L 5 KR 2560/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 13 KR 810/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2560/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.04.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten sind die Erstattung der Kosten einer komplementären Behandlung eines Mamma-Carcinoms sowie die Kostenübernahme der künftigen komplementären Behandlung streitig.

Die 1954 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert.

Im November 2006 wurde bei der Klägerin ein Uterus-Carcinom (pTla, Nx, Gl, MO) festgestellt, woraufhin am 17.11.2006 im Klinikum H. die abdominale Hysterektomie (Gebärmutterentfernung) mit Adnexektomie (Anhangsgebilde) erfolgte. Aufgrund des günstigen Befundes war eine weitere Nachbehandlung nicht erforderlich. Am 14.12.2009 wurde aufgrund eines Chondrosarkoms (maligner, bösartiger Knochentumor) im rechten Knie (pT2b, G2) der rechte Oberschenkel amputiert. Im Dezember 2014 wurde sodann ein Mamma-Carcinom links (pTlb, pN, MO, pRO, G3) festgestellt und mit zwei brusterhaltenden Operationen am 20.01.2015 und 28.01.2015 im O.-Klinikum A. behandelt. Dr. G., Chefarzt der Frauenklinik des O., empfahl im Entlassungsbericht vom 05.02.2015 eine anschließende Chemotherapie und Radiatio (Bestrahlung) der Brust. Da Dr. K., Ärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, sowie Dr. medic. G., Fachärztin für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren, Institut für G., nach drei Malignomen verschiedenster Entitäten bei der Standardchemotherapie die Gefahr von chemoinduzierten sekundären Malignomen sahen, entschied sich die Klägerin gegen eine adjuvante Chemotherapie und zur Durchführung einer komplementären Krebstherapie mit verschiedenen Untersuchungen und anschließenden Infusionen, Oxyvenierung, Misteltherapie, orthomolekularer Therapie und Ernährungs- und Bewegungstherapie. Diese soll die Energiegewinnung in den Krebszellen negativ beeinflussen und auf der anderen Seite das Immunsystem unterstützen.

Mit Schreiben vom 20.04.2015 beantragte die Klägerin unter Vorlage des Attestes der Dr. medic. G. vom 03.04.2015 die Kostenübernahme der genannten Therapie.

Mit Bescheid vom 05.05.2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Damit eine Leistung von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen werden könne, müsse zuvor der diagnostische bzw. therapeutische Nutzen nachgewiesen sein. Dies beurteile der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Das komplementäre Behandlungskonzept sei bisher noch nicht bewertet worden.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 02.06.2015 Widerspruch ein und das Attest der Dr. medic. G. vom 01.06.2015 vor. Für die Standardchemotherapie gebe es keinen gesicherten therapeutischen Nutzen, eher steige umgekehrt das Risiko für eine neue Krebserkrankung. Zudem existiere keine nebenwirkungsfreie Chemotherapie. Mit der Komplementärtherapie werde das eigene Immunsystem gezielt unterstützt.

Die Beklagte veranlasste daraufhin die sozialmedizinische Stellungnahme durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg. Dr. F. führte im Gutachten vom 15.06.2015 aus, eine lebensbedrohliche oder notstandsähnliche Situation sei den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen. Geeignete Behandlungskonzepte könnten in onkologischen Schwerpunktpraxen oder Klinikambulanzen erörtert werden. Patientenpräferenzen könnten nur eingeschränkt berücksichtigt werden. Ein Wirksamkeitsnachweis liege bisher für die beantragte Methode nicht vor.

Gestützt hierauf wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2016 zurück. Die streitige Behandlung sei keine Vertragsleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Der G-BA habe sich mit dieser bislang noch nicht befasst. Eine Kostenübernahme könne nur erfolgen, wenn ein Systemmangel vorliege oder eine lebensbedrohliche Erkrankung oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorliege, eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Stand entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehe und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Es liege keine lebensbedrohliche oder notstandsähnliche Situation vor. Zudem gäbe es konservative Behandlungskonzepte, die zur Verfügung stünden. Darüber hinaus liege kein Wirksamkeitsnachweis für die beantragte Methode vor.

