Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 65 AS 6697/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 419/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2017 aufgehoben. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. September 2016 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Beklagte forderte den 1961 geborenen, im Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II (Arbeitslosengeld II – Alg II) stehenden Kläger am 4. Mai 2016 auf, zu einem Meldetermin am 7. Juni 2016 zur Besprechung seiner aktuellen beruflichen Situation zu erscheinen und wies zugleich darauf hin, dass unter bestimmten Voraussetzungen die notwendigen Reisekosten erstattet werden könnten. Auf den Inhalt des Schreibens wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Das hiergegen vom Kläger betriebene einstweilige Rechtsschutzverfahren blieb erfolglos (Sozialgericht [SG] Berlin, Beschluss vom 17. Mai 2016 – S 65 AS 6625/16 ER – Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Juni 2016 – L 34 AS 1301/16 B ER –). Mit einem weiteren Schreiben vom 4. Mai 2016 lehnte der Beklagte die vorherige Erstattung von Fahrtkosten bzw. die Zusendung von Fahrscheinen für die Wahrnehmung von Terminen im Jobcenter unter Bezugnahme auf frühere Schreiben und im Hinblick auf einen vom Kläger am 24. April 2016 gestellten Antrag ab.
Der Kläger hat am 9. Mai 2016 Klage vor dem SG Berlin erhoben, und zwar im Wesentlichen gerichtet gegen die Meldeaufforderung vom 4. Mai 2016 und die Ablehnung von Fahrtkosten vom selben Tag. Mit einem Schreiben vom 25. September 2016 hat er die Klage hinsichtlich des nach Anhörung ergangenen Bescheides des Beklagten vom 12. Juli 2016 bezüglich der Minderung von Alg II wegen eines Meldeversäumnisse für die Zeit vom 1. August 2016 bis 31. Oktober 2016 um monatlich 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs (40,40 EUR) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2016 erweitert.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. Dezember 2016 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klageerweiterung vom 25. September 2016 sei unzulässig; weder habe der Beklagte eingewilligt noch sei eine entsprechende Klageänderung sachdienlich. Die darüber hinaus beantragte Verbindung des Rechtsstreits mit einer Vielzahl weiterer am SG anhängiger Rechtsstreitigkeiten sei nicht zweckmäßig. Zwar handle es sich bei der Meldeaufforderung um einen mit der Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt. Die Meldeaufforderung vom 4. Mai 2016 zum Meldetermin am 7. Juni 2016 habe sich aber durch Zeitablauf erledigt. Die Änderung in eine Fortsetzungsfeststellungsklage habe der Kläger trotz entsprechender Ausführungen des LSG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 15. Juni 2016 nicht erklärt. Mangels berechtigten Feststellungsinteresses wäre jedoch auch eine solche unzulässig. Insbesondere sei keine Wiederholungsgefahr gegeben. Die gegen die Ablehnung der Fahrtkostenerstattung gerichtete Feststellungsklage sei wegen des Vorrangs einer Gestaltungs- bzw. Leistungsklage unzulässig. Der Feststellungsantrag in Bezug auf die abstrakte Frage, ob Verwaltungsakte von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen gefertigt werden dürften, sei ebenso unzulässig wie derjenige in Bezug auf das Erfordernis einer konkreten Kostenzusage in der Meldeaufforderung. Die Untätigkeitsklage in Bezug auf den Fahrtkostenantrag bzw. den Antrag auf Kostenvorauszahlung sei im Hinblick auf die entsprechende Ablehnung vom 4. Mai 2016 unzulässig. Für die darüber hinaus beantragten Vollstreckungsandrohungen gegenüber dem Beklagten fehle es jedenfalls an einer entsprechenden Auflage des Gerichts.
Den Antrag des Klägers vom 16. Januar 2017 (Eingang beim SG) auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat das SG mit Beschluss vom 17. Januar 2017 als unzulässig verworfen; gegen den Gerichtsbescheid sei die Berufung statthaft.
Mit seiner vorsorglich am 16. Januar 2017 zugleich eingelegten Berufung gegen den ihm am 16. Dezember 2016 zugestellten Gerichtsbescheid trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die Meldeaufforderung sei bereits formell rechtswidrig. Der Beklagte habe gegen die Begründungspflicht verstoßen. Eine Entscheidung über die notwendigen Reisekosten sei dem Bescheid nicht zu entnehmen. Hinsichtlich der Erstattung von Reisekosten sei das Ermessen des Beklagten auf Null reduziert.
Am 20. Februar 2017 hat der Kläger sinngemäß Beschwerde gegen den ihm am 21. Januar 2017 zugestellten Beschluss des SG vom 17. Januar 2017 und am selben Tag Nichtzulassungseschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des SG vom 17. Januar 2017, mit dem der Antrag des Klägers auf mündliche Verhandlung als unzulässig verworfen worden ist, ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet.
Dahinstehen kann, ob das SG über den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung bereits verfahrensfehlerhaft durch Beschluss entschieden hat oder vielmehr verpflichtet gewesen wäre, mündlich zu verhandeln (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. August 2014 – L 13 AS 3162/14 – juris Rn. 20 m.w.N.). Hierfür dürften der Wortlaut des § 105 SGG über die Entscheidung durch Gerichtsbescheid wie auch das aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz folgende Gebot der Rechtsmittelklarheit sprechen. Aus § 105 Abs. 2 SGG folgt, dass die Beteiligten nach Entscheidung des SG durch Gerichtsbescheid innerhalb eines Monats nach dessen Zustellung das Rechtsmittel einlegen können, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt. Nach § 105 Abs. 3 SGG wirkt der Gerichtsbescheid als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen. Bereits der Wortlaut des § 105 Abs. 4 SGG, wonach auf das nach dem Antrag auf mündliche Verhandlung einschränkungslos ergehende "Urteil" Bezug genommen wird, lässt nicht darauf schließen, dass sich die Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausschließlich auf i.S.d. § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG zulässige Anträge bezieht. § 158 SGG, wonach die unzulässige Berufung durch Beschluss verworfen werden kann, ist jedenfalls wegen der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsmittelklarheit einer analogen Anwendung auf Verfahren der gegenständlichen Art nicht zugänglich. Die Rechtsmittelgerichte haben dies auch bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts zu beachten. Darüber hinaus dürfen sie ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (vgl. BVerfG, Kammer-beschluss vom 17. Oktober 2015 – 2 BvR 3071/14 – juris Rn. 12). Dahinstehen kann auch, dass das SG weder einen konkreten Beschwerdewert festgestellt noch Ermittlungen zur konkreten Höhe des Gegenstandswerts getroffen hat, um über das eröffnete Rechtsmittel zutreffend belehren zu können (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Mai 2016 – L 9 AS 1782/14 B – juris). Denn das SG hat den Antrag des Klägers auf mündliche Verhandlung zu Unrecht als unzulässig verworfen, weil die Berufung vorliegend nicht gegeben ist (vgl. § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG) und das SG diese auch nicht zugelassen hat.
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des LSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR (Nr. 1) oder bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 EUR (Nr. 2) nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2).
Soweit sich der Kläger mit der Klage gegen die Meldeaufforderung des Beklagten i.S.d. § 59 SGB II wendet, betrifft diese Verfügung einen auf eine Dienstleistung gerichteten Verwaltungsakt, der auf Beratung, Information und Unterstützung bei der Eingliederung des Klägers in Arbeit gerichtet war (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R – juris – m.w.N., Beschluss vom 19. Dezember 2011 – B 14 AS 146/11 B – juris). Soweit der Kläger darüber hinaus die Bewilligung von Fahrtkosten für die Wahrnehmung des Meldetermins begehrt und sich aufgrund der Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 25. September 2016 gegen den Bescheid vom 15. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2016 wegen der Minderung des Regelbedarfs gewandt hat, ist die Klage auf Verwaltungsakte gerichtet, die eine Geldleistung betreffen (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Der Wert des Beschwerdegegenstands insgesamt übersteigt jedoch nicht den Schwellenwert von 750 EUR. Zwar hat der Kläger selbst sein Klagebegehren wertmäßig nicht beziffert. Insofern muss – wie ohnehin bei einem Feststellungsantrag – das Gericht den Wert ermitteln (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG 12. Aufl. 2017, § 144 Rn. 15b m.w.N.; BSG, Beschluss vom 5. August 2015 – B 4 AS 17/15 B – juris). Der Wert wird vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt (§ 202 S. 1 SGG i.V.m. § 3 Zivilprozessordnung – ZPO). Dabei ist maßgeblich die sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebende Bedeutung der Sache zu berücksichtigen, d.h. in der Regel sein wirtschaftliches Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen (vgl. BSG a.a.O.), wobei einzelne prozessuale Ansprüche – außer im Falle wirtschaftlicher Identität – zu addieren sind (§ 202 SGG i.V.m. § 5 Satz 1 ZPO).
Hinsichtlich des Bescheides über die Minderung des Alg II für die Zeit vom 1. August bis 31. Oktober 2016 um monatlich 10 Prozent des maßgebenden Regelsatzes – dessen Einbeziehung der Kläger im Wege der objektiven Klagehäufung (vgl. § 56 SGG) mit Schriftsatz vom 25. September 2016 beantragt hat – betrifft der Streit einen Wert von insgesamt 121,20 EUR (3 Monate à 40,40 EUR). Das wirtschaftliche Interesse des Klägers sinngemäß an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Meldeaufforderung ist hiermit identisch und daher für die Wertberechnung nicht zusätzlich zu berücksichtigen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. September 2010 – L 10 AS 886/10 – juris Rn. 22 ff.). Die etwaige Rechtswidrigkeit einer Meldeaufforderung ist grundsätzlich im Rahmen der Anfechtung eines hierauf – wie hier – ergangenen Minderungsbescheids ("Sanktionsbescheids") zu prüfen (siehe zur Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit einer Meldeaufforderung im Rahmen der Anfechtung eines deswegen ergangenen Minderungsbescheids BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R – a.a.O.). In Bezug auf eine – hier zunächst – isoliert angefochtene Meldeaufforderung besteht das wirtschaftliche Interesse des Klägers mithin darin, von den möglichen wirtschaftlichen Folgen des Nichterscheinens auf eine Meldeaufforderung des Beklagten verschont zu bleiben. Daher ist zur Bestimmung des Werts des Gegenstands einer sich hierauf beziehenden Beschwerde an die Höhe der nach § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II für den Fall, dass ein Leistungsberechtigter trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden, nicht nachkommt, drohenden Minderung anzuknüpfen (vgl. bereits Beschluss des Senats vom 21. August 2017 – L 18 AS 826/17 – juris Rn. 15 ff.; Bayerisches LSG, Urteil vom 21. Dezember 2016 – L 18 AS 669/16 – juris). Für diese Betrachtungsweise spricht auch, dass die Möglichkeit, eine Meldeaufforderung gerichtlich überprüfen zu lassen, nicht weiter reichen kann als diejenige zur Überprüfung der aus dem Nichtbefolgen der Meldeaufforderung folgenden Minderung nach § 32 SGB II. Auch soweit der Kläger darüber hinaus mit der Klage eine Entscheidung über bzw. Leistungen in Höhe von Fahrtkosten für die Wahrnehmung des Meldetermins geltend macht, übersteigt der Wert des Gesamtbeschwerdegegenstands unter Berücksichtigung von zwei Einzelfahrscheinen für den öffentlichen Nahverkehr in Berlin evident nicht 750 EUR.
Da die Klage auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft, hätte die Berufung für ihre Zulässigkeit der Zulassung durch das SG bedurft (§ 143 Abs. 3 SGG). Das SG hat die Berufung indes nicht zugelassen, sondern dem Gerichtsbescheid lediglich eine – unzutreffende – Rechtsmittelbelehrung über die Möglichkeit der Anfechtung des Gerichtsbescheids mit der Berufung beigefügt. Darin ist keine Zulassung der Berufung zu sehen (st. Rspr. des BSG, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 23. Juli 1998 – B 1 KR 24/96 R – juris).
Das SG ist damit nach Aufhebung seines Beschlusses (ohne Zurückverweisung) verpflichtet, durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden (vgl. § 105 Abs. 4 SGG). Bei dieser Sachlage war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch den Senat auch unter Berücksichtigung der Gewährleistung von Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erforderlich.
Eine Kostenentscheidung (vgl. 193 SGG) hat insofern nicht zu ergehen. Das Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss über die Ablehnung einer mündlichen Verhandlung ist kein insofern selbständiges Verfahren, sondern, da der Gerichtsbescheid als nicht ergangen gilt (vgl. § 105 Abs. 3 2. Halbsatz SGG), nur eine Zwischenentscheidung im noch vor dem SG anhängigen Rechtsstreit, dem die Kostenentscheidung vorbehalten ist.
Die Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) des Klägers (vgl. § 145 SGG) ist bereits unzulässig und war daher entsprechend zu verwerfen. Das Rechtsmittel der NZB, das – wie die Berufung – eine rechtsmittelfähige Entscheidung des SG voraussetzt, ist bereits nicht eröffnet, nachdem der Gerichtsbescheid als nicht ergangen gilt (vgl. § 105 Abs. 3 2. Halbsatz SGG).
Die Kostenentscheidung insoweit beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann insgesamt nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Beklagte forderte den 1961 geborenen, im Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II (Arbeitslosengeld II – Alg II) stehenden Kläger am 4. Mai 2016 auf, zu einem Meldetermin am 7. Juni 2016 zur Besprechung seiner aktuellen beruflichen Situation zu erscheinen und wies zugleich darauf hin, dass unter bestimmten Voraussetzungen die notwendigen Reisekosten erstattet werden könnten. Auf den Inhalt des Schreibens wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Das hiergegen vom Kläger betriebene einstweilige Rechtsschutzverfahren blieb erfolglos (Sozialgericht [SG] Berlin, Beschluss vom 17. Mai 2016 – S 65 AS 6625/16 ER – Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Juni 2016 – L 34 AS 1301/16 B ER –). Mit einem weiteren Schreiben vom 4. Mai 2016 lehnte der Beklagte die vorherige Erstattung von Fahrtkosten bzw. die Zusendung von Fahrscheinen für die Wahrnehmung von Terminen im Jobcenter unter Bezugnahme auf frühere Schreiben und im Hinblick auf einen vom Kläger am 24. April 2016 gestellten Antrag ab.
Der Kläger hat am 9. Mai 2016 Klage vor dem SG Berlin erhoben, und zwar im Wesentlichen gerichtet gegen die Meldeaufforderung vom 4. Mai 2016 und die Ablehnung von Fahrtkosten vom selben Tag. Mit einem Schreiben vom 25. September 2016 hat er die Klage hinsichtlich des nach Anhörung ergangenen Bescheides des Beklagten vom 12. Juli 2016 bezüglich der Minderung von Alg II wegen eines Meldeversäumnisse für die Zeit vom 1. August 2016 bis 31. Oktober 2016 um monatlich 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs (40,40 EUR) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2016 erweitert.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. Dezember 2016 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klageerweiterung vom 25. September 2016 sei unzulässig; weder habe der Beklagte eingewilligt noch sei eine entsprechende Klageänderung sachdienlich. Die darüber hinaus beantragte Verbindung des Rechtsstreits mit einer Vielzahl weiterer am SG anhängiger Rechtsstreitigkeiten sei nicht zweckmäßig. Zwar handle es sich bei der Meldeaufforderung um einen mit der Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt. Die Meldeaufforderung vom 4. Mai 2016 zum Meldetermin am 7. Juni 2016 habe sich aber durch Zeitablauf erledigt. Die Änderung in eine Fortsetzungsfeststellungsklage habe der Kläger trotz entsprechender Ausführungen des LSG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 15. Juni 2016 nicht erklärt. Mangels berechtigten Feststellungsinteresses wäre jedoch auch eine solche unzulässig. Insbesondere sei keine Wiederholungsgefahr gegeben. Die gegen die Ablehnung der Fahrtkostenerstattung gerichtete Feststellungsklage sei wegen des Vorrangs einer Gestaltungs- bzw. Leistungsklage unzulässig. Der Feststellungsantrag in Bezug auf die abstrakte Frage, ob Verwaltungsakte von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen gefertigt werden dürften, sei ebenso unzulässig wie derjenige in Bezug auf das Erfordernis einer konkreten Kostenzusage in der Meldeaufforderung. Die Untätigkeitsklage in Bezug auf den Fahrtkostenantrag bzw. den Antrag auf Kostenvorauszahlung sei im Hinblick auf die entsprechende Ablehnung vom 4. Mai 2016 unzulässig. Für die darüber hinaus beantragten Vollstreckungsandrohungen gegenüber dem Beklagten fehle es jedenfalls an einer entsprechenden Auflage des Gerichts.
Den Antrag des Klägers vom 16. Januar 2017 (Eingang beim SG) auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat das SG mit Beschluss vom 17. Januar 2017 als unzulässig verworfen; gegen den Gerichtsbescheid sei die Berufung statthaft.
Mit seiner vorsorglich am 16. Januar 2017 zugleich eingelegten Berufung gegen den ihm am 16. Dezember 2016 zugestellten Gerichtsbescheid trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die Meldeaufforderung sei bereits formell rechtswidrig. Der Beklagte habe gegen die Begründungspflicht verstoßen. Eine Entscheidung über die notwendigen Reisekosten sei dem Bescheid nicht zu entnehmen. Hinsichtlich der Erstattung von Reisekosten sei das Ermessen des Beklagten auf Null reduziert.
Am 20. Februar 2017 hat der Kläger sinngemäß Beschwerde gegen den ihm am 21. Januar 2017 zugestellten Beschluss des SG vom 17. Januar 2017 und am selben Tag Nichtzulassungseschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des SG vom 17. Januar 2017, mit dem der Antrag des Klägers auf mündliche Verhandlung als unzulässig verworfen worden ist, ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet.
Dahinstehen kann, ob das SG über den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung bereits verfahrensfehlerhaft durch Beschluss entschieden hat oder vielmehr verpflichtet gewesen wäre, mündlich zu verhandeln (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. August 2014 – L 13 AS 3162/14 – juris Rn. 20 m.w.N.). Hierfür dürften der Wortlaut des § 105 SGG über die Entscheidung durch Gerichtsbescheid wie auch das aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz folgende Gebot der Rechtsmittelklarheit sprechen. Aus § 105 Abs. 2 SGG folgt, dass die Beteiligten nach Entscheidung des SG durch Gerichtsbescheid innerhalb eines Monats nach dessen Zustellung das Rechtsmittel einlegen können, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt. Nach § 105 Abs. 3 SGG wirkt der Gerichtsbescheid als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen. Bereits der Wortlaut des § 105 Abs. 4 SGG, wonach auf das nach dem Antrag auf mündliche Verhandlung einschränkungslos ergehende "Urteil" Bezug genommen wird, lässt nicht darauf schließen, dass sich die Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausschließlich auf i.S.d. § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG zulässige Anträge bezieht. § 158 SGG, wonach die unzulässige Berufung durch Beschluss verworfen werden kann, ist jedenfalls wegen der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsmittelklarheit einer analogen Anwendung auf Verfahren der gegenständlichen Art nicht zugänglich. Die Rechtsmittelgerichte haben dies auch bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts zu beachten. Darüber hinaus dürfen sie ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (vgl. BVerfG, Kammer-beschluss vom 17. Oktober 2015 – 2 BvR 3071/14 – juris Rn. 12). Dahinstehen kann auch, dass das SG weder einen konkreten Beschwerdewert festgestellt noch Ermittlungen zur konkreten Höhe des Gegenstandswerts getroffen hat, um über das eröffnete Rechtsmittel zutreffend belehren zu können (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Mai 2016 – L 9 AS 1782/14 B – juris). Denn das SG hat den Antrag des Klägers auf mündliche Verhandlung zu Unrecht als unzulässig verworfen, weil die Berufung vorliegend nicht gegeben ist (vgl. § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG) und das SG diese auch nicht zugelassen hat.
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des LSG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR (Nr. 1) oder bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 EUR (Nr. 2) nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2).
Soweit sich der Kläger mit der Klage gegen die Meldeaufforderung des Beklagten i.S.d. § 59 SGB II wendet, betrifft diese Verfügung einen auf eine Dienstleistung gerichteten Verwaltungsakt, der auf Beratung, Information und Unterstützung bei der Eingliederung des Klägers in Arbeit gerichtet war (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R – juris – m.w.N., Beschluss vom 19. Dezember 2011 – B 14 AS 146/11 B – juris). Soweit der Kläger darüber hinaus die Bewilligung von Fahrtkosten für die Wahrnehmung des Meldetermins begehrt und sich aufgrund der Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 25. September 2016 gegen den Bescheid vom 15. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2016 wegen der Minderung des Regelbedarfs gewandt hat, ist die Klage auf Verwaltungsakte gerichtet, die eine Geldleistung betreffen (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Der Wert des Beschwerdegegenstands insgesamt übersteigt jedoch nicht den Schwellenwert von 750 EUR. Zwar hat der Kläger selbst sein Klagebegehren wertmäßig nicht beziffert. Insofern muss – wie ohnehin bei einem Feststellungsantrag – das Gericht den Wert ermitteln (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG 12. Aufl. 2017, § 144 Rn. 15b m.w.N.; BSG, Beschluss vom 5. August 2015 – B 4 AS 17/15 B – juris). Der Wert wird vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt (§ 202 S. 1 SGG i.V.m. § 3 Zivilprozessordnung – ZPO). Dabei ist maßgeblich die sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebende Bedeutung der Sache zu berücksichtigen, d.h. in der Regel sein wirtschaftliches Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen (vgl. BSG a.a.O.), wobei einzelne prozessuale Ansprüche – außer im Falle wirtschaftlicher Identität – zu addieren sind (§ 202 SGG i.V.m. § 5 Satz 1 ZPO).
Hinsichtlich des Bescheides über die Minderung des Alg II für die Zeit vom 1. August bis 31. Oktober 2016 um monatlich 10 Prozent des maßgebenden Regelsatzes – dessen Einbeziehung der Kläger im Wege der objektiven Klagehäufung (vgl. § 56 SGG) mit Schriftsatz vom 25. September 2016 beantragt hat – betrifft der Streit einen Wert von insgesamt 121,20 EUR (3 Monate à 40,40 EUR). Das wirtschaftliche Interesse des Klägers sinngemäß an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Meldeaufforderung ist hiermit identisch und daher für die Wertberechnung nicht zusätzlich zu berücksichtigen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. September 2010 – L 10 AS 886/10 – juris Rn. 22 ff.). Die etwaige Rechtswidrigkeit einer Meldeaufforderung ist grundsätzlich im Rahmen der Anfechtung eines hierauf – wie hier – ergangenen Minderungsbescheids ("Sanktionsbescheids") zu prüfen (siehe zur Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit einer Meldeaufforderung im Rahmen der Anfechtung eines deswegen ergangenen Minderungsbescheids BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R – a.a.O.). In Bezug auf eine – hier zunächst – isoliert angefochtene Meldeaufforderung besteht das wirtschaftliche Interesse des Klägers mithin darin, von den möglichen wirtschaftlichen Folgen des Nichterscheinens auf eine Meldeaufforderung des Beklagten verschont zu bleiben. Daher ist zur Bestimmung des Werts des Gegenstands einer sich hierauf beziehenden Beschwerde an die Höhe der nach § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II für den Fall, dass ein Leistungsberechtigter trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden, nicht nachkommt, drohenden Minderung anzuknüpfen (vgl. bereits Beschluss des Senats vom 21. August 2017 – L 18 AS 826/17 – juris Rn. 15 ff.; Bayerisches LSG, Urteil vom 21. Dezember 2016 – L 18 AS 669/16 – juris). Für diese Betrachtungsweise spricht auch, dass die Möglichkeit, eine Meldeaufforderung gerichtlich überprüfen zu lassen, nicht weiter reichen kann als diejenige zur Überprüfung der aus dem Nichtbefolgen der Meldeaufforderung folgenden Minderung nach § 32 SGB II. Auch soweit der Kläger darüber hinaus mit der Klage eine Entscheidung über bzw. Leistungen in Höhe von Fahrtkosten für die Wahrnehmung des Meldetermins geltend macht, übersteigt der Wert des Gesamtbeschwerdegegenstands unter Berücksichtigung von zwei Einzelfahrscheinen für den öffentlichen Nahverkehr in Berlin evident nicht 750 EUR.
Da die Klage auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft, hätte die Berufung für ihre Zulässigkeit der Zulassung durch das SG bedurft (§ 143 Abs. 3 SGG). Das SG hat die Berufung indes nicht zugelassen, sondern dem Gerichtsbescheid lediglich eine – unzutreffende – Rechtsmittelbelehrung über die Möglichkeit der Anfechtung des Gerichtsbescheids mit der Berufung beigefügt. Darin ist keine Zulassung der Berufung zu sehen (st. Rspr. des BSG, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 23. Juli 1998 – B 1 KR 24/96 R – juris).
Das SG ist damit nach Aufhebung seines Beschlusses (ohne Zurückverweisung) verpflichtet, durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden (vgl. § 105 Abs. 4 SGG). Bei dieser Sachlage war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch den Senat auch unter Berücksichtigung der Gewährleistung von Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht erforderlich.
Eine Kostenentscheidung (vgl. 193 SGG) hat insofern nicht zu ergehen. Das Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss über die Ablehnung einer mündlichen Verhandlung ist kein insofern selbständiges Verfahren, sondern, da der Gerichtsbescheid als nicht ergangen gilt (vgl. § 105 Abs. 3 2. Halbsatz SGG), nur eine Zwischenentscheidung im noch vor dem SG anhängigen Rechtsstreit, dem die Kostenentscheidung vorbehalten ist.
Die Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) des Klägers (vgl. § 145 SGG) ist bereits unzulässig und war daher entsprechend zu verwerfen. Das Rechtsmittel der NZB, das – wie die Berufung – eine rechtsmittelfähige Entscheidung des SG voraussetzt, ist bereits nicht eröffnet, nachdem der Gerichtsbescheid als nicht ergangen gilt (vgl. § 105 Abs. 3 2. Halbsatz SGG).
Die Kostenentscheidung insoweit beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann insgesamt nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
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