Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
24
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 1 KA 66/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KA 38/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungs-verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst zu tragen haben, Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf jeweils 30.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Im Streit steht, ob eine Arztstelle bei der Klägerin erloschen ist.
Die Klägerin betreibt eine Poliklinik und ist eine Einrichtung nach § 311 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in R. Sie beantragte im März 2013 das Ruhen eines Vertragsarztsitzes bei ihr für zwei Jahre wegen Erkrankung der angestellten Ärztin. Der Zulassungsausschuss für Ärzte für das Land Brandenburg bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (Zulassungsausschuss) genehmigte mit Beschluss vom 24. April 2013 das Ruhen bis zum 23. Januar 2015.
Mit am 18. Juni 2013 eingegangenen Schreiben teilte die Klägerin mit, dass die Ärztin seit 1. Juni 2013 nicht mehr beschäftigt sei.
Der Zulassungsausschuss beschloss daraufhin am 14. August 2013:
Die Anstellung von Frau Dipl. Med. A S als Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten an der Poliklinik R in R, S 82/83, endete mit Ablauf des 31.05.2013.
Die Poliklinik R in R, S , erhält in analoger Anwendung des § 95 Abs. 6 SGB V die Möglichkeit, bis zum 01.12.2013 die Arztstelle von Frau Dipl. Med. A S (Anrechnungsfaktor 1,0) nach zu besetzen.
Liegt bis zu diesem Termin kein Antrag auf Anstellung eines Arztes im Rahmen der Nachbesetzung der Arztstelle von Frau Dipl. Med. A S vor, erlischt diese Arztstelle ganz oder teilweise, ohne dass es eines weiteren Beschlusses des Zulassungs-ausschusses bedarf.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Der Beklagte, der Berufungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, wies den Widerspruch mit Beschluss vom 18. März 2013 als unbegründet zurück (Zustellung: 28. Mai 2014). Seiner Auffassung nach sei die von der Klägerin für offen gehaltene Rechtsfrage, ob die Entscheidung des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 19. Oktober 2011 (– B 6 KA 23/11 R –; BSG 109, 182) zur analogen Anwendung des § 95 Abs. 6 Satz 3 SGB V auch für eine Einrichtung nach § 311 Abs. 2 SGB V gelte, zu bejahen.
Hiergegen hat die Klägerin am 25. Juni 2014 Klage beim Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben. Sie hat die Feststellung beantragt, dass die frei gewordene Vertragsarztstelle nicht erloschen sei, sowie hilfsweise, den Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung zur Neubescheidung zu verurteilen. Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 Satz 1 SGB V genössen Bestandsschutz. Auf sie seien die Vorschriften für medizinische Versorgungszentren (MVZ) nur analog anzuwenden. Nach § 103 Abs. 4 a Satz 5 SGB V (damalige Fassung) analog habe ihr der Beklagte eine zeitlich unbegrenzte Möglichkeit zur Nachbesetzung einräumen müssen.
Das SG hat mit Urteil vom 1. Juli 2015 die Klage abgewiesen. Zu Recht habe der Zulassungsausschuss eine Nachfrist zur Besetzung der frei gewordenen Arztstelle von sechs Monaten gesetzt. Aus Gründen der Gleichbehandlung sei auch bei einer § 311er-Einrichtung die Regelung des § 103 Abs. 4 a Satz 3 i. V. m. § 95 Abs. 6 SGB V analog anzuwenden. Bei § 311 Abs. 2 SGB V handele es sich nach den Gesetzesmaterialien um eine Besitzstandsregelung. Anders als bei MVZ sei es nicht nötig, dass die Einrichtung fachübergreifend tätig sei. Die Gleichbehandlung mit MVZs sei sachgerecht, weil die Einrichtungen in den wesentlichen Strukturen den MVZ entsprächen, nämlich der Leistungserbringung durch angestellte Ärzte. Seit dem 1. Januar 2004 seien diesen über die genannte Privilegierung hinaus keine Sonderregelungen mehr zugestanden. § 103 Abs. 4 a SGB V sei deshalb entsprechend anzuwenden. Soweit dort eine Nachbesetzungsfrist nicht ausdrücklich geregelt sei, schließe sich das SG der Auffassung des BSG an.
Gegen dieses am 17. Juli 2015 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 11. August 2015. Zur Berufungsbegründung hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Aufgrund ihrer Privilegierung als Einrichtung nach § 311 Abs. 2 SGB V stehe ihr ein unbegrenztes Recht zu, Stellen nach zu besetzen. Im Übrigen gebe es auch für MVZs keine zwingende gesetzliche Frist zur Nachbesetzung.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich:
Unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Potsdam vom 1. Juli 2015 wird der Beschluss des Beklagten vom 18. März 2015 aufgehoben, insoweit das Erlöschen der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung mit einem Anrechnungsfaktor 1,0 auf dem Gebiet der Haut- und Geschlechtskrankheiten festgestellt worden ist,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, über den Widerspruch unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Sie regt vorsorglich an, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Alle Beteiligten haben hierzu ihr Einverständnis erteilt, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zulässig, jedoch im Haupt- wie im Hilfsantrag unbegründet.
Alleiniger Streitgegenstand ist der Bescheid des Berufungsausschusses. Mit Anrufung des Beklagten als Berufungsausschuss war der Zulassungsausschuss nicht mehr zur Beschlussfassung und Entscheidung in der Zulassungssache funktionell zuständig. Die materiell-rechtliche Befugnis zur Bescheiderteilung war mit diesem Zeitpunkt in die ausschließliche funktionelle Zuständigkeit des Beklagten übergegangen. § 95 SGG findet in den Zulassungssachen der §§ 96, 97 SGB V keine Anwendung. Das nach Anrufung des Berufungsausschusses im Sinne des § 96 Abs. 4 SGB V durchzuführende Verfahren vor dem Berufungsausschuss ist kein Vorverfahren im Sinne des § 95 SGG (so bereits Urteil des Senats vom 26. Februar 2016 – L 24 KA 68/14 – juris-Rdnr. 23 mit Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 27. Januar 1993 – 6 RKa 40/91 – juris Rdnr. 13 und weiteren Nachweisen).
Die Klage ist im Hauptantrag als Kombination aus Anfechtungsklage und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 S. 1, 1. Alt, 55 Nr. 1 SGG) zulässig. Die Genehmigung der Anstellung eines- konkret benannten- Arztes in einer Einrichtung nach § 311 SGB V in einem Planungsbereich mit Überversorgung richtet sich nach § 95 Abs. 2 Satz 8 SGB V i. V. m. §§ 311 Abs. 2 Satz 2, 103 Abs. 4 a Satz 3 SGB V. Da die Klägerin keine konkret anzustellende Ärztin bzw. keinen Arzt benannt hat, scheidet ein Verpflichtungsbegehren (§ 54 Abs. 1 S. 1, 2. Alt SGG) auf Genehmigung nach § 95 Abs. 2 Satz 8 SGB V allerdings aus. Subsidiär ist die Feststellungsklage statthaft: Die Klägerin will geklärt haben, ob sie die Stelle auch nach Ablauf der sechs Monate besetzen kann.
Die Klage ist im Hauptantrag aber unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Dem hier geltend gemachten allgemeinen Feststellungsanspruch steht die durch den Beschluss des ZA rechtsgestaltend ausgesprochene Erlöschen der Zulassung entgegen, nachdem die auflösende Bedingung der Verfügung, dass spätestens bis zum genannten Stichtag ein auf eine konkrete Person gestellter Antrag vorliegen müsse, nicht eingetreten ist.
Nach § 311 Abs. 2 SGB V in der durch das Gesetz vom 14. November 2003 mit Wirkung der vom 1. Januar 2004 eingeführten Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV Modernisierungsgesetz GMG) werden u. a. Polikliniken gesetzlich in dem Umfang, in welchem sie zum Stichtag 31. Dezember 2003 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen waren, auch weiterhin zugelassen. Die Rechte der Einrichtungen bestimmen sich nach der ausdrücklichen Regelung des Gesetzes nach den Regelungen für medizinische Versorgungszentren entsprechend, § 311 Abs. 2 S. 2 SGB V. Der Senat hält diese Gleichbehandlung mit MVZs für sachgerecht. Die wesentliche Struktur, nämlich die Durchführung der ärztlichen Leistungen durch angestellte Ärzte, ist bei beiden Einrichtungstypen identisch (vgl. BT Drucksache 15/1525 Seite 169). Auch der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG, wonach das Recht auf Nachbesetzung einer Stelle gemäß § 103 Abs. 4 a Satz 5 SGB V alte Fassung bzw. § 103 Abs. 4 a S. 3 SGB V in ab 1. Januar 2012 geltenden, durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV Versorgungsstrukturgesetz – GKV VStG - vom 22. Dezember 2011) eingeführten Fassung, nur für eine begrenzte Zeit nach dem Freiwerden der Stelle bestehen kann. Als Frist, binnen derer die Nachbesetzung noch möglich ist, ist von (maximal) sechs Monaten auszugehen. Dies ergibt sich in Anlehnung an die in § 95 Abs. 6 S. 3 SGB V bestimmte Sechs Monats Frist. Zwar steht diese Regelung insofern in einem anderen Kontext, als dort bestimmt wird, wann einem MVZ die Zulassung zu entziehen ist, bei dem die Gründungsvoraussetzungen durch Ausscheiden eines Arztes weggefallen sind. Diese Vorschrift bietet aber einen geeigneten Anknüpfungspunkt, da sie speziell medizinische Versorgungszentren betrifft. Sie zeigt, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die Zielvorgabe, ein "Ausbluten" von medizinischen Versorgungszentren zu verhindern und diesen auch sonst einen möglichst breiten Aktionsrahmen mit möglichst wenig Hindernissen einzuräumen, für eine Wiederbesetzung nach einem Personalausfall dennoch eine Toleranzgrenze bei sechs Monaten zieht. Diese Grenze ist entsprechend auf Nachbesetzungen zu übertragen (BSG, Beschluss vom 14. Mai 2014 – B 6 KA 67/13 B – Rdnr.9 mit Bezugnahme auf die von den hiesigen Beteiligten übereinstimmend angeführte Entscheidung durch Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 6 KA 23/11 R – BSGE 109, 182 Rdnr. 23).
Auch wenn eine Poliklinik als Einrichtung nach § 311 Abs. 2 SGB V keiner Zulassung bedarf, sondern aus Überleitungsgründen als zugelassen gilt, ist nach dem Gesetzeswortlaut § 311 Abs. 2 Satz 2 SGB V auch für sie anzuwenden. Soweit die Klägerin noch weitergehender andeuten will, eine solche Einrichtung sei noch freier als ein MVZ, findet sich hierfür im Gesetz keine Stütze. § 95 Abs. 6 Satz 1 gilt nicht nur für MVZ, sondern auch für eine Poliklinik. Ein längeres Offenhalten einer Arztstelle durch ein MVZ über sechs Monate hinaus liefe nicht nur dem Ziel des Abbaus von Überversorgung im gesperrten Planungsbereich zuwider, sondern wäre auch aus Sicht sachgerechter Bedarfsplanung sowie realitätsnaher Berechnung des Versorgungsgrades schwerlich tolerabel (BSG, a. a. O., Rdnr. 24). Mit der Beigeladenen hält der Senat dieses Argument auch für Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V für überzeugend.
Der Hilfsantrag ist unbegründet. Da eine Nachbesetzung nicht mehr möglich ist, steht dem Beklagten insoweit auch kein Ermessen zu.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197 a SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor. Dass die Vorschriften für MVZs nach § 311 Abs. 2 S. 2 SGB V auch für die Poliklinik der Klägerin gilt, ist eindeutig.
Der Beschluss zur Streitwertfestsetzung, der unanfechtbar ist, beruht auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Für Zulassungsstreitigkeiten ist vom Regelstreitwert pro Quartal für drei Jahre in Anwendung der Nr. 16.1 des Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit (5. Aufl. 2017 [Stand: März 2017], Überarbeitung des von der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Landessozialgerichte am 16. Mai 2006 auf Vorschlag des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz beschlossenen Streitwertkatalogs 2006) auszugehen (vgl. auch Schriftsatz der Klägerin vom 24. Juni 2014). Eine Reduzierung um die Hälfte im Hinblick auf den konkreten Streitgegenstand bloßer Feststellung erscheint sachgerecht. Die Abänderung der Streitwertfestsetzung für die erste Instanz folgt aus § 63 Abs. 3 GKG.
Tatbestand:
Im Streit steht, ob eine Arztstelle bei der Klägerin erloschen ist.
Die Klägerin betreibt eine Poliklinik und ist eine Einrichtung nach § 311 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in R. Sie beantragte im März 2013 das Ruhen eines Vertragsarztsitzes bei ihr für zwei Jahre wegen Erkrankung der angestellten Ärztin. Der Zulassungsausschuss für Ärzte für das Land Brandenburg bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (Zulassungsausschuss) genehmigte mit Beschluss vom 24. April 2013 das Ruhen bis zum 23. Januar 2015.
Mit am 18. Juni 2013 eingegangenen Schreiben teilte die Klägerin mit, dass die Ärztin seit 1. Juni 2013 nicht mehr beschäftigt sei.
Der Zulassungsausschuss beschloss daraufhin am 14. August 2013:
Die Anstellung von Frau Dipl. Med. A S als Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten an der Poliklinik R in R, S 82/83, endete mit Ablauf des 31.05.2013.
Die Poliklinik R in R, S , erhält in analoger Anwendung des § 95 Abs. 6 SGB V die Möglichkeit, bis zum 01.12.2013 die Arztstelle von Frau Dipl. Med. A S (Anrechnungsfaktor 1,0) nach zu besetzen.
Liegt bis zu diesem Termin kein Antrag auf Anstellung eines Arztes im Rahmen der Nachbesetzung der Arztstelle von Frau Dipl. Med. A S vor, erlischt diese Arztstelle ganz oder teilweise, ohne dass es eines weiteren Beschlusses des Zulassungs-ausschusses bedarf.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Der Beklagte, der Berufungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, wies den Widerspruch mit Beschluss vom 18. März 2013 als unbegründet zurück (Zustellung: 28. Mai 2014). Seiner Auffassung nach sei die von der Klägerin für offen gehaltene Rechtsfrage, ob die Entscheidung des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 19. Oktober 2011 (– B 6 KA 23/11 R –; BSG 109, 182) zur analogen Anwendung des § 95 Abs. 6 Satz 3 SGB V auch für eine Einrichtung nach § 311 Abs. 2 SGB V gelte, zu bejahen.
Hiergegen hat die Klägerin am 25. Juni 2014 Klage beim Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben. Sie hat die Feststellung beantragt, dass die frei gewordene Vertragsarztstelle nicht erloschen sei, sowie hilfsweise, den Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung zur Neubescheidung zu verurteilen. Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 Satz 1 SGB V genössen Bestandsschutz. Auf sie seien die Vorschriften für medizinische Versorgungszentren (MVZ) nur analog anzuwenden. Nach § 103 Abs. 4 a Satz 5 SGB V (damalige Fassung) analog habe ihr der Beklagte eine zeitlich unbegrenzte Möglichkeit zur Nachbesetzung einräumen müssen.
Das SG hat mit Urteil vom 1. Juli 2015 die Klage abgewiesen. Zu Recht habe der Zulassungsausschuss eine Nachfrist zur Besetzung der frei gewordenen Arztstelle von sechs Monaten gesetzt. Aus Gründen der Gleichbehandlung sei auch bei einer § 311er-Einrichtung die Regelung des § 103 Abs. 4 a Satz 3 i. V. m. § 95 Abs. 6 SGB V analog anzuwenden. Bei § 311 Abs. 2 SGB V handele es sich nach den Gesetzesmaterialien um eine Besitzstandsregelung. Anders als bei MVZ sei es nicht nötig, dass die Einrichtung fachübergreifend tätig sei. Die Gleichbehandlung mit MVZs sei sachgerecht, weil die Einrichtungen in den wesentlichen Strukturen den MVZ entsprächen, nämlich der Leistungserbringung durch angestellte Ärzte. Seit dem 1. Januar 2004 seien diesen über die genannte Privilegierung hinaus keine Sonderregelungen mehr zugestanden. § 103 Abs. 4 a SGB V sei deshalb entsprechend anzuwenden. Soweit dort eine Nachbesetzungsfrist nicht ausdrücklich geregelt sei, schließe sich das SG der Auffassung des BSG an.
Gegen dieses am 17. Juli 2015 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 11. August 2015. Zur Berufungsbegründung hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Aufgrund ihrer Privilegierung als Einrichtung nach § 311 Abs. 2 SGB V stehe ihr ein unbegrenztes Recht zu, Stellen nach zu besetzen. Im Übrigen gebe es auch für MVZs keine zwingende gesetzliche Frist zur Nachbesetzung.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich:
Unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Potsdam vom 1. Juli 2015 wird der Beschluss des Beklagten vom 18. März 2015 aufgehoben, insoweit das Erlöschen der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung mit einem Anrechnungsfaktor 1,0 auf dem Gebiet der Haut- und Geschlechtskrankheiten festgestellt worden ist,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, über den Widerspruch unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Sie regt vorsorglich an, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Alle Beteiligten haben hierzu ihr Einverständnis erteilt, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zulässig, jedoch im Haupt- wie im Hilfsantrag unbegründet.
Alleiniger Streitgegenstand ist der Bescheid des Berufungsausschusses. Mit Anrufung des Beklagten als Berufungsausschuss war der Zulassungsausschuss nicht mehr zur Beschlussfassung und Entscheidung in der Zulassungssache funktionell zuständig. Die materiell-rechtliche Befugnis zur Bescheiderteilung war mit diesem Zeitpunkt in die ausschließliche funktionelle Zuständigkeit des Beklagten übergegangen. § 95 SGG findet in den Zulassungssachen der §§ 96, 97 SGB V keine Anwendung. Das nach Anrufung des Berufungsausschusses im Sinne des § 96 Abs. 4 SGB V durchzuführende Verfahren vor dem Berufungsausschuss ist kein Vorverfahren im Sinne des § 95 SGG (so bereits Urteil des Senats vom 26. Februar 2016 – L 24 KA 68/14 – juris-Rdnr. 23 mit Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 27. Januar 1993 – 6 RKa 40/91 – juris Rdnr. 13 und weiteren Nachweisen).
Die Klage ist im Hauptantrag als Kombination aus Anfechtungsklage und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 S. 1, 1. Alt, 55 Nr. 1 SGG) zulässig. Die Genehmigung der Anstellung eines- konkret benannten- Arztes in einer Einrichtung nach § 311 SGB V in einem Planungsbereich mit Überversorgung richtet sich nach § 95 Abs. 2 Satz 8 SGB V i. V. m. §§ 311 Abs. 2 Satz 2, 103 Abs. 4 a Satz 3 SGB V. Da die Klägerin keine konkret anzustellende Ärztin bzw. keinen Arzt benannt hat, scheidet ein Verpflichtungsbegehren (§ 54 Abs. 1 S. 1, 2. Alt SGG) auf Genehmigung nach § 95 Abs. 2 Satz 8 SGB V allerdings aus. Subsidiär ist die Feststellungsklage statthaft: Die Klägerin will geklärt haben, ob sie die Stelle auch nach Ablauf der sechs Monate besetzen kann.
Die Klage ist im Hauptantrag aber unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Dem hier geltend gemachten allgemeinen Feststellungsanspruch steht die durch den Beschluss des ZA rechtsgestaltend ausgesprochene Erlöschen der Zulassung entgegen, nachdem die auflösende Bedingung der Verfügung, dass spätestens bis zum genannten Stichtag ein auf eine konkrete Person gestellter Antrag vorliegen müsse, nicht eingetreten ist.
Nach § 311 Abs. 2 SGB V in der durch das Gesetz vom 14. November 2003 mit Wirkung der vom 1. Januar 2004 eingeführten Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV Modernisierungsgesetz GMG) werden u. a. Polikliniken gesetzlich in dem Umfang, in welchem sie zum Stichtag 31. Dezember 2003 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen waren, auch weiterhin zugelassen. Die Rechte der Einrichtungen bestimmen sich nach der ausdrücklichen Regelung des Gesetzes nach den Regelungen für medizinische Versorgungszentren entsprechend, § 311 Abs. 2 S. 2 SGB V. Der Senat hält diese Gleichbehandlung mit MVZs für sachgerecht. Die wesentliche Struktur, nämlich die Durchführung der ärztlichen Leistungen durch angestellte Ärzte, ist bei beiden Einrichtungstypen identisch (vgl. BT Drucksache 15/1525 Seite 169). Auch der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG, wonach das Recht auf Nachbesetzung einer Stelle gemäß § 103 Abs. 4 a Satz 5 SGB V alte Fassung bzw. § 103 Abs. 4 a S. 3 SGB V in ab 1. Januar 2012 geltenden, durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV Versorgungsstrukturgesetz – GKV VStG - vom 22. Dezember 2011) eingeführten Fassung, nur für eine begrenzte Zeit nach dem Freiwerden der Stelle bestehen kann. Als Frist, binnen derer die Nachbesetzung noch möglich ist, ist von (maximal) sechs Monaten auszugehen. Dies ergibt sich in Anlehnung an die in § 95 Abs. 6 S. 3 SGB V bestimmte Sechs Monats Frist. Zwar steht diese Regelung insofern in einem anderen Kontext, als dort bestimmt wird, wann einem MVZ die Zulassung zu entziehen ist, bei dem die Gründungsvoraussetzungen durch Ausscheiden eines Arztes weggefallen sind. Diese Vorschrift bietet aber einen geeigneten Anknüpfungspunkt, da sie speziell medizinische Versorgungszentren betrifft. Sie zeigt, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die Zielvorgabe, ein "Ausbluten" von medizinischen Versorgungszentren zu verhindern und diesen auch sonst einen möglichst breiten Aktionsrahmen mit möglichst wenig Hindernissen einzuräumen, für eine Wiederbesetzung nach einem Personalausfall dennoch eine Toleranzgrenze bei sechs Monaten zieht. Diese Grenze ist entsprechend auf Nachbesetzungen zu übertragen (BSG, Beschluss vom 14. Mai 2014 – B 6 KA 67/13 B – Rdnr.9 mit Bezugnahme auf die von den hiesigen Beteiligten übereinstimmend angeführte Entscheidung durch Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 6 KA 23/11 R – BSGE 109, 182 Rdnr. 23).
Auch wenn eine Poliklinik als Einrichtung nach § 311 Abs. 2 SGB V keiner Zulassung bedarf, sondern aus Überleitungsgründen als zugelassen gilt, ist nach dem Gesetzeswortlaut § 311 Abs. 2 Satz 2 SGB V auch für sie anzuwenden. Soweit die Klägerin noch weitergehender andeuten will, eine solche Einrichtung sei noch freier als ein MVZ, findet sich hierfür im Gesetz keine Stütze. § 95 Abs. 6 Satz 1 gilt nicht nur für MVZ, sondern auch für eine Poliklinik. Ein längeres Offenhalten einer Arztstelle durch ein MVZ über sechs Monate hinaus liefe nicht nur dem Ziel des Abbaus von Überversorgung im gesperrten Planungsbereich zuwider, sondern wäre auch aus Sicht sachgerechter Bedarfsplanung sowie realitätsnaher Berechnung des Versorgungsgrades schwerlich tolerabel (BSG, a. a. O., Rdnr. 24). Mit der Beigeladenen hält der Senat dieses Argument auch für Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V für überzeugend.
Der Hilfsantrag ist unbegründet. Da eine Nachbesetzung nicht mehr möglich ist, steht dem Beklagten insoweit auch kein Ermessen zu.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197 a SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor. Dass die Vorschriften für MVZs nach § 311 Abs. 2 S. 2 SGB V auch für die Poliklinik der Klägerin gilt, ist eindeutig.
Der Beschluss zur Streitwertfestsetzung, der unanfechtbar ist, beruht auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Für Zulassungsstreitigkeiten ist vom Regelstreitwert pro Quartal für drei Jahre in Anwendung der Nr. 16.1 des Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit (5. Aufl. 2017 [Stand: März 2017], Überarbeitung des von der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Landessozialgerichte am 16. Mai 2006 auf Vorschlag des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz beschlossenen Streitwertkatalogs 2006) auszugehen (vgl. auch Schriftsatz der Klägerin vom 24. Juni 2014). Eine Reduzierung um die Hälfte im Hinblick auf den konkreten Streitgegenstand bloßer Feststellung erscheint sachgerecht. Die Abänderung der Streitwertfestsetzung für die erste Instanz folgt aus § 63 Abs. 3 GKG.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved