Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 16 KR 1083/13
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1061/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 9. Juni 2015 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Krankengeld vom 11. Juli 2012 bis 8. Februar 2014 streitig.
Die 1962 geborene Klägerin war bei der Beklagten als Teilnehmerin einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung in der Zeit vom 25. Januar 2010 bis 24. Januar 2011 pflichtversichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)). Seit dem 17. Januar 2011 war sie arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld von der Beklagten. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. bescheinigte am 10. Juli 2012 Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 10. Juli 2012 wegen der Diagnose ICD-10-GM-2012 F25.9 (Schizoaffektive Störung, nicht näher bezeichnet).
Am 9. August 2012 begehrte die Klägerin die Zahlung von Krankengeld ab dem 11. Juli 2012 aufgrund Arbeitsunfähigkeit wegen gesundheitlicher Beschwerden. Sie reichte eine Arbeits-unfähigkeitsbescheinigung - Erstbescheinigung - ein, ausgestellt am 11. Juli 2012 von dem praktischen Arzt Dr. R. wegen der Diagnose ICD-10-GM-2012 M54.3 (Ischialgie). Dieser bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis zum 18. Juli 2012.
Mit Bescheid vom 13. August 2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, für die Arbeitsunfähigkeit ab dem 11. Juli 2012 bestehe kein Anspruch auf Krankengeld. Aufgrund der Bestätigung des Endes der seit dem 17. Januar 2011 bestehenden Arbeitsunfähigkeit zum 10. Juli 2012 durch Dr. H. habe mit diesem Tag der Fortbestand der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Satz 2 SGB V geendet. Sie möge sich an die Bundesagentur für Arbeit wenden. Die Klägerin erhob Widerspruch mit der Begründung, sie leide seit Monaten unter Schmerzen. Ihr gesundheitlicher Zustand habe sich durch die Umstände generell verschlechtert. Mit Schreiben vom 15. März 2013 räumte die Beklagte ihr Gelegenheit zur Stellungnahme ein und teilte ihr u.a. mit, sie unterliege seit dem 11. Juli 2012 der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und habe damit keinen Anspruch auf Krankengeld ab 12. Juli 2012. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2013 wies sie den Widerspruch zurück.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, sie sei weiterhin arbeitsunfähig gewesen. Ihr behandelnder Arzt habe aufgrund eines Anrufs der Beklagten die Behandlung ihrer Schmerzen im September 2012 abgebrochen. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Höchstanspruchsdauer für Krankengeld am 15. Juli 2012 erreicht worden wäre.
Das Sozialgericht (SG) hat einen Befundbericht des Dr. H. vom 1. Oktober 2014 eingeholt, wonach er am 10. Juli 2012 die Arbeitsunfähigkeit wegen Besserung des Gesundheitszustandes bereits seit Juni 2012 beendet und ab dem 18. September 2012 erneut Arbeitsunfähigkeit wegen Depressionen bis zum 8. Februar 2014 bescheinigt hat. Mit Urteil vom 9. Juni 2015 hat SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein möglicher Krankengeldanspruch habe aufgrund der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. R. erst ab 12. Juli 2012 entstehen können. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin aber nach § 5 Nr. 13 SGB V - ohne Anspruch auf Krankengeld - versichert gewesen. Ein nachgehender Leistungsanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V bestehe ebenfalls nicht, weil der Status als Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V der Auffangregelung des § 19 Abs. 2 SGB V vorrangig sei und in Bezug auf das Krankengeld weitere Ansprüche ausschließe.
Mit der Berufung trägt die Klägerin vor, ein Rechtsanwalt habe ihr erklärt, dass Krankengeld nach § 48 Abs. 1 SGB V ohne zeitliche Begrenzung gezahlt werde.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 9. Juni 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 11. Juli 2012 bis 8. Februar 2014 Krankengeld in Höhe von 56,01 EUR brutto täglich zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und auf die Gründe des Widerspruchsbescheids. Der Klägerin sei durch die deutsche Rentenversicherung Bund mit Bescheid vom 21. Juni 2016 rückwirkend ab 1. September 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt worden. Dies schließe einen Krankengeldanspruch für die Zeit ab 11. Juli 2012 nach § 50 Abs. 1 SGB V aus. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 13. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat ab 11. Juli 2012 keinen Anspruch auf Krankengeld. Die den Krankengeldanspruch vermittelnde aufgrund eines Leistungsbezuges beruhende Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten endete mit Ablauf des 10. Juli 2012. Zudem ist aufgrund der rückwirkenden Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. September 2009 die Zahlung von Krankengeld ausgeschlossen.
Nach § 44 Abs. 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (Bundesgesetzblatt I Seite 1990 ff), gültig ab 1. August 2009 bis 22. Juli 2015, haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4 SGB V, §§ 24, 40 Abs. 2 SGB V und § 41 SGB V) behandelt werden. Ob und in welchem Umfang sie Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für Krankengeld vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - Az.: B 1 KR 25/14 R m.w.N., nach juris).
Nach § 46 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (a.a.O.), gültig bis zum 22. Juli 2015, der hier Anwendung findet, entsteht der Anspruch auf Krankengeld (1) bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4 SGB, § 24 SGB V, § 40 Abs. 2 SGB V und § 41 SGB V) von ihrem Beginn an, (2) im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Wird Krankengeld wegen ärztlich festgestellter Arbeitsunfähigkeit begehrt, ist für den Umfang des Versicherungsschutzes demgemäß grundsätzlich auf den Tag abzustellen, der dem Tag nach Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Das Gesetz bietet weder einen Anhalt für ein Verständnis des § 46 S 1 Nr. 2 SGB V als bloße Zahlungsvorschrift noch dafür, dass der Krankengeldanspruch nach § 44 SGB V schon bei Eintritt der AU entsteht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014, a.a.O.). Die durch die Teilnahme der Klägerin an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben begründete Pflichtmitgliedschaft endete nicht mit dem Ablauf des Tages, an dem die Maßnahme endete (§ 190 Abs. 7 SGB V), sondern bestand über den 24. Januar 2011 unter den Voraussetzungen des § 192 SGB V hinaus fort. Sie bleibt nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V u.a. erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld besteht. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V verweist damit wieder auf die Vorschriften über den Krankengeldanspruch, die ihrerseits voraussetzen, dass ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld vorliegt.
Die Mitgliedschaft der Klägerin blieb aufgrund des Bezuges von Krankengeld nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bis zum 10. Juli 2012 erhalten. Findet keine der in § 46 Abs. 1 Nr. 1 SGB V genannten Maßnahmen statt, entsteht der Krankengeldanspruch nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V nur aufgrund ärztlicher Feststellung (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005 - Az.: B 1 KR 30/04 R, nach juris). Für den Umfang des Versicherungsschutzes ist demgemäß auf den Tag abzustellen, der dem Tag nach Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Es reicht allerdings aus, dass Versicherte am letzten Tag des Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krankengeld - hier des Versicherungsverhältnisses aufgrund der aufrecht erhaltenen Mitgliedschaft - alle Voraussetzungen erfüllen, um spätestens mit Beendigung des Ablaufs dieses Tages und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages einen Krankengeldanspruch entstehen zu lassen (vgl. BSG, Urteile vom 16. Dezember 2014 - Az.: B 1 KR 25/14 R und 10. Mai 2012 - Az.: B 1 KR 19/11 R m.w.N., nach juris). Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit aber abschnittsweiser Krankengeldbewilligung ist jeder Bewilligungsabschnitt gesondert zu prüfen. Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs aus der Pflichtversicherung als Teilnehmerin an einer Maßnahme ist es deshalb erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - Az.: B 1 KR 25/14 R). Dies war hier nicht der Fall. Die Klägerin stellte sich bei Dr. R. am 11. Juli 2012 vor. Danach lagen mit Ablauf des 10. Juli 2012 die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft wegen des Bezuges von Krankengeld nicht mehr vor. Ab dem 11. Juli 2012 war sie nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bei der Beklagten versichert.
Folgen der unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sind grundsätzlich vom Versicherten zu tragen. Die Ausschlussregelung des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V ist strikt zu handhaben. Ausnahmen hat das BSG nur in engen Grenzen anerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005 - Az.: B 1 KR 30/04 R, Rn. 18 ff., nach juris). Hat ein Versicherter (1.) alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde er (2.) daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (z.B. durch die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes und des MDK) und macht er (3.) seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend, kann er sich auf den Mangel auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Die Klägerin stellte sich erst am 11. Juli 2012 bei Dr. R. vor. Sie hatte damit gerade nicht alles in ihrer Macht Stehende und ihr Zumutbare getan, um die ärztliche Feststellung der Ar-beitsunfähigkeit spätestens am 10. Juli 2012 zu erlangen. Ausgangspunkt der Verteilung von Obliegenheiten und Risiken zwischen dem Versicherten und dem Versicherungsträger ist, dass der kraft des Mitgliedschaftsverhältnisses hierzu berechtigte Versicherte einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt aufzusuchen und seine Beschwerden zu schildern hat, um die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen. Die Krankenkasse ist auch nicht verpflichtet ist, einen Versicherten rechtzeitig vor Ablauf des schon festgestellten Arbeitsunfähigkeitszeitraums auf die besondere gesetzliche Regelung und deren im Regelfall gravierenden Folgen hinzuweisen. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin wegen Handlungs- oder Geschäftsunfähigkeit am 10. Juli 2012 bzw. davor keinen Arzt aufsuchen konnte, liegen nicht vor (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - Az.: B 1 KR 25/14 R, nach juris).Vielmehr suchte sie an diesem Tag Dr. H. auf, der jedoch keine weitere Arbeitsunfähigkeit bescheinigte. Im Übrigen machte die Klägerin ihre Rechte auch nicht unverzüglich - innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit - bei der Krankenkasse geltend. Sie meldete sich erst am 9. August 2012 und begehrte dann die weitere Zahlung von Krankengeld.
Die Klägerin hat auch keinen Krankengeldanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V. Sie war ab dem 11. Juli 2012 nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ohne Krankengeldanspruch versichert. Dieser neue Status ist gegenüber der Auffangregelung des § 19 Abs. 2 SGB V vorrangig und schließt in Bezug auf das Krankengeld weitere Ansprüche aus (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 - Az.: B 1 KR 19/11 R, nach juris).
Zudem wäre die Zahlung von Krankengeld auch nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ausgeschlossen. Danach endet für Versicherte, die Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, ein Anspruch auf Krankengeld vom Beginn dieser Leistungen an. Da der Klägerin rückwirkend ab 1. September 2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt wurde, bezieht sie diese Rente ab dem 1. September 2009 und daher im hier streitigen Zeitraum (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2010 - Az.: B 1 KR 31/09 R). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es auf den Zeitpunkt des Bescheids nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Krankengeld vom 11. Juli 2012 bis 8. Februar 2014 streitig.
Die 1962 geborene Klägerin war bei der Beklagten als Teilnehmerin einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung in der Zeit vom 25. Januar 2010 bis 24. Januar 2011 pflichtversichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)). Seit dem 17. Januar 2011 war sie arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld von der Beklagten. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. bescheinigte am 10. Juli 2012 Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 10. Juli 2012 wegen der Diagnose ICD-10-GM-2012 F25.9 (Schizoaffektive Störung, nicht näher bezeichnet).
Am 9. August 2012 begehrte die Klägerin die Zahlung von Krankengeld ab dem 11. Juli 2012 aufgrund Arbeitsunfähigkeit wegen gesundheitlicher Beschwerden. Sie reichte eine Arbeits-unfähigkeitsbescheinigung - Erstbescheinigung - ein, ausgestellt am 11. Juli 2012 von dem praktischen Arzt Dr. R. wegen der Diagnose ICD-10-GM-2012 M54.3 (Ischialgie). Dieser bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis zum 18. Juli 2012.
Mit Bescheid vom 13. August 2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, für die Arbeitsunfähigkeit ab dem 11. Juli 2012 bestehe kein Anspruch auf Krankengeld. Aufgrund der Bestätigung des Endes der seit dem 17. Januar 2011 bestehenden Arbeitsunfähigkeit zum 10. Juli 2012 durch Dr. H. habe mit diesem Tag der Fortbestand der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Satz 2 SGB V geendet. Sie möge sich an die Bundesagentur für Arbeit wenden. Die Klägerin erhob Widerspruch mit der Begründung, sie leide seit Monaten unter Schmerzen. Ihr gesundheitlicher Zustand habe sich durch die Umstände generell verschlechtert. Mit Schreiben vom 15. März 2013 räumte die Beklagte ihr Gelegenheit zur Stellungnahme ein und teilte ihr u.a. mit, sie unterliege seit dem 11. Juli 2012 der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und habe damit keinen Anspruch auf Krankengeld ab 12. Juli 2012. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2013 wies sie den Widerspruch zurück.
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, sie sei weiterhin arbeitsunfähig gewesen. Ihr behandelnder Arzt habe aufgrund eines Anrufs der Beklagten die Behandlung ihrer Schmerzen im September 2012 abgebrochen. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Höchstanspruchsdauer für Krankengeld am 15. Juli 2012 erreicht worden wäre.
Das Sozialgericht (SG) hat einen Befundbericht des Dr. H. vom 1. Oktober 2014 eingeholt, wonach er am 10. Juli 2012 die Arbeitsunfähigkeit wegen Besserung des Gesundheitszustandes bereits seit Juni 2012 beendet und ab dem 18. September 2012 erneut Arbeitsunfähigkeit wegen Depressionen bis zum 8. Februar 2014 bescheinigt hat. Mit Urteil vom 9. Juni 2015 hat SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein möglicher Krankengeldanspruch habe aufgrund der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. R. erst ab 12. Juli 2012 entstehen können. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin aber nach § 5 Nr. 13 SGB V - ohne Anspruch auf Krankengeld - versichert gewesen. Ein nachgehender Leistungsanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V bestehe ebenfalls nicht, weil der Status als Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V der Auffangregelung des § 19 Abs. 2 SGB V vorrangig sei und in Bezug auf das Krankengeld weitere Ansprüche ausschließe.
Mit der Berufung trägt die Klägerin vor, ein Rechtsanwalt habe ihr erklärt, dass Krankengeld nach § 48 Abs. 1 SGB V ohne zeitliche Begrenzung gezahlt werde.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 9. Juni 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 11. Juli 2012 bis 8. Februar 2014 Krankengeld in Höhe von 56,01 EUR brutto täglich zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und auf die Gründe des Widerspruchsbescheids. Der Klägerin sei durch die deutsche Rentenversicherung Bund mit Bescheid vom 21. Juni 2016 rückwirkend ab 1. September 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt worden. Dies schließe einen Krankengeldanspruch für die Zeit ab 11. Juli 2012 nach § 50 Abs. 1 SGB V aus. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 13. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat ab 11. Juli 2012 keinen Anspruch auf Krankengeld. Die den Krankengeldanspruch vermittelnde aufgrund eines Leistungsbezuges beruhende Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten endete mit Ablauf des 10. Juli 2012. Zudem ist aufgrund der rückwirkenden Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. September 2009 die Zahlung von Krankengeld ausgeschlossen.
Nach § 44 Abs. 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (Bundesgesetzblatt I Seite 1990 ff), gültig ab 1. August 2009 bis 22. Juli 2015, haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4 SGB V, §§ 24, 40 Abs. 2 SGB V und § 41 SGB V) behandelt werden. Ob und in welchem Umfang sie Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für Krankengeld vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - Az.: B 1 KR 25/14 R m.w.N., nach juris).
Nach § 46 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (a.a.O.), gültig bis zum 22. Juli 2015, der hier Anwendung findet, entsteht der Anspruch auf Krankengeld (1) bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4 SGB, § 24 SGB V, § 40 Abs. 2 SGB V und § 41 SGB V) von ihrem Beginn an, (2) im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Wird Krankengeld wegen ärztlich festgestellter Arbeitsunfähigkeit begehrt, ist für den Umfang des Versicherungsschutzes demgemäß grundsätzlich auf den Tag abzustellen, der dem Tag nach Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Das Gesetz bietet weder einen Anhalt für ein Verständnis des § 46 S 1 Nr. 2 SGB V als bloße Zahlungsvorschrift noch dafür, dass der Krankengeldanspruch nach § 44 SGB V schon bei Eintritt der AU entsteht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014, a.a.O.). Die durch die Teilnahme der Klägerin an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben begründete Pflichtmitgliedschaft endete nicht mit dem Ablauf des Tages, an dem die Maßnahme endete (§ 190 Abs. 7 SGB V), sondern bestand über den 24. Januar 2011 unter den Voraussetzungen des § 192 SGB V hinaus fort. Sie bleibt nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V u.a. erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld besteht. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V verweist damit wieder auf die Vorschriften über den Krankengeldanspruch, die ihrerseits voraussetzen, dass ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld vorliegt.
Die Mitgliedschaft der Klägerin blieb aufgrund des Bezuges von Krankengeld nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bis zum 10. Juli 2012 erhalten. Findet keine der in § 46 Abs. 1 Nr. 1 SGB V genannten Maßnahmen statt, entsteht der Krankengeldanspruch nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V nur aufgrund ärztlicher Feststellung (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005 - Az.: B 1 KR 30/04 R, nach juris). Für den Umfang des Versicherungsschutzes ist demgemäß auf den Tag abzustellen, der dem Tag nach Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Es reicht allerdings aus, dass Versicherte am letzten Tag des Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krankengeld - hier des Versicherungsverhältnisses aufgrund der aufrecht erhaltenen Mitgliedschaft - alle Voraussetzungen erfüllen, um spätestens mit Beendigung des Ablaufs dieses Tages und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages einen Krankengeldanspruch entstehen zu lassen (vgl. BSG, Urteile vom 16. Dezember 2014 - Az.: B 1 KR 25/14 R und 10. Mai 2012 - Az.: B 1 KR 19/11 R m.w.N., nach juris). Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit aber abschnittsweiser Krankengeldbewilligung ist jeder Bewilligungsabschnitt gesondert zu prüfen. Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs aus der Pflichtversicherung als Teilnehmerin an einer Maßnahme ist es deshalb erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - Az.: B 1 KR 25/14 R). Dies war hier nicht der Fall. Die Klägerin stellte sich bei Dr. R. am 11. Juli 2012 vor. Danach lagen mit Ablauf des 10. Juli 2012 die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft wegen des Bezuges von Krankengeld nicht mehr vor. Ab dem 11. Juli 2012 war sie nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bei der Beklagten versichert.
Folgen der unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sind grundsätzlich vom Versicherten zu tragen. Die Ausschlussregelung des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V ist strikt zu handhaben. Ausnahmen hat das BSG nur in engen Grenzen anerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005 - Az.: B 1 KR 30/04 R, Rn. 18 ff., nach juris). Hat ein Versicherter (1.) alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde er (2.) daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (z.B. durch die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes und des MDK) und macht er (3.) seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend, kann er sich auf den Mangel auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Die Klägerin stellte sich erst am 11. Juli 2012 bei Dr. R. vor. Sie hatte damit gerade nicht alles in ihrer Macht Stehende und ihr Zumutbare getan, um die ärztliche Feststellung der Ar-beitsunfähigkeit spätestens am 10. Juli 2012 zu erlangen. Ausgangspunkt der Verteilung von Obliegenheiten und Risiken zwischen dem Versicherten und dem Versicherungsträger ist, dass der kraft des Mitgliedschaftsverhältnisses hierzu berechtigte Versicherte einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt aufzusuchen und seine Beschwerden zu schildern hat, um die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen. Die Krankenkasse ist auch nicht verpflichtet ist, einen Versicherten rechtzeitig vor Ablauf des schon festgestellten Arbeitsunfähigkeitszeitraums auf die besondere gesetzliche Regelung und deren im Regelfall gravierenden Folgen hinzuweisen. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin wegen Handlungs- oder Geschäftsunfähigkeit am 10. Juli 2012 bzw. davor keinen Arzt aufsuchen konnte, liegen nicht vor (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - Az.: B 1 KR 25/14 R, nach juris).Vielmehr suchte sie an diesem Tag Dr. H. auf, der jedoch keine weitere Arbeitsunfähigkeit bescheinigte. Im Übrigen machte die Klägerin ihre Rechte auch nicht unverzüglich - innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit - bei der Krankenkasse geltend. Sie meldete sich erst am 9. August 2012 und begehrte dann die weitere Zahlung von Krankengeld.
Die Klägerin hat auch keinen Krankengeldanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V. Sie war ab dem 11. Juli 2012 nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ohne Krankengeldanspruch versichert. Dieser neue Status ist gegenüber der Auffangregelung des § 19 Abs. 2 SGB V vorrangig und schließt in Bezug auf das Krankengeld weitere Ansprüche aus (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 - Az.: B 1 KR 19/11 R, nach juris).
Zudem wäre die Zahlung von Krankengeld auch nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ausgeschlossen. Danach endet für Versicherte, die Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, ein Anspruch auf Krankengeld vom Beginn dieser Leistungen an. Da der Klägerin rückwirkend ab 1. September 2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt wurde, bezieht sie diese Rente ab dem 1. September 2009 und daher im hier streitigen Zeitraum (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2010 - Az.: B 1 KR 31/09 R). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es auf den Zeitpunkt des Bescheids nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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