Hiergegen erhob die Klägerin am 08.03.2016 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG). Bei ihr liege eine lebensbedrohliche Erkrankung vor. Für die Behandlung der Krankheit stehe keine allgemein anerkannte, dem Standard entsprechende Therapie zur Verfügung. Denn angesichts der Krankengeschichte könnten die Zytostatika (chemische Substanzen, die den Zellzyklus verhindern oder verzögern - Chemotherapie) nicht zum Einsatz kommen. Unabhängig davon würden unerwünschte Nebenwirkungen die Neurotoxität kumulieren. Darüber hinaus bestehe ein erhöhtes Risiko für die Entstehung sekundärer Tumore. Schließlich bestehe eine hinreichende Erfolgsaussicht für die begehrten Behandlungen. Der Arzneistoff Dichloracetat sei in den U. bereits als Fertigarzneimittel zugelassen. Die antiapoptotischen Effekte von Curcurmin seien vielfältig beschrieben. Es existiere eine Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten, die einen positiven Effekt von Mistel zumindest auf die Lebensqualität beschrieben. Die begehrte Behandlung sei schonender als eine Chemotherapie und führe auch in einer Mehrzahl von Fällen zum Erfolg. Die Standardtherapie erziele häufig nur unbefriedigende Ergebnisse. Es müsse ein Rückfall vermieden werden. Die Beklagte sei daher zur Erstattung der aufgelaufenen Kosten verpflichtet. Bislang seien Kosten in Höhe von 10.784,31 EUR entstanden. Insoweit legte die Klägerin Rechnungen, die ärztliche Bescheinigung der Dr. K. und verschiedene ärztliche Veröffentlichungen vor.

Die Beklagte trat der Klage entgegen

Das Gericht befragte zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Dr. G., O.-Klinikum A., berichtete unter dem 28.04.2016 über die durchgeführte brusterhaltende Operation und Nachresektion. Die Klägerin leide an einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Die Standardtherapie nach den S3-Leitlinien, die kurativer Art sei (Ziel sei die Verringerung des Rezidiv-Risikos mit Verbesserung des Gesamtüberlebens), sei die Operation mit anschließender Chemotherapie, Antihormontherapie und Strahlentherapie. Die Chemotherapie verbessere das Gesamt-10-Jahres-Überleben um 3,5%. Auf Nachfrage ergänzte Dr. G. mit Schreiben vom 08.08.2016 und 17.08.2016, bezüglich des Mamma-Carcinoms bestehe die Indikation zur endokrinen, medikamentösen Therapie bis mindestens Januar 2020. Der Effekt sei marginal gemessen an der Verbesserung des Gesamtüberlebens. Die Klägerin habe sich gegen diese Therapie entschieden. Die Vorerkrankungen des Uterus-Carcinoms bzw. Chondrosarkoms seien bei der Behandlung des Mamma-Carcinoms nicht zu berücksichtigen und hätten keinen Einfluss auf die Standardtherapie.

Dr. medic. G. führte in ihrer Auskunft vom 17.05.2016 aus, die Therapie sei erfolgreich. Nach ihren Erkenntnissen lägen keine Therapie-Leitlinien vor, wenn zwei oder mehrere Krebserkrankungen gleichzeitig bestünden. Durch die Standardtherapie werde versucht, die Krebszellen zu zerstören. Während der Behandlung würden jedoch auch gesunde Zellen angegriffen, was zu starken Nebenwirkungen führe. Gleichzeitig werde dadurch die Entstehung von sekundären Tumoren gefördert.

Die Klägerin trug ergänzend vor, die Annahme, dass der Umstand mehrerer Krebserkrankungen keinen Einfluss bei der Abwägung der Therapiewahl habe, sei falsch. Auch das Deutsche Krebszentrum weise auf die Gefahr weiterer Krebserkrankungen durch die Zytostatika hin, führe aber aus, Experten hätten dies nach den bei Brustkrebs üblichen Zytostatika extrem selten beobachtet und schätzten das Risiko deutlich geringer ein als den Nutzen. Allerdings sei vorliegend eine solche Ausnahmesituation zu bejahen. Auch Prof. Dr. S., Spezialist an der L. M., stelle dar, dass eine einzelfallbezogene Betrachtung des jeweiligen Patienten erforderlich sei. Die Klägerin legte darüber hinaus den Arztbrief des Universitätsklinikum U. vom 26.10.2016 über die Verlaufskontrolle zum Ausschluss eines Rezidivs vor. Es fänden sich auch weiterhin keine Hinweise auf Lokalrezidive im Bereich des rechten Femur und der Mammae links. Auch im Bereich der Gebärmutter lägen unauffällige postoperative Verhältnisse vor.

Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin beauftragte das SG gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. S., Facharzt für Strahlentherapie, Facharzt für Radiologie, Leiter des Instituts für Hyperthermieforschung, Komplementärmedizin, mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage. In seinem Gutachten vom 10.02.2017 führte Dr. S. aus, beim triple negativen Mamma-Carcinom könne/solle eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden. Aufgrund der geringen Tumorgröße (insbesondere im Falle eines pTla-Tumors) könne eine Chemotherapie nach Risikoabwägung unterlassen werden. Im Fall der Klägerin sei die Tumorformel pTlb gewesen. Allerdings sei die Chemotherapie in dem bei der Klägerin diagnostizierten Stadium (G2, Ki-67 35%, uPA und PAI, high risk) nicht ganz klar und werde kontrovers diskutiert. Bei der Klägerin handele es sich um eine Mischform für und gegen Chemotherapieempfehlung. Retrospektive Studien deuteten darauf hin, dass Patientinnen mit einem HR-positiven Mammacarcinom und einem niedrigen Risikoscore auch ohne Chemotherapie eine sehr gute Prognose hätten und deshalb nicht oder nur in geringem Umfang von adjuvanter Chemotherapie profitierten. Eine weitere Therapie des Uterus-Carcinoms sei nicht erforderlich. Bezüglich des Chondrosarkoms stelle die operative Tumorresektion das wichtigste Therapieprinzip dar; Chondrosarkome seien kaum strahlensensibel. Die Klägerin sei hier leitliniengerecht therapiert worden. Sowohl das triple negative Mamma-Carcinom als auch das Chondrosarkom seien aggressive Tumorentitäten und gingen mit dem Risiko eines Rezidivs und/oder Metastasierung einher. Infolgedessen handele es sich in beiden Fällen um lebensbedrohliche Erkrankungen. Die Klägerin sei bis auf die empfohlene adjuvante Strahlentherapie nach Leitlinien therapiert worden. Es ergebe sich bei der Therapiewahl keine Änderung oder Abweichung wegen der Vorerkrankungen des Uterus-Carcinoms und des Chondrosarkoms in Bezug auf die Leitlinien-Behandlung. Auch die weiteren bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen (chronisches Schmerzsyndrom, HWS-/BWS-/LWS-Syndrom, chronischer Vitamin- und Mineralienmangel, Diabetes mellitus) seien keine Kontraindikation zur Strahlen- oder Chemotherapie. Die komplementäre Therapie sei hier eher als prophylaktisch-immunologische Therapie eingesetzt worden. Deshalb könne nicht von kurativer oder palliativer Therapie gesprochen werden. Zu einigen komplementären Therapien existierten Studien, z.B. zu Mistel über 30 randomisierte Studien. Auch gebe es mehrfache Publikationen und eine retrospektive Studie zur intravenösen Gabe von hochdosiertem Vitamin C. Zur intravenösen Gabe von Curcumin existierten über 9.000 Publikationen. Nach Aktenlage seien die Diagnosen, jede für sich genommen, nicht wirklich lebensbedrohlich, da sie in relativ frühem Stadium diagnostiziert und therapiert worden seien. Da bei der Klägerin anscheinend ein höheres Risiko zur Krebsbildung bestehe, sei nach den vorliegenden Studiendaten für die komplementär medizinischen Medikamente (Mistel, Vitamin C, Curcurmin) eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder zumindest auf eine spürbar positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf (sehr) wahrscheinlich.

Mit Urteil vom 06.04.2017 wies das SG die Klage ab. Der Bescheid der Beklagten vom 05.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2016 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihr für die komplementäre Therapie bislang entstanden seien und deshalb auch nicht auf künftige Sachleistungen im Hinblick auf diese Therapie. Bei der von der Klägerin selbstbeschafften Therapie stelle sich bereits die grundsätzliche Frage, ob der Methode überhaupt ein nachvollziehbares theoretisches Konzept zugrunde liege. Denn sowohl die Klägerin als auch Dr. S. verwiesen lediglich auf wissenschaftliche Arbeiten bezüglich einzelner Elemente der Therapie, so z.B. bezüglich Mistel, der hochdosierten Gabe von Vitamin C oder Curcumin. Eine Beschreibung des Gesamtkonzeptes fehle jedoch bislang. Dennoch seien weitere Ermittlungen hierzu nicht erforderlich. Denn die Kostenerstattung scheitere aus anderen Gründen. Der Anspruch auf Krankenbehandlung umfasse nämlich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich seien und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen. Dies sei bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der G-BA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Ein Ausnahmefall, in dem es keiner Empfehlung des G-BA bedürfe, liege nicht vor. Weder ergäben sich angesichts der erheblichen Verbreitung des Krankheitsbildes Anhaltspunkte für einen Seltenheitsfall noch für ein Systemversagen. Es lägen ferner keine Anhaltspunkte für eine gebotene grundrechtsorientierte Auslegung vor (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 -, SozR 4-2500 § 27 Nr 5; Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R -, SozR 4-2500 § 27 Nr 12). Der Gesetzgeber habe den vom BVerfG formulierten Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung der Leistungspflicht der GKV in Bezug auf neue Behandlungsmethoden im Falle einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen oder zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung stehe, mit dem am 01.01.2012 in Kraft getretenen § 2 Abs. la SGB V (Gesetz vom 22.11.2011, BGBl I 2983) verfassungsmäßig Rechnung getragen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08.04.2014 - 1 BvR 2933/13 -, NZS 2014, 539 f.; BVerfG, Beschluss vom 26.02.2013 - 1 BvR 2045/12 -, NZS 2013, 500 f.). Dabei könne vorliegend dahinstehen, ob bei der Klägerin eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliege. Gerechtfertigt sei eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nämlich nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage vorliege, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch sei (Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteile vom 21.02.2017 - L 11 KR 2090/16 -, und vom 27.07.2016 - L 5 KR 4217/14 -, juris). Dies sei bei der Klägerin nach den erfolgten brusterhaltenden Operationen nicht mehr der Fall. Keiner der behandelnden Ärzte beschreibe ein solches Risiko. Die Standard-Behandlung, die die Klägerin nicht durchführt habe, wäre nach Auskunft des Dr. G. bis zum Jahr 2020 ausgelegt gewesen. Dr. S. erkläre zwar zunächst, dass u.a. das triple negative Mamma-Carcinom eine aggressive Tumorentität und infolgedessen eine lebensbedrohliche Erkrankung sei. Andererseits bestätige er ausdrücklich, dass die einzelnen Diagnosen der Klägerin nicht lebensbedrohlich seien. Letzteres werde auch bestätigt durch die Gesamtüberlebensraten bei Mamma-Carcinomen, die z.B. vom Tumorregister M. veröffentlicht würden. Zwar bestehe das Risiko von ca. 23% innerhalb von fünf Jahren, von ca. 43% innerhalb von zehn Jahren und von ca. 57% innerhalb von fünfzehn Jahren an den Folgen der Erkrankung zu sterben (https://www.t.-m ...de/a./J1999/ J199900820030222JB199908l0.pdf). Eine nahe Lebensgefahr dürfte damit nicht bestehen. Jedenfalls fehle es aber an der zweiten Voraussetzung, da eine allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode zur Verfügung stehe. Die Klägerin sei zwar an einem Mamma-Carcinom erkrankt. Dennoch habe die Resektion nicht rein palliativen sondern kurativen Charakter. Daneben diene die nach der S3-Leitlinie empfohlene adjuvante Chemo- und Strahlentherapie sowie die endokrine medikamentöse Therapie im Fall der Klägerin der Verhütung des erneuten Entstehens einer Krankheit, also der Verhinderung des Auftretens eines Rezidivs. Eine Kontraindikation für die Standardtherapie bestehe nicht. Dies bestätigten sowohl Dr. G. als auch Dr. S ... Zwar biete die Standardtherapie nur eine Verbesserung des Gesamt-10-Jahres-Überleben um 3,5%; einen weitergehenden Effekt über die Verhinderung eines Rezidivs hinaus beanspruche aber auch das komplementäre Therapieangebot, das die Klägerin durchführe, nicht. Ob daneben eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf spürbare Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe, könne daher offen bleiben. Selbst wenn man nur die einzelnen Teile der Therapie betrachte, ergebe sich kein anderes Ergebnis. Bei der Gabe von hochdosiertem Vitamin C und von homöopathischen oder anthroposophischen Arzneimitteln (Bach Rescue, Mistelpräparat Iscador) handele es sich um eine Pharmakotherapie. Zwar gebe es für eine Reihe von sekundären Pflanzenstoffen wie z.B. Curcumin experimentelle präklinische Daten, die auf eine antitumorale Wirkung hindeuteten. Diese Daten rechtfertigten aber keinesfalls einen Einsatz außerhalb klinischer Studien (S3-Leitlinie, Seite 282). Eine Misteltherapie verlängere das Überleben von Patientinnen mit Mamma-Carcinom nicht, eine Verbesserung der Lebensqualität sei nach derzeitiger Datenlage fraglich (S3-Leitlinie, Seite 282). Auf die Frage, ob und welche Studien zu den eingesetzten Präparaten existierten, komme es jedoch nicht an. Denn die angewandten Präparate seien nicht verschreibungspflichtig. Sie seien daher gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. mit den einschlägigen Vorschriften der Arzneimittel-Richtlinie (AMR) von der Versorgung ausgeschlossen. Ausnahmen existierten zwar, seien hier aber nicht einschlägig. Insbesondere sei das Mistelpräparat Iscador nach der AMR lediglich palliativ, nicht aber in der adjuvanten Krebstherapie zugelassen (explizit zu Iscador und zur Verfassungsmäßigkeit des Leistungsausschlusses BSG, Urteil vom 15.12.2015 - B 1 KR 30/15 R - SozR 4¬2500 § 34 Nr 18 m.w.N.). Die dargestellten Grundsätze für die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungskatalogs der GKV führten auch hier nicht weiter (BSG a.a.O.; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27.07.2016 - L 5 KR 4217/14 - juris).

Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 16.05.2017 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 16.06.2017 zum SG erhobene Berufung der Klägerin, die dem LSG Baden-Württemberg am 03.07.2017 zur Entscheidung vorgelegt wurde. Die Voraussetzungen einer grundrechtsorientieren Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften lägen vor. Aufgrund der Krebserkrankungen sei eine lebensbedrohliche Erkrankung gegeben. Eine Standardtherapie sei nicht gegeben. Das Auftreten von drei Tumorerkrankungen nacheinander spräche dafür, dass die leitliniengerechten Behandlungen im vorliegenden Fall offenbar zur Ausbildung chemotherapieinduzierter Krebserkrankungen geführt hätten (sogenannte Sekundärkarzinome) wie dies auch im Gutachten von Dr. K. beschrieben worden sei. Bei der Durchführung systemischer Chemotherapien handle es sich im Übrigen um einen äußerst gravierenden Eingriff, der üblicher Weise mit massiven Nebenwirkungen einhergehe. Bei ihr bestehe überdies aufgrund ihrer Immunsupprimierung eine erhebliche physische Schwächung. Insoweit wäre eine weitere Chemotherapie nur theoretisch denkbar gewesen. Sie hätte allerdings innerhalb kürzester Zeit zu einer weiteren deutlichen Verschlechterung ihres allgemeinen Befindens geführt und hätte im Hinblick auf die von ihr, der Klägerin, zu tragende Beinprothese unter Umständen eine völlige Immobilität zur Folge gehabt. Auch weiter zu befürchtende Beeinträchtigungen wie polyneuropathische Veränderungen mit Gangunsicherheit und Gefühlstörungen der Hände seien vom SG nicht berücksichtigt worden. Vor dem Hintergrund, dass eine Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit um 3,5 % die Sinnhaftigkeit einer solchen Behandlung in Frage stelle, komme aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ein Rückgriff auf außervertragsärztliche Methoden durchaus in Betracht. Schließlich bestünden auch hinreichende Erfolgsaussichten. Das SG gehe in seinem Urteil auch nur auf Teile der Therapiebestandteile ein. Die Laborkosten blieben völlig außer Betracht. Die Ablehnung des Anspruchs begründe das Gericht hier damit, dass die Präparate gem. § 34 Abs. 1 SGB V i. V. m. den einschlägigen Vorschriften der AMR von der Versorgung ausgeschlossen seien. Allerdings habe das Gutachten von Dr. S. ergeben, dass hinsichtlich eines Großteils der Präparate eine ausreichende wissenschaftliche Evidenz bestehe. Damit seien die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V erfüllt, wonach bereits Indizien für eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ausreichend seien.

Die Klägerin beantragt - sinngemäß -,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06.04.2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Kosten für die selbstbeschafften therapeutischen und diagnostischen Maßnahmen des komplementären Behandlungskonzepts in Höhe von 10.784,31 EUR zu erstatten sowie die Behandlung künftig als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zutreffend habe das SG die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten sind im am 18.10.2017 durchgeführten Erörterungstermin vor dem Berichterstatter darauf hingewiesen worden, dass der Senat die Berufung gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme bis spätestens 17.11.2017. Eine Stellungnahme ist innerhalb der Frist nicht eingegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

II.

Der Senat weist die Berufung der Klägerin gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem geltend gemachten Erstattungsbetrag von 10.784,31 EUR überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher auch sonst zulässig (§ 151 SGG).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat bzw. hatte keinen (Sachleistungs-) Anspruch auf Versorgung mit der begehrten Therapie und damit auch keinen Anspruch auf Erstattung der dafür aufgewandten Kosten. Der Bescheid der Beklagten vom 05.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.02.2016 ist rechtmäßig.

Nachdem die Klägerin nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V Kostenerstattung gewählt hatte, kommt allein § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V als Anspruchsgrundlage für die streitgegenständliche Kostenerstattung in Betracht. Er enthält folgende Regelung: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher im Regelfall voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 07.05.2013 - B 1 KR 8/12 R - in juris).

Die von der Klägerin begehrte Behandlung ist vom Leistungskatalog des SGB V in der ambulanten Versorgung nicht umfasst.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Krankheit im Sinne dieser Norm ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stRspr, BSG, Urteil vom 28.02.2008, - B 1 KR 19/07 R -; BSG, Urteil vom 30.09.1999, - B 8 KN 9/98 KR R -; BSG, Urteil vom 10.02.1993, - 1 RK 14/92 -, alle in juris). Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert zu. Eine Krankheit liegt insoweit nur dann vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (BSG, Urteil vom 19.10.2004, - B 1 KR 3/03 R -, in juris).

Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der G-BA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 iVm § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw.) NUB zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl BSG, Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -, in juris mwN). "Neu" ist eine Methode, wenn sie nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (vgl BSG, Urteil vom 05.05.2009, - B 1 KR 15/08 R -, in juris). Die vorliegende streitgegenständliche komplementäre Behandlung ist nicht als abrechenbare Leistung im EBM enthalten und daher eine NUB. Eine positive Empfehlung des G-BA zu dieser Methode liegt nicht vor.

Ein Ausnahmefall, nach dem es nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 05.05.2009, - B 1 KR 15/08 R -, in juris) einer positiven Empfehlung des G-BA nicht bedarf (Seltenheitsfall oder ein Systemversagen) ist nicht ersichtlich. Ein Kostenerstattungs- bzw. Kostenübernahmeanspruch kann nach den Grundsätzen des sogenannten Systemversagens dann in Betracht kommen, wenn das Verfahren vor dem G-BA trotz Vorliegens der für die Prüfung erforderlichen Voraussetzungen willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird (BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R, Urteil vom 27.09.2005 - B 1 KR 28/03 R; Urteil vom 03.04.2010 - B 1 KR 22/00 R, alle in juris). Wenn der G-BA eine neue Behandlungsmethode geprüft und den nicht anerkannten Methoden zugeordnet hat, ist hierdurch ein Systemversagen ausgeschlossen (vgl. LSG Brandenburg, Urteil vom 26.02.2003, - L 4 KR 6/02 -, in juris zur hyperbaren Sauerstofftherapie bei Hörsturz und Tinnitus). Vorliegend fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der G-BA ein Prüfverfahren trotz Vorliegens der für die Prüfung erforderlichen Voraussetzungen willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt hat. Ein Seltenheitsfall liegt gleichfalls nicht vor. Beides trägt auch die Klägerin nicht vor.

Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf den in Umsetzung der Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung (BVerfG, Urteil vom 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 -; BSG; Urteil vom 07.11.2006, - B 1 KR 24/06 R -, alle in juris) eingeführten § 2 Abs. 1a SGB V stützen. Der Gesetzgeber hat den vom BVerfG formulierten Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung in Bezug auf neue Behandlungsmethoden im Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen oder zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, mit dem am 01.01.2012 in Kraft getretenen § 2 Abs. 1a SGB V (Gesetz vom 22.12.2011, BGBl I 2983) Rechnung getragen. Eine Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine neue ärztliche Behandlungsmethode sei ausgeschlossen, weil der G-BA diese nicht anerkannt habe, verstößt dann gegen das Grundgesetz, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

1. Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vor; 2. bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung und 3. bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist nach der Rechtsprechung des BSG eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer "schwerwiegenden" Erkrankung für die Eröffnung des sog. Off-Label-Use (vgl dazu BSG, Urteil vom 19.03.2002, - B 1 KR 37/00 R -, in juris) formuliert ist. Vorausgesetzt wird dabei in § 2 Abs. 1a SGB V eine notstandsähnliche Situation, die nur dann vorliegt, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls droht, dass sich der tödliche Krankheitsverlauf bzw. der nicht kompensierbare Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums wahrscheinlich verwirklichen wird (BVerfG, Beschluss vom 26.03.2014, - 1 BvR 2415/13 -, in juris; BSG, Urteil vom 14.12.2006, - B 1 KR 12/06 R -, in juris; BT-Drucks 17/6906 S 53). Medizinische Anhaltspunkte hierfür sind bei der Klägerin nicht ersichtlich. Insbesondere nach den erfolgten brusterhaltenden Operationen ist eine notstandsähnliche Situation nicht mehr der Fall. Keiner der be¬handelnden Ärzte beschreibt ein solches Risiko. Dr. S. erklärt zwar, dass u.a. das triple negative Mamma-Carcinom eine aggres¬sive Tumorentität und infolgedessen eine lebensbedrohliche Erkrankung sei. Andererseits bestätigt er aber auch ausdrücklich, dass die einzelnen Diagnosen der Klägerin nicht lebensbedrohlich sind. Eine nahe Lebensgefahr bestand bzw. besteht derzeit nicht. Dies bestätigt auch der Bericht des Universitätsklinikums U. vom 26.10.2016. Hiernach fanden sich auch weiterhin keine Hinweise auf Lokalrezidive im Bereich des rechten Femur und der Mammae links. Auch im Bereich der Gebärmutter lagen unauffällige postoperative Verhältnisse vor.

Sofern man nach den erfolgten brusterhaltenden Operationen noch ein Behandlungsbedürfnis sieht, stand eine Behandlung im Übrigen auch zur Verfügung. Die Resektion hatte nicht rein palliativen sondern kurativen Charakter, d.h. die Behandlung hat nicht nur auf den Erhalt bestmöglicher Lebensqualität durch optimale Schmerztherapie und Symptomkontrolle abgezielt, sondern auf Heilung. Weitere Behandlungsmöglichkeiten ergeben sich schon aus der Interdisziplinären S3-Leitlinie für die Diag¬nostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms (Langversion 3.0 Aktualisierung 2012, abrufbar unter www.a ...org). Die nach der S3-Leitlinie auch von Dr. G. empfohlene adjuvante Chemo- und Strahlentherapie sowie die endokrine medikamentöse Therapie diente im Fall der Klägerin der Verhütung des erneuten Entstehens einer Krankheit, also der Verhinderung des Auftretens eines Rezidivs. Eine Kontraindikation für die Standardtherapie besteht und bestand nicht; dies bestätigen so¬wohl Dr. G. als auch Dr. S ... Weder die vorangegangenen Krebserkrankungen noch die aktuell bestehenden weiteren Erkrankungen der Klägerin wie chronisches Schmerzsyndrom, HWS-/BWS-/LWS-Syndrom, chronischer Vitamin- und Mineralienmangel und Diabetes melli¬tus stehen einer Standardbehandlung entgegen. Zwar bietet die Standardtherapie nur eine Ver¬besserung des Gesamt-10-Jahres-Überleben um 3,5%; einen weitergehenden Effekt über die Verhinderung eines Rezidivs hinaus beansprucht aber auch das komplementäre Therapieangebot, das die Klägerin durchführt, nicht. Dr. S. verweist ebenfalls nur auf den prophylakti¬schen Charakter der Therapie, ohne konkrete Zahlen zu nennen (und mangels Studien nennen zu können). Deshalb steht eine anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Alternativbehandlung mit gleichem Behandlungsziel zur Verfügung, nämlich die adjuvante Chemotherapie mit Strahlen-therapie und endokriner medikamentöser Therapie.

Damit liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V nicht vor.

Fehlt es damit an einem Sachleistungsanspruch für die Zukunft scheidet gleichsam ein Kostenerstattungsanspruch für die Vergangenheit aus.

Nichts anderes ergibt sich bei einer Einzelbetrachtung von hochdosiertem Vitamin C und von homöopathischen oder anthroposophischen Präparaten. Der Senat nimmt diesbzgl. auf die Ausführungen des SG in seinem Urteil Bezug und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Soweit die Klägerin im Übrigen die mit der Therapie in Zusammenhang stehenden Laborkosten in der Berufung anspricht, handelt es sich hierbei um Bestandteile der komplementären Therapie, die ohne diese nicht angefallen wären. Mangels Erstattungsfähigkeit der komplementären Therapie müssen daher auch die in diesem Zusammenhang angefallenen Laboruntersuchungen nicht von der Beklagten übernommen werden.

Das Urteil des SG ist daher nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Abs 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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