom 19.Oktober 2010, B 14 AS 23/10 R, juris, Rn. 17 ff.) bzw. lässt den Leistungsausschluss "von vornherein" entfallen (BSG, Urteil vom 25.Januar 2012, B 14 AS 138/11 R, juris, Rn. 20 f.).

Mit der so auszulegenden Ausnahme des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II (a. F.) knüpft(e) der deutsche Gesetzgeber an den Spielraum, den der europäische Gesetzgeber in Art. 24 Abs. 2, 14 Abs. 4 lit. b Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2014 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (RL 2004/38/EG - sog. Freizügigkeitsrichtlinie) vorsieht. Auf der Ebene des Europarechts sind Fragen des Ausschlusses von Unionsbürgern von (deutschen) Grundsicherungsleistungen durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) bereits - für die nationalen Gerichte bindend - geklärt. In den Rechtssachen Dano (EuGH, Urteil vom 11.11.2014, C-333/13, Celex-Nr. 62013CJ0333, juris), Alimanovic (EuGH, Urteil vom 15.09.2015, C-67/14, Celex-Nr. 62014CJ0067, juris) und García-Nieto (EuGH, Urteil vom 25.02.2016, C-67/14, Celex-Nr. 62014CN0299, juris) erklärte der EuGH die Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 SGB II für europarechtskonform.

Er hat die Zulässigkeit der Verknüpfung des Ausschlusses von Unionsbürgern anderer Mitgliedstaaten von existenzsichernden Leistungen mit dem Bestehen eines Aufenthaltsrechts im Sinne der RL 2004/38/EG ausdrücklich anerkannt. Nach seiner Rechtsprechung sind Art. 24 Abs. 1 der RL 2004/38/EG i.V.m. ihrem Art 7 Abs. 1 lit. b und Art. 4 VO 883/2004/EG dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Bezug bestimmter "besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen" im Sinne des Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004/EG ausgeschlossen werden, während Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden, diese Leistungen erhalten, sofern den betreffenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der RL 2004/38/EG zusteht (EuGH Rs Dano vom 11.11.2014 - C-333/13, Rn. 84). In der Rechtssache Alimanovic hat der EuGH insoweit betont, dass Unionsbürger anderer EU-Staaten, die nach Deutschland eingereist sind, um Arbeit zu suchen, vom deutschen Gesetzgeber vom Bezug von Alg II oder Sozialgeld ausgeschlossen werden können, selbst wenn diese Leistungen als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne des Art. 70 VO 883/2004/EG eingeordnet werden (EuGH Rs Alimanovic vom 15.9.2015 - C-67/14 Rn.63). Bei den Leistungen nach dem SGB II handele es sich um Leistungen der "Sozialhilfe" im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG. Danach haben die Aufnahmestaaten jedoch keine Verpflichtung zur Gleichbehandlung ihrer Staatsangehörigen und solcher anderer EU-Mitgliedstaaten im Hinblick auf einen Anspruch auf Sozialhilfe, wenn Letztere nicht Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder ihnen dieser Status erhalten geblieben ist bzw. Familienangehörige dieser sind (s. hierzu auch Kingreen in NVwZ 2015, 1503, 1505 f). Die Entscheidung zur Rechtssache García-Nieto betraf explizit die Vereinbarkeit des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II mit dem Gemeinschaftsrecht.

Auch das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 des europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) vom 11.12.1953 steht einer Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Absatz 1 S. 2 SGB II nicht entgegen. Die Kläger unterfallen als rumänische Staatsangehörige bereits nicht dem personellen Anwendungsbereich. Ungeachtet dessen vertritt die Kammer die Auffassung, dass das Gleichbehandlungsgebot aus dem EFA durch den Vorrang der VO 883/2004/EG (Art. 8 Abs. 1 S. 1) verdrängt wird (vgl. dazu ausführlich: Urteil der Kammer vom 30. August 2016 – S 14 AS 267/16, juris, Rn. 35 ff.; Anschluss: SG Aachen, Urteil vom 25. Oktober 2016 – S 11 AS 357/16, juris, Rn. 55 ff.).

(2) War der Leistungsausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (a. F.) bereits zum Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung des Beklagten damit auf die Kläger als rumänische Staatsangehörige anzuwenden, schied ein Leistungsanspruch (auch) für die Zeit von Oktober 2016 bis Januar 2017 aus.

Ein Aufenthaltsrecht der Kläger war im Zeitraum von Oktober 2016 einschließlich Januar 2017 (und danach, dazu siehe II.) nicht vorhanden.

Insbesondere bestand für die Klägerin zu 1) kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU (zu den Voraussetzungen einer Arbeitnehmereigenschaft: Beschluss der Kammer vom 24. Juni 2016 – S 14 AS 525/16 ER, juris, Rn. 41). Die Kammer ist davon überzeugt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin zu 1) mit Herrn N. (das zweite behauptete Arbeitsverhältnis, zu Herrn Q., soll erst im Februar 2017 begonnen haben, dazu II.) fingiert war (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. März 2017 – 18 B 274/17 –, Rn. 3, juris). Diese bereits im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vorhandene Überzeugung ist durch das Landessozialgericht für das LSG NRW mit Beschluss vom 06.04.2017 (Az. L 2A S 428/17 B ER) geteilt worden. Die Kläger haben im Klageverfahren keine neuen Beweismittel beigebracht oder Ermittlungsansätze geboten. Dies, obwohl die Kammer auch im Klageverfahren den Klägern ganz konkrete Fragen gestellt und Nachweise gefordert hat (Verfügung vom 28.03.2017). Die Kläger haben hierauf – bis auf die Vorlage von Kontoauszügen - aus denen insbesondere nichts zu entnehmen ist, was auf die Echtheit des behaupteten Arbeitsverhältnisses hinweisen würde, nicht reagiert.

Wie die Kammer bereits im Beschluss vom 14.02.2017 im ER-Verfahren (Az S 14 AS 72/17 ER) ausgeführt hat, spricht für ein Scheinarbeitsverhältnis zu Herrn N. zunächst bereits die Perplexität des vorgelegten Arbeitsvertrages. Es wird nicht verständlich bzw. in sich widersprüchlich geregelt, in welchem Umfang zu welchem Lohn eine Leistung geschuldet wird. Das Schriftstück entbehrt deshalb einer Regelung der essentilia negotii eines Arbeitsvertrages. Zunächst heißt es, die regelmäßige Arbeitszeit betrage 37,5 Wochenstunden an 9,5 Tagen. Abweichend davon und weiter unverständlich wird sodann ausgeführt, "4 Stunden und zwei jeweils drei, am Montag und am Donnerstag". Schließlich wird niedergelegt, die regelmäßige Arbeitszeit betrage zwölf Wochenstunden und die Verteilung auf die Arbeitstage ergebe sich aus dem Dienstplan, der mit dem Arbeitnehmer besprochen werde. Nicht klar ersichtlich ist, ob die angegebene Vergütung von 320 EUR monatlich oder stündlich anfällt. Im Verwaltungsverfahren hat die Klägerin zu 1) angegeben, sie arbeite viermal pro Woche für 2-3 Stunden. Das Beschäftigungsverhältnis habe zum 03.10.2016 begonnen. Sie arbeite für eine Firma, die Arbeiter auf Baustellen vermittele. Sie sei dort als Reinigungskraft beschäftigt. Nach erfolgreicher Renovierung führe sie jeweils eine Grundreinigung durch, bevor Wohnungen an Mieter übergeben würden. Weshalb eine Firma, deren Geschäftsgegenstand die Vermittlung von Arbeitern auf Baustellen ist, eine Reinigungskraft beschäftigen sollte, die eine Grundreinigung bei erfolgreicher Renovierung von Wohnungen vornimmt, wird für die Kammer nicht plausibel. Hinzu tritt, dass das von Herrn N. erst Anfang August 2016 unter seiner Privatanschrift angemeldete Gewerbe weder mit dem Gegenstand einer Vermittlungstätigkeit von Arbeitnehmern noch der Renovierung oder Grundreinigung von Wohnungen, sondern mit "Trockenbau und Abriss" umschrieben wurde. Im gerichtlichen Eilverfahren hat die Klägerin zu 1) abweichend von den Angaben im Verwaltungsverfahren angegeben, sie übe Übersetzungstätigkeiten für Herrn N. aus. Der Aufforderung des Beklagten einen ihm übersendeten Einkommensbescheinigungsvordruck für die Klägerin zu 1) auszufüllen ist der angebliche Arbeitgeber nicht nachgekommen. Seit dem Monat Dezember 2016 konnte die Klägerin zu 1) auch keine Quittungen über angeblich in bar entrichtete Lohnzahlungen mehr vorlegen. Der präzisierten Aufforderung des Gerichtes, Einzelheiten des behaupteten Arbeitsverhältnisses darzulegen und diese zu belegen bzw. an Eides statt zu versichern, ist die Klägerin zu 1) weder im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, noch im Hauptsacheverfahren nachgekommen. In der Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Prozesskostenhilfeantrag hat die Klägerin zu 1) im Januar 2017 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angegeben über keinerlei Einnahmen aus einer Erwerbstätigkeit zu verfügen.

Nach Einschätzung der Kammer ist davon auszugehen, dass Herr N. tatsächlich kein Gewerbe ausgeübt hat. Am 29.09.2016 ist er auf polizeiliche Veranlassung von seiner Meldeadresse mit unbekanntem Aufenthalt-, ebenfalls das Gewerbe abgemeldet worden. Der Aufenthalt des rumänischen Staatsangehörigen ist seither nicht zu ermitteln gewesen. Auch die Klägerin zu 1) trotz Aufforderung des Gerichtes eine ladungsfähige Anschrift nicht mitgeteilt. Sie habe keinen Einfluss darauf, wo sich ihr Arbeitgeber aufhalte. Eine seitens des Bevollmächtigten im ER-Verfahren angeregte Vernehmung des Herrn N. ist daher nicht möglich gewesen. Die Kammer hat keine Ansätze, dessen Aufenthalt zu ermitteln. Die Annahme, dass Herr N. lediglich ein Scheingewerbe betreibt, um für seine Landsleute Arbeitnehmerverhältnisse zu fingieren, die diese zum Aufenthalt und Bezug von Grundsicherung Leistungen nach dem SGB II berechtigen, ergibt sich auf Grundlage der vorstehenden Indizien in Zusammenschau mit den Ermittlungsergebnissen des Hauptzollamtes B. in Bezug auf gewerbliche Tätigkeiten des Herrn N ... Die informatorische Befragung einer weiteren vermeintlichen Arbeitnehmerin hat ergeben, dass Herrn N. dieser, nachdem er sie am Bahnhof in E. angesprochen hatte, einen Arbeitsvertrag zur Vorlage beim Jobcenter nach Hause gebracht hat. Als das Jobcenter Lohnabrechnungen verlangt habe, habe er ihr zwei Quittungen nach Hause gebracht. Dabei habe sie nie für ihn gearbeitet und auch kein Geld von ihm erhalten. Wie auch die Klägerin zu 1) konnte die rumänische Staatsangehörige zudem keine Angaben über den Firmensitz des Herrn N. machen. Ferner hat der Beklagte ermittelt, dass trotz und nach amtlich veranlasster Abmeldung des Gewerbes weiterhin schriftliche Arbeitsverträge unter dem Namen des Herrn N. für rumänische Staatsangehörige verfasst und diesen Lohnquittungen zur Vorlage beim Grundsicherungsträger ausgestellt worden sind. Vor diesem Hintergrund ist der zähflüssig erfolgte Vortrag der Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung am 25.07.2017, sie habe tatsächlich 3-10 Stunden pro Woche ab Oktober 2016 für Herrn N. gearbeitet, nicht glaubhaft. Das Papier, auf dem angeblich die Arbeitsstunden festgehalten worden sein sollen, konnte die Klägerin nicht vorlegen. Auch zum Fortsetzungstermin am 12.09.2010 hat sie keine entsprechenden Unterlagen mitgebracht.

Auch die Tatbestände des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU sind seit Oktober 2016 sind nicht erfüllt. Ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4 a Abs. 1 FreizügG/EU (nach fünfjährigem rechtmäßigem Aufenthalt) kann aufgrund der Einreise der Klägerin zu 1) mit dem Kläger zu 2) (die Klägerin zu 3) wurde erst am 19.06.2015 geboren) am 14.04.2014 frühestens im April 2019 entstehen. Für ein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige nach § 2 Abs. 2 Nr. 6, § 3 FreizügG/EU ist nichts ersichtlich. Aufgrund der durch die Antragsteller behaupteten Hilfebedürftigkeit der i. S. des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II scheidet auch eine Freizügigkeitsberechtigung für nicht Erwerbstätige nach § 2 Abs. 2 Nr. 5, § 4 FreizügG/EU aus.

Eine fehlende Glaubhaftmachung des Umstandes, dass die Klägerin zu 1) sich tatsächlich und ernsthaft um eine Erwerbstätigkeit bemüht (hat), und ob daraus ein Aufenthaltsrecht Zwecke der Arbeitssuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a FreizügG/EU resultiert(e) (vgl. zu den Voraussetzungen eingehend: BSG, Urteil vom 03. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R -, BSGE (vorgesehen), SozR 4-4200 § 7 Nr 43, Rn. 17) kann letztlich dahinstehen. Denn es ist bereits dargelegt worden, dass über den Wortlaut des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II a. F ... hinaus diejenigen Unionsbürger "erst-recht" von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auszunehmen sind, die über kein materielles Aufenthaltsrecht verfügen (ab 29.12.2016 in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a) SGB II klargestellt).

Auch ein im Wege des "Günstigkeitsvergleiches" (vgl. § 11 Abs. 1 FreizügG/EU) zu berücksichtigendes Aufenthaltsrecht im Sinne des AufenthG war und ist nicht ersichtlich.

2. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB XII gegen den beigeladenen Sozialhilfeträger.

a) Zwar hat das Bundessozialgericht zur bis zum 28.12.2016 gültigen Rechtslage (für die Zeit danach: Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 - Bundesgesetzblatt Teil I 2016 Nr. 65 28.12.2016 S. 3155) die Auffassung vertreten, dass im Falle des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II a. F. nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII a. F. ein Ermessensanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII a. F. i. V. m. §§ 27 ff. SGB XII besteht, wobei sich das Ermessen des Sozialhilfeträgers nach sechsmonatigem Aufenthalt des EU- Ausländers grundsätzlich auf "null" reduzieren sollte (Urteile vom 03. Dezember 2015 - B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 43/15 R, vom 16. Dezember 2015 -B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R und B 14 AS 33/14 R, vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 15/15 R und B 14 AS 35/15 R, vom 17. Februar 2016 - B 4 AS 24/14 R und vom 17. März 2015, Az.: B 4 AS 32/15 R; dem BSG folgend u.a.: LSG NRW, Beschluss vom 24. Februar 2016 - L 19 AS 1834/15 B ER - L 19 AS 1835/15 B; Beschluss vom 30.11.2016 – L 12 AS 1027/16 B ER, sämtlich juris; Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 SGB XII, Rn. 63.21)

b) Nach der ab dem 29.12.2016 geltenden Rechtslage kommt ein Anspruch gegen den Träger der Sozialhilfe auf Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem dritten Kapitel des SGB XII jedoch eindeutig nicht mehr in Betracht. Der Gesetzgeber hat in § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII n. F. einen identischen Ausschlusstatbestand wie in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a), b) SGB II n. F. eingeführt und "klargestellt", dass für die nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossenen Unionsbürger auch kein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen zum Lebensunterhalt besteht (s. BT-Drs. 18/10211, S. 16).

c) Die Kammer hat zudem bereits entschieden, dass auch für die Zeit vor dem 29.12.2016 ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII für nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 a. F. von Leistungen nach dem SGB II Ausgeschlossene nicht besteht (aus der breiten Gegenauffassung der Instanzgerichte zur Auffassung des BSG siehe das Urteil der Kammer vom 30. August 2016 – S 14 AS 267/16, juris, Rn. 58 ff. m.w.Nachw.). Hieran hält die Kammer fest, so dass die Kläger – auch für die Zeit von Oktober bis zum 28.12.2016 - keinen Anspruch auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII haben:

Die Klägerin zu 1) war bereits nach der Rechtslage vor dem 29.12.2016 als - unstreitig - Erwerbsfähige gemäß § 21 Satz 1 SGB XII vom Bezug von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen, die Kläger zu 2) und die Klägerin zu 3) in der Folge als Angehörige. Dies folgt aus dem Wortlaut und dem systematischen Aufbau des § 21 SGB XII, der Gesetzesbegründung sowie dem vom BSG in weiteren Urteilen aufgezeigten systematischen Wechselspiel von SGB II und SGB XII und der in diesem Zusammenhang angenommenen abgrenzenden Funktion des § 21 SGB XII und der in § 7 SGB II vertretenen Leistungsausschlüsse. Dessen ungeachtet kommt auch wegen § 23 Abs. 3 SGB XII a. F. die Gewährung laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII nicht in Betracht (SG Dortmund, Beschluss vom 18. April 2016 - S 32 AS 380/16 ER -, Rn. 75, juris; Beschluss vom 23.11.2015 - S 30 AS 3827/15 ER - juris m. w. N.; Beschluss vom 20.07.2016 - S 32 AS 3037/16 ER, Rn. 64, juris; SG Berlin, Urteil vom 11.12.2015 - S 149 AS 7191/13 - juris; Urteil vom 14.01.2016 - S 26 AS 12515/13 - juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2016 - L 29 AS 20/16 B ER, L 29 AS 21/16 B ER PKH (unter Bestätigung der Vorinstanz: SG Berlin, Beschluss vom 06.01.2016 - S 59 AS 26012/15 ER - n. v.); SG Dortmund, Beschluss vom 11.02.2016 - S 35 AS 5396/15 ER - juris; SG Berlin, Beschluss vom 22.02.2016 - S 95 SO 3345/15 ER - juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 - L 9 AS 1335/15 B ER - juris; LSG NRW, Beschluss vom 07.03.2016 - L 12 SO 79/16 B ER - juris; SG Dortmund, Beschluss vom 18.03.2016 - S 35 AS 521/16 ER - n. v.; SG Dortmund, Beschluss vom 18.03.2016 - S 19 AS 91/16 ER - bislang n. v.; SG Speyer, Urteil vom 29.03.2016 - S 5 AS 493/14 - juris; SG Dortmund, Beschluss vom 13.04.2016 - S 62 SO 164/16 ER - bislang n. v.; offen gelassen wurde die Frage bislang vom 2. Und 6. Senat des LSG NRW, Beschluss vom 14.03.2016 - L 2 AS 225/16 B ER - juris; Beschluss vom 21.04. 2016 - L 6 AS 389/16 B ER, juris; dem BSG folgen hingegen der 19. Senat des LSG NRW, Beschluss vom 24.02.2016 - L 19 AS 1834/15 B ER, L 19 AS 1835/15 B - juris und der 7. Und 19. Senat des LSG NRW, Beschluss vom 16.12.2015 - L 7 AS 1466/15 B ER - juris; Beschluss vom 17.12.2015 - L 7 AS 1711/15 B ER - juris).

Die 35. Kammer des Sozialgerichts Dortmund hat mit Beschluss vom 11.02.2016 - S 35 AS 5396/15 ER, Rn. 23 ff., juris (anschließend SG Dortmund, Beschluss vom 18.04.2016 - S 32 AS 380/16 ER, Rn. 74 ff., juris; ebenso LSG NRW, Beschluss vom 07.03.2016 - L 12 SO 79/16 B ER, juris; vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 - L 9 AS 1335/15 B ER, Rn. 57-66, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2016 - L 29 AS 20/16 B ER, L 29 AS 21/16 B ER PKH, Rn. 25 ff., juris) überzeugend und erschöpfend dargelegt, dass Wortlaut und Aufbau des § 21 SGB XII, die Gesetzesbegründung sowie das vom BSG zuvor aufgezeigte systematische Wechselspiel von SGB II und SG XII sowie die in diesem Zusammenhang angenommene abgrenzende Funktion des § 21 SGB XII und der in § 7 SGB II enthaltenen Leistungsausschlüsse es ausschlossen, dem BSG in der Beurteilung der hier zu entscheidenden Rechtsfrage zu folgen. Die Kammer führt aus:

(1) "Bereits der Wortlaut des § 21 Satz 1 SGB XII spricht gegen die vom BSG angenommene Möglichkeit, einem Hilfebedürftigen, dessen mangelnde Anspruchsberechtigung auf Leistungen nach dem SGB II nicht aus dem Merkmal der (ggf. auch "fingierten") Erwerbsunfähigkeit resultiert, Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Gemäß § 21 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber auf eine Leistungsberechtigung "als Erwerbsfähiger" "dem Grunde nach" abstellt, zeigt für die Kammer aber, dass bereits die positive Feststellung der Anspruchsvoraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz1 Nr. 2 ("erwerbsfähig sind") dazu führen soll, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII ausscheidet. Sowohl das Tatbestandsmerkmal "als Erwerbsfähige" wie auch das Tatbestandsmerkmal "dem Grunde nach" wären nämlich überflüssig, wenn es nicht um das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit als zentrales Ausschlusskriterium, sondern um die tatsächliche Leistungsberechtigung bzw. den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ginge. Dann hätte vielmehr der bloße Verweis eben auf diese Leistungsberechtigung oder diesen Anspruch nahegelegen.

Auch das Vorliegen eines Leistungsausschlusses (so auch gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II) lässt die Leistungsberechtigung "als Erwerbsfähiger" "dem Grunde nach" nach der Systematik der Norm im Übrigen nicht entfallen, denn während § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II die (positiv formulierten) Tatbestandsvoraussetzungen ("dem Grunde nach") für einen Bezug von Leistungen nach dem SGB II benennt, schließen die Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ("ausgenommen sind" ") nach § 7 Abs.1 Satz 1 SGB II leistungsberechtigte Personengruppen wieder vom Leistungsbezug nach dem SGB II aus. Die Voraussetzung eines weiteren Aufenthaltsrechts als "positive Tatbestandsvoraussetzung" hat der Gesetzgeber gerade nicht vorgenommen."

Soweit die 3. Kammer des Sozialgerichts Mainz (Vorlagebeschluss vom 18. April 2016 - S 3 AS 149/16, Rn. 417 ff., juris) hiergegen einwendet, die Apposition "als Erwerbsfähige oder als Angehörige" stelle sich als bloße Tautologie zu "Leistungsberechtigung dem Grunde nach" dar, kann dem nicht gefolgt werden. Die Ansicht, dass die vorstehende Auslegung am Wortlaut die Leistungsfähigkeit von "Texten im Allgemeinen und Gesetzestexten im Besonderen" überschätze, stößt bereits für sich genommen auf Bedenken. Sie stellt sich auch als ambivalent dar, sofern das Sozialgericht im weiteren zutreffend darauf hinweist, dass der Wortlaut die Grenze jeder Auslegung sei und daher der als Metapher zu verstehende "Wille des Gesetzgebers" (vgl. unten, c)), Erwerbsfähige von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII auszuschließen, keine Beachtung finden könne, da dies die Grenzen des Wortlautes überschreite (SG Mainz, a.a.O., Rn. 425, 439 ff.). Selbst wenn der gesetzgeberische Wille im Wortlaut in der Formulierung "Personen, die erwerbsfähig sind und deren Angehörige, erhalten keine Leistungen für den Lebensunterhalt" tatsächlich besser zum Ausdruck gebracht würde, wovon das Sozialgericht Mainz ausgeht (vgl. SG Mainz, a.a.O., Rn. 420), ist es aus Sicht der erkennenden Kammer nicht vertretbar, die vorliegende Gesetzesfassung dahingehend (miss)zu verstehen, dass der Wortlaut die Beachtung des gesetzgeberischen Willens ausschließt.

Die 3. Kammer des Sozialgerichts Mainz streicht zunächst den Satzteil "als erwerbsfähige oder als Angehörige" über die Behauptung einer vollen Redundanz in dem Term "dem Grunde nach leistungsberechtigt", die sich aus der semantischen Beziehung ergebe. Diese These lässt sich jedoch nicht allein damit rechtfertigen, dass der Gesetzgeber auch im o. a. Duktus hätte formulieren können (so SG Mainz, a.a.O., Rn. 420). Es wäre vielmehr nachzuweisen, dass dem Satzteil des § 21 S. 1 SGB XII "als Erwerbsfähige oder als Angehörige" kein eigenständiger Bedeutungsinhalt beizumessen ist. Dies könnte sich etwa aus dem gesetzgeberischen Willen oder dem systematischen Zusammenhang ableiten lassen. Beides bestätigt vorliegend aber gerade das Gegenteil

Sofern das Sozialgericht Mainz anschließend den Satzteil "dem Grunde nach leistungsberechtigt" mit einem tatsächlichen Bezug von Leistungen nach dem SGB II gleichsetzt (a.a.O, Rn. 422 ff.), zeigt sich die Janusköpfigkeit in der Argumentation am Wortlaut. Während das Sozialgericht seine Auffassung zunächst damit begründet, wie der Gesetzgeber hätte (vermeintlich) formulieren müssen, um die hier vertretene Auffassung im Wortlaut niederzulegen, wird mit diesem Argumentationsansatz gebrochen. Denn insofern hätte der Gesetzgeber doch formulieren können: "Personen, die Leistungen nach dem SGB II erhalten". Die tatsächliche Formulierung zeigt hingegen, dass der Gesetzgeber von einer Konstellation ausgeht, in der trotz des Vorliegens einer Grundvoraussetzung ein Leistungsanspruch letztlich nicht besteht. Die dazugehörige Grundvoraussetzung benennt das Gesetz unmittelbar: "als Erwerbsfähige oder Angehörige" (a. A. BSG, Urteil vom 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R, Rn. 35, juris; dagegen zutreffend: SG Dortmund, Beschluss vom 18.04.2016 - S 32 AS 380/16 ER, Rn. 113).

(2) Für die Auslegung der Kammer spricht im Anschluss an das Sozialgericht Dortmund (a.a.O) auch die weitere Systematik des § 21 SGB XII. Die 35. Kammer führt weiter aus:

"Gemäß § 21 Satz 2 SGB XII können Personen, die nicht hilfebedürftig nach § 9 des Zweiten Buches sind, abweichend von Satz 1 Leistungen nach § 36 (SGB XII) erhalten. Auch diese Regelung wäre aber überflüssig, wenn allein die fehlende Leistungsberechtigung nach dem SGB II (unabhängig vom Kriterium der Erwerbsfähigkeit) den Weg in einen Leistungsbezug nach dem SGB XII eröffnen könnte. Schon das Fehlen der in § 7 Abs.1 Satz 1 Nr.3 SGB II als positive Tatbestandsvoraussetzung benannten (und in § 9 SGB II näher definierten) Hilfebedürftigkeit ließe nämlich die Leistungsberechtigung nach dem SGB II entfallen. In § 21 Satz 2 SGB XII ließe sich dann keine Abweichung zu § 21 Satz 1 SGB XII erkennen (so aber der Gesetzeswortlaut).

Weiter beschreibt § 21 Satz 3 SGB XII das zwischen den Trägern von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII anzuwendende Verfahren, wenn zwischen diesen unterschiedliche Auffassungen über die Zuständigkeit bestehen. Diesbezüglich ist der Träger von Leistungen nach dem SGB XII an die Feststellung einer vollen Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuchs (SGB VI) und nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens an die Entscheidung der Agentur für Arbeit zur Erwerbsfähigkeit gemäß § 44 a Abs.1 SGB II gebunden. Dieses Instrumentarium vermittelt die Auffassung des Gesetzgebers, dass allein die unterschiedliche Einschätzung der Erwerbsfähigkeit als entscheidendes Abgrenzungskriterium zu Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Trägern führen kann. Einen Mechanismus für die Bewältigung weiterer möglicher Abgrenzungsfragen (so z.B. für die nach der neuen Rechtsprechung des BSG erforderliche Klärung, ob neben dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche noch ein weiteres Aufenthaltsrecht vorliegt) sieht § 21 SGB XII nicht vor.

(3) Auch die Gesetzesbegründung zu § 21 SGB XII (BT Drs. 15/1514, S. 57) spricht dafür, dass Erwerbsfähigen der Weg zu Leistungen nach dem SGB XII nicht eröffnet werden soll. Hier heißt es: "Die Regelung setzt nicht voraus, dass jemand tatsächlich Leistungen des anderen Sozialleistungsträgers erhält oder voll erhält, sondern knüpft an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren im Zweiten Buch näher bezeichneten Angehörigen an" (vgl. hierzu überzeugend SG Berlin, Urteil vom 11.12.2015, S 149 AS 7191/13, juris).

Dass das Tatbestandsmerkmal der Erwerbsfähigkeit entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen den Leistungssystemen von SGB II und SGB XII sein soll (so auch Eicher in juris-PK zu § 21 SGB XII, Rn. 10, der § 21 SGB XII eine systemabgrenzende Funktion beimisst) führt das BSG auch in einer seiner Entscheidungen vom 03. Dezember 2015 (B 4 AS 44/15 R, Rn.41, juris) aus. Hier heißt es: "Im Grundsatz gilt für die Systemzuweisung aufgrund der Erwerbszentriertheit des SGB II, dass derjenige, der von dem auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausgerichteten Leistungssystem des SGB II ausgeschlossen werden soll, dem System des SGB XII zugewiesen wird."

(4) Diese Bedeutung der Erwerbsfähigkeit und der Arbeitsmarktnähe des Hilfebedürftigen für seine Zuweisung zu dem seiner ursprünglichen Konzeption nach erwerbszentrierten und arbeitsmarktnahen System des SGB II und dem "arbeitsmarktfernen" System des SGB XII hat das BSG auch in mehreren Entscheidungen herausgearbeitet, auf die es im o.a. Urteil vom 03.12.2015 nunmehr zur Begründung seiner Prämisse verweist, dass im Falle des Ausschlusses eines erwerbsfähigen Ausländers von Leistungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nach dem SGB II ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII grundsätzlich möglich bleibe (Zitat: "Auf dieser Grundlage hat das BSG bereits für andere in § 7 SGB II geregelte Leistungsausschlüsse ausdrücklich entschieden, dass die "Anwendungssperre" des § 21 S. 1 SGB XII nicht greift", BSG a.a.O., Rn. 42, juris) Eine differenzierte Betrachtung der Leistungsausschlüsse sei erforderlich. Im Einzelnen nennt das BSG in diesem Zusammenhang folgende Urteile, die alle einen Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 SGB II zum Gegenstand haben: BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 105/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 30 Rn. 20 (Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 SGB II wegen Bezugs einer litauischen Altersrente); BSG vom 02.12.2014 - B 14 AS 66/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 42 Rn.10, 24 (Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 wegen Unterbringung in einer Klinik); BSG vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R, Rn. 47: vorzeitige Altersrente nach Aufforderung durch den Grundsicherungsträger).

In dem erstgenannten Urteil vom 16.05.2012 (B 4 AS 105/11 R, Rn.23, juris) führt das BSG zum Hintergrund des Leistungsausschlusses gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II und im Hinblick auf die Zuordnung der Empfängerin einer ausländischen Rente zum Leistungssystem nach dem SGB XII exemplarisch aus: "Anspruch auf Leistungen haben allerdings grundsätzlich nur erwerbsfähige Hilfebedürftige. Nicht leistungsberechtigt ist, wer nicht erwerbsfähig i.S des § 8 Abs. 1 SGB II ist. Letzteres ist bei Personen in einer stationären Einrichtung (BSGE 99, 88 = SozR 4-4200 § 7 Nr 7, Rn. 13 f; SozR 4-4200 § 7 Nr. 24, Rn. 20) und beim Bezug einer Altersrente (Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 7 Rn. 71) nicht unbedingt der Fall. Bei Beziehern von Altersrenten vor Erreichen des Regelrentenalters - danach sind sie bereits aus Gründen des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II nicht mehr leistungsberechtigt - wird jedoch nach der Begründung zur Regelung des § 7 Abs. 4 S 1 SGB II typisierend angenommen, sie seien endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und müssten daher nicht mehr in Arbeit eingegliedert werden (vgl. BT-Drucks 15/1749, S 31). Sie benötigen aus diesem Grunde keine Leistungen aus dem System des SGB II mehr." Weiter heißt es: "( ) denn Erwerbsfähigkeit schließt Leistungen nach dem System des SGB XII gemäß § 21 S. 1 SGB XII grundsätzlich aus. Nach § 21 S. 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Wenn jedoch vor dem Hintergrund des systematischen "Wechselspiels" zwischen SGB II und SGB XII Altersrentner vor Vollendung des Regelrentenalters nach deutschem Recht nicht als Erwerbsfähige leistungsberechtigt i. S. des SGB II sind, kann unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten für Bezieher ausländischer Altersrenten nichts Anderes gelten."

Warum im Hinblick auf den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nichts anderes gilt als in Bezug auf die in den vorgenannten Urteilen streitgegenständlichen Leistungsausschlüsse des § 7 Abs. 4 SGB II (so BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, Rn.43, juris), ist nicht ohne Weiteres zu erkennen:

Sämtliche der in den früheren zitierten Urteilen des BSG behandelten Fallkonstellationen sind nämlich solche, in denen der Leistungsausschluss des BSG auf einer "fingierten Erwerbsunfähigkeit" beruht. So führt Eicher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, zu § 21 SGB XII zu den Fallkonstellationen des § 7 Abs. 4 SGB II aus: "Nach der Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei dieser Norm, soweit es die Unterbringung in Einrichtungen betrifft, um eine "verkappte" Regelung der Erwerbsunfähigkeit. Auch bei den übrigen Varianten ist von einem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben auszugehen."

Dass die "fingierte Erwerbsunfähigkeit" maßgeblicher Hintergrund der Leistungsausschlüsse des § 7 Abs. 4 SGB II ist, ergibt sich plastisch aus der "Unterausnahme" des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II: Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, die einen wöchentlichen Umfang von mindestens 15 Stunden erreicht, hebt die "typisierende Annahme" der Erwerbsunfähigkeit nämlich auch für in einer stationären Einrichtung untergebrachte Hilfebedürftige wieder auf. Liegen die in § 7 Abs. 4 SGB II geregelten Leistungsausschlüsse vor, erscheint es vor dem Hintergrund des vorab dargestellten Systemzusammenhangs von SGB II und SGB XII auch der erkennenden Kammer geboten, von ihnen erfasste Hilfebedürftige im Rahmen einer teleologischen Reduktion nicht als "Erwerbsfähige" im Sinne von § 21 Satz 1 SGB XII zu behandeln. Maßgebliche Funktion dieser Leistungsausschlüsse ist es nämlich, dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehende Personen nicht dem nach seiner ursprünglichen Zielsetzung auf Aktivierung und Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ausgerichteten System des SGB II zuzuordnen, sondern in das hiervon unabhängige Grundsicherungssystem des SGB XII zu integrieren. Dieser Hintergrund kann aber für den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht angenommen werden.

Eine Fiktion der Erwerbsunfähigkeit ist aus einem Freizügigkeitsrecht zum Zweck der Arbeitsuche gerade nicht herauszulesen. Vielmehr sollte der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II eine leistungsrechtliche Hürde für den Zugang zu Sozialleistungen schaffen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Norm nämlich von der Option des Art. 24 der RL 2004/38 EG Gebrauch machen, die vorgenannten Personengruppen vom Anspruch auf Sozialhilfe - mithin Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII - auszuschließen (vgl. hierzu eindringlich und überzeugend BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, Rn. 21-24 und Rn. 48-50, juris). Der Leistungsausschluss sollte in beiden Systemen gleichermaßen greifen (BSG, Urteil vom 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R, Rn.50, juris). Vor dem Hintergrund dieser sozialpolitischen Zielsetzung hat der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II anders als in den Fällen des § 7 Abs. 4 SGB II keine systemabgrenzende, sondern eine "systemausschließende" Funktion. Anders als in den Fällen des § 7 Abs. 4 SGB II erscheint es dann aber wenig sachgerecht, von diesem Leistungsausschluss Betroffene dem zu "bedingungslosen" Leistungen zur Grundsicherung führenden Leistungssystem des SGB XII zuzuweisen.

(5) Dass aufgrund der Vorschrift des § 21 Satz 1 SGB XII grundsätzlich auch Erwerbsfähigen der Zugang zum SGB XII eröffnet werden sollte, kann auch nicht damit begründet werden, dass die Leistungsausschlüsse der §§ 22 Abs. 1, 23 Abs. 3 Satz 2 SGB XII a. F. ansonsten "leerliefen":

Im Hinblick auf § 22 Abs. 1 SGB XII, der Auszubildende, deren Ausbildung nach den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) und des Dritten Buchs Sozialgesetzbuchs (SGB III) grundsätzlich förderungsfähig ist, vom Bezug von Leistungen nach dem SGB XII ausschließt, ergibt sich dies daraus, dass die Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums nicht zwangsläufig eine Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II voraussetzt, so dass für diese der Norm des § 7 Abs. 5 SGB II entsprechende und aus dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) übernommene Vorschrift auch bei einer Einordnung des § 21 SGB XII als "Anwendungssperre" für Erwerbsfähige ein eigenständiger Regelungsgehalt verbleibt. Dass § 22 Abs. 1 SGB XII sich auf nicht erwerbsfähige Auszubildende beziehen soll, hat das BSG in seinem Urteil vom 06.09.2007 (B 14/7b As 36/06 R, juris) auch ausdrücklich dargestellt. Hier heißt es: "Soweit der Kläger meint, Auszubildende würden nach dem SGB II schlechter gestellt als nach dem SGB XII, weil die Leistungen im besonderen Härtefall nach dem SGB II nur als Darlehen, nach § 22 Abs.1 Satz 2 SGB XII jedoch auch als Beihilfe gewährt werden können, führt dieses ebenfalls nicht zur Erforderlichkeit einer vom SGB XII abweichenden Anwendung des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II. Grund für die unterschiedlichen Leistungsarten ist die Zuordnung zu dem einen oder anderen System, differenziert nach der Erwerbsfähigkeit. Bei dem Erwerbsfähigen kann erwartet werden, dass er die Leistung nach Beendigung der Ausbildung und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zurückzahlen kann. Diese Aussicht besteht bei dem SGB XII-Leistungsempfänger nicht ohne weiteres, so dass die Leistungsgewährung in Form der Beihilfe berechtigt erscheint."

Die gebotene Differenzierung zwischen erwerbsfähigen und nicht erwerbsfähigen Auszubildenden, die die (früher) ungleiche Konzeption der Leistungsausschlüsse der §§ 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II und 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII rechtfertige, wird auch vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 03.09.2014, 1 BvR 1768/11 aufgegriffen.

(6) Auch aus der der Norm des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entsprechenden 2. Alternative des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII a. F. (Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt) lässt sich kein Argument gegen eine solche Auslegung der Vorschrift des § 21 Satz 1 SGB XII ableiten. Zunächst ist es nach Auffassung der Kammer bereits dem Grunde nach nicht zulässig, aus der Einführung der auf dem Entwurf des Gesetzes zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom 25.09.2006 beruhenden Norm des § 23 Abs.3 Satz 1 SGB XII a. F. auf den gesetzgeberischen Willen bei der Konzeption der Norm des § 21 Satz 1 SGB XII (vom 27.12.2003) zu schließen.

Überdies führt Coseriu im juris-PK zu § 23 SGB II zur Entstehungsgeschichte des § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII a. F. (Rn. 64) aus: "Der zunächst im SGB XII noch nicht vorgesehene Ausschluss von Leistungen nach dem SGB XII ist mit Wirkung vom 07.12.2006 durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 02.12.2006 eingeführt worden und sollte im Hinblick auf die entsprechende Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sicherstellen, dass der von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossene Ausländer keinen Leistungsanspruch nach dem SGB XII herleiten kann. Dies hatte etwa das LSG NRW zu Recht mit der Begründung angenommen, der Ausländer habe dem Grunde nach keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II; deshalb greife der Leistungsausschluss des § 21 Abs. 1 SGB XII nicht."

Sofern die Einführung des § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII a. F. aber als "sicherstellende" gesetzgeberische Reaktion auf eine bereits in der damaligen Rechtsprechung vertretene Auffassung, die über die Anwendung des SGB XII eine faktische Aufhebung des vom Gesetzgeber durch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gewünschten Ausschlusses bestimmter Personengruppen vom Sozialleistungsbezug bewirkte, zu verstehen ist, lässt sie sich aber nicht argumentativ gegen die Auslegung des § 21 Satz 1 SGB XII als "Anwendungssperre" für Erwerbsfähige ins Feld führen.

In der Gesetzesbegründung des aufgrund des Gesetzes zur 2. Änderung des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuchs vom 24.03.2006 eingeführten § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II a. F. (BT Drs. 16/688, S. 13) heißt es zudem: "Auch wenn bei Ausländern die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, das heißt sie zwischen 15 und unter 65 Jahre alt, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, können dennoch die Leistungen nach diesem Buch durch den neugefassten Satz 2 ausgeschlossen sein. Darüber hinaus kommen dann für diese Personengruppe auch Leistungen des SGB XII wegen § 21 Satz 1 SGB XII nicht in Betracht, da sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist." Jedenfalls auch zu diesem Zeitpunkt ist der Gesetzgeber mithin noch davon ausgegangen, dass Erwerbsfähige aufgrund der Vorschrift des § 21 Satz 1 SGB XII keine Leistungen nach dem SGB XII beziehen konnten."

(7) Ein weiterer Ausschlussgrund ergab sich nach Auffassung der Kammer in der vor dem 29.12.2016 gültigen Rechtslage aus § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII a. F. (zu dem Verhältnis dieser Norm zu § 21 SGB XII vgl. v. a. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 - L 9 AS 1335/15 B ER, Rn. 64 ff., juris).

Davon abgesehen, dass § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII a. F. bereits aufgrund seiner systematischen Stellung und seines Wortlauts ("Im Übrigen ") nicht als Anspruchsgrundlage für Leistungen geeignet gewesen sein dürfte, die bereits von § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII a. F. umfasst werden, d. h. insbesondere nicht für Leistungen wie "Hilfe zum Lebensunterhalt" (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 - L 9 AS 1335/15 B ER, Rn. 70, juris) steht einem Leistungsanspruch der Kläger auf Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII a. F. i. V. m. § 27 SGB XII zumindest die Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII a. F. entgegen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 - L 9 AS 1335/15 B ER, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.03.2016 - L 12 SO 79/16 B ER, juris; SG Dortmund, Beschluss vom 18. April 2016 - S 32 AS 380/16 ER, Rn. 115 ff., juris; SG Berlin, Beschluss vom 22.02.2016 - S 95 SO 3345/15 ER, Rn. 73, juris).

Die Kammer schließt sich der eingehend begründeten Auffassung des 12. Senates des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein - Westfalen im Beschluss vom 07.03.2016 (L 12 SO 79/16 B, Rn. 28-30, juris) an. Der Senat führt aus:

(8) "Ein Anspruch ( ) auf Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs.1 S. 3 SGB XII (a. F.) wäre gemäß § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB XII (a. F.) ausgeschlossen. Gemäß § 23 Abs. 1 SGB XII (a. F.) ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben unberührt. Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII (a. F.) haben Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Bereits nach dem systematischen Aufbau der Vorschrift bezieht sich der in § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB XII (a. F.) geregelte Leistungsausschluss, der bezogen auf die betroffene Personengruppe dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (a. F.) gleichzusetzen ist (vgl. Senat, Beschl. v. 20.08.2015 - L 12 AS 1180/15 -; insoweit überzeugend BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, Rn. 48 ff., juris) auf die vorherigen Absätze 1 und 2. Infolgedessen bezieht er sich auf die komplette Vorschrift des § 23 Abs. 1 SGB XII (a. F.) und somit denklogisch auch auf den Satz 3 der Norm.

Soweit das BSG auf den "unveränderten Wortlaut" des § 23 SGB XII (a. F.) im Verhältnis zum früheren § 120 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und in diesem Zusammenhang maßgeblich auf eine frühere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 10.02.1987 - 5 C 32/85 -; BVerwGE 78, 314-321) verweist (siehe BSG, Urteil vom 03.12.2015 - B 44 AS 15 R, Rn. 51 f., juris), ist einzuräumen, dass der Wortlaut des § 120 BSHG zwar unmittelbar vor der Einführung des SGB XII im Wesentlichen dem Wortlaut des § 23 SGB XII (a. F.) entsprach. Die der Entscheidung des BVerwG vom 10.12.1987 zugrundeliegende Fassung des § 120 BSHG war in ihren wesentlichen Grundzügen jedoch anders gefasst. § 120 Abs. 1 BSHG in der Fassung vom 22.12.1983 lautete: "Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sind und die sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Krankenhilfe, Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen, Tuberkulosehilfe und Hilfe zur Pflege nach diesem Gesetz zu gewähren; wer sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben hat, um Sozialhilfe zu erlangen, hat keinen Anspruch. Im übrigen kann Sozialhilfe gewährt werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist." Im Gegensatz zu späteren Fassungen des BSHG (ab dem Jahr 1993) ist hier die Möglichkeit der Gewährung von Leistungen im Wege des Ermessens nach - und nicht wie im Regelungskomplex des § 23 SGB XII vor - dem Leistungsausschluss aufgeführt. Diese Systematik konnte zu der Annahme berechtigen, dass die Gewährung von Leistungen im Ermessenswege auch im Falle eines Leistungsausschlusses möglich bleiben sollte (SG Dortmund, a. a. O.). Vor diesem Hintergrund bezog sich das BVerwG in dem vom BSG zitierten Urteil auch gerade auf den Wortlaut der Norm des § 120 BSHG. Es führt aus: "Auch aus der Systematik des § 120 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BSHG folgt dieses Verständnis. Der mit "Im übrigen ..." eingeleitete S. 2 des § 120 Abs. 1 BSHG schließt an den S. 1 mit seinen beiden Halbsätzen an. Daß sich der Ausschluß vom Rechtsanspruch auf bestimmte Hilfen (zum Beispiel die Eingliederungshilfe), der nach Halbsatz 1 des § 120 Abs. 1 S. 1 BSHG von vornherein besteht, aus einem Umkehrschluß ergibt, während er im Halbsatz 2 unmittelbar bestimmt ist, ändert nichts an der "Gleichwertigkeit" des Ausschlusses vom Rechtsanspruch als des Tatbestandsmerkmals, an das im anschließenden S. 2 die Möglichkeit der Hilfegewährung im Einzelfall (in Ausübung von Ermessen) geknüpft ist" (BVerwG, Urteil vom 10.12.1987 - 5 C 32/85 -, BVerwGE 78, 314-321, Rn. 14). Unter Berücksichtigung des geänderten Aufbaus der Norm können die Ausführungen des BVerwG für die Beurteilung der Systematik des § 23 SGB XII (a. F.) nicht herangezogen werden.

(9) Die weitere Argumentation des BSG in der Entscheidung vom 03.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, dass die Begrifflichkeit des "Anspruchs" in § 23 Abs.3 S. 1 2. Alt. SGB XII (a. F.) nur den "gebundenen Anspruch" bzw. den "Rechtsanspruch" und nicht auch die Gewährung von Leistungen im Ermessenswege gemäß § 23 Abs.1 S. 3 SGB XII (a. F.) meint, ist vor dem Hintergrund von § 17 SGB XII unverständlich, der die gesetzliche Überschrift "Anspruch" trägt und diesen Rechtsbegriff damit definiert. Die Norm lautet wie folgt: "(1) Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit bestimmt wird, dass die Leistung zu erbringen ist. Der Anspruch kann nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. (2) Über Art und Maß der Leistungserbringung ist nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, soweit das Ermessen nicht ausgeschlossen wird. Werden Leistungen auf Grund von Ermessensentscheidungen erbracht, sind die Entscheidungen im Hinblick auf die sie tragenden Gründe und Ziele zu überprüfen und im Einzelfall gegebenenfalls abzuändern." Mit dem Rechtsbegriff "Anspruch" meint das Gesetz nach seinem Sinn und Zweck nicht nur die Forderung gegen den Sozialhilfeträger auf eine Muss-Leistung, sondern auch Forderungen auf eine eine Ermessensleistung bewilligende Entscheidung (so ausdrücklich Coseriu, in: juris-PK, § 17 SGB XII, Rn.19). Dies ergibt sich insbesondere auch daraus, dass der zweite Absatz des ausweislich seiner Überschrift den Begriff des Anspruchs definierenden § 17 SGB XII explizit regelt, in welchem Zusammenhang der Leistungsträger bei der Realisierung des Anspruchs Ermessen auszuüben hat und wie dieses Ermessen auszuüben ist. Die Einbeziehung dieser Regelung in die Norm des § 17 SGB II wäre nicht sinnvoll, wenn der Gesetzgeber den Anspruch auf Ermessensentscheidungen nicht in die Definition des Anspruchs einbeziehen wollte. Warum der Begriff des "Anspruchs" in § 23 Abs. 3 S. 2 2. Alt. SGB XII (a. F.) von dem des § 17 SGB XII abweichen sollte, ist nicht ersichtlich. Von einem "Rechtsanspruch" ist in § 23 Abs. 3 S. 2 SGB XII (a. F.) indes nicht die Rede (vgl. SG Dortmund, a. a. O.)." (siehe zu weiteren Argumenten gegen die Rechtsprechung des BSG: SG Dortmund, Beschluss vom 18.04.2016, S 32 AS 380/16 ER, Rn. 149-151 m. w. Nachw.).

3. Die Kammer hat ebenfalls bereits mit Urteil vom 30.08.2016 (S 14 AS 267/16, juris, Rn. 91 ff.) entschieden, dass sie - ungeachtet der Tatsache, dass nach ihrer Auffassung auch in der bis zum 28.12.2016 gültigen Rechtslage kein Anspruch der gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II a. F. von Leistungen nach dem SGB II Ausgeschlossenen nach dem Sozialgesetzbuch Zwöftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) in Betracht kam (vgl. o. a. Urteil, juris, Rn. 58 ff.; siehe nunmehr ausdrücklich § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII in der seit dem 29.12.2016 gültigen Fassung) – nicht von der Verfassungswidrigkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II - namentlich einem Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. insb. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -, BVerfGE 132, 134-179, Rn. 62 ff.) oder den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG - überzeugt ist (vgl. jüngst SG Dortmund, Beschluss vom 31. Januar 2017 – S 62 SO 628/16 ER, juris, Rn. 46 ff.):

a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich als Menschenrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 133). Das Bundesverfassungsgericht hat es insbesondere mit seinem Urteil vom 09.02.2010 zur Verfassungswidrigkeit der Bestimmung der Regelbedarfsleistungshöhe für Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (siehe anschließend: Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11; Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13) konkretisiert und Anforderungen für dessen Gewährleistung herausgearbeitet; es als Gewährleistungsrecht im Sozialrecht aktiviert (Aubel in: Emmenegger/Wiedmann, Leitlinien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band 2, 1. Auflage 2011, S. 275).

Das Menschenwürdeprinzip aus Art. 1 Abs. 1 GG wird dabei als eigentliche Anspruchsgrundlage herangezogen, während das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG im Sinne eines Gestaltungsgebots mit erheblichem Wertungsspielraum verstanden wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - Rn. 62). Das auf dieser Grundlage bestimmte Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG habe in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG demnach neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es sei dem Grunde nach unverfügbar und müsse durch den Gesetzgeber eingelöst werden. Dieser objektiven Verpflichtung aus Art. 1 GG korrespondiere ein individueller Leistungsanspruch, da das Grundrecht die Würde jedes einzelnen Menschen schützte, die in Notlagen, nur durch materielle Unterstützung gesichert werden könne (BVerfG, Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - Rn. 63). Dieser Anspruch bedürfe aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung. Die Legislative habe die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen sowie der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen auszurichten. Dabei stehe ihr ein Gestaltungsspielraum zu. Der Umfang des Anspruches könne im Hinblick auf die Arten des Bedarfes und die dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden. (BVerfG, Urteil vom 09. Februar.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 133, 138; Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - Rn. 66).

Die grundlegenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Konturierung des Rechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zur Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfsleistungen der Grundsicherung und der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsybLG) hatten dabei allerdings jeweils zum Gegenstand, ob der durch den Gesetzgeber geschaffene Leistungsanspruch der Höhe nach evident (BVerfG Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - Rn. 80) unzureichend war, oder nicht auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfertig zu rechtfertigen war (BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 - 1 BvL 1/09; Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13). Sie betrafen Konstellationen, in der die Frage der Anspruchsberechtigung des Adressatenkreises der jeweilig zu prüfenden Normen auf existenzsichernde Leistungen dem Grunde nach nicht zur Debatte stand. Rückschlüsse darüber, inwiefern es dem Gesetzgeber möglich ist, Personen ohne Aufenthaltsrecht Sozialleistungen zu verwehren (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -, BVerfGE 132, 134-179, Rn. 74, knüpft z. B. an ein bestehendes Aufenthaltsrecht an) oder Personen mit einem bestimmten Aufenthaltsrecht - das nicht seinerseits aus Art. 1 Abs. 1 (i.V.m. Art. 20 Abs. 1) GG oder auf das Asylrecht aus Art. 16 a GG zurückzuführen ist (hier: dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche) - vom Sozialleistungsbezug auszuschließen, lassen diese Entscheidungen nicht zu (SG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2016 - S 35 AS 5396/15 ER, Rn. 56, juris; SG Dortmund, Beschluss vom 18. April 2016 - S 32 AS 380/16 ER, Rn. 142, juris; Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, WD 6-3000 - 025/16 vom 09.03.2016, S. 9), zumal das Bundesverfassungsgericht seine Position bisher nicht konsequent universalistisch ausgerichtet hat. Es fehlen Vorgaben, dass und wie die deutsche Staatsgewalt das oberste Verfassungsziel der Menschenwürde, soweit hieraus konkrete sozial- rechtliche Standards abgeleitet werden, in transnationalen Sachverhalten umfassend zu realisieren hätte (so Thym, Stellungnahme für die öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 12.10.2015, S. 18; dies lässt unberücksichtigt: SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 18. April 2016 - S 3 AS 149/16, Rn. 508, juris).

Eine Anspruchsberechtigung auf existenzsichernde Leistungen dem Grunde nach, als aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitetes subjektives Recht, lässt sich nach Auffassung der Kammer aber nur in unmittelbarer Verbindung zu einer ihrerseits aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG bzw. aus dem, als Menschenrecht (vgl. Art. 14 UN-Menschenrechtscharta) in innerer Korrespondenz hierzu stehenden, Grundrecht auf Asyl aus Art. 16 a GG (vgl. zur Überlagerung dieses Grundrechts durch die Genfer Flüchtlingskonvention: Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1 AsylbLG, Rn. 15 f. m. w. Nachw.) folgenden Aufenthaltsberechtigung begründen. Für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 SGB II ist hingegen bereits Voraussetzung, dass feststeht, dass ein solches Recht nicht besteht. Der Leistungsausschluss greift nur ein, wenn entweder überhaupt kein Aufenthaltsrecht besteht oder lediglich eines zur Arbeitsuche. Dieses Aufenthaltsrecht ist aber ersichtlich nicht aus Art. 1 Abs. 1 oder Art. 16 a GG zu entleihen, sondern lediglich auf Art. 45 Abs. 3 AEUV zurückzuführen.

Eine tragfähige Begründung dafür, dass der Gesetzgeber auch Personen, die sich ohne ein auf die Menschenwürde rückführbares Recht in Deutschland aufhalten, existenzsichernde Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu erbringen hat, lässt sich nicht erkennen. In einem europäischen Freiheitsraum muss die Gewährleistung der Menschenwürde letztlich nicht notwendig in Deutschland und nach dem dortigen Standard erfolgen (vgl. Thym, Stellungnahme für die öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 12.10.2015, S. 21 für § ; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04. Februar 2015 - L 2 AS 14/15 B ER, Rn. 40, juris; in diesem Sinne auch: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. März 2016 - L 12 SO 79/16 B ER, Rn. 34, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. vom 05.11.2015 - L 3 AS 479/15 B ER -; vom 11.02.2016 - L 3 AS 668/15 B ER -; Bayerischen LSG, Beschluss vom 13.10.2015 - L 16 AS 612/15 ER, Rn. 31 ff., juris; SG Dortmund, Beschluss v. 23.11.2015 - S 30 AS 3827/15 ER, juris: Der Gesetzgeber habe mit dem Leistungsausschluss für EU-Ausländer, die ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten, den Nachrang des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Dies sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden).

Soweit die Gegenauffassung aus dem Urteil des BVerfG zum Asylbewerberleistungsgesetz vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -, BVerfGE 132, 134-179) den Schluss zieht, ein Recht auf die Gewährung von existenzsichernden Leistungen hänge letztlich allein vom tatsächlichen Aufenthalt eines im (einfachrechtlichen Sinne) Hilfebedürftigen im Bundesgebiet ab (insb. SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 18. April 2016 - S 3 AS 149/16, Rn. 508, 517 passim, juris; Hessisches LSG, Urteil vom 27. November 2013 - L 6 AS 378/12 -, Rn. 63, juris; Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 SGB XII, Rn. 75.1; auch Kötter, info also 2016, S. 3, 6; Wunder, SGb 2015, S. 620, 622 f.; Frerichs, ZESAR 2014, S. 283; Kingreen, NVwZ 2015, S. 1506; ders. SGb 2013, S. 132, 137 f.), wird nicht verständlich, weshalb die Abschiebung eines Menschen ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland in einen anderen Staat ungeachtet der Tatsache rechtmäßig möglich bleiben soll, ob dort ein (dem deutschen vergleichbares) Existenzsicherungssystem vorhanden ist (vgl. SG Mainz, a.a.O., Rn. 508). Es überzeugt nicht, dass der mittelbare und mildere faktische Zwang zur Ausreise durch einen Ausschluss von existenzsichernden Leistungen "fundamental" mit dem Menschenwürdeprinzip unvereinbar sein soll, während ein aufenthaltsrechtlich erzeugter und unmittelbar mit hoheitlicher Staatsgewalt durchgesetzter Ausschluss von der Existenzsicherung in Deutschland auf keine Bedenken stößt (vgl. SG Mainz, a.a.O., Rn. 517; vgl. auch Oppermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1a AsylbLG 2. Überarbeitung, Rn. 155). In diesem Sinne hat der 12. Senat des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 07.03.2016 (L 12 SO 79/16 B ER, Rn. 36, juris) ausgeführt, dass, soweit - ohne dass dagegen grundrechtliche Bedenken erhoben werden (vgl. Stellungnahme für die öffentliche Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 12.10.2015, S. 18) - im Ausländerrecht die allein nachteilige wirtschaftliche Situation im Herkunftsland kein Umstand, der zur Gewährung eines Aufenthaltsrechtes oder dem Schutz vor Abschiebung führen kann, ist (vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 06.09.2007 - 11 A 633/05 A -, Rn. 16, 28-32, juris, zur Zumutbarkeit einer Abschiebung nach Sierra Leone trotz völlig fehlender sozialer Sicherungssysteme und einer Arbeitslosenquote von 70 %; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2005 - 1 B 16/05, Rn. 4, juris; Thym, a.a.O), es unter Berücksichtigung des Gedankens der Einheit der Rechtsordnung auch nicht denkbar sei, solche nachteiligen Lebensumstände im Herkunftsland bei der Prüfung der sozialrechtlichen Zumutbarkeit einer Rückkehr anzuführen.

Hinzu tritt, dass das Bundesverfassungsgericht mit seinen nach dem Urteil zum Asylbewerberleistungsgesetz gefassten Beschlüssen vom 03.09.2014 (1 BvR 1768/11) sowie vom 08.10.2014 (1 BvR 886/14) einen durch den Leistungsausschluss für Schüler und Studenten nach § 7 Abs. 5 SGB II verursachten faktischen Zwang, das Studium oder die Ausbildung abbrechen zu müssen, um in den Genuss von SGB II-Leistungen zu gelangen, als mit dem Recht auf Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimumms vereinbar erachtet hat. (In diesen Zusammenhang lässt sich auch § 24 Abs. 1 S. 2 SGB XII stellen, der auch Deutschen im Ausland in der Regel zumutet, ins Inland zurückzukehren). Daraus wird zunächst erkennbar, dass die von der Gegenauffassung angeführte Aussage (u.a.) in dem Urteil des BVerfG zum Asylbewerberleistungsgesetz, der elementare Lebensbedarf der Leistungsberechtigten sei in dem Augenblick zu befrieden, in dem er entstehe (Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, Rn. , 99, 72 juris) nicht damit gleichgesetzt werden kann, es genüge der tatsächliche Aufenthalt in Deutschland allein. Denn der gem. § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossene Student, dessen Studium dem Grunde nach nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) förderungsfähig ist (und für den auch kein Leistungsanspruch nach dem SGB XII bereit gehalten wird), der aber aufgrund persönlicher Ausschlussgründe keine Leistungen nach dem BAföG erhält, hat so lange keinen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen, wie er sein Studium noch nicht abgebrochen hat, ohne das darin ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG gesehen würde. Weiter lässt sich den o. a. Beschlüssen des BVerfG entnehmen, dass der faktische Zwang, die bisherige Lebensführung zur Sicherung des Existenzminimums ändern zu müssen, nicht zur Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums führt, sondern vielmehr das Grundrecht, das diese vom Hilfebedürftigen anvisierte Lebensgestaltung schützt (in den Fällen 1 BvR 1768/11 und 1 BvR 886/14 die teilhaberechtliche Dimension des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 und dem Sozialstaatsgebot aus Art. 20 Abs. 1 GG - s. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 03. September 2014 - 1 BvR 1768/11, Rn. 24, juris -; hier die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG) berührt (SG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2016 - S 35 AS 5396/15 ER -, Rn. 58, juris; Bayerischen LSG, Beschluss vom 01.10.2015 - L 7 AS 627/15 B ER, Rn. 31 ff, juris; a. A. Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, WD 6-3000 - 025/16 vom 09.03.2016, S. 9, weil die von § 7 Abs. 5 SGB II Ausgeschlossenen dem BAföG unterlägen und es deshalb nicht zu einem "menschenunwürdigen Totalausschluss" käme. Die Ausgeschlossenen haben aber gerade nicht notwendig einen Anspruch nach dem BAföG, weil sie ggfs. aus in ihrer Person liegenden Gründen - vgl. Abschnitt II. des BAföG - ausgeschieden werden.).

Aus dem Vorstehenden ( ) folgt, dass eine Prüfung, inwiefern ein vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II betroffener Hilfebedürftiger in seinem Herkunftsland das Existenzminimum nach deutschen Maßstäben sichern kann, nicht anzustellen ist. Auch im Ausländerrecht ist die nachteilige wirtschaftliche Situation im Herkunftsland kein Maßstab, der zur Gewährung eines Aufenthaltsrechts oder dem Schutz vor einer Abschiebung führen kann, ohne dass dies verfassungsrechtliche Beanstandung fände (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. März 2016 - L 12 SO 79/16 B ER , Rn. 34, juris; Thym, a.a.O.).

b) Auch ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot im Hinblick auf die Vergleichsgruppe der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Leistungsberechtigten ist nicht gegeben (a. A. Kingreen, SGb 2013, 132, 139; Frerichs, ZESAR 2014, 279, 280 ff.; vgl. auch SG Mainz, Vorlagebeschluss vom 18. April 2016 - S 3 AS 149/16, Rn. 515). Es fehlt die Vergleichbarkeit mit den vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 SGB II Betroffenen (zum Verhältnis des Art. 3 Abs. 1 GG zu Art. 1 Abs. 1 GG: Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1 AsylbLG, Rn. 34-36 m. w. Nachw.; Aubel, SGb 2016, 105 ff.).

Insofern ist zu bedenken, dass der persönliche Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 1 AsylbLG konzeptionell (d. h. mit Ausnahme der nach Nr. 5 Berechtigten, deren Anspruch ggfs. nach § 1a Abs. 1-3 eingeschränkt ist) Drittstaatsangehörige adressiert, die sich (allein) auf politische, humanitäre oder völkerrechtliche Aufenthaltsgründe berufen können (Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1 AsylbLG, Rn. 13). Der im Schwerpunkt menschenrechtlichen Prägung der Aufenthaltsrechte korrespondiert ein Anspruch auf existenzsichernde Leistungen in Deutschland. Das AsylbLG ist weiterhin insofern ein eigenes, spezielles Leistungssystem zur Sicherung des Lebensbedarfs, als es primär an den ungesicherten Aufenthaltsstatus anknüpft (vgl. BVerfG v. 11.07.2006 - 1 BvR 293/05 - BVerfGE 116, 229, 232; Oppermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1a AsylbLG 2. Überarbeitung, Rn. 22). Der Adressatenkreis des AsylbLG unterscheidet sich daher maßgeblich von einem Unionsbürger, dem - auch im Wege des Günstigkeitsvergleiches nach dem AufenthG - kein Aufenthaltsrecht oder nur ein solches zur Arbeitsuche zusteht und der insofern in sein Heimatland zurückkehren kann bzw. muss (SG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2016 - S 35 AS 5396/15 ER, Rn. 57, juris; a.A. Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 SGB XII, Rn. 74).

Sofern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG auch Personen erhalten, die vollziehbar ausreisepflichtig sind (vgl. § 50 AufenthG) (vgl. SG Mainz a.a.O., Rn. 515), ist zu beachten, dass § 1 a Abs. 1-3 (geändert durch das "Integrationsgesetz" vom 31.07.2016 - BGBl 2016 Teil I Nr. 39; BT- Drs. Drucksache 18/8615, S. 35) insbesondere für diese Personengruppe Anspruchseinschränkungen vorsieht. Sofern Leistungen nicht auf das im Einzelfall unabweisbare beschränkt werden, weil der Leistungsberechtigte eingereist ist, um Leistungen zu erhalten (Abs. 1), reduziert sich der Anspruch auf nach den Abs. 2, 3 näher bezeichnete "Überbrückungsleistungen"." Vergleichbare Leistungen konnten den vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 2 SGB a. F. erfassten Personen allerdings nach dem neunten Kapitel des SGB XII, § 73 SGB XII (Hilfe in sonstigen Lebenslagen) erbracht werden (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 - L 15 AS 365/13 B ER , juris, Rn. 67; Beschluss vom 24. Juli 2014 - L 15 AS 202/14 B ER, juris, Rn. 23). Seit dem 29.12.2016 enthält § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII einen Überbrückungsanspruch der sich an § 1a Abs. 2 des AsylbLG orientiert (vgl. BT-Drs. 18/10211, S. 16). § 23 Abs. 3a SGB XII enthält einen Darlehensanspruch für Rückreisekosten.

II. Auch die Rücknahme der (vorläufigen) Bewilligungsentscheidung mit dem zweiten Bescheid vom 09.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2017 in der Fassung des Bescheides vom 02.05.2017 (der die Rücknahme auf die Monate Februar und März 2017 beschränkt) ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, vgl. § 54 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 SGG.

Die Ermächtigungsgrundlage für diesen Bescheid ergibt sich aus §§ 45 Abs. 1 SGB X, 41a Abs. 2 S. 4, 5 SGB II (n. F.). Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen u. a. des Abs. 2, der Modalitäten des Vertrauensschutzes regelt, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß § 41 a Abs. 2 S. 4 SGB II n. F. ist eine vorläufige begünstigende Bewilligungsentscheidung soweit sie rechtswidrig ist, für die Zukunft zurückzunehmen. § 41 a Abs. 2 S. 5 SGB II n. F. regelt, dass § 45 Abs. 2 SGB X keine Anwendung findet. Im Falle einer anfänglich rechtswidrigen vorläufigen Leistungsbewilligung ist diese daher mit Wirkung für die Zukunft zwingend und ohne die Prüfung des Vertrauensschutzes nach § 45 Abs. 2 SGB X zurückzunehmen. Den Ausschluss des Vertrauensschutzes hält der Gesetzgeber aus der – bereits im Rahmen der endgültigen Leistungsbewilligung aufgezeigten Überlegung – für sachgerecht, dass die vorläufige Entscheidung keinen Vertrauensschutz aufbauen kann und eine Prüfung von vertrauensschutzbildenenden Umständen somit fehlginge. (BT-Drs. 18/8041, S. 53). Die Bezugnahme des Kläger – Bevollmächtigten auf einen "absoluten Vertrauensschutz" der Klägerin zu 1) ist daher insgesamt unerheblich.

Von der so modifizierten Ermächtigungsgrundlage hat der Beklagte in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig Gebrauch gemacht.

a) Der Verwaltungsakt ist formal rechtmäßig. Insbesondere sind die Kläger zuvor angehört worden, § 24 Abs. 1 SGB X.

b) Der Rücknahmebescheid ist auch materiell rechtmäßig, da der vorläufige Bewilligungsbescheid vom 03.11.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27.12.2016 anfänglich, d.h. zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe, § 37 SGB X, und danach weiterhin bis einschließlich März 2017 (vgl. Schütze, in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 45, Rn. 31, 33) aus den unter 1. dargelegten Gründen rechtswidrig war. Die Kläger waren bei Bekanntgabe der Bewilligungsentscheidung gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a. F. und in den Monaten Februar und März 2017 weiterhin nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a) oder b) SGB II n. F. von einem Leistungsanspruch nach dem SGB II ausgeschlossen.

Insbesondere bestand für die Klägerin zu 1) auch im Februar und März 2017 kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU.

Die Kammer ist davon überzeugt, dass auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin zu 1) zu Herrn Q. zum Schein geschlossen worden ist (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. März 2017 – 18 B 274/17 –, Rn. 3, juris). Das Bestehen des Arbeitsverhältnisses ist erstmals im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss der Kammer vom 14.02.2017 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes behauptet worden. Dabei sind zwar eine Kopie des Anstellungsvertrages und eine Meldebescheinigung für den Arbeitnehmer nach § 25 DEÜV sowie die Kopie einer Quittung vom 01.03.2017 für den Monat Februar (ohne Jahreszahl) über einen von Herrn Q. an die Klägerin zu 1) hingegebenen Betrag von 280 EUR vorgelegt worden. Diese Unterlagen hat der Bevollmächtigte der Kläger auch zum Klageverfahren gereicht. Der zweite Senat des LSG NRW hat mit Beschluss vom 06.04.2017 hierzu – nach Auffassung der erkennenden Kammer zutreffend und nachvollziehbar – dargelegt, dass trotz bzw. gerade wegen der vorgelegten Unterlagen über eine angebliche Beschäftigung ab dem 06.02.2017 weiterhin nicht von dem tatsächlichen Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und einer Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin zu 1) ausgegangen werden könne. Zur Begründung hat er darauf hingewiesen, dass ein identischer Vertragsvordruck wie beim Scheinanstellungsvertrag mit Herrn N. verwendet worden sei, der augenscheinlich auch von derselben Person handschriftlich ausgefüllt worden sei. Insbesondere der letztgenannte Umstand lege die dringliche Vermutung nahe, dass es sich erneut um einen zum Schein geschlossenen Arbeitsvertrag handele, denn Arbeitsverträge stammten jedenfalls bei einfachen Tätigkeiten üblicherweise aus der Sphäre des Arbeitgebers und enthielten von diesem vorgegebene Regelungen. Im Übrigen seien auch in Bezug auf dieses Beschäftigungsverhältnis Angaben zu den Einzelheiten nicht gemacht worden, obwohl sich den Klägern aufgrund der Begründung der erstinstanzlichen ER- Entscheidung die Notwendigkeit derartiger Angaben für einen Verfahrenserfolg geradezu habe aufdrängen müssen.

Der vorgelegte "Anstellungsvertrag für geringfügig Beschäftigte" zwischen Q. und der Klägerin zu 1) aus ähnlichen Gründen perplex wie jener zwischen Herrn N. und der Klägerin zu 1). So wird nicht erkennbar, ob die regelmäßige Arbeitszeit 40 oder zehn Wochenstunden beträgt. Beide Angaben finden sich in dem Dokument. Zudem ist nicht nachvollziehbar, wie die Wochenstunden an acht Tagen in der Woche für jeweils 2 Stunden und "zwar jeweils am 5, am Montag und am Mittwoch" geleistet werden sollen. Offengelassen wird die Regelung, ob die bezeichnete Vergütung von 320 EUR monatlich oder stündlich anfällt.

Auch im Hauptsacheverfahren hat die Kammer deshalb frühzeitig schriftlich konkrete Fragen zu den Einzelheiten des geschlossenen Arbeitsvertrages bzw. zum behaupteten Arbeitsverhältnis gestellt, die von der Klägerin zu 1) wiederum zunächst nicht beantwortet worden sind.

Erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat sie auf Drängen ihres Bevollmächtigten und weitere Befragung der Kammer einige Angaben gemacht, die indes die Überzeugung von einem Scheinarbeitsverhältnis mehr bekräftigen als das Gegenteil zu belegen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.07.2017 hat die Klägerin zu 1) angegeben, sie könne die Adresse der Firma des Herrn Q. nicht in L. nicht benennen, da sie kein Deutsch spreche. Auf Nachfrage ihres Bevollmächtigten, ob die Firma in L. oder B. sei hat die Klägerin angegeben, dies nicht zu wissen, gleichwohl sie im Verwaltungsverfahren angegeben hatte, den Arbeitsvertrag in L. in einem Privathaus am Gelände der Firma des Q. unterschrieben zu haben. Auf die Frage, weshalb im Arbeitsvertrag jedoch die Adresse des Herrn Q. aus B. angeführt sei, hat die Klägerin geantwortet, hierüber keine Kenntnis zu haben, sie könne nicht unterscheiden, ob sie in L. oder im B. gewesen sei. Unerklärlich ist, wie die Klägerin zu 1) vor diesem Hintergrund die Verabredung zum Vertragsschluss mit Herrn Q., aufgrund derer sie nach ihrer Einlassung im Fortsetzungstermin am 12.09.2017 zu ihm gefahren sei, einhalten konnte, ohne zu wissen, in welche Stadt sie zu fahren hatte. Herr Q. hat zudem ausgesagt, das Treffen habe nicht am Firmengelände, sondern in der Wohnung eines Kunden in L. stattgefunden. Auch in Bezug auf die weiteren Umstände des konkreten Vertragsschlusses hat die Klägerin zu 1) sich in Widerspruch zu Aussagen des Zeugen Q. gesetzt. Auf die Diskrepanzen hingewiesen ist der angebliche Arbeitgeber sichtlich in Nervosität verfallen und hat keine konsistente Aussage mehr zu Stande gebracht. Die Kammer wertet dies als weiteren Beleg für ein Scheinarbeitsverhältnis. Während die Klägerin angegeben hat, das Vertragsformular, das bereits bei ihrem angeblichen Arbeitsverhältnis mit Herrn N. verwendet worden war, sei von Herrn Q. vorgelegt worden und sie habe den Vertrag dann selbstständig ausgefüllt, ihr Arbeitgeber sodann nur unterschrieben, hat der Zeuge zunächst erklärt, er habe das Vertragsformular von seinem Steuerberater, der den Vertrag auch ausgefüllt und mit ihm dann mündlich besprochen habe, nachdem er – der Zeuge – an den Steuerberater mit der Absicht herangetreten war, eine Person in seiner Firma anzustellen. Auf den Widerspruch zur Einlassung der Klägerin hingewiesen hat der Zeuge zunächst bekräftigt, den der Kammer vorliegenden Arbeitsvertrag lediglich in der Zeile " Arbeitgeber" gemeinsam mit dem Steuerberater ausgefüllt zu haben. Die Klägerin habe sodann im weiteren Gespräch die Zeile " Arbeitnehmer" ausgefüllt. Wer das Weitere ausgefüllt habe, wisse er nicht mehr. Nachdem die Klägerin zu 1) in dem Bemühen, die Widersprüchlichkeiten zu glätten, nunmehr erklärte, sie und der Zeuge hätten sich nach Vertragsschluss ein weiteres Mal mit dessen Steuerberater getroffen der gesagt habe, der Vertrag müsse registriert werden, hat der Zeuge seine Aussage dahingehend abgewandelt, dass der erste Arbeitsvertrag, den er mit der Klägerin zusammen ausgefüllt habe, doch nicht ausgefüllt gewesen sei. Erst danach habe er Kontakt zum Steuerberater aufgenommen, der Korrekturen an dem Arbeitsvertrag vorgenommen habe. Sodann sei von ihm und der Klägerin gemeinsam mit dem Steuerberater ein korrigierter Arbeitsvertrag aufgesetzt worden. Dieses Exemplar sei bei der Steuerberaterin, deren Adresse und Vornamen er nicht benennen konnte, verblieben. Diese habe den Vertrag – soweit er wisse – weggeworfen. Auf weiteres Befragen des Bevollmächtigten der Klägerin hat der Zeuge angegeben nicht zu wissen, ob es sich bei dem nunmehr noch vorliegenden Arbeitsvertrag um den tatsächlich " gelebten" handele.

Der Überzeugung, dass das behauptete Arbeitsverhältnis fingiert ist, hat sich weiter dadurch gefestigt, dass weder die Klägerin zu 1) noch der Zeuge wussten, ob bzw. das sie eine Urlaubsvereinbarung getroffen haben, wie sie der vorgelegte Vertrag ausweist. Auch die Angaben zum tatsächlich gezahlten Lohn, den der Zeuge der Klägerin zu 1) nach seiner Aussage monatlich quittieren will, ohne selbst ein Dokument für die Zahlung zu behalten – wobei von der Klägerin zu 1) lediglich Quittungen vom 01.03.2017 und 02.06.2017 über 280 bzw. 360 EUR vorgelegt werden konnten – hatten keinen Bezug zur Angabe im Arbeitsvertrag ("320 EUR"). So hat der Zeuge erklärt, er zahle unregelmäßig Geld an die Klägerin zu 1), ganz so wie diese es gerade brauche. Manchmal 500 EUR, zuletzt aber auch 1500 EUR, wobei diesbezüglich nicht klar gewesen ist, ob es sich um einen Vorschuss oder um ein Darlehen handeln sollte. Regelmäßig erhalte die Klägerin zu 1) 360 EUR ausgezahlt.

Soweit der Zeuge bei seiner Vernehmung am 12.09.2017 ungefragt erwähnt hat, die Klägerin zu 1) werde von seinem Fahrer zu den jeweiligen Arbeitsstätten gebracht, hat die Kammer den Eindruck gewonnen, dass er diese Angabe, weil sie mit der Klägerin zu 1) abgesprochen war, anbringen wollte. Diese hatte in der mündlichen Verhandlung am 25.07.2017 erklärt, von dem Fahrer des Zeugen zu Hause abgeholt und zur Arbeit gebracht zu werden. Dabei ist jedoch bereits die Absprache hinsichtlich des Namens des Fahrers nicht gelungen.

Die von der Klägerin im Termin am 12.09.2017 vorgelegte Dokumentation über ihre Tätigkeit deutet in keiner Weise auf ein echtes Arbeitsverhältnis zu Herrn Q. hin. Der von der Klägerin zu 1) vorgelegte Zettel, auf dem sie sich die geleisteten Arbeitsstunden für Herrn Q. vermerkt haben will, um diese jeweils zum Monatsende mit den entsprechenden Aufzeichnungen des Zeugen abgleichen und hiernach den Lohn bemessen zu können, enthalten nicht einmal einen Eintrag für den hier streitgegenständlichen Zeitraum. Vielmehr sind Stundenangaben zu Daten aus dem Juni 2016 vermerkt, wobei nicht ersichtlich ist, dass und wo die Klägerin zu 1) in dieser Zeit gearbeitet haben will. Das Arbeitsverhältnis zu Herrn Q. wird jedenfalls erst ab Februar 2017 behauptet. Weitere Stunden sind lediglich – auf demselben Zettel – für den Juli und für den September 2017 vermerkt. Der Zeuge Q. will die Arbeitsstunden der Klägerin, die variierten, zwar genau in einen Kalender geschrieben haben, diesen aber am Tag seiner Vernehmung zu Hause vergessen haben, da er sehr früh wach geworden sei.

Während sich die klägerseitig behauptete Anmeldung der Klägerin zu 1) durch Herrn Q. bei der Berufsgenossenschaft Bau im Rahmen der mündlichen Verhandlung als falsch herausgestellt hat, ist die Klägerin nach den Ermittlungen der Kammer zwar tatsächlich bei der Knappschaft Bahn See – Minijobzentrale angemeldet worden, Sozialversicherungsabgeben sind jedoch zuletzt – wie auch die seitens des Zeugen vorgelegten Mahnbescheide vom 03.08.2017 und 05.09.2017 dokumentieren – nicht mehr entrichtet worden. Die Kammer verkennt nicht, dass dies in den ersten Monaten seit Februar 2017 anders gewesen ist. Vor dem Hintergrund der dargelegten zahlreichen und gewichtigen Indizien für ein Scheinarbeitsverhältnis vermag dies die Überzeugung der Kammer jedoch nicht zu erschüttern. In Anbetracht der Erfahrung der Klägerin zu 1), dass der geschaffene Schein eines Arbeitsverhältnisses mit Herrn N. nicht ausreichend war, um den Beklagten oder das Sozialgericht sowie das Landessozialgericht zu täuschen, besteht vor dem Hintergrund der aufgezeigten Widersprüchlichkeiten vielmehr Grund zu der Annahme, dass die Anmeldung bei der Minijobzentrale und das Entrichten einiger Monatsbeiträge von rund 100 Euro einzig zu dem Zweck erfolgt ist, bei der Vorspiegelung des neuen Arbeitsverhältnisses erfolgreicher zu sein.

III. Auch die Festsetzung der Erstattungsforderungen gegen die Kläger ist rechtmäßig. Der Beklagte ist gemäß § 41 a Abs. 6 S. 3 SGB II zur Festsetzung befugt.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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