Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 3410/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 2841/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts K. vom 29. Juni 2017 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung an das Sozialgericht K. zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 81.983,65 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Nachforderung von Beiträgen und Säumniszuschlägen in Höhe von 81.983,65 EUR.
Der Kläger ist seit 2006 als selbstständiger Stukkateurmeister tätig. Das Hauptzollamt K. führte eine Baustellenkontrolle durch, bei der unter anderem die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 angetroffen wurden. Es wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger eingeleitet, dessen Geschäfts- und Wohnräume durchsucht. Die Staatsanwaltschaft K. erhob beim Amtsgericht B. Anklage gegen den Kläger wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266 a StGB. Das Strafverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Mit Prüfbescheid vom 20. Juni 2016 setzte die Beklagte nach vorheriger Anhörung für den Zeitraum 1. Juli 2010 bis 12. Juli 2014 Beiträge und Säumniszuschläge in Höhe von 81.983,65 EUR fest. Die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 seien für den Kläger im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung tätig geworden. Zu Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs führte der Kläger aus, er habe die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 als Subunternehmer beauftragt. Den Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2016 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 10. Oktober 2016 hat der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und seine Ausführungen vertieft. Das SG hat mit Beschluss vom 20. Oktober 2016 die Beiladung vorgenommen und beim Amtsgericht B. um Mitteilung des Sachstands bzw. um eine Prognose gebeten, bis wann mit einer Entscheidung dort gerechnet werden könne. Der Ausgang dieses Verfahrens sei für das hiesige Verfahren von großem Interesse. Das Amtsgericht B. hat hierauf mitgeteilt, dass eine Terminierung nicht absehbar sei. Falls Akteneinsicht benötigt werde, werde um Mitteilung gebeten. Es seien auch zwei weitere Verfahren anhängig, bei denen es sich um die identischen Scheinselbstständigen handele, die vom Kläger und einem Dritten zu anderen Zeiten beschäftigt worden sein sollen. Das SG hat um Mitteilung gebeten, sollte ein Termin zur Hauptverhandlung bestimmt werden. Das Amtsgericht B. hat noch die Stellungnahme des Hauptzollamtes K. vom 5. Oktober 2016 übersandt. Das SG hat in der mündlichen Verhandlung am 29. Juni 2017 den Kläger sowie die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 angehört und mit Urteil vom selben Tag den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben. Die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 seien im streitigen Zeitraum selbstständig tätig gewesen. Eine Beschäftigung setze voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und dabei einem Weisungsrecht unterliege. Demgegenüber sei eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebstätte, die Verfügungsmöglichkeiten über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Die Entscheidung richte sich nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hänge davon ab, welche Merkmale überwiegen. Nach übereinstimmender und glaubhafter Aussage des Klägers sowie der Beigeladenen Ziffer 1 und 2 seien die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 nach mündlicher Beauftragung und vorheriger Festlegung eines Preises als Maler und Gipser tätig geworden. Warum insbesondere der Beigeladene Ziffer 2 im Rahmen der Ermittlungen durch den Zoll angegeben hat, lediglich als Baustellenhelfer tätig gewesen zu sein, habe das Gericht nicht festzustellen vermocht. Der Beigeladene Ziffer 2 habe im Rahmen der mündlichen Verhandlung für das Gericht glaubhaft versichert, als Maler und Gipser tätig gewesen zu sein; er sei bei der Befragung durch den Zoll sehr aufgeregt gewesen. Zudem habe der Kläger den Auftrag nur grob umrissen, ohne konkrete und individuelle Arbeitsschritte vorzugeben. Die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 hätten auch keine regelmäßige Arbeitszeiten einzuhalten gehabt. Die Beteiligten hätten für das Gericht überzeugend ausgeführt, dass für die einzelnen Aufträge jeweils nur ein Zeitfenster vereinbart worden sei. Der Kläger habe am Ende des Auftrages das Werk abgenommen. Warum die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 gegenüber dem Zoll angegeben haben, regelmäßige Arbeitszeiten zu haben, habe das Gericht nicht abschließend festzustellen vermocht. Jedenfalls hätten sie nunmehr übereinstimmend und glaubhaft versichert, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Möglicherweise sei die damalige Aussage dem Umstand geschuldet gewesen, dass die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 tatsächlich zu den auf Baustellen üblichen Zeiten vor Ort gewesen seien und es bei der Befragung dann zu einem Missverständnis gekommen sei. Beide Beigeladenen verfügten über eine entsprechende Ausbildung und berufliche Erfahrung und hätten übereinstimmend erklärt, dass der Kläger nur bei der Abnahme des Werks tatsächlich auf der Baustelle gewesen sei. Eine Zusammenarbeit des Klägers mit beiden Beigeladenen habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Die Beigeladenen hätten die Baustellen selbstständig angefahren und eigenes Werkzeug mitgebracht. Nach persönlichem Eindruck in der Verhandlung seien die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 auch in der Lage gewesen, Preise zu verhandeln und für ihre Tätigkeiten zu werben. Zwar hätten die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 kein Kapital in wesentlichem Umfang eingesetzt. Allerdings hätten die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 nicht jede eingesetzte Stunde vergütet erhalten. Da nicht absehbar gewesen sei, wie viele Arbeitsstunden tatsächlich erforderlich sind, sei ein unternehmerisches Risiko vorhanden gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil des SG verwiesen.
Gegen das der Beklagten am 5. Juli 2017 zugestellte Urteil hat sie am 20. Juli 2017 Berufung eingelegt und in der Folge damit begründet, das SG sei einzig und allein auf Grund der im Rahmen der mündlichen Verhandlung gemachten, übereinstimmenden und als glaubhaft beurteilten Angaben des Klägers und der Beigeladenen Ziffer 1 und 2 zu der Überzeugung gelangt, dass die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 selbstständig tätig gewesen seien. Das SG habe weitere besondere Umstände nicht berücksichtigt und sei Ungereimtheiten nicht nachgegangen, sondern habe Vermutungen angestellt. Eine Aufklärung, warum die Angaben so stark von denen im Ermittlungsverfahren abwichen, sei unterblieben. Nach der Untersuchungsmaxime habe das Gericht aber alle Tatsachen zu ermitteln und müsse von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stünden, Gebrauch machen. Die im Ermittlungsverfahren im November 2013 gemachten Angaben seien im Oktober 2015 wiederholt worden, so dass Aufregung keinen Grund darstellen könne. Das SG habe auch einen Nachweis für eine angenommene berufliche Qualifizierung der Beigeladenen Ziff. 1 und 2 nicht eingefordert. Auf Grund der Aussagen in den Ermittlungsakten ergebe sich auch, dass die geleisteten Arbeitsstunden durch den Kläger festgelegt worden seien. Nachforschungen, z. B. bei den Zollbehörden, habe das SG nicht angestellt. Bei einem pauschalen Betrag von 1.800,00 EUR pro Monat, was einem Stundenlohn von ca. 10 bis 11 EUR entspreche, sei nicht von einem kalkulierten unternehmerischen Stundenverrechnungssatz auszugehen, sondern von einem Beschäftigten. Des Weiteren habe das SG keinerlei Vergleiche mit weiteren vom Kläger beauftragten Subunternehmern angestellt. Hierzu und zu den Einzelheiten im Zusammenhang mit den Befragungen vor Ort und der Zeugenvernehmung könnten insbesondere die Mitarbeiter der Zollbehörden eingehend berichten. Es werde beantragt, ZOS G., ZOS S., ZOS P. und Frau K. über das Hauptzollamt K. zu laden. Die Beklagte hat unter anderem eine bisher nicht in den Akten befindliche Gesprächsnotiz des ZOS G. vom 21. November 2013 sowie einen Aktenvermerk des ZOS S. vom 21. November 2013 vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juni 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Der Kläger beruft sich auf das angefochtene Urteil und hält es für zutreffend. Das SG habe den Sachverhalt durch seine Vernehmung sowie der beiden Beigeladenen Ziffer 1 und 2 umfassend aufgeklärt. Daraus habe sich ein ausreichend klares Bild von der Tätigkeit der beiden Subunternehmer ergeben, zutreffend habe das SG seine Aussagen und der Beigeladenen Ziffer 1 und 2 als glaubwürdig eingestuft. Präsente Zeugen (Steuerberater S., J. S., Dipl.-Ing. A. S., Herr D.) habe das SG nicht vernehmen müssen, da die Beklagte nicht bestritten habe, dass der Beigeladene Ziffer 1 alleine auf der Baustelle gearbeitet habe und Werbebriefe versendet habe. Sollte es aus Sicht des Berufungsgerichts hierauf aber ankommen, werde eine Vernehmung dieser Zeugen ausdrücklich beantragt. Er hat eine Bescheinigung vom 9. Januar 1988 vorgelegt, wonach der Beigeladene Ziff. 2 eine berufliche Qualifizierung im Beruf des Bauarbeiters mit Spezialisierung Maurer durchlaufen hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtzüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung zur Durchführung weiterer Ermittlungen an das SG erfolgreich.
Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung auf ihm beruhen kann (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 159 Rdnr. 3a).
Das Verfahren beim SG unterlag einem wesentlichen Verfahrensmangel, weil das SG sich aus seiner rechtlichen Sicht nicht mit der Anhörung der Beteiligten -die keine Zeugen sind (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 118 Rdnr. 10d)- hätte begnügen dürfen, sondern sich -auch ohne Beweisantrag- hätte gedrängt fühlen müssen, Ermittlungen durchzuführen (vgl. Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a. a. O., § 144 Rdnr. 34 m. w. N.). Nach der Rechtsauffassung des SG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist, was durch ein Weisungsrecht gekennzeichnet ist. Die Weisungsgebundenheit könne aber auch eingeschränkt und zu funktionsgerichtdienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Werde von den Vertragsverhältnissen abgewichen, so gäben die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag. Das SG hat zur Feststellung dieser Umstände aber weder die Ermittlungsakten des Hauptzollamtes noch die Strafakten beigezogen und auch keine Zeugen befragt, sondern sich lediglich mit der Anhörung der Beteiligten begnügt. Wenn ein Verdacht von "Schwarzarbeit" besteht, reicht es nicht aus, die diesem Verdacht ausgesetzten und ihn abstreitenden Personen anzuhören, deren Glaubwürdigkeit eingeschränkt sein kann, sondern es sind die Ermittlungs- und Strafakten beizuziehen und dann auch die den Verdacht bestätigenden Personen als Zeugen zu vernehmen und dann hieraus ggf. weitere notwendig erscheinende Beweiserhebungen durchzuführen. Dies gilt umso mehr, als die Angaben der am Klageverfahren Beteiligten in der Verhandlung auch noch widersprüchlich zu ihren eigenen früheren Angaben im Ermittlungsverfahren -auch nach der Auffassung des SG- sein dürften. Wieso das SG den Inhalt der Aussagen der Beteiligten als glaubhaft (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 17. August 2006, B 12 KR 79/05 B, Juris) eingeschätzt hat, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Klägers sowie der Beigeladenen Ziffer 1 und 2 in der mündlichen Verhandlung hätte es gerade einer ausführlichen Auseinandersetzung mit den abweichenden Angaben bedurft, die -auch nach der Auffassung des SG- in den Ermittlungsakten des Hauptzollamtes enthalten sein dürften. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren z.B. eine Gesprächsnotiz des ZOS G. vom 21. November 2013 vorgelegt, die in den Ermittlungsakten, aber nicht in ihren Verwaltungsakten enthalten ist, wonach ZOS G. ein Telefongespräch des Beigeladenen Ziff. 1 wahrscheinlich mit dem Kläger mit anhören konnte, aus dem sich eine Verschleierungsabsicht ergeben könnte. Auch den Aktenvermerk des ZOS S. vom 21. November 2013 konnte das SG mangels Kenntnis nicht berücksichtigen. Schließlich hat das Amtsgericht B. noch auf weitere Verfahren hingewiesen, die aufschlussreich sein können, so dass auch die Beiziehung dieser Verfahrensakten notwendig erscheint. Ob auch noch ein Vergleich der Sachverhalte mit vom Kläger beauftragten anderen Subunternehmern erforderlich wird, wie die Beklagte meint, ist vom dann erfolgten Beweisergebnis abhängig. Die Entscheidung kann auch auf dem Mangel beruhen, da die Möglichkeit besteht, dass eine Beweisaufnahme die Entscheidung beeinflusst. Es ist auch eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig (s.o.).
Das damit eröffnete Ermessen übt der Senat dahingehend aus, das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren an das SG zurückzuverweisen. Der Rechtstreit ist erst kurze Zeit am Berufungsgericht anhängig, sodass die Beteiligten keinen wesentlichen zeitlichen Nachteil in Kauf nehmen müssen. Der Senat verhindert damit auch, dass die Beteiligten hinsichtlich der Beweisaufnahme eine Instanz verlieren.
Die Kostenentscheidung bleibt der erneuten Entscheidung des SG vorbehalten.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 SGG) liegen nicht vor.
Trotz der Zurückverweisung ist ein Streitwert festzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005, B 4 RA 28/05 R, Juris); der Streitwert ist endgültig gemäß § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 u. 3 GKG auf 81.983,65 EUR festzusetzen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 81.983,65 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Nachforderung von Beiträgen und Säumniszuschlägen in Höhe von 81.983,65 EUR.
