Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 2 R 106/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 B 164/08 R
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die 1963 in X-Stadt, Türkei, geborene Klägerin ist in zweiter Ehe verheiratet. Sie hat drei erwachsene Kinder. Sie weist keine abgeschlossene Berufsausbildung auf. Im Jahre 1977 immigrierte sie in die Bundesrepublik Deutschland. Sie übte verschiedene Tätigkeiten aus, so in einer Reinigungsfirma, bei der Firma V. in der Heizungsmontage, Schleiferarbeiten in einer Schreinerei.
Am 2.5.2005 stellte sie den vorliegend streitbefangenen Rentenantrag. Die Beklagte veranlasste darauf hin eine Begutachtung bei Dr. J. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 16.6.2005 die Diagnosen Übergewicht, Zuckerkrankheit, Verschleiss der Wirbelsäule, somatoforme Schmerzstörung sowie Restbeschwerden nach Luxation im linken Ellenbogengelenk. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit gelangte er zu der Einschätzung, dass der Klägerin leichte bis mittelschwere Arbeiten für sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zumutbar seien. Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 14.7.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.1.2006 ab.
Hiergegen richtet sich die am 24.2.2006 bei Gericht eingegangene Klage. Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren aus dem Verwaltungsverfahren weiter. In der Klageschrift verweist sie auf die im Rahmen des Verwaltungsverfahrens eingeholten Befundberichte. Hieraus ergebe sich, dass die Klägerin an Adipositas per magna, Diabetes mellitus Typ II, Hyperlipidämie, Hypothyreose sowie Depressionen leide. Ferner sei eine sehr eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule und der großen Gelenke sowie eine Teilversteifung mit Streckdefizit im linken Ellenbogen attestiert worden. Hieraus ergebe sich, dass die Klägerin unter den üblichen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr über drei Stunden arbeiten könne, zumindest gäbe es einen solchen Arbeitsplatz nicht. Die Leistungseinschränkungen der Klägerin seien im Verwaltungsverfahren nur unzureichend aufgeklärt worden. Insbesondere hätten sich die Adipositas per magna sowie der Diabetes mellitus und die Depression verschlechtert.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 14.07.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2006 zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsminderung, hilfsweise wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung beruft sie sich auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
Im Rahmen der Sachermittlungen hat das Gericht Befundberichte eingeholt bei dem Kardiologen H. vom 22.12.2006, dem Facharzt für Allgemeinmedizin R. F. vom 21.12.2006, dem Orthopäden C. vom 22.1.2007 sowie dem Neurologen und Psychiater Dr. F. vom 5.9.2007. Im Rahmen der Beweiserhebung hat das Gericht ein fachpsychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben bei Dr. E ... Dieser gelangt in seinem Gutachten vom 21.01.2008 zu folgenden Diagnosen:
a) Undifferenzierte Somatisierungsstörung mit im Vordergrund stehender Schmerzsymptomatik, ICD 10: F 45.1 mit Einschränkungen der Arbeitsschwere, der Arbeitshaltung, mit Einschränkungen des Bewegungs- und Haltungsapparates
b) Leichtgradige chronisch-depressive Verstimmtheit im Sinne der Dysthymia, ICD 10: F 34.1 mit Einschränkungen der psychischen Belastbarkeit.
Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Klägerin gelangt Dr. E. zu der Einschätzung, dass die Klägerin in der Lage sei, zumindest sechs Stunden arbeitstäglich körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten. Eine erhebliche Gefährdung der Leistungsfähigkeit liege vor. Beide Störungen, die depressive Symtomatik im Rahmen der Dysthymia, als auch die somatoforme Schmerzsymptomatik hätten sich unter Relativierung nicht authentischen Leistungsverhaltens noch als leichtgradig mit aber der Tendenz zur Chronifizierung und zunehmenden bewusstseinsfernen Fehlverarbeitung gezeigt, so dass die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben bei der Klägerin erheblich gefährdet sei. Ohne Durchführung einer psychosomatischen Reha-Maßnahme sei mit einer nicht unwesentlichen Minderung der Leistungsfähigkeit hinsichtlich der letzten beruflichen Tätigkeit als Reinigungskraft in den nächsten drei Jahren zu rechnen. Aktuell sei die Klägerin – unter zumutbarer Willensanstrengung – noch in der Lage, die bisherige berufliche Tätigkeit als Reinigungskraft im normalen Umfang auszuüben. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit liege nicht vor.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 3.3.2008 wendete sich die Klägerin unter anderem gegen die von Dr. E. vorgenommene Einschätzung ihrer Wegefähigkeit. Er habe die bei ihr vorliegenden Erkrankungen, u.a. die Adipositas per magna, den Diabetes und die Einschränkung ihrer Bewegungsfähigkeit, nicht hinreichend berücksichtigt. Auch habe der Gutachter die Klägerin nicht einmal eine Wegstrecke laufen lassen, so dass seine Beurteilung ohne Tatsachengrundlage sei und somit unrichtig und nicht verwertbar. In der daraufhin eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Dr. E. vom 11.3.2008 nimmt dieser zu dem Schreiben nochmals Stellung. Auf den Inhalt der ergänzenden Stellungnahme wird Bezug genommen.
Am 20.3.2008 ist ein Erörterungstermin durchgeführt worden. In der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2008 ist das Verfahren, dass mit Beschluss der Kammer vom 18.6.2007 mit dem um Leistungen der medizinischen Rehabilitation geführten Verfahren (S 2 R 432/06) verbunden worden war, getrennt worden. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin widerspricht der Trennung der Verfahren. Sie rügt die Verletzung rechtlichen Gehöres, weil sie vor Verkündung des Trennungsbeschlusses nicht gehört worden sei. Ferner beantragt sie, das Rentenverfahren auszusetzen bis über den Antrag auf Gewährung der medizinischen Rehabilitation entschieden sei und beantragt im Rentenverfahren weitere Beweiserhebung durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung noch einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, weil sie nicht erwerbsgemindert ist. Nach § 43 Abs. 1 bzw. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die allgemeine Wartezeit und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lagen im Zeitpunkt der Antragstellung vor.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Wer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann, ist demnach in der Regel nicht erwerbsgemindert. Denn bei Versicherten mit dieser Leistungsfähigkeit ist davon auszugehen, dass für jede Art einer noch gesundheitlich zumutbaren Tätigkeit Arbeitsplätze in ausreichendem Umfang auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Arbeitsplätze besetzt oder unbesetzt sind.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Klägerin nicht erwerbsgemindert. Zwar wird ihr Leistungsvermögen durch Gesundheitsstörungen vorrangig auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet in qualitativer Hinsicht eingeschränkt, doch sind hier bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten zumutbar. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und Leistungsvermögen entnimmt die Kammer insoweit dem Gesamtergebnis der Ermittlungen und der Beweisaufnahme, insbesondere dem Sachverständigengutachten des Dr. E ...
Nach den Ausführungen des Dr. E. besteht bei der Klägerin eine undifferenzierte Somatisierungsstörung mit im Vordergrund stehender Schmerzsymptomatik sowie eine leichtgradige chronisch depressive Verstimmtheit im Sinne einer Dysthymia. Eine quantitative Einschränkung ergibt sich hieraus nicht. In qualitativer Hinsicht ist die Klägerin in der Lage, Tätigkeiten überwiegend im Stehen und Gehen, ständig im Sitzen zu verrichten. Ausgeschlossen sind Tätigkeiten ständig im Gehen und Stehen sowie mit häufigen Wirbelsäulenzwangshaltungen, Bücken und Knien sowie Über-Kopf-Arbeiten. Ferner besteht aufgrund der Dysthymia eine psychische Minderbelastbarkeit, weshalb Tätigkeiten mit überdurchschnittlichem Zeitdruck sowie Tätigkeiten mit Eingriff in die circadiane Rhythmik mit depressiogenem Effekt, wie z. B. Nachtschicht und Wechselschichttätigkeiten, unterbleiben sollten. Dieses Leistungsbild wird schlüssig aus den gestellten Diagnosen hergeleitet. Das Gutachten beruht auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin, bei der interkulturelle Aspekte berücksichtigt wurden, und bei der insbesondere auch eine Befragung der Klägerin in ihrer Muttersprache ermöglicht wurde. Auch mit dem bisherigen Akteninhalt setzt der Gutachter sich sehr sorgfältig auseinander. Die Kammer macht sich dessen widerspruchsfrei und plausibel dargestellten Ausführungen zu eigen.
Zur Überzeugung der Kammer war die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht erforderlich. Dem hierauf gerichteten, in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag war somit nicht zu entsprechen. Insbesondere war die Einholung eines orthopädischen Gutachtens nicht geboten. Nach dem Befundbericht des behandelnden Orthopäden der Klägerin Herrn I. C. vom 2.1.2007 hat die Klägerin sich wegen Rückenschmerzen und später auch wegen Beschwerden am Ellenbogen in Behandlung begeben. Die Beschwerden am linken Ellenbogen gehen auf einen im Jahre 2000 erlittenen Unfall zurück. Als Unfallfolge ist nach dem Befundbericht des behandelnden Orthopäden Cosmadakis vom 2.12.2004 ein Streckdefizit von ca. 5 Grad verblieben. Diese geringgradige Bewegungseinschränkung erfordert keine erneute Begutachtung. Gleiches gilt für die von der Klägerin beklagten Rückenschmerzen. Insofern hat der behandelnde Orthopäde im Dezember 2003 und März 2004 eine Infiltrationsbehandlung und Pharmakotherapie eingeleitet. Eine weitere orthopädische Behandlung dieses Leidens ist jedenfalls bis Januar 2007 nicht erfolgt. Vor diesem Hintergrund war für die kammerweiterer Aufklärungsbedarf nicht gegeben.
Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass die Klägerin leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten für zumindest sechs Stunden arbeitstäglich ausführen kann, diese Tätigkeiten dürfen nach den auch insoweit nachvollziehbaren Feststellungen des Dr. E. nicht ständig im Gehen oder Stehen zu verrichten sein, keine häufige Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen oder häufiges Bücken, Knien oder Überkopfarbeiten beinhalten. Ausgeschlossen sind ferner Tätigkeiten mit überdurchschnittlichem Zeitdruck, wie z. B. Akkordarbeiten und Tätigkeiten mit einer dem Tagesrhythmus entgegen laufenden Rhythmik, wie z. B. Nachtschicht- und Wechselschichttätigkeiten. Mit dieser sozialmedizinischen Leistungsbild kann die Klägerin weiterhin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein, so dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht besteht.
Der Hilfsantrag war ebenfalls abzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Dieser Anspruch setzt gemäß § 240 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI voraus, dass der Versicherte vor dem 02.01.1961 geboren ist. Die Klägerin ist am 14. 5.1963 geboren und unterfällt somit nicht dem Schutz der Übergangsvorschrift.
Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ist bereits in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss der Kammer zurückgewiesen worden, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Verfahren ausgesetzt werden, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreites bildet. Diese – hier allein in Betracht kommende - tatbestandliche Voraussetzung des § 114 SGG liegt nicht vor. Die Aussetzung wurde vorliegend beantragt, um den Ausgang des Reha-Verfahrens abzuwarten. Dabei handelt es sich um eine medizinische Maßnahme, nicht um ein Rechtsverhältnis, das in irgendeiner Weise gegenüber der hierzu entscheidenden Frage vorgreiflich sein könnte.
Soweit schließlich der Trennungsbeschluss beanstandet wurde, ist darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um eine verfahrensleitende Maßnahme handelt, die nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten erfolgt (§ 113 Abs. 2 SGG). Die Trennung des Verfahrens erschien sachgerecht, um – bei sich abzeichnendem unterschiedlichen Verfahrensausgang und möglicherweise auch verschiedenem weiteren Verfahrensgang– eine klare Gliederung der Verfahrensgegenstände herzustellen. Die Beschwerde ist gegen einen solchen Beschluss nicht gegeben (§ 172 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die 1963 in X-Stadt, Türkei, geborene Klägerin ist in zweiter Ehe verheiratet. Sie hat drei erwachsene Kinder. Sie weist keine abgeschlossene Berufsausbildung auf. Im Jahre 1977 immigrierte sie in die Bundesrepublik Deutschland. Sie übte verschiedene Tätigkeiten aus, so in einer Reinigungsfirma, bei der Firma V. in der Heizungsmontage, Schleiferarbeiten in einer Schreinerei.
Am 2.5.2005 stellte sie den vorliegend streitbefangenen Rentenantrag. Die Beklagte veranlasste darauf hin eine Begutachtung bei Dr. J. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 16.6.2005 die Diagnosen Übergewicht, Zuckerkrankheit, Verschleiss der Wirbelsäule, somatoforme Schmerzstörung sowie Restbeschwerden nach Luxation im linken Ellenbogengelenk. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit gelangte er zu der Einschätzung, dass der Klägerin leichte bis mittelschwere Arbeiten für sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zumutbar seien. Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 14.7.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.1.2006 ab.
Hiergegen richtet sich die am 24.2.2006 bei Gericht eingegangene Klage. Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren aus dem Verwaltungsverfahren weiter. In der Klageschrift verweist sie auf die im Rahmen des Verwaltungsverfahrens eingeholten Befundberichte. Hieraus ergebe sich, dass die Klägerin an Adipositas per magna, Diabetes mellitus Typ II, Hyperlipidämie, Hypothyreose sowie Depressionen leide. Ferner sei eine sehr eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule und der großen Gelenke sowie eine Teilversteifung mit Streckdefizit im linken Ellenbogen attestiert worden. Hieraus ergebe sich, dass die Klägerin unter den üblichen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr über drei Stunden arbeiten könne, zumindest gäbe es einen solchen Arbeitsplatz nicht. Die Leistungseinschränkungen der Klägerin seien im Verwaltungsverfahren nur unzureichend aufgeklärt worden. Insbesondere hätten sich die Adipositas per magna sowie der Diabetes mellitus und die Depression verschlechtert.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 14.07.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2006 zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsminderung, hilfsweise wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung beruft sie sich auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
Im Rahmen der Sachermittlungen hat das Gericht Befundberichte eingeholt bei dem Kardiologen H. vom 22.12.2006, dem Facharzt für Allgemeinmedizin R. F. vom 21.12.2006, dem Orthopäden C. vom 22.1.2007 sowie dem Neurologen und Psychiater Dr. F. vom 5.9.2007. Im Rahmen der Beweiserhebung hat das Gericht ein fachpsychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben bei Dr. E ... Dieser gelangt in seinem Gutachten vom 21.01.2008 zu folgenden Diagnosen:
a) Undifferenzierte Somatisierungsstörung mit im Vordergrund stehender Schmerzsymptomatik, ICD 10: F 45.1 mit Einschränkungen der Arbeitsschwere, der Arbeitshaltung, mit Einschränkungen des Bewegungs- und Haltungsapparates
b) Leichtgradige chronisch-depressive Verstimmtheit im Sinne der Dysthymia, ICD 10: F 34.1 mit Einschränkungen der psychischen Belastbarkeit.
Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Klägerin gelangt Dr. E. zu der Einschätzung, dass die Klägerin in der Lage sei, zumindest sechs Stunden arbeitstäglich körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten. Eine erhebliche Gefährdung der Leistungsfähigkeit liege vor. Beide Störungen, die depressive Symtomatik im Rahmen der Dysthymia, als auch die somatoforme Schmerzsymptomatik hätten sich unter Relativierung nicht authentischen Leistungsverhaltens noch als leichtgradig mit aber der Tendenz zur Chronifizierung und zunehmenden bewusstseinsfernen Fehlverarbeitung gezeigt, so dass die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben bei der Klägerin erheblich gefährdet sei. Ohne Durchführung einer psychosomatischen Reha-Maßnahme sei mit einer nicht unwesentlichen Minderung der Leistungsfähigkeit hinsichtlich der letzten beruflichen Tätigkeit als Reinigungskraft in den nächsten drei Jahren zu rechnen. Aktuell sei die Klägerin – unter zumutbarer Willensanstrengung – noch in der Lage, die bisherige berufliche Tätigkeit als Reinigungskraft im normalen Umfang auszuüben. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit liege nicht vor.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 3.3.2008 wendete sich die Klägerin unter anderem gegen die von Dr. E. vorgenommene Einschätzung ihrer Wegefähigkeit. Er habe die bei ihr vorliegenden Erkrankungen, u.a. die Adipositas per magna, den Diabetes und die Einschränkung ihrer Bewegungsfähigkeit, nicht hinreichend berücksichtigt. Auch habe der Gutachter die Klägerin nicht einmal eine Wegstrecke laufen lassen, so dass seine Beurteilung ohne Tatsachengrundlage sei und somit unrichtig und nicht verwertbar. In der daraufhin eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Dr. E. vom 11.3.2008 nimmt dieser zu dem Schreiben nochmals Stellung. Auf den Inhalt der ergänzenden Stellungnahme wird Bezug genommen.
Am 20.3.2008 ist ein Erörterungstermin durchgeführt worden. In der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2008 ist das Verfahren, dass mit Beschluss der Kammer vom 18.6.2007 mit dem um Leistungen der medizinischen Rehabilitation geführten Verfahren (S 2 R 432/06) verbunden worden war, getrennt worden. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin widerspricht der Trennung der Verfahren. Sie rügt die Verletzung rechtlichen Gehöres, weil sie vor Verkündung des Trennungsbeschlusses nicht gehört worden sei. Ferner beantragt sie, das Rentenverfahren auszusetzen bis über den Antrag auf Gewährung der medizinischen Rehabilitation entschieden sei und beantragt im Rentenverfahren weitere Beweiserhebung durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung noch einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, weil sie nicht erwerbsgemindert ist. Nach § 43 Abs. 1 bzw. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die allgemeine Wartezeit und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lagen im Zeitpunkt der Antragstellung vor.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Wer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann, ist demnach in der Regel nicht erwerbsgemindert. Denn bei Versicherten mit dieser Leistungsfähigkeit ist davon auszugehen, dass für jede Art einer noch gesundheitlich zumutbaren Tätigkeit Arbeitsplätze in ausreichendem Umfang auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Arbeitsplätze besetzt oder unbesetzt sind.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Klägerin nicht erwerbsgemindert. Zwar wird ihr Leistungsvermögen durch Gesundheitsstörungen vorrangig auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet in qualitativer Hinsicht eingeschränkt, doch sind hier bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten zumutbar. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und Leistungsvermögen entnimmt die Kammer insoweit dem Gesamtergebnis der Ermittlungen und der Beweisaufnahme, insbesondere dem Sachverständigengutachten des Dr. E ...
Nach den Ausführungen des Dr. E. besteht bei der Klägerin eine undifferenzierte Somatisierungsstörung mit im Vordergrund stehender Schmerzsymptomatik sowie eine leichtgradige chronisch depressive Verstimmtheit im Sinne einer Dysthymia. Eine quantitative Einschränkung ergibt sich hieraus nicht. In qualitativer Hinsicht ist die Klägerin in der Lage, Tätigkeiten überwiegend im Stehen und Gehen, ständig im Sitzen zu verrichten. Ausgeschlossen sind Tätigkeiten ständig im Gehen und Stehen sowie mit häufigen Wirbelsäulenzwangshaltungen, Bücken und Knien sowie Über-Kopf-Arbeiten. Ferner besteht aufgrund der Dysthymia eine psychische Minderbelastbarkeit, weshalb Tätigkeiten mit überdurchschnittlichem Zeitdruck sowie Tätigkeiten mit Eingriff in die circadiane Rhythmik mit depressiogenem Effekt, wie z. B. Nachtschicht und Wechselschichttätigkeiten, unterbleiben sollten. Dieses Leistungsbild wird schlüssig aus den gestellten Diagnosen hergeleitet. Das Gutachten beruht auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin, bei der interkulturelle Aspekte berücksichtigt wurden, und bei der insbesondere auch eine Befragung der Klägerin in ihrer Muttersprache ermöglicht wurde. Auch mit dem bisherigen Akteninhalt setzt der Gutachter sich sehr sorgfältig auseinander. Die Kammer macht sich dessen widerspruchsfrei und plausibel dargestellten Ausführungen zu eigen.
Zur Überzeugung der Kammer war die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht erforderlich. Dem hierauf gerichteten, in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag war somit nicht zu entsprechen. Insbesondere war die Einholung eines orthopädischen Gutachtens nicht geboten. Nach dem Befundbericht des behandelnden Orthopäden der Klägerin Herrn I. C. vom 2.1.2007 hat die Klägerin sich wegen Rückenschmerzen und später auch wegen Beschwerden am Ellenbogen in Behandlung begeben. Die Beschwerden am linken Ellenbogen gehen auf einen im Jahre 2000 erlittenen Unfall zurück. Als Unfallfolge ist nach dem Befundbericht des behandelnden Orthopäden Cosmadakis vom 2.12.2004 ein Streckdefizit von ca. 5 Grad verblieben. Diese geringgradige Bewegungseinschränkung erfordert keine erneute Begutachtung. Gleiches gilt für die von der Klägerin beklagten Rückenschmerzen. Insofern hat der behandelnde Orthopäde im Dezember 2003 und März 2004 eine Infiltrationsbehandlung und Pharmakotherapie eingeleitet. Eine weitere orthopädische Behandlung dieses Leidens ist jedenfalls bis Januar 2007 nicht erfolgt. Vor diesem Hintergrund war für die kammerweiterer Aufklärungsbedarf nicht gegeben.
Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass die Klägerin leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten für zumindest sechs Stunden arbeitstäglich ausführen kann, diese Tätigkeiten dürfen nach den auch insoweit nachvollziehbaren Feststellungen des Dr. E. nicht ständig im Gehen oder Stehen zu verrichten sein, keine häufige Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen oder häufiges Bücken, Knien oder Überkopfarbeiten beinhalten. Ausgeschlossen sind ferner Tätigkeiten mit überdurchschnittlichem Zeitdruck, wie z. B. Akkordarbeiten und Tätigkeiten mit einer dem Tagesrhythmus entgegen laufenden Rhythmik, wie z. B. Nachtschicht- und Wechselschichttätigkeiten. Mit dieser sozialmedizinischen Leistungsbild kann die Klägerin weiterhin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein, so dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht besteht.
Der Hilfsantrag war ebenfalls abzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Dieser Anspruch setzt gemäß § 240 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI voraus, dass der Versicherte vor dem 02.01.1961 geboren ist. Die Klägerin ist am 14. 5.1963 geboren und unterfällt somit nicht dem Schutz der Übergangsvorschrift.
Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ist bereits in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss der Kammer zurückgewiesen worden, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Verfahren ausgesetzt werden, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreites bildet. Diese – hier allein in Betracht kommende - tatbestandliche Voraussetzung des § 114 SGG liegt nicht vor. Die Aussetzung wurde vorliegend beantragt, um den Ausgang des Reha-Verfahrens abzuwarten. Dabei handelt es sich um eine medizinische Maßnahme, nicht um ein Rechtsverhältnis, das in irgendeiner Weise gegenüber der hierzu entscheidenden Frage vorgreiflich sein könnte.
Soweit schließlich der Trennungsbeschluss beanstandet wurde, ist darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um eine verfahrensleitende Maßnahme handelt, die nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten erfolgt (§ 113 Abs. 2 SGG). Die Trennung des Verfahrens erschien sachgerecht, um – bei sich abzeichnendem unterschiedlichen Verfahrensausgang und möglicherweise auch verschiedenem weiteren Verfahrensgang– eine klare Gliederung der Verfahrensgegenstände herzustellen. Die Beschwerde ist gegen einen solchen Beschluss nicht gegeben (§ 172 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved