Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 191/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2151/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.05.2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation für Suchtabhängige streitig.
Der im Jahr 1974 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Die drei, in den Jahren 2002 und 2006 geborenen Kinder des Klägers, die dieser mit seiner gleichfalls süchtigen Ehefrau hat, wurden im März 2014 vom Jugendamt in einer Wohngruppe untergebracht. Der Kläger ist mit Beschluss des Amtsgerichts B. vom 14.11.2014 (- ... XVII .../14 -) unter Betreuung gestellt. Er übte seit September 2001 nur kurzzeitige Beschäftigungen aus, seit 2011 ist er durchgängig arbeitslos.
Am 24.04.2015 beantragte der Kläger bei der DRV Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Abhängigkeitskranke. Er führte an, bei ihm bestehe eine Opiat- und Spielabhängigkeit, zudem leide er seit April 2014 an einer Depression. Hierzu legte er einen Sozialbericht der Dipl. Psych. W. von der Jugend- und Drogenberatung B.-B. vom 12.03.2015 vor, in dem ausgeführt worden ist, dass der Kläger therapeutische Unterstützung benötige, um eine abstinente Lebensführung zu erreichen. Eigenmotivativ strebe der Kläger eine stabile Abstinenz und ein Leben ohne Drogen an, fremdmotivativ verbinde er mit der erstrebten Rehabilitationsmaßnahme die Hoffnung, dass seine Kinder zu ihm zurückgeführt werden und dass nach einer erfolgreichen Therapie eine Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt werde.
Die DRV leitete den Antrag unter dem 05.05.2015 an die beklagte Krankenkasse weiter. Sie führte hierzu aus, dass sie für die begehrten Leistungen nicht zuständig sei, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die begehrte Maßnahme nicht wesentlich gefördert werden könne.
Die Beklagte schaltete daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein, für den mitgeteilt worden ist, dass im Falle des Klägers keine positive Rehabilitationsprognose gestellt werden könne.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Kostenübernahme einer stationären Rehabilitationsmaßnahme mit Bescheid vom 13.05.2015 ab. Aufgrund der fehlenden Eigenmotivation des Klägers bestehe keine ausreichende Rehabilitationsprognose. Der MDK empfehle vielmehr eine ambulante Suchtberatung mit psychiatrischer Mitbehandlung.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 27.05.2015 Widerspruch, mit dem er vorbrachte, er sei sehr wohl eigenmotiviert. Er leide unter den finanziellen und seelischen Folgen der Sucht und wolle nach Abschluss der Therapie wieder arbeiten. Hierzu legte er ein Schreiben der Dipl. Psych. W. von der Jugend- und Drogenberatung B.-B. vor, in dem die Durchführung einer Therapie befürwortet worden ist, eine Stellungnahme des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin, Dr. E., vom 03.07.2015 vor, in der mitgeteilt worden ist, dass die beim Kläger seit November 2014 durchgeführte Opioid-Substitution problemlos verlaufe und sich dieser unter der Substitution positiv entwickelt habe, woraus dessen Motivation ersichtlich werde, sowie ein ärztliches Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H.-K. vom 23.06.2015 vor, in dem ausgeführt worden ist, dass beim Kläger eine Polytoxikomaie und Spielsucht zu diagnostizieren sei. Aktuell habe sich der Zustand des Klägers, der hoch motiviert sei, deutlich stabilisiert.
Für den MDK nahm daraufhin Dr. R. unter dem 15.07.2015 dahingehend Stellung, dass die Begründungen der Ärzte zu unspezifisch seien. Es seien Berichte über fachpsychiatrische Mitbehandlungen und stationäre Behandlungen erforderlich. Sodann wurden auf Anfrage der Beklagten von Dr. E. Berichte über stationäre Behandlungen des Klägers nach notfallmäßigen Aufnahmen im Klinikum M. vom 10. - 12.07.2014, vom 31.08. - 01.09.2014 und vom 05. - 06.09.2014 sowie Berichte des Zentrums für Psychiatrie E. über stationäre Behandlungen des Klägers vom 12. - 14.07.2014 und vom 21. - 25.03.2015 vorgelegt. Ergänzend teilte Dr. E. unter dem 21.10.2015 mit, dass die Substitution beim Kläger nicht im Wege einer "take-Home-Gabe" erfolgt sei.
In Auswertung der nunmehr vorgelegten medizinischen Unterlagen teilte Dr. B. für den MDK unter dem 09.11.2015 mit, dass der Kläger seit Juli 2014 insgesamt 10 mal stationär in Krankenhausbehandlung gewesen sei, die jeweilige Verweildauer jedoch maximal fünf Tage betragen habe. Zwar sei der Rehabilitationsbedarf nachvollziehbar, nicht jedoch die Rehabilitationsfähigkeit, insb. sei eine positive Rehabilitationsprognose nicht möglich. Im Falle des Klägers seien zudem die Kontextfaktoren extrem negativ. So lebe der Kläger in einer desolaten familiären Situation. Ferner stehe eine mögliche Beschaffungskriminalität im Raum. Die vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen beinhalteten keine Dokumentation der Substitution, insb. keine Ergebnisse durchgeführter Urintests. Auch spreche der Umstand, dass der Kläger die Beratungsgespräche gemeinsam mit seiner Ehefrau wahrnehme, dafür, dass der Kläger primär fremdmotiviert sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2015 entschied die Beklagte, dem Widerspruch nicht stattzugeben. Begründend führte sie aus, dass nach der Einschätzung des MDK erhebliche Zweifel an einer positiven Rehabilitationsprognose bestünden.
Hiergegen erhob der Kläger am 18.01.2016 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), zu deren Begründung der Kläger im Wesentlichen darauf verwies, die erforderliche Eigenmotivation für die Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme zu haben. Der Kläger legte sodann das Urteil des Amtsgerichts B. vom 22.01.2015 (- Ds 2 Js 8 /13 -) vor, mit welchem er wegen Betrugs in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt worden ist.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Unter dem 01.03.2016 teilte die DRV auf Anfrage des SG mit, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) erfüllt seien. Das SG befragte die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. E. teilte hierzu unter dem 07.03.2016 mit, dass sich der Kläger seit dem 28.07.2014 in seiner andauernden Behandlung befinde. Bei ihm bestehe eine chronische Abhängigkeit von Opioiden bei multiplem Substanzgebrauch und zusätzlicher Spielsucht. Es werde eine tägliche Substitutionsbehandlung durchgeführt. Ferner werde der Kläger im Wege einer begleitenden Gesprächstherapie und einer psychosozialen Begleitung behandelt. Für die Suchtberatung B.-B. teilte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Dr. K. unter dem 17.03.2016 mit, dass beim Kläger eine Krankheitseinsicht bestehe und ein hinreichender Leidensdruck vorhanden sei. Eine fehlende Abstinenzmotivation habe hingegen nicht diagnostiziert werden können. Dr. H.-K. führte unter dem 14.03.2016 aus, dass der Kläger unter Substitution deutlich zuverlässiger sei. Er lasse eine deutliche Motivation für eine langfriste Suchtbehandlung erkennen.
Mit Urteil vom 23.05.2016 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2015, dem Kläger stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren. Die Anspruchsgrundlage des Begehrens finde sich, so das SG, in § 9 SGB VI i. V. m. §§ 13, 15 SGB VI. Die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI seien beim Kläger erfüllt. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei gemindert, da er nicht mehr in der Lage sei, einer leichten Tätigkeit nachzugehen. Auch ließe sich durch Leistungen der Rehabilitation die geminderte Erwerbsfähigkeit voraussichtlich bessern bzw. wiederherstellen. Dies sei im Wege einer Prognose vorzunehmen, die im Falle des Klägers positiv sei. Der hiervon abweichende Annahme der Beklagten, es bestehe keine positive Prognose, sei nicht gerechtfertigt. Hierfür sprächen das Alter des Klägers und der Umstand, dass kein Hinweis dafür ersichtlich sei, dass der Antrag auf Rehabilitationsleistungen auf Veranlassung Dritter gestellt worden sei. Das in § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB VI eingeräumte Ermessen der Beklagten sei vorliegend auf Null reduziert, da die Annahme der Beklagten, die Fortführung der substituierenden Behandlung sei ausreichend, nicht nachvollziehbar sei.
Gegen das am 02.06.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.06.2016 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie vor, der MDK sei zu der Einschätzung gelangt, dass es an einer positiven Rehabilitationsprognose fehle. Das SG habe zwar die behandelnden Ärzte des Klägers einvernommen, diesen aber die relevante Frage nicht gestellt. So seien die Ärzte vom SG nicht aufgefordert worden, zur Rehabilitationsprognose Stellung zu nehmen. Überdies sei das SG dann zu einer eigenen medizinischen Beurteilung dahingehend gelangt, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Rehabilitationsmaßnahme gebessert werden könne, obschon die DRV dies verneint habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.05.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages bringt der Kläger vor, die Berufung der Beklagten sei offensichtlich unbegründet. Die Beklagte verneine die positive Prognose in nicht nachvollziehbarer Weise, wohingegen das SG die Eigenmotivation des Kläger zu Recht bejaht habe. Ihm könne insb. nicht angelastet werden, dass sich die Eheleute gemeinsam behandeln lassen wollen.
Im Rahmen eines Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 26.07.2017 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat erwäge, über die Berufung der Beklagten im Wege eines Beschlusses nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden, da die Berufung nach vorläufiger Einschätzung keine Aussicht auf Erfolg verspreche. Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Die Beklagte teilte unter Hinweis, dass mit der in Aussicht gestellten Entscheidung im Beschlusswege, Einverständnis bestehe, hierauf mit, dass unverändert die Motivation des Klägers zur Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme nicht belegt sei. Vielmehr habe vom 06.06. - 28.06.2017 ein erneuter stationärer Krankenhausaufenthalt mit Ehefrau stattgefunden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten für den Kläger geführte Leistungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
II.
Die Berufung führt für die Beklagte nicht zum Erfolg.
Der Senat entscheidet dies nach § 153 Abs. 4 SGG ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und ohne die Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden hierzu gehört. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden hierbei nicht vorgebracht.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) ist statthaft (vgl. § 143 SGG) und damit zulässig.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger stationäre Rehabilitationsleistungen zu bewilligen. Der Bescheid vom 13.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2015 ist rechtswidrig.
Die Beklagte war zur Entscheidung über den Antrag des Klägers berufen. Zwar hat dieser seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation, unter die auch stationäre Entwöhnungsbehandlung rechnen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16.11.1989 - 5 RJ 3/89 -, in juris), am 24.04.2015 bei der DRV gestellt, diese hat jedoch den Antrag unter dem 05.05.2015 an die beklagte Krankenkasse weitergeleitet. Mit der Abgabe des Reha-Antrages innerhalb der 2-Wochenfrist des § 14 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) wurde die Beklagte zum zweitangegangenen Leistungsträger i.S.d. § 14 Abs. 2 SGB IX, sodass diese für die Leistungserbringung an den Kläger allumfassend zuständig geworden ist (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.2011 - B 11 AL 7/10 R -, in juris).
Rentenversicherungsrechtlich bestimmt § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, dass die Träger der Rentenversicherung Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge sowie ergänzende Leistungen erbringen, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorzubeugen, entgegenzuwirken oder sie zu überwinden (Nr. 1) und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern (Nr. 2).
Ob medizinische Rehabilitationsleistungen zu gewähren sind (sog. Eingangsprüfung) steht nicht, wovon das SG ausgegangen ist, im Ermessen der Rentenversicherung bzw. des Rehabilitationsträgers, sondern ist alleine davon abhängig, ob die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen des § 10 SGB VI (persönliche Voraussetzungen) und des § 11 SGB VI (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) vorliegen und kein Leistungsausschluss gemäß § 12 SGB VI gegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 23.02.2000 - B 5 RJ 8/99 R -, in juris). Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 SGB VI, die Erfüllung der Wartezeit von 15 Jahren, sind in der Person des Klägers nach der Mitteilung der DRV vom 01.03.2016 gegeben.
Die nach § 10 Abs. 1 SGB VI erforderlichen persönlichen Voraussetzungen hat der Kläger zur Überzeugung des Senats gleichfalls erfüllt. Nach dieser Bestimmung haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist (Nr. 1) und bei denen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI voraussichtlich
a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann oder c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aa) der bisherige Arbeitsplatz erhalten werden kann oder bb) ein anderer in Aussicht stehender Arbeitsplatz erlangt werden kann, wenn die Erhaltung des bisherigen Arbeitsplatzes nach Feststellung des Trägers der Rentenversicherung nicht möglich ist.
Erwerbsfähigkeit meint die Fähigkeit des Versicherten, seinen bisherigen Beruf oder seine bisher Tätigkeit weiter auszuüben. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ist jede länger dauernde, nicht unwesentliche Einschränkung der vollen Leistungsfähigkeit. Eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit liegt vor, wenn nach ärztlicher Feststellung durch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die damit verbundenen Funktionseinschränkungen in absehbarer Zeit mit einer Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zu rechnen ist. Hierbei ist grundsätzlich auf die gesamte berufliche Qualifikation abzustellen, also auf das Berufsbild in voller Breite und nicht lediglich auf die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit in der Ausgestaltung des konkreten Arbeitsplatzes. Hat der Versicherte hingegen über einen längeren Zeitraum keine relevante Beschäftigung verrichtet, bemisst sich die Erwerbsfähigkeit nicht anhand eines bestimmten Berufes sondern anhand des allgemeinen Arbeitsmarktes. Seit dem der Kläger zuletzt im September 2001 über einen längeren Zeitraum versicherungspflichtig beschäftigt war, ist ein derart langer Zeitraum verstrichen, dass dessen Erwerbsfähigkeit hiernach nicht mehr anhand einer konkreten Tätigkeit zu prüfen ist. Vielmehr ist maßgebend, ob er in der Lage ist, eine leichte Tätigkeit vollschichtig ausüben zu können.
Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist zur Überzeugung des Senats jedenfalls gefährdet. Nach den Bekundungen des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. E. besteht beim Kläger eine chronische Abhängigkeit von Opioiden bei multiplem Substanzgebrauch. Diese führte beim Kläger ausweislich der Berichte über die stationären Behandlungen des Klägers im zfp E., teilweise zu szenischen, optischen Halluzinationen und Verhaltensstörungen. Durch diese Beeinträchtigungen besteht jedenfalls die Gefahr, dass beim Kläger mit einer Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zu rechnen ist. I.d.S. hat die DRV ausgeführt, dass der Kläger nach ihren Feststellungen vom 22.10.2014 - 30.09.2017 (bereits) voll erwerbsgemindert ist. Da auch der MDK in seinem Gutachten vom 09.11.2015 Rehabilitationsbedarf sieht, bestehen für den Senat keine Zweifel daran, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers jedenfalls gefährdet ist.
Zur Überzeugung des Senats kann durch die begehrte Rehabilitationsmaßnahme die Minderung der Erwerbsfähigkeit voraussichtlich abgewendet werden. Mit der Formulierung "voraussichtlich" in § 10 Abs. 1 SGB VI hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass der Rehabilitationsträger bei seiner Entscheidung über die jeweilige Leistung vorausschauend prüfen muss, ob die Leistung hinreichende Erfolgsaussicht bietet. Dies ist dann der Fall, wenn die erfolgreiche Umsetzung der in § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI genannten Zielsetzung wahrscheinlich ist, d. h. mehr Gründe dafür als dagegen sprechen. Zwar reicht die bloße Möglichkeit des Erfolgseintritts grundsätzlich nicht aus, eine positive Prognose treffen zu können, jedoch darf allein wegen verbleibender Zweifel die Leistung nicht abgelehnt werden. Dies gilt vor allem und insb. bei Leistungen für Personen, mit typischer Weise unsicherem Behandlungsverlauf, wie bspw. bei Drogenabhängigen oder bei Versicherten mit Aids-Erkrankungen. Lediglich dann, wenn von vornherein keine Chance besteht, das Rehabilitationsziel zu erreichen, entfällt die Leistungspflicht des Rehabilitationsträgers. Letzteres muss indes anhand objektiver Befunde gerechtfertigt sein. Hierbei zählen Faktoren wie die Art und das Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die persönlichen Verhältnisse des Versicherten und seine Bereitschaft zur Mitwirkung zu den zu berücksichtigenden Einzelfallumständen. Vorliegend sieht der Senat i.d.S. keine objektiven Befunde, die es von vornherein ausschließen, dass eine Rehabilitationsmaßnahme vom Kläger erfolgsversprechend durchgeführt werden kann. So ist bereits nicht ersichtlich, dass der Kläger vorherige Versuche einer stationären Entwöhnung abgebrochen hat. Auch vermag der Senat nicht zu erkennen, dass beim Kläger keine ausreichende Eigenmotivation besteht. Dieser hat konsistent ein Leben ohne Abhängigkeit zum Ziel seiner Rehabilitationsbemühungen gemacht. Der Umstand, dass seine gleichfalls süchtige Ehefrau, Beratungsgespräche mit dem Kläger gemeinsam besucht, vermag hiervon keine abweichende Beurteilung zu bedingen. Auch vermag der Senat nicht zu erkennen, dass das Begehren, die Kinder des Klägers in sein häusliches Umfeld zurück zu holen, nicht als Faktor der Eigenmotivation heranzuziehen ist. In Ermangelung entgegenstehender objektiver Befunde ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der prognostische Schluss, beim Kläger bestehe keine ausreichende Erfolgsprognose, gerechtfertigt ist.
Da auch keine Ausschlussgründe nach § 12 SGB VI vorliegen, hat der Kläger - dem Grunde nach - Anspruch auf die Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahmen, deren Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Rehabilitationsträger nach seinem pflichtgemäßem Ermessen bestimmt.
Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 13.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2015 ist rechtswidrig; die Berufung der Beklagten gegen das stattgebende Urteil des SG ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation für Suchtabhängige streitig.
Der im Jahr 1974 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Die drei, in den Jahren 2002 und 2006 geborenen Kinder des Klägers, die dieser mit seiner gleichfalls süchtigen Ehefrau hat, wurden im März 2014 vom Jugendamt in einer Wohngruppe untergebracht. Der Kläger ist mit Beschluss des Amtsgerichts B. vom 14.11.2014 (- ... XVII .../14 -) unter Betreuung gestellt. Er übte seit September 2001 nur kurzzeitige Beschäftigungen aus, seit 2011 ist er durchgängig arbeitslos.
Am 24.04.2015 beantragte der Kläger bei der DRV Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Abhängigkeitskranke. Er führte an, bei ihm bestehe eine Opiat- und Spielabhängigkeit, zudem leide er seit April 2014 an einer Depression. Hierzu legte er einen Sozialbericht der Dipl. Psych. W. von der Jugend- und Drogenberatung B.-B. vom 12.03.2015 vor, in dem ausgeführt worden ist, dass der Kläger therapeutische Unterstützung benötige, um eine abstinente Lebensführung zu erreichen. Eigenmotivativ strebe der Kläger eine stabile Abstinenz und ein Leben ohne Drogen an, fremdmotivativ verbinde er mit der erstrebten Rehabilitationsmaßnahme die Hoffnung, dass seine Kinder zu ihm zurückgeführt werden und dass nach einer erfolgreichen Therapie eine Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt werde.
Die DRV leitete den Antrag unter dem 05.05.2015 an die beklagte Krankenkasse weiter. Sie führte hierzu aus, dass sie für die begehrten Leistungen nicht zuständig sei, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die begehrte Maßnahme nicht wesentlich gefördert werden könne.
Die Beklagte schaltete daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein, für den mitgeteilt worden ist, dass im Falle des Klägers keine positive Rehabilitationsprognose gestellt werden könne.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Kostenübernahme einer stationären Rehabilitationsmaßnahme mit Bescheid vom 13.05.2015 ab. Aufgrund der fehlenden Eigenmotivation des Klägers bestehe keine ausreichende Rehabilitationsprognose. Der MDK empfehle vielmehr eine ambulante Suchtberatung mit psychiatrischer Mitbehandlung.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 27.05.2015 Widerspruch, mit dem er vorbrachte, er sei sehr wohl eigenmotiviert. Er leide unter den finanziellen und seelischen Folgen der Sucht und wolle nach Abschluss der Therapie wieder arbeiten. Hierzu legte er ein Schreiben der Dipl. Psych. W. von der Jugend- und Drogenberatung B.-B. vor, in dem die Durchführung einer Therapie befürwortet worden ist, eine Stellungnahme des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin, Dr. E., vom 03.07.2015 vor, in der mitgeteilt worden ist, dass die beim Kläger seit November 2014 durchgeführte Opioid-Substitution problemlos verlaufe und sich dieser unter der Substitution positiv entwickelt habe, woraus dessen Motivation ersichtlich werde, sowie ein ärztliches Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H.-K. vom 23.06.2015 vor, in dem ausgeführt worden ist, dass beim Kläger eine Polytoxikomaie und Spielsucht zu diagnostizieren sei. Aktuell habe sich der Zustand des Klägers, der hoch motiviert sei, deutlich stabilisiert.
Für den MDK nahm daraufhin Dr. R. unter dem 15.07.2015 dahingehend Stellung, dass die Begründungen der Ärzte zu unspezifisch seien. Es seien Berichte über fachpsychiatrische Mitbehandlungen und stationäre Behandlungen erforderlich. Sodann wurden auf Anfrage der Beklagten von Dr. E. Berichte über stationäre Behandlungen des Klägers nach notfallmäßigen Aufnahmen im Klinikum M. vom 10. - 12.07.2014, vom 31.08. - 01.09.2014 und vom 05. - 06.09.2014 sowie Berichte des Zentrums für Psychiatrie E. über stationäre Behandlungen des Klägers vom 12. - 14.07.2014 und vom 21. - 25.03.2015 vorgelegt. Ergänzend teilte Dr. E. unter dem 21.10.2015 mit, dass die Substitution beim Kläger nicht im Wege einer "take-Home-Gabe" erfolgt sei.
In Auswertung der nunmehr vorgelegten medizinischen Unterlagen teilte Dr. B. für den MDK unter dem 09.11.2015 mit, dass der Kläger seit Juli 2014 insgesamt 10 mal stationär in Krankenhausbehandlung gewesen sei, die jeweilige Verweildauer jedoch maximal fünf Tage betragen habe. Zwar sei der Rehabilitationsbedarf nachvollziehbar, nicht jedoch die Rehabilitationsfähigkeit, insb. sei eine positive Rehabilitationsprognose nicht möglich. Im Falle des Klägers seien zudem die Kontextfaktoren extrem negativ. So lebe der Kläger in einer desolaten familiären Situation. Ferner stehe eine mögliche Beschaffungskriminalität im Raum. Die vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen beinhalteten keine Dokumentation der Substitution, insb. keine Ergebnisse durchgeführter Urintests. Auch spreche der Umstand, dass der Kläger die Beratungsgespräche gemeinsam mit seiner Ehefrau wahrnehme, dafür, dass der Kläger primär fremdmotiviert sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2015 entschied die Beklagte, dem Widerspruch nicht stattzugeben. Begründend führte sie aus, dass nach der Einschätzung des MDK erhebliche Zweifel an einer positiven Rehabilitationsprognose bestünden.
Hiergegen erhob der Kläger am 18.01.2016 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), zu deren Begründung der Kläger im Wesentlichen darauf verwies, die erforderliche Eigenmotivation für die Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme zu haben. Der Kläger legte sodann das Urteil des Amtsgerichts B. vom 22.01.2015 (- Ds 2 Js 8 /13 -) vor, mit welchem er wegen Betrugs in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt worden ist.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Unter dem 01.03.2016 teilte die DRV auf Anfrage des SG mit, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) erfüllt seien. Das SG befragte die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. E. teilte hierzu unter dem 07.03.2016 mit, dass sich der Kläger seit dem 28.07.2014 in seiner andauernden Behandlung befinde. Bei ihm bestehe eine chronische Abhängigkeit von Opioiden bei multiplem Substanzgebrauch und zusätzlicher Spielsucht. Es werde eine tägliche Substitutionsbehandlung durchgeführt. Ferner werde der Kläger im Wege einer begleitenden Gesprächstherapie und einer psychosozialen Begleitung behandelt. Für die Suchtberatung B.-B. teilte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Dr. K. unter dem 17.03.2016 mit, dass beim Kläger eine Krankheitseinsicht bestehe und ein hinreichender Leidensdruck vorhanden sei. Eine fehlende Abstinenzmotivation habe hingegen nicht diagnostiziert werden können. Dr. H.-K. führte unter dem 14.03.2016 aus, dass der Kläger unter Substitution deutlich zuverlässiger sei. Er lasse eine deutliche Motivation für eine langfriste Suchtbehandlung erkennen.
Mit Urteil vom 23.05.2016 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2015, dem Kläger stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren. Die Anspruchsgrundlage des Begehrens finde sich, so das SG, in § 9 SGB VI i. V. m. §§ 13, 15 SGB VI. Die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI seien beim Kläger erfüllt. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei gemindert, da er nicht mehr in der Lage sei, einer leichten Tätigkeit nachzugehen. Auch ließe sich durch Leistungen der Rehabilitation die geminderte Erwerbsfähigkeit voraussichtlich bessern bzw. wiederherstellen. Dies sei im Wege einer Prognose vorzunehmen, die im Falle des Klägers positiv sei. Der hiervon abweichende Annahme der Beklagten, es bestehe keine positive Prognose, sei nicht gerechtfertigt. Hierfür sprächen das Alter des Klägers und der Umstand, dass kein Hinweis dafür ersichtlich sei, dass der Antrag auf Rehabilitationsleistungen auf Veranlassung Dritter gestellt worden sei. Das in § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB VI eingeräumte Ermessen der Beklagten sei vorliegend auf Null reduziert, da die Annahme der Beklagten, die Fortführung der substituierenden Behandlung sei ausreichend, nicht nachvollziehbar sei.
Gegen das am 02.06.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.06.2016 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie vor, der MDK sei zu der Einschätzung gelangt, dass es an einer positiven Rehabilitationsprognose fehle. Das SG habe zwar die behandelnden Ärzte des Klägers einvernommen, diesen aber die relevante Frage nicht gestellt. So seien die Ärzte vom SG nicht aufgefordert worden, zur Rehabilitationsprognose Stellung zu nehmen. Überdies sei das SG dann zu einer eigenen medizinischen Beurteilung dahingehend gelangt, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Rehabilitationsmaßnahme gebessert werden könne, obschon die DRV dies verneint habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.05.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages bringt der Kläger vor, die Berufung der Beklagten sei offensichtlich unbegründet. Die Beklagte verneine die positive Prognose in nicht nachvollziehbarer Weise, wohingegen das SG die Eigenmotivation des Kläger zu Recht bejaht habe. Ihm könne insb. nicht angelastet werden, dass sich die Eheleute gemeinsam behandeln lassen wollen.
Im Rahmen eines Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 26.07.2017 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat erwäge, über die Berufung der Beklagten im Wege eines Beschlusses nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden, da die Berufung nach vorläufiger Einschätzung keine Aussicht auf Erfolg verspreche. Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Die Beklagte teilte unter Hinweis, dass mit der in Aussicht gestellten Entscheidung im Beschlusswege, Einverständnis bestehe, hierauf mit, dass unverändert die Motivation des Klägers zur Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme nicht belegt sei. Vielmehr habe vom 06.06. - 28.06.2017 ein erneuter stationärer Krankenhausaufenthalt mit Ehefrau stattgefunden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten für den Kläger geführte Leistungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
II.
Die Berufung führt für die Beklagte nicht zum Erfolg.
Der Senat entscheidet dies nach § 153 Abs. 4 SGG ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und ohne die Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden hierzu gehört. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden hierbei nicht vorgebracht.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) ist statthaft (vgl. § 143 SGG) und damit zulässig.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger stationäre Rehabilitationsleistungen zu bewilligen. Der Bescheid vom 13.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2015 ist rechtswidrig.
Die Beklagte war zur Entscheidung über den Antrag des Klägers berufen. Zwar hat dieser seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation, unter die auch stationäre Entwöhnungsbehandlung rechnen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16.11.1989 - 5 RJ 3/89 -, in juris), am 24.04.2015 bei der DRV gestellt, diese hat jedoch den Antrag unter dem 05.05.2015 an die beklagte Krankenkasse weitergeleitet. Mit der Abgabe des Reha-Antrages innerhalb der 2-Wochenfrist des § 14 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) wurde die Beklagte zum zweitangegangenen Leistungsträger i.S.d. § 14 Abs. 2 SGB IX, sodass diese für die Leistungserbringung an den Kläger allumfassend zuständig geworden ist (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.2011 - B 11 AL 7/10 R -, in juris).
Rentenversicherungsrechtlich bestimmt § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, dass die Träger der Rentenversicherung Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge sowie ergänzende Leistungen erbringen, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorzubeugen, entgegenzuwirken oder sie zu überwinden (Nr. 1) und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern (Nr. 2).
Ob medizinische Rehabilitationsleistungen zu gewähren sind (sog. Eingangsprüfung) steht nicht, wovon das SG ausgegangen ist, im Ermessen der Rentenversicherung bzw. des Rehabilitationsträgers, sondern ist alleine davon abhängig, ob die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen des § 10 SGB VI (persönliche Voraussetzungen) und des § 11 SGB VI (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) vorliegen und kein Leistungsausschluss gemäß § 12 SGB VI gegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 23.02.2000 - B 5 RJ 8/99 R -, in juris). Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 SGB VI, die Erfüllung der Wartezeit von 15 Jahren, sind in der Person des Klägers nach der Mitteilung der DRV vom 01.03.2016 gegeben.
Die nach § 10 Abs. 1 SGB VI erforderlichen persönlichen Voraussetzungen hat der Kläger zur Überzeugung des Senats gleichfalls erfüllt. Nach dieser Bestimmung haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist (Nr. 1) und bei denen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI voraussichtlich
a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann oder c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aa) der bisherige Arbeitsplatz erhalten werden kann oder bb) ein anderer in Aussicht stehender Arbeitsplatz erlangt werden kann, wenn die Erhaltung des bisherigen Arbeitsplatzes nach Feststellung des Trägers der Rentenversicherung nicht möglich ist.
Erwerbsfähigkeit meint die Fähigkeit des Versicherten, seinen bisherigen Beruf oder seine bisher Tätigkeit weiter auszuüben. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ist jede länger dauernde, nicht unwesentliche Einschränkung der vollen Leistungsfähigkeit. Eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit liegt vor, wenn nach ärztlicher Feststellung durch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die damit verbundenen Funktionseinschränkungen in absehbarer Zeit mit einer Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zu rechnen ist. Hierbei ist grundsätzlich auf die gesamte berufliche Qualifikation abzustellen, also auf das Berufsbild in voller Breite und nicht lediglich auf die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit in der Ausgestaltung des konkreten Arbeitsplatzes. Hat der Versicherte hingegen über einen längeren Zeitraum keine relevante Beschäftigung verrichtet, bemisst sich die Erwerbsfähigkeit nicht anhand eines bestimmten Berufes sondern anhand des allgemeinen Arbeitsmarktes. Seit dem der Kläger zuletzt im September 2001 über einen längeren Zeitraum versicherungspflichtig beschäftigt war, ist ein derart langer Zeitraum verstrichen, dass dessen Erwerbsfähigkeit hiernach nicht mehr anhand einer konkreten Tätigkeit zu prüfen ist. Vielmehr ist maßgebend, ob er in der Lage ist, eine leichte Tätigkeit vollschichtig ausüben zu können.
Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist zur Überzeugung des Senats jedenfalls gefährdet. Nach den Bekundungen des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. E. besteht beim Kläger eine chronische Abhängigkeit von Opioiden bei multiplem Substanzgebrauch. Diese führte beim Kläger ausweislich der Berichte über die stationären Behandlungen des Klägers im zfp E., teilweise zu szenischen, optischen Halluzinationen und Verhaltensstörungen. Durch diese Beeinträchtigungen besteht jedenfalls die Gefahr, dass beim Kläger mit einer Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zu rechnen ist. I.d.S. hat die DRV ausgeführt, dass der Kläger nach ihren Feststellungen vom 22.10.2014 - 30.09.2017 (bereits) voll erwerbsgemindert ist. Da auch der MDK in seinem Gutachten vom 09.11.2015 Rehabilitationsbedarf sieht, bestehen für den Senat keine Zweifel daran, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers jedenfalls gefährdet ist.
Zur Überzeugung des Senats kann durch die begehrte Rehabilitationsmaßnahme die Minderung der Erwerbsfähigkeit voraussichtlich abgewendet werden. Mit der Formulierung "voraussichtlich" in § 10 Abs. 1 SGB VI hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass der Rehabilitationsträger bei seiner Entscheidung über die jeweilige Leistung vorausschauend prüfen muss, ob die Leistung hinreichende Erfolgsaussicht bietet. Dies ist dann der Fall, wenn die erfolgreiche Umsetzung der in § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI genannten Zielsetzung wahrscheinlich ist, d. h. mehr Gründe dafür als dagegen sprechen. Zwar reicht die bloße Möglichkeit des Erfolgseintritts grundsätzlich nicht aus, eine positive Prognose treffen zu können, jedoch darf allein wegen verbleibender Zweifel die Leistung nicht abgelehnt werden. Dies gilt vor allem und insb. bei Leistungen für Personen, mit typischer Weise unsicherem Behandlungsverlauf, wie bspw. bei Drogenabhängigen oder bei Versicherten mit Aids-Erkrankungen. Lediglich dann, wenn von vornherein keine Chance besteht, das Rehabilitationsziel zu erreichen, entfällt die Leistungspflicht des Rehabilitationsträgers. Letzteres muss indes anhand objektiver Befunde gerechtfertigt sein. Hierbei zählen Faktoren wie die Art und das Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die persönlichen Verhältnisse des Versicherten und seine Bereitschaft zur Mitwirkung zu den zu berücksichtigenden Einzelfallumständen. Vorliegend sieht der Senat i.d.S. keine objektiven Befunde, die es von vornherein ausschließen, dass eine Rehabilitationsmaßnahme vom Kläger erfolgsversprechend durchgeführt werden kann. So ist bereits nicht ersichtlich, dass der Kläger vorherige Versuche einer stationären Entwöhnung abgebrochen hat. Auch vermag der Senat nicht zu erkennen, dass beim Kläger keine ausreichende Eigenmotivation besteht. Dieser hat konsistent ein Leben ohne Abhängigkeit zum Ziel seiner Rehabilitationsbemühungen gemacht. Der Umstand, dass seine gleichfalls süchtige Ehefrau, Beratungsgespräche mit dem Kläger gemeinsam besucht, vermag hiervon keine abweichende Beurteilung zu bedingen. Auch vermag der Senat nicht zu erkennen, dass das Begehren, die Kinder des Klägers in sein häusliches Umfeld zurück zu holen, nicht als Faktor der Eigenmotivation heranzuziehen ist. In Ermangelung entgegenstehender objektiver Befunde ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der prognostische Schluss, beim Kläger bestehe keine ausreichende Erfolgsprognose, gerechtfertigt ist.
Da auch keine Ausschlussgründe nach § 12 SGB VI vorliegen, hat der Kläger - dem Grunde nach - Anspruch auf die Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahmen, deren Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Rehabilitationsträger nach seinem pflichtgemäßem Ermessen bestimmt.
Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 13.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2015 ist rechtswidrig; die Berufung der Beklagten gegen das stattgebende Urteil des SG ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved