L 4 KR 2045/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 5616/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2045/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 8. Juli 2016 wird aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
Die Klage wegen des Bescheides vom 2. Juni 2016 wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu einem Zehntel. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung vom 1. Februar 2014 bis 31. Dezember 2016.

Der Kläger war bei der Beklagten zunächst als hauptberuflich selbständiger Rechtsanwalt freiwillig krankenversichert mit einem Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides für 2011 setzte die Beklagte ausgehend von Einnahmen in Höhe von EUR 2.021,25 die Beiträge zur Krankenversicherung ab dem 1. Januar 2013 auf EUR 313,29 (allgemeiner Beitragssatz von 15,5 %) monatlich fest (Bescheid vom 12. März 2013). Die Beitragseinstufung gelte längstens bis zur Erteilung eines neuen Einkommensteuerbescheides.

Unter dem 30. April 2014 gab der Kläger gegenüber der Beklagten an, sein Brutto-Einkommen übersteige die monatliche Beitragsbemessungsgrenze von EUR 4.050,00. Das Arbeitseinkommen aus seiner hauptberuflich ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwalt betrage monatlich EUR 3.441,66; überwiegend aus diesem bestreite er seinen Lebensunterhalt. Die wöchentliche Arbeitszeit liege bei 40 Stunden. Im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit beschäftige er einen Arbeitnehmer. Gleichzeitig übersandte er den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 9. Januar 2014. In diesem wurden Einkünfte des Klägers aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von EUR 38.628,00 sowie aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von EUR 2.672,00 ausgewiesen (Gesamteinkünfte EUR 41.300,00).

Mit – mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenem – Bescheid vom 6. Mai 2014 setzte die Beklagte die Beiträge zur Krankenversicherung ab dem 1. Februar 2014 aufgrund monatlicher beitragspflichtiger Einnahmen von EUR 3.441,67 auf EUR 533,46 fest (Beitragssatz 15,5%). Die Beitragseinstufung gelte längstens bis zur Erteilung eines neuen Einkommensteuerbescheides. Diesen Bescheid focht der Kläger zunächst nicht an.

Auf Anfrage des Klägers vom 1. Oktober 2014, welches Einkommen der Beitragsfestsetzung zugrunde liege, verwies die Beklagte auf den Einkommensteuerbescheid 2012.

Am 28. Oktober 2014 legte der Kläger "Widerspruch" gegen die Beitragsfestsetzung ein, soweit diese auf einem Einkommen von EUR 41.300,00 gemäß dem Einkommensteuerbescheid 2012 fuße. Es sei unzulässig, bei einem Selbständigen neben dem Haupteinkommen aus der selbständigen Tätigkeit Mieteinnahmen zu berücksichtigen. Dies geschehe bei abhängig Beschäftigten nicht. Der Gleichheitssatz sei verletzt.

Unter dem 29. Oktober und 12. November 2014 erläuterte die Beklagte die unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben über die Beitragsbemessungsgrundlage für Pflichtversicherte einer- und freiwillig Versicherte andererseits. Dass der Ansatz unterschiedlicher Kriterien insoweit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, habe die höchstrichterliche Rechtsprechung mehrfach bestätigt (Verweis auf Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 3. Februar 1993 – 1 BvR 1920/92 – juris).

Mit Bescheid vom 12. Januar 2015 setzte die Beklagte die Beiträge zur Krankenversicherung ab dem 1. Januar 2015 in bisheriger Höhe von EUR 533,46 neu fest.

Nachdem der Kläger auf die Schreiben vom 29. Oktober und 12. November 2014 mitgeteilt hatte, an seinem "Widerspruch" festzuhalten, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Januar 2015 das als Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bezüglich des Bescheides vom 6. Mai 2014 gewertete Begehren des Klägers ab. Die Beiträge für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 2014 seien zutreffend aus beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von EUR 3.441,67 (EUR 3.219,00 monatliches Arbeitseinkommen und EUR 222,67 monatliche Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) berechnet worden. Die Beitragshöhe ab dem 1. Januar 2015 sei Gegenstand des Bescheides vom 12. Januar 2015.

Am 4. Februar 2015 legte der Kläger gegen die Bescheide vom 12. und 28. Januar 2015 Widerspruch ein.

Am 31. März 2015 legte der Kläger den Einkommensteuerbescheid 2013 vor, der Einkünfte des Klägers aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von EUR 10.489,00, aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von EUR 2.272,00 und Kapitalerträge in Höhe von EUR 402,00 auswies.

Mit Bescheid vom 2. April 2015 setzte die Beklagte die Krankenversicherungsbeiträge unter Annahme einer nicht hauptberuflichen Selbständigkeit ohne Anspruch auf Krankengeld ab dem 1. April 2015 neu auf EUR 162,80 fest. Dabei legte sie neben dem Beitragssatz von 14,9% als monatliche beitragspflichtige Einnahmen Arbeitseinkommen in Höhe von EUR 874,08, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von EUR 189,33 sowie Kapitalerträge in Höhe von EUR 29,25 (insgesamt EUR 1.092,66) zugrunde.

Mit Schreiben vom 19. Oktober 2015 teilte die bei der Beklagten errichtete Pflegekasse mit, sie sehe aus verfahrensökonomischen Gründen davon ab, ein separates Widerspruchsverfahren hinsichtlich der in den angefochtenen Bescheiden ebenfalls festgesetzten Beiträge zur Pflegeversicherung durchzuführen, sicherte dem Kläger aber zu, dass die bestandskräftige Entscheidung auch bezüglich dieser angewandt werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 2015 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten die Widersprüche als unbegründet zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Aufhebung des Bescheides vom 6. Mai 2014; er sei verpflichtet, monatliche Beiträge zur Krankenversicherung für die Zeit vom 1. Februar 2014 bis 31. März 2015 in Höhe von EUR 533,46 und ab dem 1. April 2015 bis auf Weiteres in Höhe von EUR 162,80 zu zahlen. Gegenstand des Verfahrens seien die Bescheide vom 29. Oktober 2014, 12. Januar und 2. April 2015. Als beitragspflichtige Einnahmen freiwilliger Mitglieder nach § 240 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien neben den Einkünften aus selbständiger Arbeit nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 der Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler [BeitrVerfGrds SelbstZ]) auch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Mit der Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als Ausdruck des Solidaritätsprinzips habe jedes Mitglied nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit zur Finanzierung beizutragen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) liege in der unterschiedlichen Berücksichtigung von Kapital- und Mieteinnahmen bei freiwillig Versicherten und gesetzlich Pflichtversicherten nicht vor. Der typische Unterschied gegenüber gesetzlich pflichtversicherten Mitgliedern liege darin, dass bei freiwillig Versicherten der Lebensunterhalt auch typischerweise anders als durch das Arbeitsentgelt erwirtschaftet werde.

Hiergegen erhob der Kläger am 17. November 2015 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) und führte zur Begründung aus, es liege eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor, da bei freiwillig Versicherten neben dem Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit auch andere Einkünfte (Vermietung und Verpachtung) bei der Beitragsbemessung berücksichtigt würden. Bei Pflichtversicherten werde hingegen zur Beitragsbemessung nur die vom Arbeitgeber gezahlte Vergütung herangezogen. Wenn Arbeitnehmer daneben noch Mieteinnahmen hätten, berühre dies ihre Beitragshöhe nicht. Bereits im Steuerrecht sei Art. 3 GG Beachtung geschenkt worden. Er sehe keine Rechtfertigungsgründe und Unterschiede zwischen abhängig Beschäftigten und Selbständigen. Vor 30 Jahren möglicherweise eine Unterscheidung rechtfertigende Umstände entsprächen nicht mehr der heutigen Realität.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden entgegen.

Mit Bescheid vom 13. Januar 2016 setzte die Beklagte die monatlichen Beiträge zur Krankenversicherung für die Zeit ab dem 1. Januar 2016 aufgrund der bisherigen Beitragsbemessungsgrundlage von EUR 1.092,66 nach einem Beitragssatz von 15,1 % auf EUR 164,99 fest.

Mit Gerichtsbescheid vom 23. Mai 2016 wies das SG die Klage ab. Streitgegenstand sei die Beitragshöhe zur gesetzlichen Krankenversicherung für den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Dezember 2014, über die im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X mit dem Ziel der teilweisen Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 6. Mai 2014 durch Bescheid vom 28. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 11. November 2015 entschieden worden sei, sowie die Festsetzung der Beitragshöhe ab dem 1. Januar 2015 durch die Bescheide vom 12. Januar 2015 und 2. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2015 sowie den Bescheid vom 13. Januar 2016. Die Festsetzung der Beiträge im Bescheid vom 6. Mai 2014 beruhe auf § 48 SGB X i.V.m. § 240 SGB V. Durch die im Steuerbescheid vom 9. Januar 2014 für das Jahr 2012 ausgewiesenen höheren Einkünfte des Klägers sei zum 1. Februar 2014, dem Beginn des auf den Erlass des Einkommensteuerbescheides folgenden Monats, eine Änderung der Verhältnisse eingetreten. Eine weitere Änderung der Beiträge habe sich durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides 2013 zum 1. April 2015 ergeben. Zutreffend habe die Beklagte in allen streitgegenständlichen Bescheiden die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung zur Beitragsbemessung herangezogen. Nach § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V sei für die Bemessung der Beiträge für freiwillige Versicherte deren gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Zu den beitragspflichtigen Einnahmen gehörten nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch Einnahmen aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung abzüglich der Werbungskosten. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Die vom Kläger gerügte Ungleichbehandlung von pflichtversicherten und freiwillig versicherten Mitgliedern sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Die Pflichtversicherung erfasse nach ihrer gesetzlichen Typisierung die Personengruppen, die wegen ihrer niedrigen Einkünfte eines Schutzes für den Fall der Krankheit bedürften, der durch Zwang zur Eigenvorsorge erreicht werden solle. Um den Erfordernissen der Massenverwaltung Rechnung zu tragen, habe der Gesetzgeber dabei die zu berücksichtigenden Einnahmearten begrenzen und abschließend aufzählen dürfen. Es sei zulässig, dass dabei nur die typischen Einnahmearten Pflichtversicherter berücksichtigt würden. Bei der Gruppe der freiwillig Versicherten hingegen habe der Gesetzgeber zulässigerweise die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in die Beitragsbemessung eingestellt, da als Berechnungsgrundlage bei diesen das Arbeitsentgelt nicht als Bemessungsgrundlage in Betracht komme. Die Einnahmearten seien typischerweise andere und vielfältigere als bei Pflichtversicherten. Von der Versicherungspflicht nicht erfasste Personen könnten kraft eigener Willensentscheidung freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung werden oder sich privat gegen das Risiko der Krankheit versichern. Dieses Wahlrecht hätten versicherungspflichtige Personen nicht. Wegen dieser geringeren Schutzbedürftigkeit dürften die freiwillig versicherten Mitglieder gegenüber den pflichtversicherten Mitgliedern beitragsrechtlich nicht begünstigt werden, sondern müssten im Durchschnitt selbst kostendeckend verbeitragt werden. Dem stehe nicht entgegen, dass es auch versicherungspflichtig Beschäftigte gebe, die Erträge aus Kapitalvermögen erzielten, da der Gesetzgeber zur Ordnung von Massenerscheinungen typisierende Regelungen treffen dürfe. Auch das BVerfG habe in der Differenzierung zwischen Pflichtversicherten und freiwillig versicherten Personen eine im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung langfristig bewährte Unterscheidung erkannt und die Heranziehung freiwillig Versicherter nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht beanstandet.

Gegen diesen ihm am 30. Mai 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 2. Juni 2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.

Am 10. Februar 2016 hat der Kläger der Beklagten den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 4. Januar 2016 vorgelegt, der Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit in Höhe von EUR 18.389,00, aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von EUR 2.453,00 sowie Kapitalerträge in Höhe von Euro 467,00 ausgewiesen hat. Der Aufforderung der Beklagten, eine Einkommenserklärung ab dem 1. Februar 2016 unter anderem zu dem zeitlichen Umfang der selbständigen Tätigkeit abzugeben (Schreiben vom 1. März und 13. Juni 2016), ist der Kläger nicht nachgekommen.

Mit Bescheid vom 2. Juni 2016 hat die Beklagte die Krankenversicherungsbeiträge unter Annahme einer nicht hauptberuflichen Selbständigkeit ohne Anspruch auf Krankengeld ab dem 1. Februar 2016 neu auf EUR 267,50 festgesetzt. Dabei hat sie neben dem Beitragssatz von 15,1% als monatliche beitragspflichtige Einnahmen Arbeitseinkommen in Höhe von EUR 1.532,42, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von EUR 204,42 sowie Kapitalerträge in Höhe von EUR 34,67 (insgesamt EUR 1.771,51) zugrunde gelegt.

Mit Bescheid vom 8. Juli 2016 hat sie die Krankenversicherungsbeiträge ab dem 1. Juli 2016 auf EUR 329,00 neu festgesetzt. Da der Einkommensteuerbescheid 2014 gegenüber dem Einkommensteuerbescheid 2013 ein höheres Einkommen ausweise und der Kläger weitere Unterlagen zur Prüfung trotz Aufforderung nicht vorgelegt habe, werde er, wie im Schreiben vom 13. Juni 2016 angekündigt, ab dem 1. Juli 2016 als hauptberuflich Selbständiger (ohne Krankengeldanspruch) versichert. Die Beiträge würden aus der gesetzlichen Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von EUR 2.178,75 berechnet, da das tatsächliche Einkommen aus Arbeitseinkommen, Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalerträgen diese nicht übersteige.

Unter dem 5. August 2016 hat die Beklagte die höhere Beitragsfestsetzung mit einer wieder angenommenen hauptberuflichen Selbständigkeit begründet. Mit Schreiben vom 2. Februar 2017 hat sie erläutert, die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 2. Juni 2016 gemäß § 45 SGB X mit Wirkung für die Zukunft lägen vor. Eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit könne nicht erfolgen. Vertrauensschutzgesichtspunkte, die gegen eine Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft sprächen, bestünden nicht und seien auch nicht vom Kläger vorgetragen, insbesondere habe dieser keine Vermögensdispositionen im Vertrauen auf die Regelung getroffen, die nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen wieder rückgängig gemacht werden könnten. Bei einer Ermessensentscheidung sei zu berücksichtigen, dass der Kläger keine falschen Angaben gemacht und Beklagte den für Kläger nicht leicht überblickbaren Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt habe. Der Bescheid vom 2. Juni 2016 sei daher zu Recht mit Bescheid vom 8. Juli 2016 aufgehoben worden. Dem Kläger werde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.

Zur Begründung der Berufung hat der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens ausgeführt, im Rahmen des Steuerrechts würden unterschiedslos alle Einnahmen berücksichtigt. Hierzu gebe es mannigfache Entscheidungen des BVerfG und des Bundesfinanzhofes. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Betrachtungsweise liege nicht vor. Die Einkommenshöhe werde generell berücksichtigt, so dass auch bei Pflichtversicherten mit geringem Einkommen ein entsprechender Schutz bestehe. Es bestehe auch eine Umgehungsmöglichkeit. Man könne als Selbständiger eine im geringen Maße abhängige Beschäftigung eingehen, um damit die freiwillige Versicherung mit der Bemessung des Beitrages mittels Zugrundelegung aller Einkommensarten zu umgehen. Die Argumentation, dass Pflichtversicherte einen anderen sozialen Schutz genießen müssten, sei nicht nachvollziehbar, da diese bei Mehreinnahmen auch – wie ein Selbständiger – einen geringeren Schutz benötigten. Das SGB V gehe in Bezug auf die pflichtversicherten Selbständigen selbst von deren Schutzbedürftigkeit aus. Ansonsten wäre deren Zwangsmitgliedschaft nicht nachvollziehbar. Unabhängig davon seien die Beiträge zuletzt nicht nach seinem tatsächlichen Einkommen festgesetzt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb er zum Versorgungswerk für Rechtanwälte Baden-Württemberg trotz des dort höheren Beitragssatzes niedrigere Beiträge zahle als bei der Beklagten, obwohl auch die dortigen Beiträge aus dem jeweils letzten Einkommensteuerbescheid errechnet würden. Trotz des relativ geringen Einkommens habe sich an seiner Arbeit nichts geändert. Er sei immer hauptberuflich selbständiger Rechtsanwalt gewesen; andere Erwerbstätigkeiten habe er nicht ausgeübt. Geschäftliche Umzugskosten hätten seinen Gewinn zwischenzeitlich geschmälert.

In dem im Erörterungstermin vom 2. August 2017 geschlossenen Teilvergleich hat die Beklagte sich verpflichtet, die Beitragsfestsetzung für die Zeit ab dem 1. Januar 2017 dem rechtskräftigen Ergebnis des vorliegenden Verfahrens anzupassen. Der Kläger hat die Klage auf den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2016 beschränkt.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Mai 2016 aufzuheben, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2015 zu verpflichten, den Bescheid vom 6. Mai 2014 in Höhe von EUR 34,51 monatlich zurückzunehmen, für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2015 die Bescheide vom 12. Januar und 2. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2015 in Höhe von EUR 34,51 monatlich, für die Zeit vom 1. bis 31. Januar 2016 den Bescheid vom 13. Januar 2016 in Höhe von EUR 33,00, für die Zeit vom 1. Februar bis 30. Juni 2016 den Bescheid vom 2. Juni 2016 in Höhe von EUR 36,10 monatlich sowie für die Zeit ab dem 1. Juli 2016 den Bescheid vom 8. Juli 2016 in Höhe von EUR 97,60 monatlich aufzuheben.

Die Beklagte beantragt (sachdienlich gefasst),

die Berufung zurückzuweisen und die Klage wegen der Bescheide vom 2. Juni und 8. Juli 2016 abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Sie ist gemäß § 143 SGG statthaft und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG auch nicht der Zulassung, denn der Kläger wendet sich gegen Beitragsforderungen, die EUR 750,00 übersteigen.

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren des Klägers, die Festsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung vom 1. Februar 2014 bis 31. Dezember 2016 aufzuheben, soweit sie nicht aus seinem (tatsächlichen) Arbeitseinkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit berechnet wurden.

a) Für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 2014 verfolgt er dieses Begehren im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X auf teilweise Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 6. Mai 2014. Dies hat die Beklagte mit Bescheid vom 28. Januar 2015 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2015) abgelehnt. In diesem hat sie erkennbar zum Ausdruck gebracht, dem als Überprüfungsbegehren nach § 44 SGB X verstandenen Begehren nicht stattzugeben, und damit eine verbindliche Regelung getroffen. Trotz fehlender Rechtsbehelfsbelehrung handelt es sich daher um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X. Da in den vorangegangenen Schreiben vom 29. Oktober und 12. November 2014 lediglich die Rechtslage erläutert wurde, stellen diese mangels Regelung keine Verwaltungsakte dar. Die Beitragsfestsetzung für die Zeit ab dem 1. Januar 2015 erfolgte mit Bescheid vom 12. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2015. Der nach Einlegung des Widerspruches ergangene Bescheid vom 2. April 2015 änderte die Festsetzung für die Zeit ab dem 1. April 2015 ab, so dass er gemäß § 86 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist. Der neuerliche Abänderungsbescheid vom 13. Januar 2016 für die Zeit ab dem 1. Januar 2016 wurde, wie vom SG zutreffend angenommen, nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens. Die während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheide vom 2. Juni und 8. Juli 2016 haben ihrerseits diese Beitragsfestsetzung abgeändert, so dass sie gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens vor dem Senat geworden sind, der insoweit nicht auf Berufung, sondern auf Klage zu entscheiden hat (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 10 EG 12/10 R – juris, Rn. 17; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 96 Rn. 7 m.w.N.). Dass sich der Kläger auch gegen die in diesem Bescheid vorgenommene Beitragsfestsetzung nach der Mindestbemessungsgrundlage für hauptberuflich Selbständige wendet, ist seinem Schriftsatz vom 15. August 2016 zu entnehmen, in dem er rügt, dass nicht das tatsächliche Einkommen zugrunde gelegt worden sei. Im Erörterungstermin vom 2. August 2017 hat er dies ausdrücklich bestätigt und gleichzeitig im Teilvergleich die Klage auf den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2016 beschränkt.

b) Nicht Gegenstand des Verfahrens sind die Beiträge zur Pflegeversicherung. Die Ausgangsbescheide über die Beitragsfestsetzung und die Überprüfung nach § 44 SGB X waren zwar durch die vorliegend beklagte Krankenkasse auch im Namen der Pflegekasse ergangen. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers hatte die Pflegekasse mitgeteilt, aus verfahrensökonomischen Gründen von der Durchführung eines separaten Widerspruchsverfahrens abzusehen, und dem Kläger zugesichert, dass die bestandskräftige Entscheidung auch bezüglich der Beiträge zur Pflegeversicherung angewandt werde. Im Widerspruchsbescheid vom 11. November 2015 wurde dementsprechend ausdrücklich nur über die Festsetzung der Beiträge zur Krankenversicherung entschieden. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid - entsprechend dem Regelungsgegenstand des Widerspruchsbescheides - nur über die Festsetzung der Krankenversicherungsbeiträge entschieden. Nur diese waren mithin Gegenstand des Widerspruchsbescheides und des Klageverfahrens. Nachfolgend ergangene Bescheide über die Änderung der Pflegeversicherungsbeiträge konnten daher auch nicht gemäß § 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens werden. Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2017 hat der Kläger klargestellt, dass sich das vorliegende Verfahren nicht auf die Pflegeversicherungsbeiträge beziehe.

c) In der Höhe begehrt der Kläger die Festsetzung des monatlichen Beitrags aus einem Arbeitseinkommen in Höhe von EUR 3.219,00 (EUR 38.628,00/360*30) für die Zeit vom 1. Februar 2014 bis 31. März 2015 (monatlicher Beitrag EUR 498,95 anstelle der festgesetzten EUR 533,46), aus einem Arbeitseinkommen von EUR 874,08 (EUR 10.489,00/360*30) für die Zeit vom 1. April 2015 bis 31. Januar 2016 (monatlicher Beitrag EUR 130,24 anstelle der festgesetzten EUR 162,80 bzw. im Januar 2016 EUR 131,99 anstelle EUR 164,99), aus einem Arbeitseinkommen in Höhe von EUR 1.532,42 (EUR 18.389,00/360*30) für die Zeit ab 1. Februar 2016 (monatlicher Beitrag EUR 231,40 anstelle der festgesetzten EUR 267,50 bzw. ab Juli 2016 der festgesetzten EUR 329,00). Entsprechend waren die Anträge der Beteiligten sachdienlich zu fassen.

3. Die Berufung des Klägers hat überwiegend keinen Erfolg. Das SG hat die Klage wegen der Bescheide vom 12. Januar und 2. April 2015 sowie vom 28. Januar 2015, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2015, und wegen des Bescheides vom 13. Januar 2016 zu Recht abgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 2. Juni 2016 ist unbegründet, die Klage gegen den Bescheid vom 8. Juli 2016 ist nur teilweise begründet.

a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf teilweise Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 6. Mai 2014 über die Beitragsfestsetzung für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 2014. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Die im Bescheid vom 6. Mai 2014 erfolgte Beitragsfestsetzung für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 2014 ist rechtmäßig.

aa) Rechtsgrundlage für die Änderung der bisherigen, durch den Bescheid vom 12. März 2013 erfolgten Beitragsfestsetzung ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Aufhebung soll unter den weiteren Voraussetzungen des Satzes 2 mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen.

(1) Eine wesentliche Änderung in den der Beitragsfestsetzung zugrunde liegenden Umstände ist durch den Erlass des Einkommensteuerbescheides 2012 vom 9. Januar 2014 eingetreten.

Nach § 220 Abs. 1 Satz 1 SGB V werden die Mittel der Krankenversicherung unter anderem durch Beiträge aufgebracht. Nach § 223 Abs. 2 SGB V werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen (Satz 1). Für die Berechnung ist die Woche zu sieben, der Monat zu dreißig und das Jahr zu dreihundertsechzig Tagen anzusetzen (Satz 2). Beitragspflichtige Einnahmen sind nach § 223 Abs. 3 SGB V bis zu einem Betrag von einem Dreihundertsechzigstel der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 SGB V für den Kalendertag zu berücksichtigen (Beitragsbemessungsgrenze; Satz 1). Einnahmen, die diesen Betrag übersteigen, bleiben außer Ansatz, soweit das SGB V nichts Abweichendes bestimmt (Satz 2). Die beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder werden in § 240 SGB V bestimmt. Nach Abs. 1 Satz 1 (hier in der Fassung seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 29a1 Buchst. a Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-WSG] vom 26. März 2007 [BGBl. I S. 378]) wird diese Beitragsbemessung - im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben in den weiteren Bestimmungen des § 240 SGB V - einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt, der hierzu die BeitrVerfGrds SelbstZ erlassen hat. Die BeitrVerfGrds SelbstZ sind als untergesetzliche Normen eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung, die als solche im Einklang mit höherrangigem Recht stehen (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2012 – B 12 KR 20/11 R – juris, Rn. 13 ff.; BSG, Urteil vom 18. Dezember 2013 – B 12 KR 15/11 – juris, Rn. 13). Bei der Beitragsbemessung ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (§ 240 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB V in der seit 1. Januar 1989 geltenden Fassung des Art. 1 Gesundheits-Reformgesetzes [GRG] vom 20. Dezember 1988 [BGBl. I, S. 2477]. Sofern und solange Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorlegen, gilt nach § 240 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB V (eingefügt zum 1. August 2004 durch Art. 1 Nr. 16 Buchst. a Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-FQWG] vom 21. Juli 2014 [BGBl. I, S. 1133]) als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V). Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der Fassung seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung Art. 2 Nr. 29a1 Buchst. b Doppelbuchst. aa GKV-WSG). Allerdings gibt das Gesetz in § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V (in der seit 1. April 2012 geltenden Fassung des Art. 8 Nr. 3 Buchst. b Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 [BGBl. I S. 2854]) eine verbindliche Bestimmung über die beitragspflichtigen Einnahmen für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, vor. Für diese gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze, bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste, für freiwillige Mitglieder, die einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 93 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) oder eine entsprechende Leistung nach § 16b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten, der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße.

Für hauptberuflich selbständig Erwerbstätige wie den Kläger sind die Beiträge daher grundsätzlich aus der Beitragsbemessungsgrenze zu berechnen, also Höchstbeiträge festzusetzen, solange dieser keine niedrigeren Einnahmen nachweist. Dieser Nachweis kann nur durch einen Einkommensteuerbescheid erfolgen (BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 12 KR 21/08 R - juris, Rn. 15 ff.). Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines solchen Nachweises können nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden (§ 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V). Da der Einkommensteuerbescheid 2011 Einkünfte unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze (EUR 3.937,50) ausgewiesen hatte, waren Beiträge aufgrund dieses Nachweises nicht mehr nach der Beitragsbemessungsgrenze festzusetzen. Dieses niedrigere Arbeitseinkommen bleibt nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 7 Abs. 7 Satz 2 BeitrVerfGrds SelbstZ bis zur Erteilung des nächsten Einkommensteuerbescheides maßgebend, mithin bis zum Erlass des Einkommensteuerbescheides 2012 vom 9. Januar 2014. Das dort ausgewiesene Gesamteinkommen von EUR 41.300,00 war daher von der Beklagten ab dem 1. Februar 2014 der Beitragsfestsetzung zugrunde zu legen.

(2) Die Voraussetzungen für eine Aufhebung mit Wirkung ab dem 1. Februar 2014 lagen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X vor. Denn der – ohnehin rechtskundige – Kläger konnte aufgrund des bereits im Bescheid vom 12. März 2013 enthaltenen Hinweises, dass die Beitragseinstufung längstens bis zur Erteilung eines neuen Einkommensteuerbescheides gelte, ohne Weiteres erkennen, dass die Beitragsfestsetzung nach Erlass des Einkommensteuerbescheides neu vorgenommen werde. Atypische Umstände des Einzelfalles, die eine Ermessensentscheidung der Beklagten notwendig gemacht hätten ("soll"), lagen nicht vor und vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

bb) Die Beklagte hat der Beitragsfestsetzung zu Recht auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zugrunde gelegt. Der GKV Spitzenverband hat in § 3 Abs. 1 b BeitrVerfGrds SelbstZ bestimmt, dass Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und Einnahmen aus Kapitalvermögen den beitragspflichtigen Einnahmen nach Abzug von Werbungskosten zuzurechnen sind. Mit der Einbeziehung dieser Einkünfte folgt der GKV Spitzenverband der ständigen Rechtsprechung des BSG, wonach zu der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des freiwillig versicherten Mitgliedes auch dessen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Einnahmen aus Kapitalvermögen gehören (vgl. BSG Urteile vom 23. September 1999 – B 12 KR 12/98 R – juris, Rn. 13 ff. m.w.N., vom 27. Januar 2010 – B 12 KR 28/08 R – juris, Rn. 15 f., vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 21/11 R – juris, Rn. 18 ff.).

cc) Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) wegen unterschiedlicher Behandlung von pflichtversicherten Mitgliedern einerseits und freiwillig versicherten Mitgliedern andererseits vor. Zwischen beiden Personenkreisen liegen so wesentliche Unterschiede, dass eine Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Pflichtversicherung erfasst nach ihrer gesetzlichen Typisierung die Personengruppen, die wegen ihrer niedrigen Einkünfte eines Schutzes für den Fall der Krankheit bedürfen, der durch Zwang zur Eigenvorsorge erreicht werden soll. Demgegenüber verfolgen die Vorschriften über die freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung das Ziel, diese für solche Personen zu öffnen, bei denen ein ähnliches, aber eingeschränktes Schutzbedürfnis besteht. Von der Versicherungspflicht nicht erfasste Personen können kraft eigener Willensentschließung freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung werden oder sich privat gegen das Risiko der Krankheit versichern. Dieses Wahlrecht haben versicherungspflichtige Personen nicht. Das BVerfG hat in der Differenzierung zwischen Pflichtversicherten und freiwillig versicherten Personen eine im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung langfristig bewährte Unterscheidung erkannt (BVerfG, Beschluss vom 15. März 2000 – 1 BvL 16/96 – juris, Rn. 79 ff.) und die unterschiedliche Beitragsbelastung von Pflichtversicherten einerseits und freiwillig Versicherten andererseits nicht beanstandet. Auch im Übrigen ist ein Verstoß gegen Verfassungsbestimmungen nicht zu erkennen. Dass bei den freiwillig Versicherten höhere - teilweise mit einer Beschäftigung in keinem Zusammenhang stehende - Einnahmen berücksichtigt werden, entspricht dem die gesetzliche Krankenversicherung beherrschenden Solidaritätsprinzip, die Versicherten nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Beiträgen heranzuziehen. Dies ist von Verfassung wegen nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 1993 – 1 BvR 1920/92 – juris, Rn. 7). Nicht zuletzt der sachliche Unterschied zwischen Versicherungspflicht und Versicherungsberechtigung rechtfertigt - nach wie vor - eine unterschiedliche Behandlung der Versicherten auch bezüglich der Beitragshöhe bzw. der berücksichtigungsfähigen Einnahmen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. April 2013 – L 1 KR 2/12 –, juris Rn. 21 ff; Senatsurteil vom 27. November 2015 – L 4 P 906/15 – juris, Rn. 28). Die bloß pauschale Behauptung des Klägers, die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich mittlerweile geändert, ist nicht geeignet, dies in Frage zu stellen. Im Einkommensteuerrecht geltende Maßstäbe lassen sich insoweit nicht auf die gesetzliche Krankenversicherung übertragen. Bei dieser stehen dem Versicherten konkrete und individuelle Gegenleistungen zu (Krankenversicherungsschutz bzw. bei Eintritt des Versicherungsfalles konkrete Sach- und Geldleistungen), an deren solidarischer Finanzierung sich einzelne Versicherte zu beteiligen hat.

Soweit der Kläger meint, ein Selbstständiger könne eine "in geringe[m] Maße" abhängige Beschäftigung eingehen und damit die freiwillige Versicherung mit der Bemessung des Beitrages mit allen Einkommensarten umgehen, ist dies unzutreffend. Soweit es sich um eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) handelt, tritt schon keine Versicherungspflicht ein (§ 7 Abs. 1 SGB V). Auch eine über der Grenze der Geringfügigkeit liegende abhängige Beschäftigung führt nicht zur Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, wenn der Betreffende hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist (§ 5 Abs. 5 SGB V).

dd) Die Beiträge sind auch im Übrigen zutreffend berechnet. Abweichendes hat auch der Kläger nicht geltend gemacht. Der Beitragsfestsetzung unterlagen monatliche Einnahmen des Klägers in Höhe von EUR 3.441,67 (EUR 41.300,00/360*12). Der Beitragssatz betrug bis zum 31. Dezember 2014 bei 15,5% (allgemeiner Beitragssatz gemäß § 241 SGB V in der Fassung des Art. 1 Nr. 17 des Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-FinG] vom 22. Dezember 2010, BGBl. I S. 2309), der monatliche Beitrag zur Krankenversicherung mithin EUR 533,46, wie von der Beklagten festgesetzt.

b) Aus denselben Gründen sind auch die im Bescheid vom 12. Januar 2015 für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2015 in derselben Höhe festgesetzten Beiträge rechtmäßig. Die monatlich zu berücksichtigenden Einnahmen blieben unverändert. Der Beitragssatz lag weiter bei 15,5 % (allgemeiner Beitragssatz gemäß § 241 SGB V in der Fassung des Art. 1 Nr. 17 GKV-FQWG, von 14,6 % zuzüglich Zusatzbeitrag der Beklagten zu 1 in Höhe von 0,9% nach § 22 der Satzung der Beklagten zu 1 in der im Jahre 2015 geltenden Fassung).

c) Die Beitragsfestsetzung durch Bescheid vom 2. April 2015 für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 2015 verletzt den Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten. Die Beklagte setzte darin die Beiträge aus dem tatsächlichen Einkommen des Klägers gemäß dem Einkommensteuerbescheid 2013 (EUR 13.163,00) und nicht aus der – höheren – Mindestbemessungsgrundlage für hauptberuflich Selbständige nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V fest. Zu berücksichtigen sind dabei die nun zusätzlich bezogenen Kapitalerträge. Nach § 3 Abs. 1b Satz 3 BeitrVerfGrds SelbstZ ist als Werbungskosten bei Einnahmen aus Kapitalvermögen ein Betrag von EUR 51,00 pro Kalenderjahr zu berücksichtigen, sofern keine höheren tatsächlichen Aufwendungen nachgewiesen werden. Dies hat die Beklagte zutreffend umgesetzt. Der Kläger hat höhere Aufwendungen nicht nachgewiesen. Zugrunde gelegt wurde wegen der nun ohne Anspruch auf Krankengeld durchgeführten Versicherung der ermäßigte Beitragssatz von 14,0% gemäß § 243 SGB V zuzüglich Zusatzbeitrag der Beklagten zu 1 in Höhe von 0,9%. Eine Rechtsverletzung des Klägers ist durch die niedrigere Beitragsfestsetzung somit nicht gegeben. Rechnerisch zutreffend ermittelte die Beklagte aus dem Jahreseinkommen von EUR 13.163,00 abzgl. Werbungskosten von EUR 51,00 monatliche Einnahmen in Höhe von EUR 1.902,66 und einen Beitrag von EUR 162,80.

d) Für Januar 2016 gilt dies entsprechend; lediglich war nun ein Zusatzbeitrag von 1,1% zu berücksichtigen. Der Beitrag belief sich danach auf EUR 164,99.

e) Auch für die Zeit von Februar bis Juni 2016 erfolgte die Beitragsfestsetzung durch den Bescheid vom 2. Juni 2016 auf Grundlage nicht der Mindestbemessungsgrundlagen des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB, sondern dem tatsächlichen Einkommen des Klägers gemäß Einkommensteuerbescheid 2014 vom 4. Januar 2016 in Höhe von EUR 21.309,00. Von den Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von EUR 467,00 setzte die Beklagte Werbungskosten in Höhe von EUR 51,00 ab und errechnete hieraus beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von EUR 1.771,51 sowie bei einem Beitragssatz von 15,1% rechnerisch zutreffend einen Beitrag in Höhe von EUR 267,50. Die Unterschreitung der Mindestbemessungsgrenze nach § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V verletzt den Kläger wiederum nicht in seinen Rechten.

f) Die höhere Beitragsfestsetzung ab dem 1. Juli 2016 durch Bescheid vom 8. Juli 2016 ist hingegen rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der darin festgesetzte Beitrag in Höhe von EUR 329,00 monatlich greift in die – insoweit begünstigende – Rechtsposition des Klägers aus dem Bescheid vom 2. Juni 2016 ein, Beiträge (lediglich) in Höhe von EUR 267,50 monatlich zahlen zu müssen. Diese Rechtsposition besteht fort.

Nach § 39 Abs. 2 SGB X bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Der Bescheid vom 2. Juni 2016 war nicht befristet. Die Beklagte hat ihn bislang auch nicht aufgehoben. Einen Widerruf ist nicht erfolgt, so dass nur eine Rücknahme wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit nach § 45 SGB X oder eine Aufhebung wegen einer wesentlichen Änderung nach § 48 SGB X in Betracht kommt. Dass zwischen dem Erlass des Bescheides vom 2. Juni 2016 und dem des Bescheides vom 8. Juli 2016 in den Verhältnissen des Klägers eine wesentliche Änderung eingetreten wäre, macht auch die Beklagte nicht geltend.

Eine Rücknahme des Bescheides vom 2. Juni 2016 hat die Beklagte bislang nicht geregelt. Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Dem Wortlaut des Bescheides vom 8. Juli 2016 ist an keiner Stelle eine Rücknahmeentscheidung zu entnehmen. Weder der Bescheid vom 2. Juni 2016 noch die Rechtsgrundlage des § 45 SGB X werden genannt. Dass das nach § 45 Abs. 1 SGB X eingeräumte Ermessen ausgeübt worden wäre, ist ebenfalls nicht zu erkennen. Weder im Verfügungssatz noch in der Begründung und der Anlage des Bescheides vom 8. Juli 2016 ("Ihr Versicherungsschutz auf einen Blick") finden sich Hinweise, dass die Beklagte überhaupt erkannt hat, dass der Bescheid vom 2. Juni 2016 vor einer Neufestsetzung der Bescheide zurückgenommen werden müsste. Nichts anderes ergibt sich aus der Einbeziehung des vorangegangenen Schreibens vom 1. Juni 2016, das lediglich Ausführungen zur Frage einer hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit enthält, nicht aber zum Bescheid vom 2. Juni 2016, den Rücknahmevoraussetzungen und eventuellen Ermessensgesichtspunkten. Diese finden sich erst im Schreiben vom 2. Februar 2017, also nach Erlass des Bescheides vom 8. Juli 2016. Auch dabei handelt es sich aber nicht um eine Rücknahmeregelung. Vielmehr wird dem Kläger darin ausdrücklich im Rahmen einer Anhörung nach § 24 SGB X lediglich Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer Rücknahme eingeräumt. Das Schreiben stellt daher lediglich eine Anhörung zur Rücknahme, nicht aber die Rücknahme selbst dar.

Der Bescheid vom 8. Juli 2016 war daher auf die Klage des Klägers aufzuheben. Dadurch besteht die Beitragsfestsetzung im Bescheid vom 2. Juni 2016 fort, die aus o.g. Gründen nicht zu beanstanden ist. Eine Beitragsfestsetzung in geringerer Höhe kann der Kläger somit nicht beanspruchen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Im Hinblick auf den geringfügigen Erfolg der Berufung ist eine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Klägers nur im tenorierten Umfang angezeigt.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved