Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 45 R 51/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 368/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.04.2015 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin ist Witwe des am 00.00.1927 geborenen und am 00.00.2014 verstorbenen D K (nachfolgend: Versicherter). Der Versicherte war Verfolgter im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG).
Am 30.12.1991 stellte der Versicherte bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte) einen Rentenantrag und machte im Ghetto Lodz zurückgelegte Beschäftigungszeiten geltend. Er gab an, von April 1940 bis Mai 1944 in der Schneiderabteilung im Ghetto Lodz tätig gewesen zu sein. Mit Bescheid vom 27.01.1993 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente auf Grund von Arbeitszeiten während eines Ghettoaufenthaltes ab. Tätigkeiten während eines Ghettoaufenthaltes seien Zwangsarbeit gewesen und hätten nach dem am 01.03.1957 geltenden deutschen Recht keine Versicherungspflicht begründet. Zeiten des Ghettoaufenthaltes seien Ersatzzeittatbestände der Freiheitsbeschränkung bzw. der Freiheitsentziehung. Den Widerspruch des Versicherten vom 08.02.1993 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.1993 zurück. In dem nachfolgenden Klageverfahren (S 11 (12) RJ 7/98 SG Düsseldorf) begrenzte der damalige Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 09.06.1999 das Klagebegehren insoweit, als dass eine Beitragszeit nicht bereits ab April 1940 sondern erst ab Mai 1941 zu berücksichtigen sei, da der Versicherte erst im Mai 1941 das 14. Lebensjahr vollendet habe. Durch Urteil vom 03.05.2002 wies das Sozialgericht die Klage ab. Auf Grund widersprüchlicher Angaben des Versicherten im Entschädigungsverfahren und im Rentenverfahren bestünden erhebliche Zweifel daran, dass er im Schneiderressort beschäftigt gewesen sei. Im Berufungsverfahren (L 8 RJ 68/02 LSG NRW) wies der Senat darauf hin, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine Beschäftigung von Oktober 1942 bis Juni 1944 und nicht für Zeiten zuvor glaubhaft gemacht sei. Daraufhin schlossen die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2007 folgenden Vergleich:
"1. Die Beklagte erkennt die Zeit vom 01.10.1942 bis Juni 1944 als glaubhafte gemachte Beitragszeit an und verpflichtet sich, dem Kläger auf den am 30.12.1991 gestellten Antrag Altersrente mit der Vollendung des 65. Lebensjahres ab 01.06.1992 und ab 01.07.1997 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des ZRBG zu gewähren. Weiter trägt die Beklagte die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers aus dem gesamten Verfahren.
2. Der Kläger ist mit dieser Regelung einverstanden und macht weitergehende Ansprüche in diesem Rechtstreit nicht mehr geltend."
Mit Bescheid vom 11.05.2007 bewilligte die Beklagte dem Versicherten Regelaltersrente ab dem 01.06.1992. Die Berechnung der Rente erfolgte auf der Grundlage einer Beitragszeit vom 01.10.1942 bis zum 09.04.1945 sowie einer Zeit der NS-Verfolgung vom 09.05.1941 bis zum 30.09.1942.
Der Versicherte legte gegen den Bescheid vom 11.05.2007 Widerspruch ein, mit dem er die "rechtswidrige unterbliebene Berücksichtigung von verfolgungsbedingten Ersatzzeiten" beanstandete. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In dem nachfolgenden Klageverfahren (S 52 R 12/08 bzw. S 52 (39) R 173/08 SG Düsseldorf) begehrte der Versicherte die Berücksichtigung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes vom 10.04.1945 bis zum 31.12.1949. Mit Schriftsatz vom 04.01.2010 erklärte sich die Beklagte "unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 19.05.2009 zur vollständigen Erledigung des Rechtsstreits bereit, eine weitere Beitragszeit nach § 250 Abs 1 Nr 4 SBG VI für die Zeit vom 10.04.1945 bis 31.12.1949 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen anzuerkennen." Die Regelaltersrente des Versicherten werde ab dem 01.07.1997 unter Berücksichtigung der vorstehenden Zeit neu berechnet. Darüber hinaus erklärte sich die Beklagte bereit, dem Versicherten die notwendigen außergerichtlichen Kosten im vollen Umfang zu erstatten.
Mit am 19.01.2010 beim Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz erklärte der Versicherte den Rechtsstreit auf Grund des Anerkenntnisses der Beklagten vom 04.01.2010 für erledigt.
Mit Bescheid vom 01.03.2011 stellte die Beklagte die Regelaltersrente des Versicherten neu fest. Auf Seite 2 des Bescheides führte sie aus, dass Grund für die Neufeststellung die Berücksichtigung der Zeit vom 10.04.1945 bis zum 31.12.1949 sei.
Der Versicherte legte Widerspruch ein und machte unter Hinweis auf seine Angaben im Entschädigungsverfahren Ghettobeitragszeiten wiederum ab April 1940 geltend. Nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 02.06.2009 und vom 03.06.2009 sei eine Mindestaltersgrenze nicht mehr zu beachten. Es komme allein darauf an, ob eine Beschäftigung in einem Ghetto ausgeübt worden sei. Für die von den im Juni 2009 ergangenen Entscheidungen des Bundessozialgerichts betroffenen Fälle habe die Beklagte eine Überprüfung von Amts wegen zugesagt. Eine solche Überprüfung sei vorliegend nicht erfolgt, obwohl anlässlich des sozialgerichtlichen Verfahrens sich dazu Gelegenheit geboten hätte. Es solle zunächst über die Berücksichtigung weiterer Ghettobeitragszeiten auf der Grundlage eines seinerzeit von Amts wegen im Jahre 2009 eingeleiteten Überprüfungsverfahrens entschieden werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17./18.10.2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück. Der Bescheid vom 11.05.2007 führe den vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen am 17.01.2007 geschlossenen Vergleich aus, Zeiten nach dem ZRGB (Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto) vom 01.10.1942 bis Juni 1944 anzuerkennen und Altersrente ab Juli 1997 zu gewähren. Der hiergegen eingelegte Widerspruch habe mit dem am 19.01.2010 angenommenen Anerkenntnis vom 04.01.2010 geendet. Auf der Grundlage des Anerkenntnisses sei der Rentenbescheid vom 01.03.2011 ergangen. Der Widerspruch richtete sich aber nicht gegen die Ausführung des Anerkenntnisses vom 04.01.2010, denn über die begehrten weiteren Ghettobeschäftigungszeiten sei im Bescheid vom 01.03.2011 keine Entscheidung getroffen worden. Das Anerkenntnis sei zutreffend ausgeführt worden.
Der Versicherte hat am 29.10.2012 Klage erhoben. Dem Anerkenntnis der Beklagten vom 04.01.2010 sei nicht zu entnehmen, dass der Versicherte auf Grund dieses Anerkenntnisses materiell-rechtlich mit der Berücksichtigung weiterer Zeiten habe ausgeschlossen werden sollen. Dem Anerkenntnis komme keine Bindungswirkung zu, da es lediglich den gegen den früheren Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides geführten Rechtsstreit beende und somit keine Rechtskraft entfalte. Neue Leistungsanträge seien nicht ausgeschlossen und seien uneingeschränkt zulässig. Die Beklagte habe ohne Bindung an das Anerkenntnis zu entscheiden. Sie sei dabei nicht an das Vorbringen des Versicherten gebunden, sondern müsse eigeninitiativ ermitteln. Sie müsse alle für den Versicherten günstigen Umstände berücksichtigen. Die materielle Wahrheit erfordere die Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten ab April 1940. Dafür sei es gleichgültig, ob die Beklagte nach den bisherigen Erkenntnissen ein Anerkenntnis ausgesprochen habe. Stelle sich nach Abschluss des Anerkenntnisses eine veränderte Sach- und Rechtslage dar, so sei diese unmittelbar in dem Entscheidungsprozess zu beachten, um damit dem Amtsermittlungsgrundsatz zu genügen. Die Beklagte habe deshalb unabhängig vom Anerkenntnis die begehrten Beitragszeiten in ihrem Rentenbescheid vom 01.03.2011 zu berücksichtigen und die dadurch erhöhte Rente ab 01.07.1997 zu zahlen. Es sei nicht von einem Überprüfungsantrag auszugehen, der lediglich eine vierjährige erhöhte Rentenrückzahlung zulasse. Der Bescheid vom 01.03.2011 sei noch nicht bindend geworden. Die Auffassung der Beklagten, dass sogenannte Ausführungsbescheide rechtmäßig seien, wenn sie das Anerkenntnis umsetzten und nur begrenzt überprüfbar seien, widerspreche jedenfalls in Verfahren mit ZRGB-Berührung den entschädigungsrechtlichen Rechtsanwendungsgrundsätzen. Diese seien darauf ausgerichtet, dem hohen Rechtsgut der NS-Entschädigung vor systemischen sozialversicherungsrechtlichen Überlegungen den Vorrang einzuräumen, um das Ziel der Entschädigung zu erreichen. Die dem Entschädigungsrecht zugrundeliegenden allgemeinen Gedanken seien bei der Auslegung des Verfolgtengesetzes zu beachten. Dem Prinzip der Wiedergutmachung gebühre der Vorgang gegenüber dem Grundsatz der Bewahrung des sozialversicherungsrechtlichen Systems. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und auch nach der Kommentarliteratur nähmen "die Verfolgten des Nationalsozialismus in der Rentenversicherung - wie in der gesamten Sozialversicherung und auch in anderen Rechtsgebieten - eine Rechtsstellung eigener Art" ein. Diesen Rechtsgedanken habe das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 03.05.2005 - B 13 RJ 34/04 R - bestätigt. Nach einem Hinweis der Sozialgerichts
hat die Klägerin beantragt:
den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 17.10.2012 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten, dass der Widerspruch unzulässig sei.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 13.04.2015 den Widerspruchsbescheid vom 17.10.2012 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, effektiver Rechtsschutz sei vorliegend mit der isolierten Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 Satz 1 1. Alternative Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu erreichen, die in analoger Anwendung von § 79 Abs 1 Nr 2 bzw. Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) allein gegen den Widerspruchsbescheid zu richten sei. Dieser enthalte für die Klägerin erstmalig eine selbstständige Beschwer, da der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen und nicht in der Sache entschieden worden sei. Die Beklagte hätte jedoch in eine erneute Sachprüfung eintreten müssen. Zwar sei der Ausführungsbescheid vom 01.03.2011 auf ein im gerichtlichen Verfahren erklärtes Anerkenntnis ergangen. Jedoch beinhalte dieses Anerkenntnis keinerlei Angaben zur Höhe der Altersrente. Mithin habe das Anerkenntnis der Beklagten nur die Verpflichtung zur Bewilligung einer Altersrente dem Grunde nach enthalten. Dies werde insbesondere dadurch deutlich, dass sich die Beklagte lediglich zur Bewilligung einer Rente nach "Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen" verpflichtet habe. Der daraufhin ergangene Bescheid konkretisiere das Anerkenntnis in der Höhe. Er setzte daher nicht nur das Anerkenntnis um, sondern enthalte darüber hinausgehende materielle Regelungen, welche eine neue (erstmalige) Verwaltungsentscheidung darstellten. Diese seien wieder einem eigenständigen Widerspruchsverfahren zugänglich. Die Klägerin werde dadurch so gestellt, wie sie gestanden hätte, wenn die Beklagte den damaligen Rentenantrag sofort positiv beschieden hätte. In diesem Fall wäre unstreitig die Möglichkeit des Widerspruchs gegen den damaligen Ausführungsbescheid gegeben gewesen. Nichts anderes könne gelten, wenn eine Rentenbewilligung erst in einem gerichtlichen Verfahren erstritten worden sei.
Gegen den am 20.04.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 11.05.2015 Berufung eingelegt. Es sei bereits zweifelhaft, ob der angefochtene Bescheid vom 01.03.2011, der in Ausführung des Anerkenntnisses vom 04.01.2010 ergangen sei, überhaupt Regelungswirkungen entfalte, also mit dem Charakter eines anfechtbaren Verwaltungsaktes ausgestattet sei. Denn die Klägerin habe diesen Bescheid hinsichtlich seiner Umsetzung des Anerkenntnisses nicht angefochten. Das Begehren der Klägerin sei vielmehr auf die rentensteigernde Anerkennung einer über das Anerkenntnis hinausgehende Beitragszeit gerichtet. Der ausdrücklich zur Ausführung des Anerkenntnisses ergangene Bescheid vom 01.03.2011 enthalte zu der von der Klägerin begehrten weiteren Ghettobeitragszeit weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Regelung. Da ein Widerspruch sich aber nur auf eine anfechtbare Regelung in einem Verwaltungsakt beziehe könne, sei der Widerspruch mit der von der Klägerin gegebenen Begründung nicht zulässig. Der Bescheid vom 01.03.2011 enthalte auch keine über die Umsetzung des Anerkenntnisses vom 04.01.2010 hinausgehende Regelung. Dies folge bereits aus seinen ausdrücklichen Wortlaut. Sein objektiver Erklärungsinhalt werde maßgeblich durch das abgegebene Anerkenntnis bestimmt. Dieses beinhalte ausschließlich die Berechnung der Regelaltersrente unter Berücksichtigung einer weiteren Ersatzzeit vom 10.04.1945 bis zum 31.12.1949. Aus der Formulierung "nach den gesetzlichen Bestimmungen" folge nichts anderes.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.04.2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte setze sich in ihrer Berufungsbegründung nicht damit auseinander, dass § 79 Abs 1 Nr 2, Abs 2 VwGO analog anzuwenden sei. Der Hinweis der Beklagten, der Bescheid vom 01.03.2011 enthalte im Übrigen keine über die Umsetzung des Anerkenntnisses hinausgehende Regelung, sei offensichtlich fehlerhaft. Da ein Anerkenntnis lediglich dem Grunde nach ausgesprochen werde, ergebe sich zwangsläufig durch die Bestimmung der Rentenhöhe eine darüberhinausgehende Regelung die den Bescheid anfechtbar mache.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, der Akte S 52 (39) R 173/08 SG Düsseldorf und der Verwaltungsakte der Beklagten (000) Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs 1, 110 Abs 1 SGG in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden, weil ihre Prozessbevollmächtigte in der Terminsmitteilung, die ihr am 23.05.2017 zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Widerspruchsbescheid vom 17./18.10.2012 ist nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat zu Recht den Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.03.2011 als unzulässig zurückgewiesen. Der Bescheid enthält keine mit Widerspruch anfechtbare Regelung in Bezug auf die Anerkennung weiterer Beschäftigungszeiten im Ghetto Lodz. Sogenannte "Ausführungsbescheide" treffen grundsätzlich keine Regelung i.S. des § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X), soweit die Behörde nur der im Urteil auferlegten Verpflichtung entspricht (BSG Urteil vom18.09.2003 - B 9 V 82/02 R m.w.N.). So ist es hier.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 01.03.2011 hat die Beklagte - ihrem von dem Versicherten am 19.01.2011 angenommen Anerkenntnis vom 04.01.2011 entsprechend - die Regelaltersrente des Versicherten unter weiterer Berücksichtigung der Zeit vom 10.04.1945 bis zum 21.12.1949 neu festgestellt. Über die Anerkennung einer Ghettoarbeitszeit ab April 1940 hat die Beklagte in diesem Bescheid nicht entschieden. Eine ausdrückliche Ablehnung einer Ghettoarbeitszeit ab April 1940 enthält der Bescheid vom 01.03.2011 offensichtlich nicht. Dies trägt die Klägerin auch nicht vor. Ebenso erfolgte auch keine konkludente Ablehnung einer weiteren Ghettoarbeitszeit. Die Beklagte hat lediglich zusätzlich zu den in dem Bescheid vom 11.05.2007 berücksichtigten rentenrechtlichen Zeiten die nunmehr anerkannte Zeit vom 10.04.1945 bis zum 31.12.1949 in die Berechnung der Regelaltersrente des Versicherten aufgenommen. Dies hat die Beklagte auch klar und unmissverständlich in ihrer Begründung für die Neuberechnung in dem Bescheid vom 01.03.2011 zum Ausdruck gebracht. Denn sie hat auf Seite 2 des Bescheides ausgeführt, dass Grund für die Neufeststellung der Rente die Berücksichtigung der Zeit vom 10.04.1945 bis zum 31.12.1949 sei. Nur die Berücksichtigung verfolgungsbedingter Ersatzzeiten vom 10.04.1945 bis zum 31.12.1949 war Gegenstand des Klageverfahrens S 52 R 12/08 bzw. S 52 (39) R 173/08 SG Düsseldorf war, das durch die Annahme des o.a. Anerkenntnisses beendet wurde. Damit hat sowohl nach dem erkennbaren Willen der Beklagten als auch aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers der Bescheid vom 01.03.2011 ausschließlich die Umsetzung des Anerkenntnis zum Gegenstand.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, die Beklagte habe ein Anerkenntnis lediglich dem Grunde nach ausgesprochen, so dass sich zwangsläufig durch die Bestimmung der Rentenhöhe eine darüberhinausgehende Regelung ergebe, die den Bescheid anfechtbar mache. Ein Anerkenntnis dem Grunde nach liegt nur insoweit vor, als die Beklagte die Berücksichtigung einer weiteren rentenrechtlichen Zeit anerkannt hat, jedoch die Bewertung dieser Zeit einem noch zu erteilenden Bescheid vorbehalten hat. Dies ergibt sich aus der Formulierung "eine weitere Beitragszeit nach § 250 Abs 1 Nr 4 SBG VI für die Zeit vom 10.04.1945 bis 31.12.1949 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen anzuerkennen." Die übrigen "Berechnungselemente" für die Bestimmung der Rentenhöhe regelt bereits der Bescheid vom 11.05.2007, der über das Begehren der Anerkennung verfolgungsbedingter Ersatzzeiten hinaus nicht angefochten wurde. Insoweit ist der Bescheid vom 11.05.2007 bestandskräftig geworden. Diese Bestandskraft kann nur im Wege eines Überprüfungsverfahrens durchbrochen werden.
Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die vorstehende Auffassung, widerspreche jedenfalls in Verfahren mit ZRGB-Berührung den entschädigungsrechtlichen Rechtsanwendungsgrundsätzen. Diese seien darauf ausgerichtet, dem hohen Rechtsgut der NS-Entschädigung vor systemischen sozialversicherungsrechtlichen Überlegungen den Vorrang einzuräumen, um das Ziel der Entschädigung zu erreichen.
Der dem Entschädigungsrecht zu Grunde liegende Gedanke gilt bereits nach der von der Klägerin in Bezug genommen Rechtsprechung nur bei der Auslegung von Vorschriften mit Entschädigungscharakter. Vorliegend ist jedoch nicht die Auslegung einer Vorschrift mit Entschädigungscharakter streitig. Die Klägerin begehrt vielmehr eine andere Anwendung verfahrensrechtlicher Grundsätze. Verfahrensrechtliche Regelungen haben jedoch keinen Entschädigungscharakter. Auch im Entschädigungsrecht sind die Gerichte ebenso wie die Beklagte gemäß Art 20 Abs 3 Grundgesetz (GG) an Recht und Gesetz gebunden, wobei die Gesetzesbindung (auch) die Bestimmungen des Verfahrensrechts umfasst. Dies gilt auch für Ansprüche nach dem ZRBG, denn dieses Gesetz ergänzt die Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) (BSG Urteil vom 12.02.2009 B 5 R 70/06 R). Für Verwaltungsakte, die in Anwendung des ZRBG ergehen, gelten dieselben verfahrensrechtlichen Bestimmungen, die auf Verwaltungsakte anzuwenden sind, die auf der Grundlage des SGB VI ergangen sind (BSG Urteil vom 08.02.2012 - B 5 R 38/11 R). Verfahrensrechtliche Vorschriften gelten für alle Antragsteller und stehen dem Entschädigungsgedanken nicht entgegen (siehe auch: BSG Urteil vom 07.02.2012 - B 13 R 40/11 R).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs 2 Halbs 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I), nach dem bei der Auslegung dieses Gesetzbuches sicherzustellen ist, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Diese Auslegungsregel enthält keinen Widerspruch zu den anerkannten Prinzipien der Methodenlehre, sondern gebietet eine bürgerfreundliche Gesetzesinterpretation, soweit eine solche unter Zugrundelegung der anerkannten Auslegungsmethoden möglich ist (BSG Urteil vom 07.02.2012 - B 13 R 40/11 R). Diese Konstellation ist vorliegend jedoch nicht gegeben.
Es kann dahinstehen, ob die Beklagte nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Mindestaltersgrenze für solche Fälle eine Überprüfung von Amts wegen zugesagt hat. Es lag kein Fall vor, in dem nur die Urteile des Bundessozialgericht zum Mindestalter umzusetzen gewesen wäre. Vorliegend waren auch vom Versicherten geltend gemachten Ghettoarbeitszeiten nach Vollendung des 14. Lebensjahres nicht anerkannt worden. Der Versicherte hatte eine durchgehende Beschäftigung ab Mai 1940 im Schneiderressort im Ghetto Lotz geltend gemacht. In dem Berufungsverfahren Verfahren L 8 RJ 68/02 hatte der Senat darauf hingewiesen, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine versicherungspflichtige Beschäftigung erst ab Oktober 1942 glaubhaft gemacht worden sei. Die Anerkennung einer weiteren Ghettoarbeitszeit war somit nicht nur erfolgt, weil der Versicherte noch nicht das 14. Lebensjahr vollendet hatte, sondern auch, weil eine Beschäftigung erst zu einem späteren Zeitpunkt glaubhaft gemacht war.
Dem steht nicht entgegen, dass in der Rentenberechnung die Zeit von Mai 1941 bis September 1942 als "Beitragszeit" bezeichnet wird. Dies bedeutet nämlich nicht, dass die Beklagte über die Regelung des Vergleichs vom 17.01.2007 hinaus eine Ghettobeitragszeit von Mai 1941 bis September 1942 anerkannt hat. Die Bezeichnung als Zeit der NS-Verfolgung als "Beitragszeit" ist lediglich Folge einer Bewertungsvorschrift. Nach § 15 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) werden Verfolgungszeiten bei der Ermittlung der Entgeltpunkte für einen pflichtversicherten Verfolgten wie Zeiten mit vollwertigen Beiträgen berücksichtigt, wenn dies günstiger ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs 2 Nr 1 oder 2 SGG.
Tatbestand:
Die Klägerin ist Witwe des am 00.00.1927 geborenen und am 00.00.2014 verstorbenen D K (nachfolgend: Versicherter). Der Versicherte war Verfolgter im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG).
Am 30.12.1991 stellte der Versicherte bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte) einen Rentenantrag und machte im Ghetto Lodz zurückgelegte Beschäftigungszeiten geltend. Er gab an, von April 1940 bis Mai 1944 in der Schneiderabteilung im Ghetto Lodz tätig gewesen zu sein. Mit Bescheid vom 27.01.1993 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente auf Grund von Arbeitszeiten während eines Ghettoaufenthaltes ab. Tätigkeiten während eines Ghettoaufenthaltes seien Zwangsarbeit gewesen und hätten nach dem am 01.03.1957 geltenden deutschen Recht keine Versicherungspflicht begründet. Zeiten des Ghettoaufenthaltes seien Ersatzzeittatbestände der Freiheitsbeschränkung bzw. der Freiheitsentziehung. Den Widerspruch des Versicherten vom 08.02.1993 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.1993 zurück. In dem nachfolgenden Klageverfahren (S 11 (12) RJ 7/98 SG Düsseldorf) begrenzte der damalige Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 09.06.1999 das Klagebegehren insoweit, als dass eine Beitragszeit nicht bereits ab April 1940 sondern erst ab Mai 1941 zu berücksichtigen sei, da der Versicherte erst im Mai 1941 das 14. Lebensjahr vollendet habe. Durch Urteil vom 03.05.2002 wies das Sozialgericht die Klage ab. Auf Grund widersprüchlicher Angaben des Versicherten im Entschädigungsverfahren und im Rentenverfahren bestünden erhebliche Zweifel daran, dass er im Schneiderressort beschäftigt gewesen sei. Im Berufungsverfahren (L 8 RJ 68/02 LSG NRW) wies der Senat darauf hin, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine Beschäftigung von Oktober 1942 bis Juni 1944 und nicht für Zeiten zuvor glaubhaft gemacht sei. Daraufhin schlossen die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2007 folgenden Vergleich:
"1. Die Beklagte erkennt die Zeit vom 01.10.1942 bis Juni 1944 als glaubhafte gemachte Beitragszeit an und verpflichtet sich, dem Kläger auf den am 30.12.1991 gestellten Antrag Altersrente mit der Vollendung des 65. Lebensjahres ab 01.06.1992 und ab 01.07.1997 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des ZRBG zu gewähren. Weiter trägt die Beklagte die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers aus dem gesamten Verfahren.
2. Der Kläger ist mit dieser Regelung einverstanden und macht weitergehende Ansprüche in diesem Rechtstreit nicht mehr geltend."
Mit Bescheid vom 11.05.2007 bewilligte die Beklagte dem Versicherten Regelaltersrente ab dem 01.06.1992. Die Berechnung der Rente erfolgte auf der Grundlage einer Beitragszeit vom 01.10.1942 bis zum 09.04.1945 sowie einer Zeit der NS-Verfolgung vom 09.05.1941 bis zum 30.09.1942.
Der Versicherte legte gegen den Bescheid vom 11.05.2007 Widerspruch ein, mit dem er die "rechtswidrige unterbliebene Berücksichtigung von verfolgungsbedingten Ersatzzeiten" beanstandete. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In dem nachfolgenden Klageverfahren (S 52 R 12/08 bzw. S 52 (39) R 173/08 SG Düsseldorf) begehrte der Versicherte die Berücksichtigung einer Ersatzzeit wegen verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes vom 10.04.1945 bis zum 31.12.1949. Mit Schriftsatz vom 04.01.2010 erklärte sich die Beklagte "unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 19.05.2009 zur vollständigen Erledigung des Rechtsstreits bereit, eine weitere Beitragszeit nach § 250 Abs 1 Nr 4 SBG VI für die Zeit vom 10.04.1945 bis 31.12.1949 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen anzuerkennen." Die Regelaltersrente des Versicherten werde ab dem 01.07.1997 unter Berücksichtigung der vorstehenden Zeit neu berechnet. Darüber hinaus erklärte sich die Beklagte bereit, dem Versicherten die notwendigen außergerichtlichen Kosten im vollen Umfang zu erstatten.
Mit am 19.01.2010 beim Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz erklärte der Versicherte den Rechtsstreit auf Grund des Anerkenntnisses der Beklagten vom 04.01.2010 für erledigt.
Mit Bescheid vom 01.03.2011 stellte die Beklagte die Regelaltersrente des Versicherten neu fest. Auf Seite 2 des Bescheides führte sie aus, dass Grund für die Neufeststellung die Berücksichtigung der Zeit vom 10.04.1945 bis zum 31.12.1949 sei.
Der Versicherte legte Widerspruch ein und machte unter Hinweis auf seine Angaben im Entschädigungsverfahren Ghettobeitragszeiten wiederum ab April 1940 geltend. Nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 02.06.2009 und vom 03.06.2009 sei eine Mindestaltersgrenze nicht mehr zu beachten. Es komme allein darauf an, ob eine Beschäftigung in einem Ghetto ausgeübt worden sei. Für die von den im Juni 2009 ergangenen Entscheidungen des Bundessozialgerichts betroffenen Fälle habe die Beklagte eine Überprüfung von Amts wegen zugesagt. Eine solche Überprüfung sei vorliegend nicht erfolgt, obwohl anlässlich des sozialgerichtlichen Verfahrens sich dazu Gelegenheit geboten hätte. Es solle zunächst über die Berücksichtigung weiterer Ghettobeitragszeiten auf der Grundlage eines seinerzeit von Amts wegen im Jahre 2009 eingeleiteten Überprüfungsverfahrens entschieden werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17./18.10.2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück. Der Bescheid vom 11.05.2007 führe den vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen am 17.01.2007 geschlossenen Vergleich aus, Zeiten nach dem ZRGB (Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto) vom 01.10.1942 bis Juni 1944 anzuerkennen und Altersrente ab Juli 1997 zu gewähren. Der hiergegen eingelegte Widerspruch habe mit dem am 19.01.2010 angenommenen Anerkenntnis vom 04.01.2010 geendet. Auf der Grundlage des Anerkenntnisses sei der Rentenbescheid vom 01.03.2011 ergangen. Der Widerspruch richtete sich aber nicht gegen die Ausführung des Anerkenntnisses vom 04.01.2010, denn über die begehrten weiteren Ghettobeschäftigungszeiten sei im Bescheid vom 01.03.2011 keine Entscheidung getroffen worden. Das Anerkenntnis sei zutreffend ausgeführt worden.
Der Versicherte hat am 29.10.2012 Klage erhoben. Dem Anerkenntnis der Beklagten vom 04.01.2010 sei nicht zu entnehmen, dass der Versicherte auf Grund dieses Anerkenntnisses materiell-rechtlich mit der Berücksichtigung weiterer Zeiten habe ausgeschlossen werden sollen. Dem Anerkenntnis komme keine Bindungswirkung zu, da es lediglich den gegen den früheren Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides geführten Rechtsstreit beende und somit keine Rechtskraft entfalte. Neue Leistungsanträge seien nicht ausgeschlossen und seien uneingeschränkt zulässig. Die Beklagte habe ohne Bindung an das Anerkenntnis zu entscheiden. Sie sei dabei nicht an das Vorbringen des Versicherten gebunden, sondern müsse eigeninitiativ ermitteln. Sie müsse alle für den Versicherten günstigen Umstände berücksichtigen. Die materielle Wahrheit erfordere die Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten ab April 1940. Dafür sei es gleichgültig, ob die Beklagte nach den bisherigen Erkenntnissen ein Anerkenntnis ausgesprochen habe. Stelle sich nach Abschluss des Anerkenntnisses eine veränderte Sach- und Rechtslage dar, so sei diese unmittelbar in dem Entscheidungsprozess zu beachten, um damit dem Amtsermittlungsgrundsatz zu genügen. Die Beklagte habe deshalb unabhängig vom Anerkenntnis die begehrten Beitragszeiten in ihrem Rentenbescheid vom 01.03.2011 zu berücksichtigen und die dadurch erhöhte Rente ab 01.07.1997 zu zahlen. Es sei nicht von einem Überprüfungsantrag auszugehen, der lediglich eine vierjährige erhöhte Rentenrückzahlung zulasse. Der Bescheid vom 01.03.2011 sei noch nicht bindend geworden. Die Auffassung der Beklagten, dass sogenannte Ausführungsbescheide rechtmäßig seien, wenn sie das Anerkenntnis umsetzten und nur begrenzt überprüfbar seien, widerspreche jedenfalls in Verfahren mit ZRGB-Berührung den entschädigungsrechtlichen Rechtsanwendungsgrundsätzen. Diese seien darauf ausgerichtet, dem hohen Rechtsgut der NS-Entschädigung vor systemischen sozialversicherungsrechtlichen Überlegungen den Vorrang einzuräumen, um das Ziel der Entschädigung zu erreichen. Die dem Entschädigungsrecht zugrundeliegenden allgemeinen Gedanken seien bei der Auslegung des Verfolgtengesetzes zu beachten. Dem Prinzip der Wiedergutmachung gebühre der Vorgang gegenüber dem Grundsatz der Bewahrung des sozialversicherungsrechtlichen Systems. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und auch nach der Kommentarliteratur nähmen "die Verfolgten des Nationalsozialismus in der Rentenversicherung - wie in der gesamten Sozialversicherung und auch in anderen Rechtsgebieten - eine Rechtsstellung eigener Art" ein. Diesen Rechtsgedanken habe das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 03.05.2005 - B 13 RJ 34/04 R - bestätigt. Nach einem Hinweis der Sozialgerichts
hat die Klägerin beantragt:
den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 17.10.2012 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten, dass der Widerspruch unzulässig sei.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 13.04.2015 den Widerspruchsbescheid vom 17.10.2012 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, effektiver Rechtsschutz sei vorliegend mit der isolierten Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 Satz 1 1. Alternative Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu erreichen, die in analoger Anwendung von § 79 Abs 1 Nr 2 bzw. Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) allein gegen den Widerspruchsbescheid zu richten sei. Dieser enthalte für die Klägerin erstmalig eine selbstständige Beschwer, da der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen und nicht in der Sache entschieden worden sei. Die Beklagte hätte jedoch in eine erneute Sachprüfung eintreten müssen. Zwar sei der Ausführungsbescheid vom 01.03.2011 auf ein im gerichtlichen Verfahren erklärtes Anerkenntnis ergangen. Jedoch beinhalte dieses Anerkenntnis keinerlei Angaben zur Höhe der Altersrente. Mithin habe das Anerkenntnis der Beklagten nur die Verpflichtung zur Bewilligung einer Altersrente dem Grunde nach enthalten. Dies werde insbesondere dadurch deutlich, dass sich die Beklagte lediglich zur Bewilligung einer Rente nach "Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen" verpflichtet habe. Der daraufhin ergangene Bescheid konkretisiere das Anerkenntnis in der Höhe. Er setzte daher nicht nur das Anerkenntnis um, sondern enthalte darüber hinausgehende materielle Regelungen, welche eine neue (erstmalige) Verwaltungsentscheidung darstellten. Diese seien wieder einem eigenständigen Widerspruchsverfahren zugänglich. Die Klägerin werde dadurch so gestellt, wie sie gestanden hätte, wenn die Beklagte den damaligen Rentenantrag sofort positiv beschieden hätte. In diesem Fall wäre unstreitig die Möglichkeit des Widerspruchs gegen den damaligen Ausführungsbescheid gegeben gewesen. Nichts anderes könne gelten, wenn eine Rentenbewilligung erst in einem gerichtlichen Verfahren erstritten worden sei.
Gegen den am 20.04.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 11.05.2015 Berufung eingelegt. Es sei bereits zweifelhaft, ob der angefochtene Bescheid vom 01.03.2011, der in Ausführung des Anerkenntnisses vom 04.01.2010 ergangen sei, überhaupt Regelungswirkungen entfalte, also mit dem Charakter eines anfechtbaren Verwaltungsaktes ausgestattet sei. Denn die Klägerin habe diesen Bescheid hinsichtlich seiner Umsetzung des Anerkenntnisses nicht angefochten. Das Begehren der Klägerin sei vielmehr auf die rentensteigernde Anerkennung einer über das Anerkenntnis hinausgehende Beitragszeit gerichtet. Der ausdrücklich zur Ausführung des Anerkenntnisses ergangene Bescheid vom 01.03.2011 enthalte zu der von der Klägerin begehrten weiteren Ghettobeitragszeit weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Regelung. Da ein Widerspruch sich aber nur auf eine anfechtbare Regelung in einem Verwaltungsakt beziehe könne, sei der Widerspruch mit der von der Klägerin gegebenen Begründung nicht zulässig. Der Bescheid vom 01.03.2011 enthalte auch keine über die Umsetzung des Anerkenntnisses vom 04.01.2010 hinausgehende Regelung. Dies folge bereits aus seinen ausdrücklichen Wortlaut. Sein objektiver Erklärungsinhalt werde maßgeblich durch das abgegebene Anerkenntnis bestimmt. Dieses beinhalte ausschließlich die Berechnung der Regelaltersrente unter Berücksichtigung einer weiteren Ersatzzeit vom 10.04.1945 bis zum 31.12.1949. Aus der Formulierung "nach den gesetzlichen Bestimmungen" folge nichts anderes.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.04.2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte setze sich in ihrer Berufungsbegründung nicht damit auseinander, dass § 79 Abs 1 Nr 2, Abs 2 VwGO analog anzuwenden sei. Der Hinweis der Beklagten, der Bescheid vom 01.03.2011 enthalte im Übrigen keine über die Umsetzung des Anerkenntnisses hinausgehende Regelung, sei offensichtlich fehlerhaft. Da ein Anerkenntnis lediglich dem Grunde nach ausgesprochen werde, ergebe sich zwangsläufig durch die Bestimmung der Rentenhöhe eine darüberhinausgehende Regelung die den Bescheid anfechtbar mache.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, der Akte S 52 (39) R 173/08 SG Düsseldorf und der Verwaltungsakte der Beklagten (000) Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs 1, 110 Abs 1 SGG in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden, weil ihre Prozessbevollmächtigte in der Terminsmitteilung, die ihr am 23.05.2017 zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Widerspruchsbescheid vom 17./18.10.2012 ist nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat zu Recht den Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.03.2011 als unzulässig zurückgewiesen. Der Bescheid enthält keine mit Widerspruch anfechtbare Regelung in Bezug auf die Anerkennung weiterer Beschäftigungszeiten im Ghetto Lodz. Sogenannte "Ausführungsbescheide" treffen grundsätzlich keine Regelung i.S. des § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X), soweit die Behörde nur der im Urteil auferlegten Verpflichtung entspricht (BSG Urteil vom18.09.2003 - B 9 V 82/02 R m.w.N.). So ist es hier.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 01.03.2011 hat die Beklagte - ihrem von dem Versicherten am 19.01.2011 angenommen Anerkenntnis vom 04.01.2011 entsprechend - die Regelaltersrente des Versicherten unter weiterer Berücksichtigung der Zeit vom 10.04.1945 bis zum 21.12.1949 neu festgestellt. Über die Anerkennung einer Ghettoarbeitszeit ab April 1940 hat die Beklagte in diesem Bescheid nicht entschieden. Eine ausdrückliche Ablehnung einer Ghettoarbeitszeit ab April 1940 enthält der Bescheid vom 01.03.2011 offensichtlich nicht. Dies trägt die Klägerin auch nicht vor. Ebenso erfolgte auch keine konkludente Ablehnung einer weiteren Ghettoarbeitszeit. Die Beklagte hat lediglich zusätzlich zu den in dem Bescheid vom 11.05.2007 berücksichtigten rentenrechtlichen Zeiten die nunmehr anerkannte Zeit vom 10.04.1945 bis zum 31.12.1949 in die Berechnung der Regelaltersrente des Versicherten aufgenommen. Dies hat die Beklagte auch klar und unmissverständlich in ihrer Begründung für die Neuberechnung in dem Bescheid vom 01.03.2011 zum Ausdruck gebracht. Denn sie hat auf Seite 2 des Bescheides ausgeführt, dass Grund für die Neufeststellung der Rente die Berücksichtigung der Zeit vom 10.04.1945 bis zum 31.12.1949 sei. Nur die Berücksichtigung verfolgungsbedingter Ersatzzeiten vom 10.04.1945 bis zum 31.12.1949 war Gegenstand des Klageverfahrens S 52 R 12/08 bzw. S 52 (39) R 173/08 SG Düsseldorf war, das durch die Annahme des o.a. Anerkenntnisses beendet wurde. Damit hat sowohl nach dem erkennbaren Willen der Beklagten als auch aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers der Bescheid vom 01.03.2011 ausschließlich die Umsetzung des Anerkenntnis zum Gegenstand.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, die Beklagte habe ein Anerkenntnis lediglich dem Grunde nach ausgesprochen, so dass sich zwangsläufig durch die Bestimmung der Rentenhöhe eine darüberhinausgehende Regelung ergebe, die den Bescheid anfechtbar mache. Ein Anerkenntnis dem Grunde nach liegt nur insoweit vor, als die Beklagte die Berücksichtigung einer weiteren rentenrechtlichen Zeit anerkannt hat, jedoch die Bewertung dieser Zeit einem noch zu erteilenden Bescheid vorbehalten hat. Dies ergibt sich aus der Formulierung "eine weitere Beitragszeit nach § 250 Abs 1 Nr 4 SBG VI für die Zeit vom 10.04.1945 bis 31.12.1949 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen anzuerkennen." Die übrigen "Berechnungselemente" für die Bestimmung der Rentenhöhe regelt bereits der Bescheid vom 11.05.2007, der über das Begehren der Anerkennung verfolgungsbedingter Ersatzzeiten hinaus nicht angefochten wurde. Insoweit ist der Bescheid vom 11.05.2007 bestandskräftig geworden. Diese Bestandskraft kann nur im Wege eines Überprüfungsverfahrens durchbrochen werden.
Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die vorstehende Auffassung, widerspreche jedenfalls in Verfahren mit ZRGB-Berührung den entschädigungsrechtlichen Rechtsanwendungsgrundsätzen. Diese seien darauf ausgerichtet, dem hohen Rechtsgut der NS-Entschädigung vor systemischen sozialversicherungsrechtlichen Überlegungen den Vorrang einzuräumen, um das Ziel der Entschädigung zu erreichen.
Der dem Entschädigungsrecht zu Grunde liegende Gedanke gilt bereits nach der von der Klägerin in Bezug genommen Rechtsprechung nur bei der Auslegung von Vorschriften mit Entschädigungscharakter. Vorliegend ist jedoch nicht die Auslegung einer Vorschrift mit Entschädigungscharakter streitig. Die Klägerin begehrt vielmehr eine andere Anwendung verfahrensrechtlicher Grundsätze. Verfahrensrechtliche Regelungen haben jedoch keinen Entschädigungscharakter. Auch im Entschädigungsrecht sind die Gerichte ebenso wie die Beklagte gemäß Art 20 Abs 3 Grundgesetz (GG) an Recht und Gesetz gebunden, wobei die Gesetzesbindung (auch) die Bestimmungen des Verfahrensrechts umfasst. Dies gilt auch für Ansprüche nach dem ZRBG, denn dieses Gesetz ergänzt die Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) (BSG Urteil vom 12.02.2009 B 5 R 70/06 R). Für Verwaltungsakte, die in Anwendung des ZRBG ergehen, gelten dieselben verfahrensrechtlichen Bestimmungen, die auf Verwaltungsakte anzuwenden sind, die auf der Grundlage des SGB VI ergangen sind (BSG Urteil vom 08.02.2012 - B 5 R 38/11 R). Verfahrensrechtliche Vorschriften gelten für alle Antragsteller und stehen dem Entschädigungsgedanken nicht entgegen (siehe auch: BSG Urteil vom 07.02.2012 - B 13 R 40/11 R).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs 2 Halbs 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I), nach dem bei der Auslegung dieses Gesetzbuches sicherzustellen ist, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Diese Auslegungsregel enthält keinen Widerspruch zu den anerkannten Prinzipien der Methodenlehre, sondern gebietet eine bürgerfreundliche Gesetzesinterpretation, soweit eine solche unter Zugrundelegung der anerkannten Auslegungsmethoden möglich ist (BSG Urteil vom 07.02.2012 - B 13 R 40/11 R). Diese Konstellation ist vorliegend jedoch nicht gegeben.
Es kann dahinstehen, ob die Beklagte nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Mindestaltersgrenze für solche Fälle eine Überprüfung von Amts wegen zugesagt hat. Es lag kein Fall vor, in dem nur die Urteile des Bundessozialgericht zum Mindestalter umzusetzen gewesen wäre. Vorliegend waren auch vom Versicherten geltend gemachten Ghettoarbeitszeiten nach Vollendung des 14. Lebensjahres nicht anerkannt worden. Der Versicherte hatte eine durchgehende Beschäftigung ab Mai 1940 im Schneiderressort im Ghetto Lotz geltend gemacht. In dem Berufungsverfahren Verfahren L 8 RJ 68/02 hatte der Senat darauf hingewiesen, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine versicherungspflichtige Beschäftigung erst ab Oktober 1942 glaubhaft gemacht worden sei. Die Anerkennung einer weiteren Ghettoarbeitszeit war somit nicht nur erfolgt, weil der Versicherte noch nicht das 14. Lebensjahr vollendet hatte, sondern auch, weil eine Beschäftigung erst zu einem späteren Zeitpunkt glaubhaft gemacht war.
Dem steht nicht entgegen, dass in der Rentenberechnung die Zeit von Mai 1941 bis September 1942 als "Beitragszeit" bezeichnet wird. Dies bedeutet nämlich nicht, dass die Beklagte über die Regelung des Vergleichs vom 17.01.2007 hinaus eine Ghettobeitragszeit von Mai 1941 bis September 1942 anerkannt hat. Die Bezeichnung als Zeit der NS-Verfolgung als "Beitragszeit" ist lediglich Folge einer Bewertungsvorschrift. Nach § 15 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) werden Verfolgungszeiten bei der Ermittlung der Entgeltpunkte für einen pflichtversicherten Verfolgten wie Zeiten mit vollwertigen Beiträgen berücksichtigt, wenn dies günstiger ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs 2 Nr 1 oder 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved