L 5 KR 3889/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 68/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3889/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 30.09.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Nachzahlung von Sozialabgaben durch ihre ehemalige Arbeitgeberin.

Die 1957 geborene Klägerin war von 1996 bis 2009 auf der Grundlage eines mündlichen Vertrags mit der Beklagten in deren Haushalt als Reinigungskraft beschäftigt. Die Arbeitszeit war auf Montag, Mittwoch und Freitag von 8:30 Uhr bis 12:30 Uhr, das Arbeitsentgelt war nach Angaben der Klägerin auf einen Stundenlohn von 15,00 DM, ab 2002 von 7,50 EUR, festgelegt. Sozialabgaben führte die Beklagte nicht ab. Vom 01.03.1990 bis 25.12.2001 war die Klägerin bei der K., Sch. H. und vom 04.01.2001 bis 30.04.2003 bei der Sch. K. krankenversichert. Seit dem 01.05.2003 ist sie bei der B. E. krankenversichert.

Mit Schreiben vom 28.02.2010 erstattete die Klägerin gegen die Beklagte Strafanzeige wegen der Nichtabführung von Sozialabgaben; das Verfahren wurde bei der Staatsanwaltschaft H. unter dem Aktenzeichen Js 6 /10 geführt.

Mit Bescheid vom 09.09.2010 gab die D. R. K.-B.-S. der Beklagten auf, für die Beschäftigung der Klägerin als Reinigungskraft während der Zeit vom 01.04.2003 bis 31.12.2009 Sozialabgaben i.H.v. 1.403,76 EUR nachzuzahlen; die Beklagte ist dem nachgekommen.

Mit Verfügung vom 27.01.2011 (- Js 6 /10 -) stellte die Staatsanwaltschaft H. das Strafverfahren gegen die Beklagte gemäß § 153a Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) endgültig ein.

Am 02.01.2013 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Zur Begründung trug sie vor, die Beklagte müsse die für ihre Beschäftigung als Reinigungskraft vorsätzlich nicht abgeführten Sozialabgaben (an die zuständige Einzugsstelle) nachzahlen. Die Beklagte habe sie (zusätzlich) an Freunde und Bekannte vermittelt, so dass ihr Arbeitsentgeltgelt (in der Summe) die seinerzeit maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenzen von 630,00 DM bzw. 400,00 EUR überstiegen habe.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Es bestünden Zweifel an der Prozessfähigkeit der Klägerin; das Arbeitsgericht H. habe die Klägerin zum Nachweis der Prozessfähigkeit durch amtsärztliches Gutachten aufgefordert. Das Vorbringen der Klägerin sei unschlüssig. Außerdem werde Verjährung geltend gemacht.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.09.2016 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klage sei unzulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) fehle Klagen von Arbeitnehmern gegen Arbeitgeber auf Feststellung der Sozialversicherungspflicht das Rechtsschutzbedürfnis. Für die Klärung der Sozialversicherungs- und Beitragspflicht aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses bzw. der Höhe etwaiger Sozialversicherungsbeiträge sei das (jetzt in § 28h Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) geregelte) Einzugsstellenverfahren vorgesehen. Die Einzugsstelle habe ggf. durch Bescheid bzw. Widerspruchsbescheid zu entscheiden. Gegen die Entscheidung der Einzugsstelle könne Klage erhoben werden. Einzugsstelle sei die Krankenkasse (§ 28h Abs. 1 Satz 1 SGB IV, zuvor § 1399 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO)). Das Verwaltungsverfahren der Einzugsstelle könne durch einen Antrag des Arbeitnehmers eingeleitet werden (vgl. BSG, Urteile vom 11.09.1995, - 12 RK 9/95 - und - 12 RK 31/93 -, vom 26.09.1996, - 12 RK 37/95 -, vom 23.09.2003, - B 12 RA 3/02 R -; auch Landessozialgericht (LSG) Bayern, Urteil vom 13.04.2007, - L 5 KR 251/06 -, alle in juris). Damit sei der Weg für die Klärung von Streitigkeiten über die Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund von Beschäftigungsverhältnissen festgelegt: Im Zweifels- oder Streitfall habe eine Entscheidung der Einzugsstelle zu ergehen, die (nach erfolglosem Widerspruchsverfahren) gerichtlich überprüft werden könne. Diese Verfahrensweise sei zwingend und abschließend. Eine gegen den Arbeitgeber gerichtete Feststellungsklage des Arbeitnehmers sei demgegenüber nicht zulässig, da der Arbeitgeber die öffentlich-rechtliche Versicherungs- und Beitragspflicht sowie die Beitragszahlungspflicht nicht - auch nicht durch Abgabe eines Anerkenntnisses vor Gericht - mit Wirkung für oder gegen die Einzugsstelle regeln könne. Ihm seien trotz seiner Indienstnahme für die Belange der Sozialversicherung nicht die Aufgaben der Einzugsstelle übertragen (vgl. BSG, Urteile vom 24.09.1976, - 12/3 RK 66/75 - und vom 23.09.2003, - B 12 RA 3/02 R -, beide in juris). Eine Entscheidung der Gerichte zur Versicherungs- und Beitragspflicht sowie zur Beitragszahlungspflicht allein auf eine Feststellungsklage zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber hin würde außerdem das gesetzlich vorgeschriebene Verwaltungsverfahren vor der Einzugsstelle umgehen, weshalb es insoweit am Feststellungsinteresse i.S.d. § 55 Abs. 1, 2 Sozialgerichtgesetz (SGG) fehle (vgl. BSG, Urteil vom 12.09.1995, - 12 RK 63/94 -, in juris). Solange bei einem Streit über die Versicherungs- und Beitragspflicht eine Entscheidung der Einzugsstelle nicht vorliege, fehle für eine gegen den Arbeitgeber gerichtete Klage auf Beitragsentrichtung das Rechtsschutzinteresse (vgl. BSG, Urteil vom 12.09.1995, - 12 RK 63/94 -, in juris). Davon abgesehen gebe es für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Beitragsnachzahlung an den Rentenversicherungsträger keine gesetzliche Grundlage. Der Arbeitgeber sei nur zur Zahlung an die Einzugsstelle verpflichtet. Die Klägerin könne nur von der Einzugsstelle die Festsetzung und Beitreibung der Beiträge verlangen (§ 28h Abs. 1 Satz 1 SGB IV, zuvor § 1399 Abs. 1 RVO; vgl. BSG, Urteil vom 12.09.1995, - 12 RK 63/94 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.09.2015, - L 8 R 1116/13 -, beide in juris).

Gegen den ihr am 05.10.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 12.10.2016 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und bekräftigt sie ihr bisheriges Vorbringen. Es mögen Sozialversicherungsträger beigeladen und Zeugen vernommen werden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 30.09.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die für ihre Beschäftigung als Reinigungskraft während der Zeit vom 12.06.1996 bis 31.03.2003 nicht abgeführten Sozialabgaben nachzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des BSG abgewiesen; sie ist unzulässig (vgl. auch BSG, Urteile vom 26.05.2004, - B 12 AL 4/03 R -, und vom 23.09.2003, - B 12 P 2/02 R -, beide in juris). Der Senat nimmt auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Beiladungen (§ 75 SGG) sind im Hinblick auf die offensichtliche Unzulässigkeit der Klage nicht vorzunehmen (vgl. Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss vom 08.120.2006, - VII B 243/05 -, in juris Rdnr. 6; auch etwa Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 23.09.1988, - 7 B 150/88 -, in juris Rdnr. 10,11 und Urteil vom 02.09.1983, - 7 C 97/81 -, in juris Rdnr. 14). Zeugenvernehmungen sind nicht durchzuführen; mangels Zulässigkeit der Klage findet eine Prüfung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs in der Sache nicht statt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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