Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 18 AS 3297/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 766/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 370/17 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Hinzuziehung des Maßnahmeträgers im Rahmen der Entscheidung nach § 79 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. (Auszahlung der Lehrgangskosten direkt an den Maßnahmeträger) ist nicht zwingend geboten, da die Erstattungspflicht nach § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III a.F. erst nach Erlass eines weiteren Verwaltungsaktes
eintritt, zu dessen Verwaltungsverfahren der Maßnahmeträger hinzugezogen werden muss.
2. Bei der Rücknahmeentscheidung gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X gegenüber dem Teilnehmer muss der Maßnahmeträger nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB X zum Verwaltungsverfahren hinzugezogen werden, weil der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung gegenüber diesem hat. Er ist dadurch unmittelbar dem Erstattungsverlangen gem. § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III a.F. ausgesetzt.
3. Die fehlende Hinzuziehung eines Beteiligten zum Verwaltungsverfahren kann zwar durch Nachholung geheilt werden (§ 41 Abs. 2 SGB X). Dazu ist eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG erforderlich. Steht dem erneuten Erlass eines Rücknahmebescheides aber § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X entgegen, fehlt es an einer Sachdienlichkeit im Sinne der Verfahrenskonzentration.
eintritt, zu dessen Verwaltungsverfahren der Maßnahmeträger hinzugezogen werden muss.
2. Bei der Rücknahmeentscheidung gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X gegenüber dem Teilnehmer muss der Maßnahmeträger nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB X zum Verwaltungsverfahren hinzugezogen werden, weil der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung gegenüber diesem hat. Er ist dadurch unmittelbar dem Erstattungsverlangen gem. § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III a.F. ausgesetzt.
3. Die fehlende Hinzuziehung eines Beteiligten zum Verwaltungsverfahren kann zwar durch Nachholung geheilt werden (§ 41 Abs. 2 SGB X). Dazu ist eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG erforderlich. Steht dem erneuten Erlass eines Rücknahmebescheides aber § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X entgegen, fehlt es an einer Sachdienlichkeit im Sinne der Verfahrenskonzentration.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 8. Mai 2014 sowie der Erstattungsbescheid des Beklagten vom 23. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2011 aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Die Revision wird nicht zugelassen. IV. Der Streitwert wird auch im Berufungsverfahren auf 10.290,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Pflicht der Klägerin zur Erstattung von Leistungen für eine Weiterbildungsmaßnahme des Beigeladenen nach § 79 Abs. 2 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) alte Fassung (a.F.), nachdem dem Beigeladenen für die Zeit vom 08.12.2008 bis 05.10.2009 zunächst Leistungen nach § 16 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) i.V.m. §§ 77, 80, 81 SGB III für die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme bewilligt worden waren, welche anschließend aufgehoben wurden.
Der 1958 geborene Beigeladene stand im Leistungsbezug beim Beklagten und erhielt am 19.11.2008 einen Bildungsgutschein mit der Gültigkeit 13.11.2008 bis 13.01.2009. Darin erklärte sich der Beklagte bereit, die bei dem Lehrgang "Weiterbildung Eisenbahnfahrzeugführer/Schienenfahrzeugführer" entstehenden Lehrgangskosten in Höhe von 10.290,00 EUR nach § 16 SGB II i.V.m. § 80 SGB III und darüber hinaus die damit verbundenen Fahrtkosten des Beigeladenen zu übernehmen. Der Vollzeit-Lehrgang sollte zehn Monate dauern (08.12.2008 bis 05.10.2009) und beinhaltete ein Betriebspraktikum. Die Klägerin ist zertifizierter Maßnahmeträger, bei der die Weiterbildungsmaßnahme des Beigeladenen stattfand und die dieser erfolgreich abschloss.
Mit Bescheid vom 17.12.2008 bewilligte der Beklagte dem Beigeladenen für die Zeit vom 08.12.2008 bis 05.10.2009 Leistungen für Lehrgangskosten in Höhe von 10.290,00 EUR und Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 403,20 EUR. Im Bescheid findet sich der Zusatz "Die Lehrgangskosten in Höhe von 10.289,97 EUR werden direkt an den Maßnahmeträger überwiesen.", wobei die Zahlung monatlich nachträglich in Höhe von 1.143,33 EUR erfolgte. Im Laufe der Maßnahme bewilligte der Beklagte dem Beigeladenen noch weitere Fahrtkosten.
Am 21.12.2010 findet sich in der Verwaltungsakte des Beklagten ein Hinweis darauf, dass der Beigeladene Leistungen nach dem SGB II erschlichen haben könnte. Tatsächlich hat die mit dem Beigeladenen in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Tochter während des SGB II-Bezuges der Bedarfsgemeinschaft eine Halbwaisenrente bezogen, die der als Vorstand der Bedarfsgemeinschaft agierende Beigeladene, der bis 07.12.2008 Arbeitslosengeld I bezog, in den Leistungsanträgen nicht angegeben hatte. In einer Anhörung durch den Beklagten gab der Beigeladene am 05.04.2010 an, ihm sei bewusst gewesen, dass er die Halbwaisenrente hätte angeben müssen. Er habe die Gefahr gesehen, dass er dann seine Umschulungsmaßnahme hätte abbrechen müssen. Das Ermittlungsverfahren gegen die Tochter des Beigeladenen wurde gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt, der Beigeladene selbst wurde vom Amtsgericht wegen Betruges zu einer Geldstrafe verurteilt.
Mit Bescheid vom 25.01.2011 nahm der Beklagte die Bewilligung der Leistungen für die Weiterbildungsmaßnahme aus dem Bescheid vom 17.12.2008 gem. § 45 Abs. 4, Abs. 2 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III zurück und forderte vom Beigeladenen eine Erstattung von insgesamt 12.659,20 EUR für gezahlte Lehrgangs- und Fahrtkosten. Gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid legte der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen am 18.02.2011 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2011 änderte der Beklagte den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 25.01.2011 daraufhin ab und beschränkte die Aufhebung auf 403,20 EUR Fahrtkosten und 10.290,00 EUR Lehrgangskosten. Der Beklagte verlangte sodann vom Beigeladenen nur noch 403,20 EUR Fahrtkosten erstattet. Der Beigeladene sei nicht hilfebedürftig gewesen. Auf Vertrauen könne er sich nicht berufen, weil er den Bezug der Halbwaisenrente in der Bedarfsgemeinschaft bewusst nicht angegeben habe, um weiterhin Leistungen in Form der Förderung der Weiterbildungsmaßnahme zu beziehen. Der Aufhebungstatbestand nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 SGB X sei daher erfüllt. Da aber der Aufhebungsbescheid vom 25.01.2011 nicht die anderen Bescheide aus 2009 benenne, mit denen der Beigeladene weitere Fahrtkosten bezogen hatte, und die Jahresfrist mittlerweile abgelaufen sei, könne sich die Aufhebung und Erstattung nur auf den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 17.12.2008 beziehen und sei entsprechend zu reduzieren.
Am 31.05.2011 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid zum Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 25.01.2011, mit dem er vom Beigeladenen 403,20 EUR für Fahrtkosten erstattet verlangte. Zudem hörte der Beklagte die Klägerin mit einem Schreiben vom selben Tag zur beabsichtigten Rückforderung der Lehrgangskosten in Höhe von 10.290,00 EUR gem. § 50 SGB X an.
Mit Erstattungsbescheid vom 23.06.2011 forderte der Beklagte sodann von der Klägerin nach § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III, § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 50 SGB X die Rückzahlung von 10.290,00 EUR, weil der entsprechende Bewilligungsbescheid an den Beigeladenen zurückgenommen worden sei. Dagegen legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 29.06.2011 Widerspruch ein. Die Klägerin habe gegenüber dem Beigeladenen eine ordnungsgemäße Leistung erbracht. Die Rechtsbeziehung des Beklagten mit dem Beigeladenen betreffe sie nicht. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2011 als unbegründet zurück. Mit der Auszahlung der Leistungen an die Klägerin sei der Beklagte nur den Praktikabilitätserwägungen des § 79 Abs. 2 Satz 1 SGB III gefolgt. Da die Leistungsbewilligung gegenüber dem Beigeladenen aber bestandskräftig zurückgenommen worden sei, müssten erbrachte Leistungen erstattet werden. Der Gesetzgeber schreibe in § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III ausdrücklich vor, dass derjenige Erstattungsgegner der Maßnahmeträger sei, an den die Lehrgangskosten direkt geflossen seien.
Am 13.10.2011 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Klage zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben und die Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 23.06.2011 beantragt. Gegenüber dem Beigeladenen habe die Klägerin eine ordnungsgemäße Leistung erbracht, die nach bestandener Prüfung durch den Beigeladenen abgeschlossen und zu Recht beglichen worden sei. Zudem habe die Klägerin an dem Verwaltungsverfahren der Rücknahme der Bewilligung von Lehrgangskosten an den Beigeladenen beteiligt werden müssen, weshalb der Rücknahmebescheid ihr gegenüber nicht bestandskräftig sei. Zudem fehle es im Hinblick auf die direkte Auszahlung der Lehrgangskosten an einem Bescheid gegenüber der Klägerin. Auch sei der Beklagte bereichert, weil er bei Vermittlung des Beigeladenen in eine sozialversicherungspflichtige Anstellung als Triebfahrzeugführer keine Leistungen nach dem SGB II mehr zahlen müsse. Das sei dem Lehrgang durch die Klägerin geschuldet.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.05.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III sehe vor, dass die unmittelbar an den Träger der Maßnahme ausgezahlten Leistungen unmittelbar von diesem zu erstatten seien, soweit ein Bewilligungsbescheid aufgehoben worden sei. Es bedürfe dafür keines eigenständigen Bewilligungsbescheides gegenüber der Klägerin. Die Norm solle den Arbeitnehmer vor entsprechenden Erstattungsforderungen schützen, soweit die Leistungen nicht an ihn selbst, sondern an den Maßnahmeträger unmittelbar ausgezahlt worden sind. Die gesetzliche Regelung sehe daher vor, dass die Klägerin das Solvenzrisiko des Beigeladenen bei einer ihrerseits veranlassten Rückforderung trage. Im Übrigen sei eine unterlassene Beteiligung der Klägerin am Aufhebungsverfahren nach § 42 Satz 1 SGB X als unbeachtlich anzusehen. Nichtig sei der Aufhebungsbescheid nicht. Der Beklagte hätte auch bei entsprechender Hinzuziehung der Klägerin im Verwaltungsverfahren den Erstattungsbescheid wegen der gesetzlichen Regelung des § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III genauso erlassen, die Entscheidung in der Sache sei dadurch also nicht beeinflusst worden.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15.05.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 11.06.2014 Berufung eingelegt. Er verfolgt das erstinstanzliche Vorbringen weiter. Der Bewilligungsbescheid des Beklagten gegenüber dem Beigeladenen vom 17.12.2008 sei nicht rechtswirksam aufgehoben worden. Der Aufhebungsbescheid vom 25.01.2011 leide an schwerwiegenden Mängeln, weil die Klägerin nicht zum Verfahren hinzugezogen worden sei. Der Ausgang des Verfahrens habe offensichtlich rechtsgestaltende Wirkung ihr gegenüber gehabt. Daher sei von einer Nichtigkeit nach § 40 Abs. 1 SGB X auszugehen. Weder sei eine Heilung dieses Verfahrensfehlers nach § 41 SGB X eingetreten noch sei er nach § 42 SGB X unbeachtlich. Wäre der Sachverhalt zutreffend ermittelt worden, wäre die Entscheidung in der Sache beeinflusst worden. Im Übrigen sei der Rücknahmebescheid gem. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X verfristet gewesen, wenn der Beklagte bereits seit 31.03.2010 Kenntnis vom Bezug der Halbwaisenrente hatte. Schließlich könne sich die Klägerin auf Vertrauensschutz berufen.
Der Beklagte meint, die Klägerin sei wegen der letztlich für sie nur günstigen Entscheidung der Direktzahlung innerhalb der Entscheidung nach § 79 Abs. 2 SGB III nicht anzuhören gewesen. Auch im Aufhebungsverfahren sei eine Beteiligung der Klägerin nicht erforderlich gewesen.
Der Beigeladene ist der Auffassung, dass es eines gesonderten Bescheides über die Direktzahlung an die Klägerin nicht bedurft habe.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 08.05.2014 und den Erstattungsbescheid vom 23.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten (1 Band) und die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Der Gerichtsbescheid des SG, wonach die Klage, welche auf Aufhebung des Erstattungsbescheides in der Fassung des Widerspruchsbescheides gerichtet war, abgewiesen wurde, ist – ebenso wie der Erstattungsbescheid vom 23.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2011 – aufzuheben.
1. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, da im vorliegenden Verfahren SGB II-Leistungen, speziell die übernommenen Lehrgangskosten einer Weiterbildung, in Höhe von 10.290,00 EUR streitbefangen sind.
2. Das Begehren der Klägerin richtet sich im Wege der Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG auf die Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 23.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2011, mit dem die Klägerin zur Rückzahlung der an sie ausgezahlten Lehrgangskosten für eine Weiterbildung des Beigeladenen in der Zeit vom 08.12.2008 bis 05.10.2009 gem. § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III aufgefordert worden ist.
3. Die Berufung ist auch begründet. Der Erstattungsbescheid vom 23.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten.
Ermächtigungsgrundlage für das Erstattungsbegehren des Beklagten ist § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III a.F. § 16 Abs. 1 SGB II verweist u.a. auf den Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB III, mithin §§ 77 ff. SGB III. Nach § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III a.F. sind die erbrachten Weiterbildungskosten ausschließlich von dem Maßnahmeträger zu erstatten, soweit ein Bescheid über die Bewilligung der Leistungen, welche unmittelbar an den Maßnahmeträger flossen, aufgehoben worden ist. Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. können Weiterbildungsleistungen im Sinne des § 79 Abs. 1 SGB III a.F., wozu u.a. Lehrgangskosten gehören, unmittelbar an den Träger der Maßnahme ausgezahlt werden, soweit Kosten bei dem Träger unmittelbar entstehen.
a) Von dieser, dem Bedürfnis der Praxis entsprechenden Direktzahlung der Lehrgangskosten an die Klägerin hat der Beklagte hier Gebrauch gemacht. Im Bewilligungsbescheid vom 17.12.2008 hat der Beklagte ausdrücklich erklärt, dass die Lehrgangskosten in Höhe von 10.290,00 EUR direkt an die Klägerin ausgezahlt werden. Eines eigenständigen Bewilligungsbescheides an die Klägerin bedarf es dabei nicht, da weiterhin der Beigeladene als Arbeitnehmer Berechtigter dieses Leistungsanspruchs bleibt und lediglich die Auszahlung, also die Erfüllung des Leistungsanspruchs an den Maßnahmeträger erfolgt. Der im Bewilligungsbescheid vom 17.12.2008 enthaltene Verfügungssatz – die Auszahlung der Lehrgangskosten an die Klägerin betreffend – ist daher ausreichend. Zwar hat diese Auszahlung der Lehrgangskosten an den Maßnahmeträger auch rechtsgestaltende Wirkung gegenüber diesem, denn der Maßnahmeträger wird dadurch mit dem alleinigen Risiko der Erstattung der an ihn erbrachten Leistungen nach § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III belastet und kann in einem solchen Fall lediglich Rückgriff bei dem Teilnehmer nehmen. Daher bedarf es grundsätzlich einer Hinzuziehung im Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB X. Da die Erstattungspflicht aber nicht unmittelbar, sondern erst nach Erlass eines weiteren Verwaltungsaktes eintritt, an dem der Weiterbildungsträger zu beteiligen ist, war seine Hinzuziehung im Rahmen der Entscheidung nach § 79 Abs. 2 Satz 1 SGB III nicht zwingend geboten.
b) Voraussetzung der Erstattungsforderung nach § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III ist, dass die Bewilligung der Leistungen (hier Lehrgangskosten) aufgehoben worden ist. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 25.01.2011 hat der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 17.12.2008 gegenüber dem Beigeladenen gemäß § 45 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 SGB II zurückgenommen.
c) Der Beklagte hat die Rücknahmeentscheidung gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zutreffend an den Beigeladenen gerichtet, weil lediglich dem Beigeladenen mit Bescheid vom 17.12.2008 Leistungen bewilligt worden sind. Der Maßnahmeträger hätte jedoch nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB X zum Verwaltungsverfahren hinzugezogen werden müssen, weil der Ausgang des Verfahrens rechtsgestattende Wirkung gegenüber der Klägerin hatte. Nach der genannten Norm ist derjenige, für den der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung hat, auf seinen Antrag als Beteiligter zu dem Verfahren hinzuzuziehen. Soweit es der Behörde bekannt ist, hat diese ihm von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen.
Die Rücknahme hat rechtsgestaltende Wirkung gegenüber der Klägerin (LSG Mecklenburg-Vorpommern, L 2 AL 82/11, Rn. 88; L 2 AL 88/11, Rn. 89, beide juris), denn sie war damit unmittelbar dem Erstattungsverlangen des Beklagten gem. § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III ausgesetzt. Durch eine Benachrichtigung der Klägerin über den Umstand, dass die Leistungsbewilligung gegenüber dem Beigeladenen aufgehoben wurde, wäre die Klägerin in die Lage versetzt worden, die Hinzuziehung zum Verfahren nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB X zu beantragen. Erfolgt die Benachrichtigung aber nicht, hat dies die gleichen Rechtsfolgen, wie wenn eine beantragte Hinzuziehung unterblieben ist (vgl. Roller in von Wulffen/Schütze, SGB X, § 12, Rn. 12 m.w.N.). Dem Beklagten war die Klägerin als Maßnahmeträgerin für die Weiterbildungsmaßnahme des Beigeladenen bekannt. Er hat die Maßnahmekosten auch direkt an die Klägerin ausgezahlt.
Ist der Leistungsträger zu Unrecht nicht zum Verwaltungsverfahren hinzugezogen worden, so entfaltet die Aufhebungsentscheidung ihm gegenüber keine Bindungswirkung (vgl. Reichel in Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB III, 2014, § 83, Rn. 26.1; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 31.05.2016 – L 2 AL 82/11, Rn. 84 f. und L 2 AL 88/11, Rn. 83 f., 86, 90; BSG, Urteil vom 31.01.2012 – B2 U 12/11 R, Rn. 39 ff.).
Zwar kann die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten grundsätzlich nach § 41 Abs. 1 Nr. 6 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nachgeholt und damit geheilt werden (§ 41 Abs. 2 SGB X).
aa) Die fehlende Hinzuziehung ist nicht im bisher durchgeführten Verfahren um die Rechtmäßigkeit des Rücknahme- und Erstattungsbescheides vom 25.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.05.2011 und des Änderungsbescheides vom 31.05.2011 geheilt worden.
bb) Ein Verwaltungsverfahren kann zwar unter Hinzuziehung der Klägerin wiederholt werden (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 31.05.2016 – L 2 U 88/11, Rn. 87 ff.; BSG, Urteil vom 31.01.2012 – B 2 U 12/11 R, Rn. 44). Es ist auch davon auszugehen, dass die Klägerin mit ihren Schriftsätzen vom 23.01.2012, 19.03.2012 und 29.09.2014 einen Antrag auf Hinzuziehung gestellt hat. Zur Heilung des Verfahrensfehlers ist grundsätzlich eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG erforderlich (BSG, Urteil vom 26.07.2016 – B 4 AS 47/15 R, Rn. 23ff.). Die Aussetzung zur Heilung von Verfahrens- und Formfehlen setzt gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG jedoch voraus, dass das im Sinne der Verfahrenskonzentration sachdienlich ist. Eine Sachdienlichkeit im Sinne einer Verfahrenskonzentration ist hier schon deshalb zu verneinen, weil kein weiteres Verwaltungs- und Gerichtsverfahren in der gleichen Sache drohte, welches durch die Aussetzung zur Heilung des Verfahrensmangels überflüssig würde. Dem steht die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X entgegen, wonach die Behörde eine Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen vornehmen muss, welche dies rechtfertigen. Dem Beklagten waren im August 2017 alle Tatsachen, die § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X für die Rücknahme für die Vergangenheit voraussetzt, länger als ein Jahr bekannt. Vor diesem Hintergrund kann die Aussetzung zur Durchführung eines förmlichen Hinzuziehungsverfahrens auf den erst am 03.08.2017 hilfsweise gestellten Antrag des Beklagten jedenfalls nicht mehr als im Sinne der Verfahrenskonzentration sachdienlich angesehen werden (BSG, Urteil vom 26.07.2016 – B 4 AS 47/15 R, Rn. 31).
Wenn aber die Bewilligung von Leistungen an den Beigeladenen aus dem Bescheid vom 17.12.2008 nicht rechtswirksam aufgehoben worden ist, so ist der gegenüber der Klägerin erlassene Erstattungsbescheid vom 23.06.2011 rechtswidrig, weil es an einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage fehlt. § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III geht von einer gegenüber dem zur Erstattung Verpflichteten rechtswirksam aufgehobenen Leistungsbewilligung aus, was hier gerade nicht der Fall ist.
Nach alledem ist die Berufung der Klägerin daher erfolgreich. Der Gerichtsbescheid des SG sowie der Erstattungsbescheid vom 23.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2011 sind aufzuheben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), wonach der unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, § 160 Abs. 2 SGG.
6. Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Da es um einen konkret bezifferten Erstattungsbetrag ging, war dieser nach Anhörung der Beteiligten in Höhe von 10.290,00 EUR auch im Berufungsverfahren zugrunde zu legen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Die Revision wird nicht zugelassen. IV. Der Streitwert wird auch im Berufungsverfahren auf 10.290,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Pflicht der Klägerin zur Erstattung von Leistungen für eine Weiterbildungsmaßnahme des Beigeladenen nach § 79 Abs. 2 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) alte Fassung (a.F.), nachdem dem Beigeladenen für die Zeit vom 08.12.2008 bis 05.10.2009 zunächst Leistungen nach § 16 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) i.V.m. §§ 77, 80, 81 SGB III für die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme bewilligt worden waren, welche anschließend aufgehoben wurden.
Der 1958 geborene Beigeladene stand im Leistungsbezug beim Beklagten und erhielt am 19.11.2008 einen Bildungsgutschein mit der Gültigkeit 13.11.2008 bis 13.01.2009. Darin erklärte sich der Beklagte bereit, die bei dem Lehrgang "Weiterbildung Eisenbahnfahrzeugführer/Schienenfahrzeugführer" entstehenden Lehrgangskosten in Höhe von 10.290,00 EUR nach § 16 SGB II i.V.m. § 80 SGB III und darüber hinaus die damit verbundenen Fahrtkosten des Beigeladenen zu übernehmen. Der Vollzeit-Lehrgang sollte zehn Monate dauern (08.12.2008 bis 05.10.2009) und beinhaltete ein Betriebspraktikum. Die Klägerin ist zertifizierter Maßnahmeträger, bei der die Weiterbildungsmaßnahme des Beigeladenen stattfand und die dieser erfolgreich abschloss.
Mit Bescheid vom 17.12.2008 bewilligte der Beklagte dem Beigeladenen für die Zeit vom 08.12.2008 bis 05.10.2009 Leistungen für Lehrgangskosten in Höhe von 10.290,00 EUR und Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 403,20 EUR. Im Bescheid findet sich der Zusatz "Die Lehrgangskosten in Höhe von 10.289,97 EUR werden direkt an den Maßnahmeträger überwiesen.", wobei die Zahlung monatlich nachträglich in Höhe von 1.143,33 EUR erfolgte. Im Laufe der Maßnahme bewilligte der Beklagte dem Beigeladenen noch weitere Fahrtkosten.
Am 21.12.2010 findet sich in der Verwaltungsakte des Beklagten ein Hinweis darauf, dass der Beigeladene Leistungen nach dem SGB II erschlichen haben könnte. Tatsächlich hat die mit dem Beigeladenen in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Tochter während des SGB II-Bezuges der Bedarfsgemeinschaft eine Halbwaisenrente bezogen, die der als Vorstand der Bedarfsgemeinschaft agierende Beigeladene, der bis 07.12.2008 Arbeitslosengeld I bezog, in den Leistungsanträgen nicht angegeben hatte. In einer Anhörung durch den Beklagten gab der Beigeladene am 05.04.2010 an, ihm sei bewusst gewesen, dass er die Halbwaisenrente hätte angeben müssen. Er habe die Gefahr gesehen, dass er dann seine Umschulungsmaßnahme hätte abbrechen müssen. Das Ermittlungsverfahren gegen die Tochter des Beigeladenen wurde gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt, der Beigeladene selbst wurde vom Amtsgericht wegen Betruges zu einer Geldstrafe verurteilt.
Mit Bescheid vom 25.01.2011 nahm der Beklagte die Bewilligung der Leistungen für die Weiterbildungsmaßnahme aus dem Bescheid vom 17.12.2008 gem. § 45 Abs. 4, Abs. 2 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III zurück und forderte vom Beigeladenen eine Erstattung von insgesamt 12.659,20 EUR für gezahlte Lehrgangs- und Fahrtkosten. Gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid legte der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen am 18.02.2011 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2011 änderte der Beklagte den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 25.01.2011 daraufhin ab und beschränkte die Aufhebung auf 403,20 EUR Fahrtkosten und 10.290,00 EUR Lehrgangskosten. Der Beklagte verlangte sodann vom Beigeladenen nur noch 403,20 EUR Fahrtkosten erstattet. Der Beigeladene sei nicht hilfebedürftig gewesen. Auf Vertrauen könne er sich nicht berufen, weil er den Bezug der Halbwaisenrente in der Bedarfsgemeinschaft bewusst nicht angegeben habe, um weiterhin Leistungen in Form der Förderung der Weiterbildungsmaßnahme zu beziehen. Der Aufhebungstatbestand nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 SGB X sei daher erfüllt. Da aber der Aufhebungsbescheid vom 25.01.2011 nicht die anderen Bescheide aus 2009 benenne, mit denen der Beigeladene weitere Fahrtkosten bezogen hatte, und die Jahresfrist mittlerweile abgelaufen sei, könne sich die Aufhebung und Erstattung nur auf den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 17.12.2008 beziehen und sei entsprechend zu reduzieren.
Am 31.05.2011 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid zum Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 25.01.2011, mit dem er vom Beigeladenen 403,20 EUR für Fahrtkosten erstattet verlangte. Zudem hörte der Beklagte die Klägerin mit einem Schreiben vom selben Tag zur beabsichtigten Rückforderung der Lehrgangskosten in Höhe von 10.290,00 EUR gem. § 50 SGB X an.
Mit Erstattungsbescheid vom 23.06.2011 forderte der Beklagte sodann von der Klägerin nach § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III, § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 50 SGB X die Rückzahlung von 10.290,00 EUR, weil der entsprechende Bewilligungsbescheid an den Beigeladenen zurückgenommen worden sei. Dagegen legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 29.06.2011 Widerspruch ein. Die Klägerin habe gegenüber dem Beigeladenen eine ordnungsgemäße Leistung erbracht. Die Rechtsbeziehung des Beklagten mit dem Beigeladenen betreffe sie nicht. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2011 als unbegründet zurück. Mit der Auszahlung der Leistungen an die Klägerin sei der Beklagte nur den Praktikabilitätserwägungen des § 79 Abs. 2 Satz 1 SGB III gefolgt. Da die Leistungsbewilligung gegenüber dem Beigeladenen aber bestandskräftig zurückgenommen worden sei, müssten erbrachte Leistungen erstattet werden. Der Gesetzgeber schreibe in § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III ausdrücklich vor, dass derjenige Erstattungsgegner der Maßnahmeträger sei, an den die Lehrgangskosten direkt geflossen seien.
Am 13.10.2011 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Klage zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben und die Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 23.06.2011 beantragt. Gegenüber dem Beigeladenen habe die Klägerin eine ordnungsgemäße Leistung erbracht, die nach bestandener Prüfung durch den Beigeladenen abgeschlossen und zu Recht beglichen worden sei. Zudem habe die Klägerin an dem Verwaltungsverfahren der Rücknahme der Bewilligung von Lehrgangskosten an den Beigeladenen beteiligt werden müssen, weshalb der Rücknahmebescheid ihr gegenüber nicht bestandskräftig sei. Zudem fehle es im Hinblick auf die direkte Auszahlung der Lehrgangskosten an einem Bescheid gegenüber der Klägerin. Auch sei der Beklagte bereichert, weil er bei Vermittlung des Beigeladenen in eine sozialversicherungspflichtige Anstellung als Triebfahrzeugführer keine Leistungen nach dem SGB II mehr zahlen müsse. Das sei dem Lehrgang durch die Klägerin geschuldet.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.05.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III sehe vor, dass die unmittelbar an den Träger der Maßnahme ausgezahlten Leistungen unmittelbar von diesem zu erstatten seien, soweit ein Bewilligungsbescheid aufgehoben worden sei. Es bedürfe dafür keines eigenständigen Bewilligungsbescheides gegenüber der Klägerin. Die Norm solle den Arbeitnehmer vor entsprechenden Erstattungsforderungen schützen, soweit die Leistungen nicht an ihn selbst, sondern an den Maßnahmeträger unmittelbar ausgezahlt worden sind. Die gesetzliche Regelung sehe daher vor, dass die Klägerin das Solvenzrisiko des Beigeladenen bei einer ihrerseits veranlassten Rückforderung trage. Im Übrigen sei eine unterlassene Beteiligung der Klägerin am Aufhebungsverfahren nach § 42 Satz 1 SGB X als unbeachtlich anzusehen. Nichtig sei der Aufhebungsbescheid nicht. Der Beklagte hätte auch bei entsprechender Hinzuziehung der Klägerin im Verwaltungsverfahren den Erstattungsbescheid wegen der gesetzlichen Regelung des § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III genauso erlassen, die Entscheidung in der Sache sei dadurch also nicht beeinflusst worden.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15.05.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 11.06.2014 Berufung eingelegt. Er verfolgt das erstinstanzliche Vorbringen weiter. Der Bewilligungsbescheid des Beklagten gegenüber dem Beigeladenen vom 17.12.2008 sei nicht rechtswirksam aufgehoben worden. Der Aufhebungsbescheid vom 25.01.2011 leide an schwerwiegenden Mängeln, weil die Klägerin nicht zum Verfahren hinzugezogen worden sei. Der Ausgang des Verfahrens habe offensichtlich rechtsgestaltende Wirkung ihr gegenüber gehabt. Daher sei von einer Nichtigkeit nach § 40 Abs. 1 SGB X auszugehen. Weder sei eine Heilung dieses Verfahrensfehlers nach § 41 SGB X eingetreten noch sei er nach § 42 SGB X unbeachtlich. Wäre der Sachverhalt zutreffend ermittelt worden, wäre die Entscheidung in der Sache beeinflusst worden. Im Übrigen sei der Rücknahmebescheid gem. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X verfristet gewesen, wenn der Beklagte bereits seit 31.03.2010 Kenntnis vom Bezug der Halbwaisenrente hatte. Schließlich könne sich die Klägerin auf Vertrauensschutz berufen.
Der Beklagte meint, die Klägerin sei wegen der letztlich für sie nur günstigen Entscheidung der Direktzahlung innerhalb der Entscheidung nach § 79 Abs. 2 SGB III nicht anzuhören gewesen. Auch im Aufhebungsverfahren sei eine Beteiligung der Klägerin nicht erforderlich gewesen.
Der Beigeladene ist der Auffassung, dass es eines gesonderten Bescheides über die Direktzahlung an die Klägerin nicht bedurft habe.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 08.05.2014 und den Erstattungsbescheid vom 23.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten (1 Band) und die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Der Gerichtsbescheid des SG, wonach die Klage, welche auf Aufhebung des Erstattungsbescheides in der Fassung des Widerspruchsbescheides gerichtet war, abgewiesen wurde, ist – ebenso wie der Erstattungsbescheid vom 23.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2011 – aufzuheben.
1. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, da im vorliegenden Verfahren SGB II-Leistungen, speziell die übernommenen Lehrgangskosten einer Weiterbildung, in Höhe von 10.290,00 EUR streitbefangen sind.
2. Das Begehren der Klägerin richtet sich im Wege der Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG auf die Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 23.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2011, mit dem die Klägerin zur Rückzahlung der an sie ausgezahlten Lehrgangskosten für eine Weiterbildung des Beigeladenen in der Zeit vom 08.12.2008 bis 05.10.2009 gem. § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III aufgefordert worden ist.
3. Die Berufung ist auch begründet. Der Erstattungsbescheid vom 23.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten.
Ermächtigungsgrundlage für das Erstattungsbegehren des Beklagten ist § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III a.F. § 16 Abs. 1 SGB II verweist u.a. auf den Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB III, mithin §§ 77 ff. SGB III. Nach § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III a.F. sind die erbrachten Weiterbildungskosten ausschließlich von dem Maßnahmeträger zu erstatten, soweit ein Bescheid über die Bewilligung der Leistungen, welche unmittelbar an den Maßnahmeträger flossen, aufgehoben worden ist. Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. können Weiterbildungsleistungen im Sinne des § 79 Abs. 1 SGB III a.F., wozu u.a. Lehrgangskosten gehören, unmittelbar an den Träger der Maßnahme ausgezahlt werden, soweit Kosten bei dem Träger unmittelbar entstehen.
a) Von dieser, dem Bedürfnis der Praxis entsprechenden Direktzahlung der Lehrgangskosten an die Klägerin hat der Beklagte hier Gebrauch gemacht. Im Bewilligungsbescheid vom 17.12.2008 hat der Beklagte ausdrücklich erklärt, dass die Lehrgangskosten in Höhe von 10.290,00 EUR direkt an die Klägerin ausgezahlt werden. Eines eigenständigen Bewilligungsbescheides an die Klägerin bedarf es dabei nicht, da weiterhin der Beigeladene als Arbeitnehmer Berechtigter dieses Leistungsanspruchs bleibt und lediglich die Auszahlung, also die Erfüllung des Leistungsanspruchs an den Maßnahmeträger erfolgt. Der im Bewilligungsbescheid vom 17.12.2008 enthaltene Verfügungssatz – die Auszahlung der Lehrgangskosten an die Klägerin betreffend – ist daher ausreichend. Zwar hat diese Auszahlung der Lehrgangskosten an den Maßnahmeträger auch rechtsgestaltende Wirkung gegenüber diesem, denn der Maßnahmeträger wird dadurch mit dem alleinigen Risiko der Erstattung der an ihn erbrachten Leistungen nach § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III belastet und kann in einem solchen Fall lediglich Rückgriff bei dem Teilnehmer nehmen. Daher bedarf es grundsätzlich einer Hinzuziehung im Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB X. Da die Erstattungspflicht aber nicht unmittelbar, sondern erst nach Erlass eines weiteren Verwaltungsaktes eintritt, an dem der Weiterbildungsträger zu beteiligen ist, war seine Hinzuziehung im Rahmen der Entscheidung nach § 79 Abs. 2 Satz 1 SGB III nicht zwingend geboten.
b) Voraussetzung der Erstattungsforderung nach § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III ist, dass die Bewilligung der Leistungen (hier Lehrgangskosten) aufgehoben worden ist. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 25.01.2011 hat der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 17.12.2008 gegenüber dem Beigeladenen gemäß § 45 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 SGB II zurückgenommen.
c) Der Beklagte hat die Rücknahmeentscheidung gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zutreffend an den Beigeladenen gerichtet, weil lediglich dem Beigeladenen mit Bescheid vom 17.12.2008 Leistungen bewilligt worden sind. Der Maßnahmeträger hätte jedoch nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB X zum Verwaltungsverfahren hinzugezogen werden müssen, weil der Ausgang des Verfahrens rechtsgestattende Wirkung gegenüber der Klägerin hatte. Nach der genannten Norm ist derjenige, für den der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung hat, auf seinen Antrag als Beteiligter zu dem Verfahren hinzuzuziehen. Soweit es der Behörde bekannt ist, hat diese ihm von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen.
Die Rücknahme hat rechtsgestaltende Wirkung gegenüber der Klägerin (LSG Mecklenburg-Vorpommern, L 2 AL 82/11, Rn. 88; L 2 AL 88/11, Rn. 89, beide juris), denn sie war damit unmittelbar dem Erstattungsverlangen des Beklagten gem. § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III ausgesetzt. Durch eine Benachrichtigung der Klägerin über den Umstand, dass die Leistungsbewilligung gegenüber dem Beigeladenen aufgehoben wurde, wäre die Klägerin in die Lage versetzt worden, die Hinzuziehung zum Verfahren nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB X zu beantragen. Erfolgt die Benachrichtigung aber nicht, hat dies die gleichen Rechtsfolgen, wie wenn eine beantragte Hinzuziehung unterblieben ist (vgl. Roller in von Wulffen/Schütze, SGB X, § 12, Rn. 12 m.w.N.). Dem Beklagten war die Klägerin als Maßnahmeträgerin für die Weiterbildungsmaßnahme des Beigeladenen bekannt. Er hat die Maßnahmekosten auch direkt an die Klägerin ausgezahlt.
Ist der Leistungsträger zu Unrecht nicht zum Verwaltungsverfahren hinzugezogen worden, so entfaltet die Aufhebungsentscheidung ihm gegenüber keine Bindungswirkung (vgl. Reichel in Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB III, 2014, § 83, Rn. 26.1; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 31.05.2016 – L 2 AL 82/11, Rn. 84 f. und L 2 AL 88/11, Rn. 83 f., 86, 90; BSG, Urteil vom 31.01.2012 – B2 U 12/11 R, Rn. 39 ff.).
Zwar kann die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten grundsätzlich nach § 41 Abs. 1 Nr. 6 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nachgeholt und damit geheilt werden (§ 41 Abs. 2 SGB X).
aa) Die fehlende Hinzuziehung ist nicht im bisher durchgeführten Verfahren um die Rechtmäßigkeit des Rücknahme- und Erstattungsbescheides vom 25.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.05.2011 und des Änderungsbescheides vom 31.05.2011 geheilt worden.
bb) Ein Verwaltungsverfahren kann zwar unter Hinzuziehung der Klägerin wiederholt werden (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 31.05.2016 – L 2 U 88/11, Rn. 87 ff.; BSG, Urteil vom 31.01.2012 – B 2 U 12/11 R, Rn. 44). Es ist auch davon auszugehen, dass die Klägerin mit ihren Schriftsätzen vom 23.01.2012, 19.03.2012 und 29.09.2014 einen Antrag auf Hinzuziehung gestellt hat. Zur Heilung des Verfahrensfehlers ist grundsätzlich eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG erforderlich (BSG, Urteil vom 26.07.2016 – B 4 AS 47/15 R, Rn. 23ff.). Die Aussetzung zur Heilung von Verfahrens- und Formfehlen setzt gemäß § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG jedoch voraus, dass das im Sinne der Verfahrenskonzentration sachdienlich ist. Eine Sachdienlichkeit im Sinne einer Verfahrenskonzentration ist hier schon deshalb zu verneinen, weil kein weiteres Verwaltungs- und Gerichtsverfahren in der gleichen Sache drohte, welches durch die Aussetzung zur Heilung des Verfahrensmangels überflüssig würde. Dem steht die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X entgegen, wonach die Behörde eine Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen vornehmen muss, welche dies rechtfertigen. Dem Beklagten waren im August 2017 alle Tatsachen, die § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X für die Rücknahme für die Vergangenheit voraussetzt, länger als ein Jahr bekannt. Vor diesem Hintergrund kann die Aussetzung zur Durchführung eines förmlichen Hinzuziehungsverfahrens auf den erst am 03.08.2017 hilfsweise gestellten Antrag des Beklagten jedenfalls nicht mehr als im Sinne der Verfahrenskonzentration sachdienlich angesehen werden (BSG, Urteil vom 26.07.2016 – B 4 AS 47/15 R, Rn. 31).
Wenn aber die Bewilligung von Leistungen an den Beigeladenen aus dem Bescheid vom 17.12.2008 nicht rechtswirksam aufgehoben worden ist, so ist der gegenüber der Klägerin erlassene Erstattungsbescheid vom 23.06.2011 rechtswidrig, weil es an einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage fehlt. § 79 Abs. 2 Satz 2 SGB III geht von einer gegenüber dem zur Erstattung Verpflichteten rechtswirksam aufgehobenen Leistungsbewilligung aus, was hier gerade nicht der Fall ist.
Nach alledem ist die Berufung der Klägerin daher erfolgreich. Der Gerichtsbescheid des SG sowie der Erstattungsbescheid vom 23.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2011 sind aufzuheben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), wonach der unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, § 160 Abs. 2 SGG.
6. Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Da es um einen konkret bezifferten Erstattungsbetrag ging, war dieser nach Anhörung der Beteiligten in Höhe von 10.290,00 EUR auch im Berufungsverfahren zugrunde zu legen.
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
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