L 11 KR 2218/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 KR 1343/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2218/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 24.04.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Obliegenheit, die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen mittels elektronischer Gesundheitskarte (eGK) nachzuweisen. Der Kläger wendet sich ua gegen das Lichtbilderfordernis.

Der am 23.08.1948 geborene Kläger ist Schriftsteller und bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) krankenversichert. Die Beklagte bat ihn mehrfach um Vorlage eines Passbilds/Lichtbilds für die eGK. Der Kläger legte ein Lichtbild nicht vor und beantragte die Ausstellung eines Versicherungsnachweises ohne eGK. Die Beklagte stellte ihm eine Ersatzbescheinigung aus.

Mit Bescheid vom 08.03.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seit dem 01.01.2015 nur noch die eGK als gültiger Versicherungsnachweis bei dem behandelnden Arzt oder Zahnarzt vorzulegen sei. Regelmäßig sei die Verwendung eines Lichtbilds erforderlich. Der Kläger werde erhebliche Nachteile haben, da er ohne eGK beim Arzt, Zahnarzt oder im Krankenhaus seinen Versicherungsschutz nicht nachweisen könne. Die dann fälligen Privatrechnungen könne die Beklagte nicht erstatten.

Mit dem hiergegen am 05.04.2015 erhobenen Widerspruch wandte sich der Kläger grundsätzlich gegen die Einführung der eGK. In einem persönlichen Gespräch bei der Beklagten schlug er vor, dass die Beklagte ihm weiterhin papiergebundene Ersatzbescheinigungen ausstellen solle, was diese ablehnte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Jeder Versicherte habe Anspruch auf eine Krankenversichertenkarte, die jedoch mit einem Lichtbild zu versehen sei (§ 291 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Krankenversicherung [SGB V]). Die eGK diene als Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen. Das Lichtbild auf der eGK ermögliche dem Arzt die Überprüfung der Identität und schütze vor Missbrauch der Karten. Die Ausgabe einer eGK ohne Passbild sei lediglich in wenigen Ausnahmefällen vorgesehen, soweit die Mitwirkung des Versicherten dauerhaft nicht möglich sei. Keiner der denkbaren Ausnahmefälle liege vor.

Hiergegen hat der Kläger am 20.06.2016 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Er verweigere sowohl aus politischen als auch aus persönlichen sowie aus Gewissensgründen die Mitarbeit am Projekt eGK. Als kritischer Staatsbürger könne er die eGK nicht akzeptieren, da insbesondere unklar sei, welche seiner persönlichen Daten gespeichert würden und somit sowohl Datenerhebung als auch –verwendung nicht ausreichend transparent seien. Die Datensicherheit sei gleichfalls nicht gewährleistet. Von dem Projekt profitierten nicht die Versicherten, sondern Lobbyisten. Im Übrigen sei die eGK laut Medienberichten praktisch gescheitert. Er hat auch auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 15.12.1983, 1 BvR 209/83 ua, BVerfGE 65, 1, NJW 1984, 419 (Volkszählung)) und das dort entwickelte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Bezug genommen und auf George Orwells Werk "1984" hingewiesen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

In einem Erörterungstermin am 09.11.2016 hat das SG den Sachverhalt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht mit den Beteiligten erörtert, wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Mit Gerichtsbescheid vom 24.04.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 08.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.05.2016 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Er habe keinen Anspruch auf die Inanspruchnahme von Versicherungsschutz ohne Nutzung der eGK und auch nicht auf die Ausstellung weiterer Ersatzbescheinigungen. Die Einführung der eGK verstoße nicht gegen Verfassungsrecht.

Gegen den ihm am 04.05.2017 mit Postzustellungsurkunde zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 06.06.2017 (Dienstag nach Pfingsten) Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Zur Begründung der Berufung hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Das SG habe gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen, indem es keine ausreichende Anhörung der Beteiligten durchgeführt habe. Vor Erlass des Gerichtsbescheids hätte das SG seine Rechtsauffassung deutlich äußern und die Gründe für den Verzicht auf eine mündliche Verhandlung nachvollziehbar erläutern müssen. Aufgrund seiner vielfältigen Sachvorträge hätte sich das SG auch gedrängt fühlen müssen, ihm die Möglichkeit zu bieten, diese innerhalb einer mündlichen Verhandlung vorzutragen. Die Entscheidungsgründe ließen außerdem eine ordnungsgemäße Auseinandersetzung mit seinen Darlegungen vermissen. Es finde keine Auseinandersetzung mit seinen im Einzelnen vorgelegten Beweisen statt, vielmehr werde dem Vortrag der Beklagten weitestgehend gefolgt. Es sei zwar richtig, dass ihm im Erörterungstermin am 09.11.2016 die Rechtsauffassung des SG unter Hinweis auf das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21.06.2016 (L 11 KR 2510/15) dargelegt worden sei. Es sei auch richtig, dass er der Absicht einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht widersprochen habe. Er habe aber dann nochmals ausführlich Stellung genommen und sich auch mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg auseinandergesetzt, weshalb das SG ihn hätte nochmals darauf hinweisen müssen, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt sei. Die Einführung der eGK werde auf Dauer zu einer Datenerhebung führen, die unverhältnismäßig und nicht im Sinne der Patienten sei. Der Versicherte müsse es selbst in der Hand haben, wem er seine Gesundheitsdaten gebe. Es sei ungeklärt, ob überhaupt ein System der sicheren Datenübertragung nebst Übermittlungswege vorliege. Die eGK werde von verschiedenen Datenschützern insoweit kritisiert. Dem furchteinflößenden Satz des Landessozialgerichts "Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährt kein Recht auf Verhinderung der Digitalisierung und weiterleben in einer analogen Welt" widerspreche er. Dieser bedeutsame Urteilssatz stehe im krassen Widerspruch zur Auffassung des SG, dass es sich um eine Streitsache handele, die keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise und der Sachverhalt geklärt sei. Eine Minderheit der privatversicherten Besserverdienenden könne sehr wohl in einer analogen Welt weiterleben. Das SG bringe die Dinge des Einzelnen und die der Gemeinschaft durcheinander. Der Einzelne habe weder das Recht noch die Möglichkeit, die digitale Entwicklung aufzuhalten; dies sei Sache der Gemeinschaft, eines politischen Prozesses. Der Einzelne habe jedoch das Recht, diesen Weg nicht mitgehen zu müssen. Von der Beklagten und vom SG werde so getan, als ob die Funktionsfähigkeit des GKV-Systems an die Einführung der eGK gebunden sei. Dies sei unrichtig. Es gehe auch um die Sorgen und den Zustand der demokratischen Gesellschaft und des Meinungsbildungsprozesses bei den gesetzlich Versicherten. Angesichts des veruntreuten Rechts des Souveräns, die großen Linien der Entwicklung zu bestimmen, hörten die Dichter das Gras wachsen und spürten die kommenden Auseinandersetzungen. Er habe sich diese Empathie nicht ausgesucht, sondern sie quasi ihn.

In der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2017 hat der Kläger in einer persönlichen Erklärung nochmals dem Senat seine Beweggründe erläutert und darauf hingewiesen, dass sein eigentliches Anliegen sei, dass das Bundesverfassungsgericht sich mit der Verfassungsmäßigkeit der eGK befasse und der Fall dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden solle.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 24.04.2017 und den Bescheid der Beklagten vom 08.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.05.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine nicht zur elektronischen Gesundheitskarte erweiterte Krankenversichertenkarte auszustellen und ihn mit Leistungen nach dem SGB V zu versorgen, ohne dass er die elektronische Gesundheitskarte (eGK) und die Telematik-Infrastruktur benutzen müsse,

hilfsweise, den Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen,

hilfsweise, den Rechtsstreit auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Begründung des Widerspruchsbescheids sowie die Ausführungen des SG Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig aber unbegründet.

Die Klage ist zulässig. Ein Versicherter, der sich durch das Erfordernis der Verwendung einer eGK (vgl http://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenversicherung/e-health-gesetz/allgemeine-informationen-egk.html, abgerufen am 09.10.2017) mit ihren weiteren Angaben zur Person, den deutlich erweiterten technischen Möglichkeiten und dem Lichtbilderfordernis in seinen Rechten verletzt sieht, hat für sein Begehren ein Rechtsschutzbedürfnis (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, BSGE 117, 224, SozR 4-2500 § 291a Nr 1).

Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Kläger mit einer lichtbildlosen eGK auszustatten; der Kläger hat hierauf keinen Anspruch. Auch die allgemein geäußerten Bedenken des Klägers gegen die eGK greifen nicht durch, weshalb kein Anspruch auf Inanspruchnahme von Versicherungsschutz ohne eGK besteht. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzlichen Regelungen hat der Senat nicht, weshalb eine Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht erfolgt ist.

Die Regelungen der §§ 15, 291, 291a SGB V über die Obliegenheit der Versicherten, die elektronische Gesundheitskarte bei Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen vor Beginn der Behandlung zum Berechtigungsnachweis dem Vertrags(zahn)arzt auszuhändigen, sind mit Vorrang vor dem BDSG anwendbar (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R aaO). Ein Anspruch auf Befreiung von der Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte besteht nicht. Jeder Versicherte ist grundsätzlich verpflichtet, die elektronische Gesundheitskarte zu nutzen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährt kein Recht auf Verhinderung der Digitalisierung und "Weiterleben in einer analogen Welt" (Senatsurteil v. 21.06.2016, L 11 KR 2510/15 = Zeitschrift für Datenschutz 2016, 498 = Datenschutz und Datensicherheit 2016, 819). In dieser vom Kläger angesprochenen und kritisierten Entscheidung hat der Senat auch die Grenzen aufgezeigt, die der Gesetzgeber und die Behörden zu beachten haben. Die eGK darf ohne Einwilligung des Versicherten nur die in § 291a Abs 1 SGB V genannten Daten enthalten. Unbestimmte Rechtsbegriffe wie zB der Begriff "Versichertenstatus" dürfen nicht von Behörden durch (normsetzende) Vereinbarungen im Range unterhalb des Parlamentsgesetzes ausgefüllt und "datenmäßig erweitert" werden. Alle wesentlichen, dh in Bezug auf die Grundrechte der Versicherten, insb im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, muss der Gesetzgeber, der Deutsche Bundestag, selbst treffen (vgl Senatsurteil v. 21.06.2016, L 11 KR 2510/15 aaO, Rn 38, 40 ff)

Die datenschutzrechtlichen Regelungen des SGB X verweisen ua auf die bereichsspezifischen Datenschutzregelungen des SGB V. Nach § 67a Abs 1 S 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) ist das Erheben von Sozialdaten durch in § 35 SGB I genannte Stellen zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. § 67b Abs 1 S 1 SGB X erlaubt die Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten ua nur, soweit die datenschutzrechtlichen Vor-schriften des SGB X oder eine andere Vorschrift des SGB es erlauben oder anordnen. Zu den anderen Vorschriften des SGB zählen auch die hier einschlägigen datenschutzrechtlichen Rege-lungen des SGB V, insbesondere die §§ 15, 291, 291a SGB V. Diese Vorschriften kategorisieren nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers den für die eGK erforderlichen Datenschutz nach Pflichtangaben, Pflichtanwendungen sowie einwilligungsabhängigen freiwilligen Angaben und Anwendungen und gestalten ihn ebenfalls als "Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt" aus. Hierbei dürfen die Krankenkassen Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung erheben und speichern, soweit diese für die Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte erforderlich sind (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, Rn 15).

Das BSG, dem sich der Senat anschließt, hat mit Urteil vom 18.11.2014 (B 1 KR 35/13 R, aaO) entschieden, dass Versicherte kraft Gesetzes die Obliegenheit trifft, die eGK in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung, erweitert um die Angaben des Geschlechts und Zuzahlungsstatus, bei Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen vor Beginn der Behandlung zum Nachweis seiner Berechtigung dem Vertrags(zahn)arzt auszuhändigen (vgl § 15 Abs 2 SGB V). Die Nachweisobliegenheit bezweckt neben der Missbrauchsabwehr, die Abrechnung von Leistungen (§ 291 Abs 1 S 3 SGB V) und die Übermittlung ärztlicher Verordnungen (§ 291a Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V) zu ermöglichen. Versicherte haben nach der Gesetzeslage keinen Anspruch auf die vom Kläger gewünschten Ausnahmen. Die betroffenen Regelungen der §§ 15, 291, 291a SGB V stehen mit höherrangigem Recht in Einklang (vgl zu alledem eingehend BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R aaO).

Die elektronische Gesundheitskarte ist nach § 291 Abs 2 Satz 4 SGB V mit einem Lichtbild zu versehen. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] 17.10.2016, 1 BvR 2183/16, SGb 2016, 691; BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, aaO). Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit dieser Frage bereits befasst und im Beschluss vom 17.10.2016 ausgeführt, es sei einem Versicherten zuzumuten, durch Übersendung eines Lichtbilds an der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte mitzuwirken.

Der Kläger erfüllt keine der Voraussetzungen der Ausnahmen vom Lichtbilderfordernis. Die Beklagte darf ihm daher keine eGK ohne Lichtbild zur Verfügung stellen, sonst würde sie gegen § 15 Abs 6 S 2 SGB V verstoßen, der sie verpflichtet, einem Missbrauch der Karten durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R aaO).

Ausgenommen vom Lichtbilderfordernis sind gemäß § 291 Abs 2 Satz 5 SGB V Versicherte bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres sowie Versicherte, deren Mitwirkung bei der Erstellung eines Lichtbildes nicht möglich ist, zB bettlägerige Personen oder Personen in geschlossenen Einrichtungen (vgl BT-Drs 15/4228, Seite 27 f). Es handelt sich um eine abschließende Regelung (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, aaO Rn. 19).

Der Senat ist davon überzeugt, dass dem Kläger die Mitwirkung bei der Erstellung des Lichtbildes möglich ist. Die Verpflichtung zur Zurverfügungstellung eines Lichtbilds und zur Unterschriftsleistung verstößt auch nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Senatsurteil vom 24.01.2017, L 11 KR 3562/16; LSG Berlin-Brandenburg 06.03.2014, L 1 KR 23/14).

Soweit der Kläger eine Verletzung rechtlichen Gehörs rügt und eine Zurückverweisung an das SG beantragt, kann sein Begehren keinen Erfolg haben. Das SG hat im Erörterungstermin am 09.11.2016 seine Rechtsauffassung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 21.06.2016, L 11 KR 2510/15) deutlich gemacht und im Anschluss eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung angekündigt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger hat diese Gelegenheit wahrgenommen, sich schriftsätzlich mit dem Senatsurteil vom 21.06.2016, L 11 KR 2510/15, auseinandergesetzt und im Übrigen einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid auch nicht widersprochen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor; die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung (§ 159 SGG) ebenfalls nicht.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht sich bereits mit der eGK befasst und bei derzeitigem Umsetzungsstand keine verfassungsrechtlichen Bedenken gesehen hat (BVerfG 17.10.2016, 1 BvR 2183/16, SGb 2016, 691; vgl auch BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, aaO) und der Senat im Anschluss hieran und im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers nicht teilt, hat der Senat von einer Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht abgesehen.

Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG, welcher in der Pflicht zur Angabe bzw Zurverfügungstellung von Lichtbild und Unterschriftsleistung sowie der zur Identifikation dienenden Angaben von Namen, Geburtsdatum, Geschlecht, Anschrift, und Versichertennummer nach §§ 291 Abs 2, 291a Abs 2 S 1 SGB V zu sehen ist, ist gerechtfertigt (vgl BSG 18.11.2014 aaO; LSG Berlin-Brandenburg 20.03.2015, L 1 KR 18/14; Hessisches LSG 26.09.2013, L 1 KR 50/13; Senatsurteil v. 21.06.2016, L 11 KR 2510/15). Der Kläger muss es nach der Gesetzeslage auch dulden, dass die Beklagte als Krankenkasse verpflichtet ist, Dienste anzubieten, mit denen die Leistungserbringer die Gültigkeit und die Aktualität der Versichertenstammdaten (Daten nach § 291 Abs 1 und 2 SGB V) bei den Krankenkassen online überprüfen und auf der eGK aktualisieren können. Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen und Zahnärzte prüfen bei der erstmaligen Inanspruchnahme ihrer Leistungen durch einen Versicherten im Quartal die Leistungspflicht der KK durch Nutzung der Dienste. Dazu ermöglichen sie den Online-Abgleich und die Aktualisierung der auf der eGK gespeicherten Daten nach § 291 Abs 1 und 2 SGB V mit den bei der Krankenkasse vorliegenden aktuellen Daten. Die Prüfungspflicht besteht ab dem Zeitpunkt, ab dem die Dienste nach § 291 Abs 2b S 1 SGB V sowie die Anbindung an die Telematik-Infrastruktur zur Verfügung stehen und die Vereinbarungen nach § 291a Abs 7a und 7b SGB V geschlossen sind. § 15 Abs 5 SGB V ist entsprechend anzuwenden (Online-Versichertenstammdatendienst oder Versichertenstammdatenmanagement; vgl eingehend BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, Rn 21).

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfG 13.02.2006, 1 BvR 1184/14 unter Hinweis auf BVerfG 15.12.1983, 1 BvR 209/83 ua, BVerfGE 65, 1 ff; 29.09.2013, 2 BvR 939/13, juris Rn 13). Diese Verbürgung darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen, als es zum Schutz des öffentlichen Interesses unerlässlich ist (vgl BVerfG 14.12.2000, 2 BvR 1741/99, BVerfGE 103, 21, 33). Zwar wurzelt das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Bürgers im allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Grundrecht auf Menschenwürde und gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Der Einzelne hat jedoch kein Recht im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft über "seine" Daten. Er ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. Informationen, auch soweit sie personenbezogen sind, stellen ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich den Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verlangt insoweit, dass die Einschränkung des Rechts von hinreichenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt wird, das gewählte Mittel zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich ist und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist (so das Bundesverfassungsgericht im sog. Volkszählungsurteil, BVerfG 15.12.1983, 1 BvR 209/83 ua BVerfGE 65, 1, 41 f.; vgl auch BVerfGE 56, 37, 41 ff.).

Vorliegend überwiegt das Allgemeininteresse an einer Funktionsfähigkeit des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung im Verhältnis zur rechtlichen Betroffenheit des Klägers. Die Identifikationsfunktion eines Lichtbilds auf der Karte wird benötigt, um eine missbräuchliche Verwendung möglichst einzuschränken. Dies kann im Rahmen der Massenverwaltung nur funktionieren, wenn die in § 15 Abs 2 SGB V vorgesehene Verfahrensweise ("Versicherte, die ärztliche oder zahnärztliche Behandlung in Anspruch nehmen, haben dem Arzt [Zahnarzt] vor Beginn der Behandlung ihre Krankenversichertenkarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen [ ...] auszuhändigen") auch von allen Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung befolgt wird. Entsprechendes gilt für den Onlineabgleich der Versichertenstammdaten (vgl BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, Rn 27). Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] 17.10.2016, 1 BvR 2183/16, SGb 2016, 691; BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, aaO; siehe oben).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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