L 10 R 2918/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3801/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2918/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.06.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1966 in G. geborene Kläger zog 1974 in die Bundesrepublik Deutschland. Er absolvierte eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und arbeitete eigenen Angaben zufolge zuletzt als Montagearbeiter bzw. Kommissionierer, wobei ab September 2008 Arbeitsunfähigkeit bestand. Zwischenzeitlich ist der Kläger arbeitslos.

Wegen der Diagnose einer Querschnittsmyelitis C 1/2 (Entlassungsbericht M. S. , Bl. M5, Rentenakte Ärztlicher Teil) begab sich der Kläger im Jahre 2009 in zwei stationäre Rehabilitationsmaßnahmen in die Neurologischen Kliniken Dr. S. (Bl. M3, M7 Reha-Akte Ärztlicher Teil). Diese diagnostizierten bei seinem letzten Aufenthalt im Oktober/November 2009 eine sensible Querschnittsmyelitis C 1/2 mit Parästhesien an den Händen und Füßen, einer leichten Feinmotorikstörung beidseits und Hypästhesien im Bereich der BWS, dem linken Arm und Bein. Der Kläger sei nach guter Stabilisierung der neurologischen Funktionen sowie Steigerung der körperlichen Belastbarkeit und Ausdauer in der Lage, mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Sowohl dieser Einschätzung als auch den gestellten Diagnosen schloss sich der Neurochirurg, Neurologe und Nervenarzt Dr. W. in seinem, wegen eines Antrags des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, erstatteten Gutachten auf Grund Untersuchung vom 02.08.2010 an (Bl. 13a Reha-Akte Ärztlicher Teil).

Auf den am 25.10.2011 gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung holte die Beklagte das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. (Bl. M17, Rentenakte Ärztlicher Teil) ein. Diesem gegenüber gab der Kläger im Dezember 2011 an, alle anfallenden Arbeiten in seinem Ein-Personen-Haushalt selbst zu erledigen. Er lebe von Frau und Kindern getrennt, treffe sich jedoch mit vielen seiner Freunde, verfüge über einen größeren Bekanntenkreis und nehme auch sonst viele Termine wahr (Krankengymnastik, Physiotherapie, Hausarzt). Dr. S. diagnostizierte eine leichte bis mittelgradig ausgeprägte Depression (Anpassungsstörung), eine abgelaufene Querschnittsmyelitis und leichte Sensibilitäts- und Feinmotorikstörungen. Seines Erachtens war der Kläger in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bei Beachtung qualitativer Einschränkungen täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 28.12.2011 und Widerspruchsbescheid vom 28.06.2012 ab.

Am 09.07.2012 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart erhoben, woraufhin das Sozialgericht sachverständige Zeugenauskünfte des Allgemeinmediziners Dr. K. (Bl. 70 SG-Akte), des Internisten Dr. H. (der Kläger sei arbeitsunfähig, Bl. 90 f. SG-Akte), des Orthopäden Dr. L. (aus orthopädischer Sicht seien leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich möglich, Bl. 83 SG-Akte), des Orthopäden W. (Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten drei bis unter sechs Stunden, Bl. 94 SG-Akte) und des Neurologen und Psychiaters Dr. L. (Bl. 119 SG-Akte) eingeholt hat. Letzterer hat auf seine "gutachterliche Stellungnahme" vom 23.03.2010 (Bl. M10, Reha-Akte Ärztlicher Teil) verwiesen, seit der keine Änderungen im Gesundheitszustand eingetreten seien. Auf Grund von Sensibilitäts- und motorischen Störungen, einer depressiven Stimmungslage und Bandscheibenvorfällen im Bereich L4/5 und C5/6 sei der Kläger täglich unter drei Stunden leistungsfähig, da es nach eineinhalb bis zweieinhalb Stunden zur Abnahme seiner körperlichen und neuropsychologischen Fähigkeiten (Konzentration, Geschwindigkeit, Auffassungsgabe, Einstellen auf eine neue Situation, Durchhaltevermögen) komme.

Daraufhin hat das Sozialgericht das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. eingeholt (Bl. 154 SG-Akte). Dieser hat fortbestehende Sensibilitätsstörungen der linksseitigen Extremitäten, depressive Verstimmungen im Sinne einer Dysthymia, Wirbelsäulenbeschwerden ohne radikuläre Ausfallsymptomatik und eine arterielle Hypertonie diagnostiziert. Unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sei der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. In einer vom Kläger vorgelegten "gutachterlichen Stellungnahme" (Bl. 201 SG-Akte) hat sich Dr. L. gegen die Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. gewandt.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.06.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da der Kläger in der Lage sei, trotz der Beeinträchtigungen auf - im Wesentlichen - nervenärztlichem Fachgebiet leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (Vermeidung von Zwangshaltungen der Wirbelsäule, kein häufiges Bücken oder Treppensteigen, keine Tätigkeiten unter verschärften Akkordbedingungen, in Nachtschicht, bei vermehrter Lärmexposition, mit vermehrtem Verantwortungsbewusstsein, vermehrter geistiger Beanspruchung, wie besonderen Anforderungen an die Konzentration oder Reaktion, oder vermehrten psychischen Belastungen, wie emotionalen Belastungen oder Tätigkeiten mit erhöhtem Konfliktpotential) täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Seine Entscheidung hat es hierbei auf das Gutachten von Dr. S. , ergänzend auf die Gutachten von Dr. S. und Dr. W. gestützt.

Gegen den ihm am 04.07.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 04.08.2016 Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er auf von ihm vorgelegte "gutachterliche Stellungnahmen" des Dr. L. (Bl. 22, 38a f. LSG-Akte), wonach dem Gutachten des Dr. S. nicht gefolgt werden könne.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.06.2016 und des Bescheides vom 28.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2012 die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren, die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid und die sozialmedizinische Stellungnahme der Sozialmedizinerin und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. (Bl. 28 LSG-Akte).

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage abgewiesen. Der Bescheid vom 28.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser ist trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Ihm steht daher weder Rente wegen voller noch wegen teilweise Erwerbsminderung zu. Das Sozialgericht hat die rechtlichen Grundlagen der geltend gemachten Ansprüche nach § 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil er trotz der bestehenden Gesundheitsstörungen in der Lage ist, zumindest körperlich leichte berufliche Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Mit diesem Leistungsvermögen ist weder volle noch teilweise Erwerbsminderung gegeben. Das Sozialgericht ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass die bei dem Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen auf nervenärztlichem Fachgebiet keine quantitative Leistungsminderung zur Folge haben. Es hat sich hierbei im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. S. gestützt, wonach lediglich qualitative Leistungseinschränkungen gegeben sind. Überzeugend hat das Sozialgericht weiter dargelegt, dass und aus welchen Gründen abweichenden Einschätzungen der behandelnden Ärzte nicht zu folgen ist. So hätten sich insbesondere die von Dr. L. angegebenen kognitiven Einbußen nicht bestätigt. Insoweit sieht der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Zu Recht gehen das Sozialgericht und die Beteiligten davon aus, dass der Schwerpunkt der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers und damit der Beurteilung seines Leistungsvermögens auf nervenärztlichem Fachgebiet liegt. Dies haben die behandelnden Orthopäden Dr. L. (Bl. 84 SG-Akte) und W. (Bl. 96 SG-Akte) sowie der behandelnde der Neurologe und Psychiater Dr. L. (Bl. 121 SG-Akte) ausdrücklich bestätigt. Den übrigen Gesundheitsstörungen, insbesondere auf orthopädischem Fachgebiet, kommt keine Bedeutung in Bezug auf das zeitliche Leistungsvermögen zu. Zwar haben die behandelnden Orthopäden übereinstimmend degenerative Veränderungen im Bereich der HWS und LWS - jeweils mit Bandscheibenvorfällen - diagnostiziert (Dr. L. , Bl. 84 SG-Akte, Orthopäde Weimer, Bl. 95 SG-Akte). Ihnen kann aber mit den von Dr. S. zusammenfassend beschriebenen qualitativen Einschränkungen (insbesondere keine Zwangshaltungen sowie Vermeiden von häufigem Bücken) ausreichend Rechnung getragen werden. Dies hat der Orthopäde Dr. L. ausdrücklich bestätigt (leichte körperliche Arbeiten seien mindestens sechs Stunden täglich möglich, Bl. 85 SG-Akte). Soweit der Orthopäde W. von einer zeitlichen Leistungseinschränkung auf unter sechs Stunden ausgegangen ist, ergeben sich - hierauf hat Dr. B. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme für die Beklagte (Bl. 107 SG-Akte) zutreffend hingewiesen - aus den von ihm mitgeteilten Befunden allerdings keine höhergradigen funktionellen Einschränkungen, die die Annahme einer solchen Einschränkung rechtfertigen würden. Vielmehr ist die Leistungsbeurteilung des Orthopäden W. vor dem Hintergrund der auf nervenärztlichem Gebiet bestehenden Gesundheitsstörungen zu sehen, was sich daraus ergibt, dass er ausdrücklich dieses Fachgebiet als maßgebend für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers angegeben hat. Schließlich hat auch Dr. S. kein weiteres Gutachten für erforderlich gehalten und der Kläger macht selbst rentenrelevante Leistungseinschränkungen allein in Bezug auf das nervenärztliche Fachgebiet geltend.

Ergänzend zu den Ausführungen des Sozialgerichts ist der Einschätzung des Leistungsvermögens durch Dr. L. auf nervenärztlichem Fachgebiet auch aus weiteren Gründen nicht zu folgen.

So hat der behandelnde Neurologe und Psychiater zwar funktionelle Beeinträchtigungen beschrieben (Feinmotorik erheblich defizitär, körperliche Belastbarkeit eingeschränkt, motorische Einschränkungen der Hände und Beine, depressive Symptomatik, Bl. M11, Rentenakte Ärztlicher Teil, Bl. 119 SG-Akte). Eigene Befunde, die auf solche funktionellen Beeinträchtigungen schließen lassen, sind jedoch all seinen "gutachterlichen Stellungnahmen" nicht zu entnehmen, worauf auch Dr. B. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme zutreffend hingewiesen hat (Bl. 194 SG-Akte). Vielmehr hat Dr. L. z.T. auf seine Ausführungen vom 23.03.2010 (Bl. M10 Reha-Akte Ärztlicher Teil) Bezug genommen, die jedoch im Wesentlichen auf die Fremdbefunde der Kliniken Dr. S. vom März 2009 (Entlassungsbericht, Bl. M3 Reha-Akte Ärztlicher Teil) verweisen, bzw. hat er die in diesem Bericht beim Kläger beschriebenen Defizite in seine Stellungnahmen übernommen. Zwar führten diese Befunde damals - mit Ausnahme der schon zum damaligen Zeitpunkt gebesserten depressiven Erschöpfungssymptomatik (vgl. Bl. M3, S. 2-5 Reha-Akte Ärztlicher Teil) - zu den von Dr. L. beschriebenen funktionellen Beeinträchtigungen (Belastbarkeitsminderung, Gedächtnisdefizite, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, feinmotorische Einschränkungen, Sensibilitätsstörungen, Bl. M3, S. 2-6 Reha-Akte Ärztlicher Teil). Diese Befunde haben im März 2010 bzw. zu einem späteren Zeitpunkt jedoch so nicht mehr bestanden, weil zwischenzeitlich eine Besserung eintrat.

So legten die Kliniken Dr. S. bereits im November 2009 dar, dass durch die erneute Rehabilitationsmaßnahme nicht nur die körperliche Belastbarkeit und Ausdauer gesteigert werden konnte, sondern auch "wesentliche Verbesserungen der Gedächtnisleistungen sowie der konzentrativen Fähigkeiten" erreicht wurden (Bl. M7, S. 2-5 Reha-Akte Ärztlicher Teil). Auch die Feinmotorik des Klägers wurde verbessert, so dass dieser beide Hände "sicherer und adäquater" im Alltag einsetzen kann. Unverändert waren lediglich die Sensibilitätsstörungen im Thorax-Bereich und den rechten Extremitäten. Diesen Entlassungsbefund bestätigte auch der Kläger, der eine bessere Konzentrationsfähigkeit, gesteigerte körperliche und geistige Belastbarkeit und eine verbesserte koordinative Funktion der Hände angab (Bl. M7, S. 2-6 Reha-Akte Ärztlicher Teil). Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der berufstherapeutischen Belastungserprobung kamen die Kliniken Dr. S. sodann zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass der Kläger in der Lage ist, mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. All dies ignoriert Dr. L. in all seinen, vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen.

Das Gutachten des Dr. W. auf Grund Untersuchung im August 2010 beschrieb keine weitergehenden Befunde. Zwar bestätigte auch Dr. W. Sensibilitätsstörungen, stellte aber weder Ausfallerscheinungen noch Störungen der Koordination oder eine depressive Symptomatik fest und er erhob einen unauffälligen psychischen Befund (Bl. M13a, S. 6 Reha-Akte Ärztlicher Teil).

Dem entsprechend bestätigte auch die Untersuchung im Dezember 2011 durch den Gutachter Dr. S. im Wesentlichen die Stabilisierung des Gesundheitszustandes des Klägers. So konnte Dr. S. zwar Sensibilitätsstörungen, aber keine Paresen der Extremitäten oder der Stammmuskulatur feststellen (Bl. M17, S. 7 Rentenakte Ärztlicher Teil). Auch wesentliche kognitive Einschränkungen erhob der Gutachter nicht (Bl. M17, S. 8 Rentenakte Ärztlicher Teil). Zwar nahm der Gutachter eine leichte bis mittelgradig ausgeprägte Depression im Rahmen einer Anpassungsstörung an (Stimmung gedrückt, etwas verlangsamt, deutliche Regressionstendenzen, Bl. M17, S. 8 Rentenakte Ärztlicher Teil). Wesentliche funktionelle Beeinträchtigungen ergaben sich jedoch auch hieraus nicht. So konnte der Kläger seinen Haushalt umfassend selbst erledigen, sich oft mit Freunden und Bekannten treffen und viele Termine (Krankengymnastik, Physiotherapie, Hausarzt) wahrnehmen (Bl. M17, S. 6 Rentenakte Ärztlicher Teil), so dass auch Dr. S. nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangte, der Kläger sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten.

Schließlich hat auch die Untersuchung im Februar 2015 durch den Sachverständigen Dr. S. kein wesentlich anderes Bild gezeigt. Bei angegebenen Sensibilitätsstörungen - nunmehr im Bereich der Brust und der linken Extremitäten - hat der Sachverständige keine Paresen an den Extremitäten und keine wesentlichen Einschränkungen der Fingermotorik festgestellt (Bl. 165 f. SG-Akte) und insgesamt keine signifikanten neurologischen Auffälligkeiten gefunden (Bl. 171 SG-Akte). Darüber hinaus hat der Sachverständige keine Störungen der Auffassung und Konzentration und keine wesentlichen Beeinträchtigungen des Gedächtnisses beschrieben (Bl. 166 f. SG-Akte). Zwar hat Dr. S. wegen missmutiger, subdepressiver Grundstimmung eine depressive Verstimmung im Sinne einer Dysthymia diagnostiziert. Eine Antriebsminderung oder psychomotorische Hemmung hat jedoch nicht bestanden.

Zusammenfassend ist bei diesen Befunden nicht nachvollziehbar, wie Dr. L. zu der Einschätzung gelangt ist, der aktuelle Zustand des Klägers entspreche nach wie vor den zuletzt im März 2009 erhobenen Befunden, denn tatsächlich trat eine Besserung ein. Dr. L. hat keine Befunde erhoben, die seine Annahme rechtfertigen und er hat sich auch nicht damit auseinander gesetzt, dass die seit der Rehabilitationsmaßnahme im März 2009 erhobenen Befunde eine deutliche Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers belegen. Alleine die pauschale Darlegung, in dem von Dr. S. beschriebenen Patienten erkenne er den Kläger nicht (vgl. Bl. 201R SG-Akte), ist nicht ausreichend, die Befunderhebung des Dr. S. in Frage zu stellen. Die Behauptung, eine Änderung der Verhältnisse sei nicht eingetreten, ist damit widerlegt.

Darüber hinaus hat Dr. L. seine Einschätzung des Leistungsvermögens auch nicht überzeugend begründet.

Selbst unter Berücksichtigung der von ihm angenommenen funktionellen Beeinträchtigungen hat dieser lediglich die Einschätzung der Kliniken Dr. S. vom März 2009 wiedergegeben, die das Restleistungsvermögen des Klägers im Rahmen einer Berufstherapie (Bl. M3, S. 2-5 Reha-Akte Ärztlicher Teil) überprüften und angaben, dass es hierbei nach ungefähr eineinhalb Stunden zu vermehrten Fehlern bei der Bewältigung von handwerklichen und technischen Aufgabestellungen kam (Montage von Metallteilen, Einsatz an einfachen Maschinen, Rechenaufgaben) und der Kläger maximal zwei Stunden belastbar sei. Diese Einschätzung, die sich Dr. L. zu eigen machte, ist schon nicht zu folgen, weil - wie bereits dargelegt - die von diesem zu Grunde gelegten Fremdbefunde nicht (mehr) den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen.

Im Übrigen übersieht Dr. Langhoff, dass die Kliniken Dr. S. das Restleistungsvermögen des Klägers im handwerklichen und technischen Bereich überprüften, was allenfalls einem Teilbereich der Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes entspricht. Zudem bildeten die durchgeführten Arbeiten gerade nicht jene Tätigkeiten ab, die den von den Kliniken Dr. S. aufgestellten qualitativen Einschränkungen vollständig entsprachen (keine Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an das geistige Leistungsvermögen, mit besonderen Anforderungen an die feinmotorische Geschicklichkeit der Hände und einen beidhändigen Armeinsatz, oder Tätigkeiten in Verbindung mit Heben und Tragen von schweren Lasten, vgl. Bl. M3, S. 1a Reha-Akte Ärztlicher Teil).

Dr. L. hat weiter nicht zur Kenntnis genommen, dass der Kläger im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme im November 2009 ebenfalls an einer berufstherapeutischen Belastungserprobung teilnahm und die seiner letzten Tätigkeit entsprechenden Anforderungen - wiederum keine leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes - erfüllte (vgl. Bl. M7, S. 2-6 Reha-Akte Ärztlicher Teil), was zu der Einschätzung der Kliniken Dr. S. führte, dass der Kläger für mittelschwere Tätigkeiten bei Beachtung qualitativer Einschränkungen vollschichtig leistungsfähig sei (Bl. M7, S. 1a Reha-Akte Ärztlicher Teil).

Schließlich geht auch Dr. L. davon aus, dass der Kläger bei Beachtung der von Dr. S. aufgestellten qualitativen Einschränkungen leichte Tätigkeiten, nämlich die eines Pförtners, vollschichtig verrichten kann (Bl. 202 SG-Akte). Dabei ist es nicht relevant, ob - wie Dr. L. verneint - ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage im Hinblick auf eine Erwerbsminderung gerade nicht zu berücksichtigen ist. Seine Behauptung, es gebe keine Pförtnerstellen mehr, ist durch die tarifliche Erfassung (vgl. Entgeltordnung zum Tarifvertrag der Länder, Teil III, Nr. 2.3) widerlegt (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 03.11.1982, 1 RJ 12/81 in SozR 2200 § 1246 Nr. 102).

Im Gegensatz zu Dr. L. hat Dr. S. seiner Beurteilung den von ihm erhobenen Befund zu Grunde gelegt und hieraus - folgerichtig - auf keine rentenrelevante Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens geschlossen, worauf das Sozialgericht bereits zutreffend abgestellt hat.

Ergänzend zu den Ausführungen des Sozialgerichts ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger zwar Einschränkungen in seinem Tagesablauf gegenüber Dr. S. geschildert hat (die Erledigung des Haushalts falle ihm schwer, seltener Kontakt zu seinen wenigen Bekannten und seinem Bruder, Bl. 161 SG-Akte). Eine quantitative Leistungsminderung ist hieraus jedoch nicht ableitbar. Immerhin ist der Kläger in der Lage - bei entsprechender Anstrengung - seinen Haushalt zu führen. Darüber hinaus geht er spazieren und unterhält soziale Kontakte. Zudem hat Dr. S. überzeugend darauf hingewiesen, dass der Kläger in der Lage ist, diesen Tagesablauf - auch bei Aufnahme und Ausübung einer beruflichen Tätigkeit - mit entsprechender Willensanstrengung besser zu strukturieren (vgl. Bl. 174 f. SG-Akte), da insbesondere der psychische Befund gerade keine Einschränkungen ergeben hat, die die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger hierzu krankheitsbedingt nicht in der Lage ist. Zudem hat der Kläger selbst gegenüber Dr. S. angegeben, die Beschwerden seien seit 2008 im Wesentlichen gleich geblieben, im Verlauf sogar ein "bisschen" besser geworden (Bl. 158 SG-Akte), so dass nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Kläger auf Grund seiner Gesundheitsstörungen nicht mehr in der Lage sein soll, seinen Tagesablauf - wie er ihm gegenüber dem Gutachter Dr. S. 2011 schilderte - zu strukturieren.

Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Dr. L. (Bl. 22 LSG-Akte) beanstandet, dass die Befragung und Untersuchung bei Dr. S. lediglich 30 Minuten gedauert habe, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar, hat doch der Sachverständige alleine über sechs Seiten umfangreiche anamnestische Angaben des Klägers wiedergegeben und darüber hinaus ausführlich neurologische und psychiatrische Befunde, insbesondere auch medizinisch-technische Zusatzbefunde, erhoben. Soweit Dr. L. deshalb die Einholung eines weiteren Gutachtens befürwortet (vgl. Bl. 25 LSG-Akte), sieht der Senat hierfür keinen Anlass. Soweit Dr. L. dies zwischenzeitlich damit begründet, dass der Kläger von einer Atmosphäre der Einschüchterung und Voreingenommenheit bei Dr. S. berichtet habe (Bl. 39a LSG-Akte), ergibt sich nichts anderes. So hat der Kläger nach Untersuchung und Vorlage des Gutachtens von Dr. S. derartige Beanstandungen schon nicht vorgetragen (Bl. 189, 198, 200 SG-Akte). Ebenso wenig hat Dr. L. in seinen Stellungnahmen gegenüber dem Sozialgericht hiervon berichtet (Bl. 190, 201 SG-Akte). Darüber hinaus ist für die Verwertbarkeit eines Gutachtens nicht von Relevanz, welche Atmosphäre der Kläger im Rahmen der Untersuchung wahrgenommen hat, sondern dass das Gutachten objektiv und ohne unerlaubte Einflussnahme auf den zu Begutachtenden erstellt worden ist. Hieran hat der Senat jedoch keine Zweifel, da der Kläger über seine atmosphärischen Wahrnehmungen hinaus nicht dargetan hat und auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Sachverständige Dr. S. voreingenommen gewesen ist oder in unzulässiger Weise auf den Kläger eingewirkt hat.

Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf Dr. L. beanstandet, dass neurologische Zusatzuntersuchungen (visuell evozierte Potentiale [VEP], somatosensorisch evozierte Potentiale [SEP]) nicht wiederholt worden seien, hat die Beratungsärztin Dr. E. zutreffend darauf hingewiesen, dass solche Zusatzuntersuchungen (akustisch evozierte Potentiale [AEP], Tibialis-SEP, Medianus-SEP) erfolgreich durchgeführt worden sind (Bl. 28 LSG-Akte). Soweit VEP nicht verwertbar erhoben worden sind, ist dies dem Umstand geschuldet gewesen, dass der Kläger bei dieser mitarbeitsabhängigen Untersuchung mehrmals sein Auge geschlossen hatte (Bl. 168 SG-Akte). Darüber hinaus hat weder der Kläger Sehbeeinträchtigungen geltend gemacht, noch hat Dr. L. solche dargelegt, so dass eine rentenrechtliche Relevanz dieser Zusatzuntersuchung nicht erkennbar ist.

Soweit Dr. L. in den von dem Kläger vorgelegten Stellungnahmen (Bl. 22, 38a f. LSG-Akte) dargelegt hat, eine bei dem Kläger bestehende schwere Depression "nicht gesehen" zu haben, ist dies zutreffend, allerdings anhand der von Dr. S. erhobenen Befunde (missmutig, subdepressiv, dysthym) auch nicht verwunderlich, da diese für die Diagnose einer schwere Depression nicht ausreichend sind, sondern nur, wie Dr. S. (Bl. 168 SG-Akte) und Dr. E. (Bl. 28R LSG-Akte) zutreffend dargelegt haben, einer Dysthymie entsprechen. Eigene, konkrete Befunde hat Dr. L. nicht mitgeteilt.

Entsprechendes gilt für die nach den Ausführungen des Dr. L. nicht erhobenen "neurologischen Ausfälle[n]" (Bl. 25 LSG-Akte) des Klägers, die sich bereits seit der Rehabilitationsmaßnahme im November 2009 auf Sensibilitätsstörungen und leichte Störungen der Feinmotorik beschränken, wie sich aus den durchgehend erhobenen Befunden ergibt, und damit gerade nicht zu einer quantitativen Leistungsminderung führen.

Zu ergänzen sind die Ausführungen des Sozialgerichts im Hinblick auf die qualitativen Einschränkungen des Klägers. So ist dieser auch nur in der Lage, Tätigkeiten überwiegend zu ebener Erde auszuüben (Dr. S. , Bl. 173 SG-Akte).

Der Kläger kann daher zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von Dr. S. genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Er ist daher nicht erwerbsgemindert.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie den Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall des Klägers. Auch bei ihm wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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