S 10 R 709/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 R 709/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2014 verurteilt, die Klägerin bezogen auf die Tätigkeit bei der Beigeladenen ab dem 01.06.2013 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit ist die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die bei der Beigeladenen seit dem 01.06.2013 ausgeübte Beschäftigung.

Die Klägerin ist Architektin und seit dem 05.04.1999 Pflichtmitglied in der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen (NRW). Die Klägerin ist seit dem 01.06.1999 Pflichtmitglied des Versorgungswerkes der Architektenkammer NRW und zahlt seit diesem Zeitpunkt Versorgungsabgaben in Höhe der für sie ohne die Befreiung maßgebenden Beiträge zur Rentenversicherung.

Die Klägerin war seit dem 01.02.1999 bei der Aral AG in der Bauabteilung als Bauberaterin tätig. Aufgrund eines am 20.08.1999 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gestellten Antrages auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wurde die Klägerin mit Bescheid der BfA vom 23.02.2000 nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit. In diesem Bescheid wurde ausgeführt, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht in der seit dem 01.02.1999 ausgeübten Beschäftigung als Architektin am 01.06.1999 beginne, da die Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Architektenkammer am 01.06.1999 beginne.

Das Beschäftigungsverhältnis ging im Rahmen eines Betriebsteilüberganges nach § 613 a BGB mit Wirkung zum 01.01.2011 auf die Aral Bau & Technik GmbH über. Die Klägerin war seit diesem Zeitpunkt innerhalb der Aral Bau & Technik-GmbH in der Abteilung Bau/Instandhaltung in der Gruppe Bauplanung als Bauberaterin Innendienst tätig. Mit Wirkung ab dem 01.10.2002 wurde eine Verschmelzung der Aral Bau & Technik-GmbH auf die BP Oil Marketing GmbH wirksam, so dass das Arbeitsverhältnis nach § 613 a BGB auf die BP Oil Marketing GmbH überging.

Aufgrund einer am 27.05. und 31.05.2012 unterschriebenen Vereinbarung wurde zwischen der Klägerin und der BP Oil Marketing GmbH geregelt, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aus Anlass der Beförderung der Klägerin in den Gehaltslevel F mit Ablauf des 31.05.2013 sein Ende gefunden habe. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass vom 01.06.2013 an das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Konzernobergesellschaft BP Europa SE, der Beigeladenen, fortgeführt werde. Hintergrund war, dass der Klägerin eine leitende Tätigkeit übertragen wurde und dass die Arbeitsverträge der leitenden Angestellten aller deutschen Konzerngesellschaften der BP Europa SE auf die Beigeladene übergeleitet werden. In einer Zusatzvereinbarung zum bestehenden Arbeitsvertrag vom 27.05.2013 wurde zwischen der Klägerin und der Beigeladenen geregelt, dass die Klägerin ihre Arbeitsleistung als "Convenience Offer & Format Development Manager" zumindest vorübergehend (bis auf weiteres) auch bei Konzernunternehmen des Unternehmens erbringt. Seit dem 01.09.2013 ist die Klägerin in der Funktion eines "Strategic Convenience Partnership Development Managers" für die Beigeladene tätig. Seit September 2013 ist die Klägerin Leiterin eines Projektes, das auf eine Zusammenarbeit mit dem Einzelhandelsunternehmen Rewe im Rahmen einer strategischen Partnerschaft ausgerichtet ist. Während die Klägerin in der Zeit von Juni bis August 2013 mit der Vorplanung dieses Projektes befasst war, wurde ihr mit Wirkung zum 01.09. 2013 die Leitung des Projektes und zu diesem Zweck eine eigene Abteilung mit 5 Teammitgliedern übertragen, die ihr unterstellt sind. Darüber hinaus arbeiten ihr insgesamt 10 Fachabteilungen zu.

Gegenstand des Projektes war zunächst die Prüfung, ob eine Integration der Firma Rewe in die Tankstellenshops der etwa 1.250 gesellschaftseigenen Tankstellen der Beigeladenen in der Bundesrepublik Deutschland möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Aufgabe der Klägerin war es, die im Zusammenhang mit der Partnerschaft mit dem Einzelhandelsunternehmen Rewe notwendigen baulichen Veränderungen an den 1.250 betroffenen Tankstellen im Einzelnen zu prüfen und die insoweit entstehenden Kosten zu veranschlagen. Auf der Basis des von der Klägerin erarbeiteten Konzeptes der Neustrukturierung der Tankstellenshops entschied die Beigeladene, ob das Konzept verwirklicht werden soll. Aufgrund der geplanten Zusammenarbeit mit der Firma Rewe ergibt sich die Notwendigkeit zu erheblichen baulichen Veränderungen im Bereich der bestehenden Gebäude, in denen die Tankstellenshops untergebracht sind. Die notwendigen baulichen Veränderungen sind u.a. dadurch bedingt, dass das Raumangebot in den Tankstellenshops bei einer Zusammenarbeit mit der Firma Rewe erheblich vergrößert werden soll, da sehr viel mehr Produkte angeboten werden sollen, dass die Räumlichkeiten mit Kühlmöbeln ausgestattet werden sollen, dass eine Bistrozone mit Verabreichung heißer Speisen geschaffen werden soll, dass die Kassenbereiche neu gestaltet werden sollen, dass in den hinteren Räumen Tiefkühlzellen eingerichtet werden müssen und dass größere Lagerkapazitäten geschaffen werden müssen. Darüber hinaus müssen u.a. die sanitären Einrichtungen verändert sowie die Rettungswege und die Anfahrtswege für die Belieferung der Tankstellenshops und die Brandschutzmaßnahmen neu konzipiert werden. Die Klägerin hatte die technische Realisierbarkeit dieser notwendigen Umbaumaßnahmen zu prüfen, wobei die Besonderheit besteht, dass das Tankstellennetz der Beigeladenen sehr unterschiedliche Tankstellentypen mit erheblich voneinander abweichenden baulichen Voraussetzungen und Ausstattungen aufweist. Aus diesem Grund war die Klägerin in der ersten Phase damit befasst, insgesamt 10 Pilotprojekte zu konzipieren, die Pilotprojekte zu überwachen, auszuwerten und die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse auf alle anderen Objekte der Beigeladenen zu übertragen. Insoweit war eine Bewertung in baulicher Hinsicht vorzunehmen, ob das Konzept auf die anderen Tankstellen, die nicht Gegenstand des Pilotprojektes gewesen sind, übertragen werden können. Da durch die Zusammenarbeit mit der Firma Rewe zudem eine Nutzungsänderung erforderlich wird, gehörte es auch zum Aufgabenbereich der Klägerin zu prüfen, ob genehmigungsfähige Bauvorlagen eingereicht werden können. Zudem hatte die Klägerin die Aufgabe, die Kosten für die Baumaßnahmen zu ermitteln und darzustellen.

Nach der Planungsphase bezogen auf die Pilotprojekte war die Klägerin in der Zeit ab April 2014 überwiegend mit der Realisierung der Pilotprojekte befasst. Dabei oblag es der Klägerin, den Verlauf der Projekte zu beobachten und die dabei gewonnenen Erkenntnisse auszuwerten. Für die Durchführung der einzelnen Baumaßnahmen war nicht die Klägerin zuständig, sondern die Bauabteilung der Beigeladenen. Ab Mitte 2015 entwickelte die Klägerin unter Berücksichtigung der Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Realisierung der Pilotprojekte ein Gesamtkonzept als Entscheidungsvorlage für die Konzernspitze der Beigeladenen, das dazu führte, dass die Zusammenarbeit mit der Firma Rewe Ende 2015 beschlossen wurde. Seit Anfang 2016 werden weitere 14 Tankstellengebäude umgebaut und die Ergebnisse ausgewertet. Die Klägerin ist teilweise in die Ausführung der Bauvorhaben eingebunden, indem sie beispielsweise die Genehmigungen für die Nutzungsänderungen selbst beantragt und die Leistungsphasen 4 und 5 nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) übernommen hat. Im Übrigen überwacht die Klägerin die Ausführung der Bauvorhaben und wertet die dabei gewonnenen Erkenntnisse für die Planung der weiteren Umbaumaßnahmen aus.

In der Stellenausschreibung für die von der Klägerin ab dem 01.09.2013 ausgeübte Tätigkeit des Strategic Convenience Partnership Development Managers wurde ausgeführt, dass es sich um eine leitende Führungsaufgabe handele, die die Prüfung, Pilotierung, Gestaltung und Umsetzung von gestalterischen Konzepten und Shopformaten zum Gegenstand habe. Dabei sie die strategische Ausrichtung entsprechender Sortimente, Gestaltungen und Formen der entsprechenden Angebote in einer strategischen Partnerschaft mit einem Einzelhändler zu überprüfen und daraus ein neues Tankstellenformat zu entwickeln. Unter technischen und fachlichen Kompetenzen wurden u.a. ein abgeschlossenes Studium (Ingenieurwissenschaften und/oder BWL-Hochschul-/Fachhochschulstudium), umfangreiche Erfahrung in leitenden Projektmanagementpositionen und eine mindestens 8- bis 10-jährige Berufserfahrung sowie hervorragende Kenntnisse im Tankstellenbereich aufgeführt.

Die Klägerin beantragte am 24.07.2013 bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, bezogen auf die seit dem 01.06.2013 bei der Beigeladenen ausgeübte Tätigkeit. Zuvor war sie von der Beigeladenen darauf hingewiesen worden, dass die Beklagte bzw. die Einzugsstelle die Auffassung vertreten würden, dass sich die früher erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht nicht auf die bei der Beigeladenen seit dem 01.06.2013 ausgeübte Tätigkeit erstrecken würde. Das Versorgungswerk der Architektenkammer erklärte am 23.07.2013 schriftlich, dass die Klägerin seit dem 01.06.1999 kraft Gesetzes Mitglied des Versorgungswerkes sei. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht für die abhängige Beschäftigung der Klägerin bei der Beigeladenen ab dem 01.06.2013 mit Bescheid vom 12.02.2014 mit der Begründung ab, dass es sich bei der seit dem 01.06.2013 ausgeübten Tätigkeit nicht um eine berufsspezifische Tätigkeit als Architektin handeln würde. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI könne eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nur für die Beschäftigung erfolgen, wegen der der Versicherte aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung seiner Berufsgruppe und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sei. Es müsse also ein innerer Zusammenhang zwischen der Tätigkeit, für die eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht begehrt werde, und dem Versicherungsschutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung bestehen. Ein solcher innerer Zusammenhang werde durch das Merkmal berufsspezifisch gewährleistet. Bei der von der Klägerin seit dem 01.06.2013 ausgeübten Beschäftigung bei der Beigeladenen handele es sich nicht um eine solche berufsspezifische Beschäftigung als Architektin. Nach § 1 Abs. 1 Baukammergesetz NRW (BauKaG NRW) sei die Berufsaufgabe eines Architekten die gestaltende, technische, wirtschaftliche, ökologische und soziale Planung von Bauwerken. Dazu gehöre die Beratung, Betreuung und Vertretung des Auftraggebers sowohl während der Planungsphase als auch später in der Bauausführung vor Ort auf der Baustelle (§ 1 Abs. 5 BauKaG NRW). Das Leistungsbild eines Architekten sei zudem in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure geregelt. Die Klägerin sei bei der Beigeladenen seit dem 01.06.2013 als Convenience Offer & Format Development Manager beschäftigt. Dieses Aufgabengebiet umfasse gemäß der Stellenausschreibung die Prüfung, Pilotierung, Gestaltung und Umsetzung von gestalterischen Konzepten und Shopformaten. Zu den Aufgaben der Klägerin gehöre zudem die strategische Ausrichtung entsprechender Sortimente, die Überprüfung von Gestaltungen und Formen der entsprechenden Angebote in einer strategischen Partnerschaft mit einem Einzelhändler und die Entwicklung eines Tankstellenformates. Es handele sich bei diesen Tätigkeiten nicht um eine berufsspezifische Beschäftigung als Architektin. Nach dem Stellenprofil sei die Hochschulausbildung einer Architektin nicht zwingende Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit als Convenience Offer & Format Development Manager.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 27.02.2014 Widerspruch. Sie trug zur Begründung vor, ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen entspreche dem spezifischen Berufsbild des Architekten, da sie durch die gestaltende, technische und wirtschaftliche Planung von Gebäuden im Bestand und im Neubau charakterisiert sei. Sie sei verantwortlich für die Planung und Realisierung neuer Tankstellentypen, die an bis zu 1.250 Aral-Tankstellen in der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt werden sollten. Diese Aufgabe umfasse die Leistungsphasen nach der HOAI und setze eine Bauvorlageberechtigung voraus. Innerhalb dieses Aufgabengebietes führe sie Grundlagenermittlungen durch, um die Machbarkeit der Projekte zu prüfen. Dann folge die Vorplanung für die verschiedenen Bautypen von Tankstellen und eine Kostenschätzung, um die notwendigen Investitionen prüfen zu können. Nach erfolgter Freigabe der Investitionen erfolge die Genehmigungsplanung und die detaillierte Ausführungsplanung der einzelnen Projekte, die von ihr maßgeblich kontrolliert würden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 04.06.2014 mit der Begründung zurück, aus der Stellenbeschreibung gehe hervor, dass als Voraussetzungen für die Besetzung der Stelle als Convenience Offer & Development Manager ein abgeschlossenes Studium, umfangreiche Erfahrungen im leitenden Projektmanagement, Berufserfahrungen und hervorragende Kenntnisse im Tankstellenbereich gefordert worden seien, so dass für die Ausübung der Tätigkeit die Architektenausbildung nicht zwingend erforderlich gewesen sei. Die Klägerin sei zwar aufgrund der Eintragung in die Architektenliste Pflichtmitglied der Architektenkammer und damit Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Architektenversorgung NRW. Für die Ausübung der Tätigkeit bei der Beigeladenen sei die Eintragung in die Architektenliste jedoch nicht zwingend erforderlich.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 04.07.2014 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung lägen vor. Ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen sei berufsspezifisch und in vollem Umfang dem Leistungsbild einer Architektentätigkeit zuzuordnen. Nach § 1 Abs. 5 BauKaG NRW gehörten zu den Berufsaufgaben einer Architektin die Beratung, Betreuung und Vertretung des Auftraggebers in den mit der Planung und Ausführung eines Vorhabens zusammenhängenden Angelegenheiten. Zu den Berufsaufgaben könnten auch Dienstleistungen bei Vorbereitung und Steuerung von Planungs- und Baumaßnahmen und bei der Nutzung von Bauwerken und die Wahrung der sicherheits- und gesundheitstechnischen Belange gehören. In der Ausübung ihrer Tätigkeit vertrete sie die Beigeladene vollumfänglich als Auftraggeber in allen Angelegenheiten gegenüber Dritten. Die Vorbereitung der Projekte und Baumaßnahmen sowie die Projektsteuerung der Planungs- und Baumaßnahmen seien wesentliche Teile ihrer Aufgaben, und zwar ausgerichtet auf sämtliche Immobilien im Tankstellennetz der Beigeladenen in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2014 zu verurteilen, sie bezogen auf die Tätigkeit bei der Beigeladenen ab dem 01.06.2013 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung könne nicht erfolgen, da auch nach den ergänzenden Ausführungen der Beigeladenen im Klageverfahren die Eintragung in die Architektenliste und die Absolvierung eines Architekturstudiums nicht zwingende Voraussetzungen bei der Einstellung für die Tätigkeit als Convenience Offer & Format Development Manager bei der Beigeladenen gewesen seien.

Die Beigeladene hat angegeben, dass bei der Besetzung der Stelle die Qualifikation der Klägerin als Architektin von besonderer Bedeutung gewesen sei. Bei der Leitung des Projektes seien für die Beigeladene drei Teilbereiche von überragender Bedeutung gewesen. Der erste Teilbereich sei der Sicherheitsaspekt gewesen, da bei der Beigeladenen grundsätzlich im Vordergrund stünde, dass neue Projekte allen Sicherheitsaspekten unterzuordnen seien. Aufgrund der mit dem Projekt einhergehenden erheblichen baulichen Veränderungen sei es für die Beigeladene von besonderer Wichtigkeit gewesen, eine Mitarbeiterin mit dem Projekt zu betrauen, die diese Sicherheitsaspekte in baulichen Angelegenheiten beurteilen und bewerten könne. Dabei sei es um Sicherheitsfragen sowohl für die Kunden als auch für die Mitarbeiter gegangen. Die Klägerin habe aufgrund ihrer Qualifikation als Architektin die Gewähr dafür geboten, dass sie die Sicherheitsfragen mit beurteilen könne und in die Beurteilung der anstehenden Frage mit einbeziehen würde. Der zweite wesentliche Teilbereich sei die Fähigkeit des Projektleiters gewesen, die Machbarkeit der baulichen Veränderungen beurteilen zu können und die Ergebnisse der Pilotprojekte sowie die dabei gemachten Erfahrungen auf die Vielzahl der unterschiedlichen Tankstellentypen zu übertragen. Insoweit sei vor allem eine bauliche Bewertung vorzunehmen, so dass es für die Beigeladene von besonderer Bedeutung gewesen sei, dass die Klägerin als Architektin Leiterin dieses Projektes geworden sei, weil sie aufgrund ihrer Qualifikation als Architektin geeignet sei, die Übertragbarkeit der Pilotprojekte auf das gesamte Tankstellennetz zu überprüfen. Der dritte wesentliche Teilaspekt sei die Prüfung des betriebswirtschaftlichen Nutzens der Zusammenarbeit mit der Firma Rewe gewesen, also die Beurteilung, ob die Investitionen gewinnbringend sein würden. Für diese betriebswirtschaftliche Bewertung sei die Qualifikation als Architektin nicht von besonderer Wichtigkeit gewesen, da eine entsprechende betriebswirtschaftliche Bewertung letztlich auch von anderen Personen mit einer anderen Ausbildung vorgenommen werden könnten. Die Entscheidung der Beigeladenen, die Klägerin als Architektin mit der Betreuung des Projektes zu beauftragen, sei wegen der notwendigen baulichen Veränderungen an allen betroffenen Tankstellen des Tankstellennetzes und wegen der für die Beigeladene besonders wichtigen Sicherheitsfragen im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen getroffen worden.

Die Stellenausschreibung sei aus dem Grund nicht auf Bewerber mit einem abgeschlossenen Architekturstudium beschränkt worden, weil seitens der Konzernspitze vorgegeben sei, Stellenausschreibungen möglichst offen zu halten, um sie einem größtmöglichen Bewerberkreis zu eröffnen. Dabei werde dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich meistens um internationale Stellenausschreibungen handele, so dass ganz unterschiedliche Ausbildungen in den jeweiligen Ländern und ganz unterschiedliche Berufszweige und Berufswege berücksichtigt werden müssten. Zudem seien viele gesetzliche Vorgaben bei Stellenausschreibungen zu beachten. Ein abgeschlossenes Architekturstudium sei keine zwingende Einstellungsvoraussetzung gewesen. Gleichwohl sei es bei der konkreten Besetzung der Stelle für die Beigeladene aus den genannten Gründen von besonderer Wichtigkeit gewesen, dass die Klägerin über die Qualifikation als Architektin verfügte. Hätte man die Projektleiterstelle mit einer Mitarbeiterin mit einer anderen Qualifikation besetzt, hätte man für zahlreiche einzelne Fragestellungen, die zu beurteilen seien, anderes Personal oder externe Dienstleister heranziehen müssen.

Das Gericht hat im Erörterungstermin vom 10.12.2015 eine Anhörung der Klägerin und der Beigeladenen durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift (Blatt 60 – 68 der Gerichtsakte) Bezug genommen. Ferner sind die Verwaltungsvorgänge der BfA bezüglich der Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 01.06.1999 beigezogen worden. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf Blatt 14 ff der Gerichtsakte verwiesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12.02. 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2014 ist rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da die Klägerin ab dem 01.06.2013 einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung hat.

Die Klägerin war nicht bereits aufgrund des Befreiungsbescheides vom 23.02.2000 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung in ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen befreit. Diese für die Zeit ab dem 01.06.1999 geregelte Befreiung bezog sich auf die damals von der Klägerin bei der Aral AG ausgeübte Beschäftigung als Bauberaterin in der Bauabteilung. In § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI ist ausdrücklich geregelt, dass die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt ist. Bereits aus dem klaren Wortlaut der Regelung ergibt sich damit zweifelsfrei, dass mit einer Befreiungsentscheidung keine umfassende Befreiung von der Versicherungspflicht auch für andere als die jeweils ausgeübte Beschäftigung des Betroffenen in Betracht kommt, selbst wenn ursprüngliche und nachfolgende Erwerbstätigkeiten ähnlich sein mögen (vgl. mit ausführlicher Begründung: BSG vom 31.10.2012, B 12 R 3/11 R). Da die Klägerin nach der vertraglichen Vereinbarung vom 27.05.2013 die Tätigkeit als Convenience Offer & Format Development Manager bei der Beigeladenen erst ab dem 01.06.2013 und die Tätigkeit eines Strategic Convenience Partnership Development Managers erst ab dem 01.09.2013 ausgeübt hat, erstreckt sich die Befreiungsentscheidung vom 23.02.2000 nicht auf diese Tätigkeiten.

Die Klägerin hat nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen auf die seit dem 01.06.2013 bei der Beigeladenen ausgeübte Tätigkeit als Convenience Offer & Format Development Manager und bezogen auf die seit dem 01.09.2013 ausgeübte Tätigkeit als Strategic Convenience Partnership Development Manager.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI werden Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind von der Versicherungspflicht befreit, wenn (a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 01.01.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, (b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und (c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Die Befreiung erfolgt auf Antrag des Versicherten (§ 6 Abs. 2 SGB VI). Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI wirkt die Befreiung vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrages an.

Die Klägerin ist seit dem 05.04.1999 aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der Architektenkammer NRW und seit dem 01.06.1999 aufgrund einer auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung. Nach § 15 Abs. 1 und Abs. 5 BauKaG NRW kann die Architektenkammer durch Satzung für ihre Mitglieder ein Versorgungswerk errichten, wobei die Satzung Bestimmungen u.a. über die versicherungspflichtigen Tätigkeiten enthalten muss. Aus § 6 Abs. 1 und Abs. 3 der Satzung des Versorgungswerkes der Architektenkammer NRW ergibt sich, dass versicherungspflichtige Mitglieder des Versorgungswerkes alle Mitglieder der Architektenkammer NRW und der angeschlossenen Kammern sind, die zum Zeitpunkt des Beginns ihrer Kammermitgliedschaft berufsfähig sind und die ihren Beruf ausüben. Das Versorgungswerk der Architektenkammer hat durch schriftliche Erklärung vom 23.07.2013 bestätigt, dass die Klägerin weiterhin kraft Gesetzes Mitglied des Versorgungswerkes ist.

Für die Berufsgruppe der Architekten bestand in Nordrhein-Westfalen bereits vor dem 01.01.1995 aufgrund des BauKaG NRW eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer. Ferner sind einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen, da in § 21 der Satzung für das Versorgungswerk der Architektenkammer NRW geregelt ist, dass angestellte Architekten, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI von der Angestelltenversicherungspflicht befreit sind, Versorgungsabgaben in Höhe der für sie ohne die Befreiung maßgebenden Beiträge zur Angestelltenversicherung zahlen. Schließlich gewährt das Versorgungswerk nach § 8 der Satzung den Mitgliedern und den Hinterbliebenen aufgrund der Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters und Hinterbliebenenrente.

Der Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht setzt nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI zudem voraus, dass die Pflichtmitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung und in der berufsständischen Kammer gerade wegen der Beschäftigung besteht, auf die sich der Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht bezieht. Dies ist anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen zu prüfen. Dabei kommt es nicht auf die abstrakte berufliche Qualifikation des Beschäftigten an, sondern maßgeblich ist die Qualifikation der konkreten Tätigkeit, für welche die Befreiung begehrt wird (vgl ... BSG vom 31.10.2012, B 12 R 3/11 R Rn. 34). Daraus ergibt sich, dass das Recht zur Befreiung von der Versicherungspflicht nur solchen Personen zusteht, die eine berufsspezifische, d.h. eine für den in der jeweiligen Versicherungs- und Versorgungseinrichtung pflichtversicherten Personenkreis typische Berufstätigkeit im Beschäftigungsverhältnis oder selbständig ausüben (vgl. Hessisches LSG vom 06.02.2014, L 1 KR 8/13; SG Berlin vom 25.01.2016, S 10 R 3345/14). Das bedeutet zugleich, dass die Befreiungsmöglichkeit nicht für Personen besteht, die zwar Pflichtmitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, jedoch einer berufsfremden Tätigkeit nachgehen.

Unter Heranziehung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin seit dem 01.06.2013 bei der Beigeladenen eine für den in der Versorgungseinrichtung der Architektenkammer pflichtversicherten Personenkreis typische Berufstätigkeit im Beschäftigungsverhältnis ausübt. Dabei war für die Kammer nicht entscheidend, dass eine entsprechende Bestätigung seitens des Versorgungswerks der Architektenkammer NRW vorliegt, da eine von der Versorgungseinrichtung vorgenommene Bewertung weder den Rentenversicherungsträger noch die Gerichte bindet (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 01.03.2011, L 11 R 4872/09).

Die Klägerin ist wegen ihrer seit dem 01.06.2013 ausgeübten Tätigkeit Pflichtmitglied der Versorgungseinrichtung der Architektenkammer NRW. Während in der Satzung des Versorgungswerkes der Architektenkammer NRW lediglich geregelt ist, dass versicherungspflichtige Mitglieder des Versorgungswerkes alle Mitglieder der Architektenkammer NRW sind, die berufsfähig sind und ihren Beruf ausüben, ergeben sich aus dem BauKaG NRW die berufstypischen Aufgaben eines Architekten. Nach § 2 Abs. 1 BauKaG darf die Berufsbezeichnung "Architekt" nur führen, wer in die von der Architektenkammer geführte Architektenliste der jeweiligen Fachrichtung eingetragen ist oder wem eine Sonderberechtigung nach § 7 BauKaG NRW zusteht. In die Architektenliste sind nach § 4 Abs. 1 BauKaG NRW u.a. Personen einzutragen, die ein Studium mit einer mindestens 4-jährigen Regelstudienzeit für eine der in § 1 Abs. 1 – 4 genannten Berufsaufgaben an einer deutschen Hochschule abgeschlossen und danach in ihrer Fachrichtung eine praktische Tätigkeit für die Dauer von zwei Jahren vollzeitlich ausgeübt haben, in deren Verlauf praktische Kenntnisse und Fertigkeiten in den wesentlichen Teilen der Berufsaufgaben nach § 1 erworben worden sind. Nach § 1 Abs. 1 BauKaG NRW ist Berufsaufgabe der Architekten und Architektinnen die gestaltende, technische, energetische, wirtschaftliche, ökologische und soziale Planung von Bauwerken. Zu den Berufsaufgaben gehören nach § 1 Abs. 5 Satz 1 BauKaG NRW die Beratung, Betreuung und Vertretung des Auftraggebers in den mit der Planung und Ausführung eines Vorhabens zusammenhängenden Angelegenheiten sowie die Überwachung der Ausführung. Zu den Berufsaufgaben können zudem gemäß § 1 Abs. 5 Satz 2 BauKaG NRW Dienstleistungen bei der Vorbereitung und Steuerung von Planungs- und Baumaßnahmen und bei der Nutzung von Bauwerken und die Wahrnehmung von sicherheits- und gesundheitstechnischen Belangen gehören. Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass eine Tätigkeit, in deren Rahmen die in § 1 Abs. 1 und Abs. 5 BauKaG NRW beschriebenen Berufsaufgaben wahrzunehmen sind, eine architektentypische Berufstätigkeit darstellt, die Versicherungspflicht in der Architektenkammer und im Versorgungswerk der Architektenkammer NRW begründet.

Die Klägerin übt seit dem 01.06.2013 eine in diesem Sinne architektentypische Berufstätigkeit bei der Beigeladenen aus. Die Klägerin war seit dem 01.09.2013 als Leiterin eines Projektes tätig, das ausgerichtet ist auf eine strategische Zusammenarbeit der Beigeladenen mit dem Einzelhandelsunternehmen Rewe im Bereich der Tankstellenshops. Im Hinblick darauf, dass die Tätigkeit der Klägerin in dem Zeitraum vom 01.06.2013 bis zum 31.08.2013 ausschließlich der Vorbereitung dieses Projektes diente, handelt es sich um eine einheitlich zu bewertende Tätigkeit. Da eine Integration des Einzelhandelsunternehmens Rewe in die bestehenden gesellschaftseigenen Tankstellenshops der Beigeladenen erhebliche Umbauarbeiten an den bestehenden Tankstellengebäuden einschließlich einer Nutzungsänderung erfordern, liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin in der gestaltenden und technischen Planung der erforderlichen Baumaßnahmen an den bestehenden Bauwerken einschließlich der Zufahrtswege. Die Klägerin hat die insoweit notwendigen erheblichen Baumaßnahmen anschaulich beschrieben, indem sie ausgeführt hat, dass die Integration der Firma Rewe mit einer erheblichen Vergrößerung des Warenangebotes und damit des Raumangebotes in den Tankstellenshops, mit der Einrichtung von Bistrozonen, in denen erstmals auch heiße Speisen angeboten werden, mit der Einrichtung von Tiefkühlzellen und Absauganlagen, mit der Neugestaltung der Kassenbereiche und der sanitären Einrichtungen, mit der Schaffung größerer Lagerkapazitäten und der Neukonzipierung der Anfahrtswege für die Belieferung der Tankstellenshops verbunden ist, deren Planung der Klägerin obliegt. Der Gesamtumfang der erforderlichen planerischen Aufgaben ergibt sich daraus, dass entsprechende Baumaßnahmen an allen ca.1.250 Tankstellen durchgeführt werden sollen, die im Eigentum der Beigeladenen stehen. Die Beigeladene hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass in einer Pilotphase zunächst 10 Tankstellen umgebaut worden seien und dass es eine besondere Herausforderung gewesen sei, die Ergebnisse der Pilotprojekte auf das gesamte Tankstellennetz mit ca.1.250 Tankstellen zu übertragen, da das Tankstellennetz in früheren Jahren von mehreren Mineralölgesellschaften übernommen worden sei, so dass sich eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Tankstellentypen angesammelt habe. In diesem Zusammenhang sei die technische Planung und die Bewertung durch die Klägerin, ob bestimmte bauliche Veränderungen machbar seien, von besonderer Wichtigkeit und Bedeutung gewesen. Insoweit handelt es sich um Aufgaben, die nach § 1 Abs. 1 BauKaG NRW ausdrücklich zu den Berufsaufgaben einer Architektin gehören und in jeder Hinsicht berufstypisch sind.

Zu den Aufgaben der Klägerin gehört nicht nur, die technische Planung der Umbaumaßnahmen durchzuführen, sondern auch die insoweit erforderlichen Kosten und das Investitionsvolumen zu ermitteln. Auch die wirtschaftliche Planung von Bauwerken und baulichen Veränderungen ist nach § 1 Abs. 1 BauKaG NRW eine der Architektentätigkeit immanente Aufgabe. Der Umstand, dass die Tätigkeit der Klägerin in eine der Bauausführung vorgelagerte Phase der Planung und Rentabilitätsprüfung der strategischen Zusammenarbeit der Beigeladenen mit der Firma Rewe angesiedelt und in diesem Sinne in ein Projekt eingebunden ist, führt nicht dazu, dass die von der Klägerin wahrzunehmenden Aufgaben nicht berufstypische Aufgaben einer Architektin sind. Bis zur Entscheidung der Beigeladenen Ende 2015, die strategische Zusammenarbeit mit der Firma Rewe durchzuführen, stand die technische und wirtschaftliche Planung der notwendigen Baumaßnahmen, die Erarbeitung eines Konzeptes und die Beratung der Beigeladenen hinsichtlich der tatsächlichen und wirtschaftlichen Darstellbarkeit der Zusammenarbeit mit dem Einzelhandelsunternehmen im Vordergrund. Zu den Berufsaufgaben einer Architektin gehört nach § 1 Abs. 5 Satz 1 BauKaG NRW auch die Beratung und Betreuung des Auftraggebers in den mit der Planung eines Vorhabens zusammenhängenden Angelegenheiten. Ferner sind Dienstleistungen bei der Vorbereitung und Steuerung von Planungs- und Baumaßnahmen nach § 1 Abs. 5 Satz 2 BauKaG NRW typische Berufsaufgaben einer Architektin.

Nachdem die Konzernleitung der Beigeladenen Ende 2015 die Zusammenarbeit mit der Firma Rewe und die Durchführung der Baumaßnahmen beschlossen hat, liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin seit dem in der Beratung und Betreuung des Auftraggebers in der mit der Ausführung des Vorhabens zusammenhängenden Angelegenheiten sowie der Überwachung der Ausführung, da die eigentliche Bauausführung nach Angaben der Klägerin von der Bauabteilung der Beigeladenen durchgeführt wird. Auch die Aufgabenbereiche der Beratung in der Bauausführung und der Überwachung der Bauausführung wird in § 1 Abs. 5 Satz 1 BauKaG NRW als Berufsaufgabe der Architekten definiert. Zudem hat die Klägerin angegeben, dass sie teilweise in die Genehmigungsverfahren bei den notwendigen Nutzungsänderungen unmittelbar eingebunden ist, da es sich insoweit um für die Durchführung der Baumaßnahmen besonders wichtige Angelegenheiten handelt, so dass sie die entsprechenden Leistungsphasen 4 und 5 der HOAI teilweise selbst übernimmt. Die Beigeladene hat zudem hervorgehoben, dass für sie die Einbeziehung und Berücksichtigung aller Sicherheitsaspekte durch die Klägerin von besonderer Bedeutung sei, und zwar sowohl der Sicherheitsaspekte bezogen auf die Kunden als auch bezogen auf die eigenen Mitarbeiter. Auch die Wahrnehmung der sicherheits- und gesundheitstechnischen Belange gehört nach § 1 Abs. 5 Satz 2 BauKaG NRW zu den Berufsaufgaben einer Architektin.

Nach alledem steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin seit dem 01.06.2013 für die Beigeladene eine Tätigkeit ausübt, die berufstypische Aufgaben einer Architektin beinhaltet und wegen der Pflichtmitgliedschaft in der Architektenkammer NRW und in der Versorgungseinrichtung der Architektenkammer NRW besteht.

Soweit die Beklagte die Auffassung vertreten hat, aufgrund der in der Stellenausschreibung vorgesehenen Möglichkeit, dass sich Bewerber mit einem anderen abgeschlossenen Studium als einem Architekturstudium, nämlich mit einem BWL-Hochschul- oder Fachhochschulstudium oder mit einem anderen Studium der Ingenieurwissenschaften auf die Stelle bewerben können, sei es ausgeschlossen, von einer berufstypischen Architektentätigkeit auszugehen, steht dem schon entgegen, dass es in rechtlicher Hinsicht nicht auf die Beschreibung einer Tätigkeit in einer Stellenausschreibung ankommt, sondern auf den tatsächlichen Inhalt der konkret ausgeübten Tätigkeit (vgl. BSG vom 31.10.2012, B 12 R 3/11 R; BSG vom 22.10.1998, B 5/4 RA 80/97 R). Insoweit kann einer Tätigkeitsbeschreibung in einer Stellenausschreibung und dem darin enthaltenen Anforderungsprofil einschließlich der dort geforderten beruflichen Ausbildung allenfalls eine Indizwirkung in dem Sinne beigemessen werden, dass die nach Stellenbesetzung ausgeübte Tätigkeit der beschriebenen Tätigkeit entspricht und dass die Tätigkeit Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzt, die in der geforderten beruflichen Ausbildung erworben werden. Entscheidend für den Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ist, dass die Klägerin nach Besetzung der Stelle eine Tätigkeit ausübt, die in jeder Hinsicht eine berufstypische Architektentätigkeit darstellt. Insoweit kommt der Beschreibung des Tätigkeitsinhaltes im Rahmen der Anhörung durch die Klägerin und die Beigeladene ein deutlich höherer Beweiswert bei als einer Stellenbeschreibung vor Besetzung der Stelle.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Besetzung einer leitenden Stelle um einen Entscheidungsprozess handelt, an dessen Ende nicht selten die Entscheidung für einen Bewerber bzw. eine Bewerberin mit einer beruflichen Qualifikation, beruflichen Erfahrungen oder persönlichen Qualifikationen steht, die nicht in jeder Hinsicht dem vorher entwickelten Anforderungsprofil entspricht. Auch dies spricht dafür, die Prüfung der Voraussetzungen des Befreiungsanspruchs nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht – wie von der Beklagten vorgenommen - auf die Beschreibung und Auswertung der Stellenausschreibung und die Bewertung der darin enthaltenen beruflichen Qualifikation zu beschränken. Die Beigeladene hat für das Gericht nachvollziehbar ihren Entscheidungsprozess dahingehend beschrieben, dass sich die Klägerin gerade aufgrund ihrer Qualifikation der Klägerin als Architektin im Bewerbungsverfahren gegenüber anderen Bewerbern durchgesetzt habe. Man sei zu der Erkenntnis gekommen, dass die berufliche Qualifikation der KlägerinP als Architektin die Gewähr dafür biete, dass die notwendigen Planungen und Bewertungen aller anstehenden baulichen Veränderungen im Bereich der ca. 1.250 Tankstellen und die notwendige Beurteilung aller Sicherheitsaspekte in den baulichen Angelegenheiten von ihr vorgenommen werden könnten. Daher sei man zu der Überzeugung gelangt, dass es von besonderer Bedeutung und Wichtigkeit sei, eine Architektin mit der Leitung des Projektes zu beauftragen.

Soweit die Beklagte die Auffassung vertreten hat, eine berufstypische Tätigkeit könne nur dann in Betracht kommen, wenn eine Hochschulausbildung als Architektin "zwingend erforderlich" bzw. "zwingend vorausgesetzt" in dem Sinne sei, dass jede andere Qualifikation nicht denkbar sei, ergibt sich diese Voraussetzung nicht aus § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI (ebenso Hessisches LSG vom 06.02.2014, L 1 KR 8/13). Zudem lässt diese Sichtweise außer Betracht, dass es außer im Bereich der öffentlichen Verwaltung bei Personalentscheidungen häufig keine zwingenden Vorgaben gibt und es durchaus wesensverwandte Berufe mit sich weit entsprechenden Ausbildungsinhalten bzw. Tätigkeitsprofilen gibt (vgl. für die Berufe des Architekten und des Bauingenieurs: SG Duisburg vom 18.01.2013, S 37 R 777/11). Dementsprechend hat die Beigeladene darauf hingewiesen, dass auch bei der Besetzung der Projektleiterstelle ein abgeschlossenes Architekturstudium für sie zwar von besonderer Bedeutung und Wichtigkeit gewesen, aber keine zwingende Einstellungsvoraussetzung in dem Sinne gewesen sei, dass ein Bewerber mit einer anderen Qualifikation keinesfalls hätte genommen werden können. Dann hätte man für zahlreiche zu beurteilende Fragestellungen anderes Personal oder externe Dienstleister heranziehen müssen. Der Beigeladenen wäre dies deshalb möglich gewesen, da sie über zahlreiche Fachabteilungen, insbesondere über eine eigene Bauabteilung mit entsprechendem Fachpersonal verfügt.

Die Befreiung von der Versicherungspflicht beginnt nach § 6 Abs. 4 SGB VI grundsätzlich mit dem Zeitpunkt der erstmaligen Erfüllung aller notwendigen Befreiungsvoraussetzungen, zu denen die Aufnahme der Beschäftigung bei der Beigeladenen und nach § 6 Abs. 2 SGB VI auch der Befreiungsantrag gehört. Da die Klägerin das Beschäftigungsverhältnis bei der Beigeladenen zum 01.06.2013 aufgenommen hat und bei Eingang des Befreiungsantrages am 24.07.2013 die übrigen Voraussetzungen für die Befreiung noch nicht länger als 3 Monate vorlagen, wirkt der Antrag auf den Zeitpunkt der erstmaligen Erfüllung aller übrigen Befreiungsvoraussetzungen, d.h. auf den 01.06. 2013 zurück (§ 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich insoweit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, erschien es nicht gerechtfertigt, der Beklagten die Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.
Rechtskraft
Aus
Saved