Der Kläger ist seit 2006 als selbstständiger Stukkateurmeister tätig. Das Hauptzollamt K. führte eine Baustellenkontrolle durch, bei der unter anderem die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 angetroffen wurden. Es wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger eingeleitet, dessen Geschäfts- und Wohnräume durchsucht. Die Staatsanwaltschaft K. erhob beim Amtsgericht B. Anklage gegen den Kläger wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266 a StGB. Das Strafverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Mit Prüfbescheid vom 20. Juni 2016 setzte die Beklagte nach vorheriger Anhörung für den Zeitraum 1. Juli 2010 bis 12. Juli 2014 Beiträge und Säumniszuschläge in Höhe von 81.983,65 EUR fest. Die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 seien für den Kläger im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung tätig geworden. Zu Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs führte der Kläger aus, er habe die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 als Subunternehmer beauftragt. Den Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2016 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 10. Oktober 2016 hat der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und seine Ausführungen vertieft. Das SG hat mit Beschluss vom 20. Oktober 2016 die Beiladung vorgenommen und beim Amtsgericht B. um Mitteilung des Sachstands bzw. um eine Prognose gebeten, bis wann mit einer Entscheidung dort gerechnet werden könne. Der Ausgang dieses Verfahrens sei für das hiesige Verfahren von großem Interesse. Das Amtsgericht B. hat hierauf mitgeteilt, dass eine Terminierung nicht absehbar sei. Falls Akteneinsicht benötigt werde, werde um Mitteilung gebeten. Es seien auch zwei weitere Verfahren anhängig, bei denen es sich um die identischen Scheinselbstständigen handele, die vom Kläger und einem Dritten zu anderen Zeiten beschäftigt worden sein sollen. Das SG hat um Mitteilung gebeten, sollte ein Termin zur Hauptverhandlung bestimmt werden. Das Amtsgericht B. hat noch die Stellungnahme des Hauptzollamtes K. vom 5. Oktober 2016 übersandt. Das SG hat in der mündlichen Verhandlung am 29. Juni 2017 den Kläger sowie die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 angehört und mit Urteil vom selben Tag den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben. Die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 seien im streitigen Zeitraum selbstständig tätig gewesen. Eine Beschäftigung setze voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und dabei einem Weisungsrecht unterliege. Demgegenüber sei eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebstätte, die Verfügungsmöglichkeiten über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Die Entscheidung richte sich nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hänge davon ab, welche Merkmale überwiegen. Nach übereinstimmender und glaubhafter Aussage des Klägers sowie der Beigeladenen Ziffer 1 und 2 seien die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 nach mündlicher Beauftragung und vorheriger Festlegung eines Preises als Maler und Gipser tätig geworden. Warum insbesondere der Beigeladene Ziffer 2 im Rahmen der Ermittlungen durch den Zoll angegeben hat, lediglich als Baustellenhelfer tätig gewesen zu sein, habe das Gericht nicht festzustellen vermocht. Der Beigeladene Ziffer 2 habe im Rahmen der mündlichen Verhandlung für das Gericht glaubhaft versichert, als Maler und Gipser tätig gewesen zu sein; er sei bei der Befragung durch den Zoll sehr aufgeregt gewesen. Zudem habe der Kläger den Auftrag nur grob umrissen, ohne konkrete und individuelle Arbeitsschritte vorzugeben. Die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 hätten auch keine regelmäßige Arbeitszeiten einzuhalten gehabt. Die Beteiligten hätten für das Gericht überzeugend ausgeführt, dass für die einzelnen Aufträge jeweils nur ein Zeitfenster vereinbart worden sei. Der Kläger habe am Ende des Auftrages das Werk abgenommen. Warum die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 gegenüber dem Zoll angegeben haben, regelmäßige Arbeitszeiten zu haben, habe das Gericht nicht abschließend festzustellen vermocht. Jedenfalls hätten sie nunmehr übereinstimmend und glaubhaft versichert, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Möglicherweise sei die damalige Aussage dem Umstand geschuldet gewesen, dass die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 tatsächlich zu den auf Baustellen üblichen Zeiten vor Ort gewesen seien und es bei der Befragung dann zu einem Missverständnis gekommen sei. Beide Beigeladenen verfügten über eine entsprechende Ausbildung und berufliche Erfahrung und hätten übereinstimmend erklärt, dass der Kläger nur bei der Abnahme des Werks tatsächlich auf der Baustelle gewesen sei. Eine Zusammenarbeit des Klägers mit beiden Beigeladenen habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Die Beigeladenen hätten die Baustellen selbstständig angefahren und eigenes Werkzeug mitgebracht. Nach persönlichem Eindruck in der Verhandlung seien die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 auch in der Lage gewesen, Preise zu verhandeln und für ihre Tätigkeiten zu werben. Zwar hätten die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 kein Kapital in wesentlichem Umfang eingesetzt. Allerdings hätten die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 nicht jede eingesetzte Stunde vergütet erhalten. Da nicht absehbar gewesen sei, wie viele Arbeitsstunden tatsächlich erforderlich sind, sei ein unternehmerisches Risiko vorhanden gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil des SG verwiesen.
Gegen das der Beklagten am 5. Juli 2017 zugestellte Urteil hat sie am 20. Juli 2017 Berufung eingelegt und in der Folge damit begründet, das SG sei einzig und allein auf Grund der im Rahmen der mündlichen Verhandlung gemachten, übereinstimmenden und als glaubhaft beurteilten Angaben des Klägers und der Beigeladenen Ziffer 1 und 2 zu der Überzeugung gelangt, dass die Beigeladenen Ziffer 1 und 2 selbstständig tätig gewesen seien. Das SG habe weitere besondere Umstände nicht berücksichtigt und sei Ungereimtheiten nicht nachgegangen, sondern habe Vermutungen angestellt. Eine Aufklärung, warum die Angaben so stark von denen im Ermittlungsverfahren abwichen, sei unterblieben. Nach der Untersuchungsmaxime habe das Gericht aber alle Tatsachen zu ermitteln und müsse von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stünden, Gebrauch machen. Die im Ermittlungsverfahren im November 2013 gemachten Angaben seien im Oktober 2015 wiederholt worden, so dass Aufregung keinen Grund darstellen könne. Das SG habe auch einen Nachweis für eine angenommene berufliche Qualifizierung der Beigeladenen Ziff. 1 und 2 nicht eingefordert. Auf Grund der Aussagen in den Ermittlungsakten ergebe sich auch, dass die geleisteten Arbeitsstunden durch den Kläger festgelegt worden seien. Nachforschungen, z. B. bei den Zollbehörden, habe das SG nicht angestellt. Bei einem pauschalen Betrag von 1.800,00 EUR pro Monat, was einem Stundenlohn von ca. 10 bis 11 EUR entspreche, sei nicht von einem kalkulierten unternehmerischen Stundenverrechnungssatz auszugehen, sondern von einem Beschäftigten. Des Weiteren habe das SG keinerlei Vergleiche mit weiteren vom Kläger beauftragten Subunternehmern angestellt. Hierzu und zu den Einzelheiten im Zusammenhang mit den Befragungen vor Ort und der Zeugenvernehmung könnten insbesondere die Mitarbeiter der Zollbehörden eingehend berichten. Es werde beantragt, ZOS G., ZOS S., ZOS P. und Frau K. über das Hauptzollamt K. zu laden. Die Beklagte hat unter anderem eine bisher nicht in den Akten befindliche Gesprächsnotiz des ZOS G. vom 21. November 2013 sowie einen Aktenvermerk des ZOS S. vom 21. November 2013 vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juni 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Der Kläger beruft sich auf das angefochtene Urteil und hält es für zutreffend. Das SG habe den Sachverhalt durch seine Vernehmung sowie der beiden Beigeladenen Ziffer 1 und 2 umfassend aufgeklärt. Daraus habe sich ein ausreichend klares Bild von der Tätigkeit der beiden Subunternehmer ergeben, zutreffend habe das SG seine Aussagen und der Beigeladenen Ziffer 1 und 2 als glaubwürdig eingestuft. Präsente Zeugen (Steuerberater S., J. S., Dipl.-Ing. A. S., Herr D.) habe das SG nicht vernehmen müssen, da die Beklagte nicht bestritten habe, dass der Beigeladene Ziffer 1 alleine auf der Baustelle gearbeitet habe und Werbebriefe versendet habe. Sollte es aus Sicht des Berufungsgerichts hierauf aber ankommen, werde eine Vernehmung dieser Zeugen ausdrücklich beantragt. Er hat eine Bescheinigung vom 9. Januar 1988 vorgelegt, wonach der Beigeladene Ziff. 2 eine berufliche Qualifizierung im Beruf des Bauarbeiters mit Spezialisierung Maurer durchlaufen hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtzüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung zur Durchführung weiterer Ermittlungen an das SG erfolgreich.
Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Wesentlich ist der Mangel, wenn die Entscheidung auf ihm beruhen kann (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 159 Rdnr. 3a).
Das Verfahren beim SG unterlag einem wesentlichen Verfahrensmangel, weil das SG sich aus seiner rechtlichen Sicht nicht mit der Anhörung der Beteiligten -die keine Zeugen sind (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 118 Rdnr. 10d)- hätte begnügen dürfen, sondern sich -auch ohne Beweisantrag- hätte gedrängt fühlen müssen, Ermittlungen durchzuführen (vgl. Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a. a. O., § 144 Rdnr. 34 m. w. N.). Nach der Rechtsauffassung des SG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist, was durch ein Weisungsrecht gekennzeichnet ist. Die Weisungsgebundenheit könne aber auch eingeschränkt und zu funktionsgerichtdienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Werde von den Vertragsverhältnissen abgewichen, so gäben die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag. Das SG hat zur Feststellung dieser Umstände aber weder die Ermittlungsakten des Hauptzollamtes noch die Strafakten beigezogen und auch keine Zeugen befragt, sondern sich lediglich mit der Anhörung der Beteiligten begnügt. Wenn ein Verdacht von "Schwarzarbeit" besteht, reicht es nicht aus, die diesem Verdacht ausgesetzten und ihn abstreitenden Personen anzuhören, deren Glaubwürdigkeit eingeschränkt sein kann, sondern es sind die Ermittlungs- und Strafakten beizuziehen und dann auch die den Verdacht bestätigenden Personen als Zeugen zu vernehmen und dann hieraus ggf. weitere notwendig erscheinende Beweiserhebungen durchzuführen. Dies gilt umso mehr, als die Angaben der am Klageverfahren Beteiligten in der Verhandlung auch noch widersprüchlich zu ihren eigenen früheren Angaben im Ermittlungsverfahren -auch nach der Auffassung des SG- sein dürften. Wieso das SG den Inhalt der Aussagen der Beteiligten als glaubhaft (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 17. August 2006, B 12 KR 79/05 B, Juris) eingeschätzt hat, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Klägers sowie der Beigeladenen Ziffer 1 und 2 in der mündlichen Verhandlung hätte es gerade einer ausführlichen Auseinandersetzung mit den abweichenden Angaben bedurft, die -auch nach der Auffassung des SG- in den Ermittlungsakten des Hauptzollamtes enthalten sein dürften. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren z.B. eine Gesprächsnotiz des ZOS G. vom 21. November 2013 vorgelegt, die in den Ermittlungsakten, aber nicht in ihren Verwaltungsakten enthalten ist, wonach ZOS G. ein Telefongespräch des Beigeladenen Ziff. 1 wahrscheinlich mit dem Kläger mit anhören konnte, aus dem sich eine Verschleierungsabsicht ergeben könnte. Auch den Aktenvermerk des ZOS S. vom 21. November 2013 konnte das SG mangels Kenntnis nicht berücksichtigen. Schließlich hat das Amtsgericht B. noch auf weitere Verfahren hingewiesen, die aufschlussreich sein können, so dass auch die Beiziehung dieser Verfahrensakten notwendig erscheint. Ob auch noch ein Vergleich der Sachverhalte mit vom Kläger beauftragten anderen Subunternehmern erforderlich wird, wie die Beklagte meint, ist vom dann erfolgten Beweisergebnis abhängig. Die Entscheidung kann auch auf dem Mangel beruhen, da die Möglichkeit besteht, dass eine Beweisaufnahme die Entscheidung beeinflusst. Es ist auch eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig (s.o.).
Das damit eröffnete Ermessen übt der Senat dahingehend aus, das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren an das SG zurückzuverweisen. Der Rechtstreit ist erst kurze Zeit am Berufungsgericht anhängig, sodass die Beteiligten keinen wesentlichen zeitlichen Nachteil in Kauf nehmen müssen. Der Senat verhindert damit auch, dass die Beteiligten hinsichtlich der Beweisaufnahme eine Instanz verlieren.
Die Kostenentscheidung bleibt der erneuten Entscheidung des SG vorbehalten.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 SGG) liegen nicht vor.
Trotz der Zurückverweisung ist ein Streitwert festzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005, B 4 RA 28/05 R, Juris); der Streitwert ist endgültig gemäß § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 u. 3 GKG auf 81.983,65 EUR festzusetzen.
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