L 8 AL 3967/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AL 2959/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 3967/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.08.2015 und vom 26.10.2016 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für den Kläger ein Versicherungspflichtverhältnis in der Arbeitslosenversicherung auf Antrag begründet ist.

Der 1969 geborene Kläger bezieht seit dem 01.01.2012 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung (vgl. Verbis-Vermerk vom 21.07.2014, Bl. 10 der Verwaltungsakte, LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.12.2015 - L 2 R 4033/15, im Rechtsstreit des Klägers gegen die Rentenversicherung). In der Zeit vom 27.08.2012 bis 18.09.2012 war er als Auslieferungsfahrer bei der Firma G. & T. H. GmbH versicherungspflichtig beschäftigt (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.08.2017 - L 1 U 849/16, im Rechtsstreit des Klägers gegen den Unfallversicherungsträger). Nach eigenen Angaben pflegt er seit 2006 seine Mutter, bei welcher mit Bescheid der AOK vom 31.01.2014 für die Zeit ab dem 01.11.2013 Pflegestufe I festgestellt wurde (Bl. 23 der Senats-Akte).

Am 07.07.2014 wandte sich der Kläger telefonisch an die Beklagte und gab an, er wolle einen Antrag zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses wegen Pflegetätigkeit stellen. Ausweislich des entsprechenden Vermerks der Beklagten (Vermerk vom 07.07.2014, Bl. 8 der Verwaltungsakte) konnte der Kläger nicht konkret angeben, ob und wie lange er seit 2011 sozialversicherungspflichtig gearbeitet habe. In der Zeit vom 01.06.2011 bis 31.08.2011 sei er als Fahrer tätig gewesen. Seit dem 11.11.2013 pflege er eine Person. Die Sachbearbeiterin wies den Kläger darauf hin, dass der Antrag bis Februar 2014 hätte vorliegen müssen. Da er auf die Zusendung eines Antrages bestanden habe, sei dies veranlasst worden.

Am 06.10.2014 gab der Kläger die ausgefüllten Antragsunterlagen bei der Beklagten ab (Bl. 1 ff., 12 der Verwaltungsakte). Hierin gab er an, die Pflegetätigkeit habe er 2006 aufgenommen. In den letzten 24 Monaten vor Aufnahme der Tätigkeit habe er nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Weder habe er vor der Aufnahme der Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen noch sei er in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beschäftigt gewesen.

Mit Bescheid vom 09.10.2014 (Bl. 5 der Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung ab. Der Antrag sei nicht innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung, die zur Versicherungspflicht auf Antrag berechtige, gestellt worden.

Hiergegen erhob der Kläger am 20.10.2014 Widerspruch (Bl. 7 der Verwaltungsakte). Er übe nunmehr eine Tätigkeit aus, die "schwarz" sei. Dies wolle er nicht. Die Ausschlussfrist sei genauestens eingehalten. Er habe hieraus ein Recht nach SGB XI.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück (Bl. 13 ff der Senatsakte). § 28a Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) bestimme, dass Personen, die als Pflegeperson einen der Pflegestufe I bis III im Sinne des Elften Buches zugeordneten Angehörigen, der Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach dem Elften Buch oder Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch oder gleichartige Leistungen nach den anderen Vorschriften beziehe, wenigstens 14 Stunden wöchentlich pflegten, ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag begründen könnten. Der Antrag müsse spätestens innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung, zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag berechtigten, gestellt werden. Diese Frist sei bei dem Kläger längst abgelaufen, nachdem er die Pflegetätigkeit bereits seit 2006 ausübe.

Am 17.11.2014 erhob der Kläger hiergegen Klage vor dem Sozialgericht (SG) Reutlingen (Az. S 8 AL 2959/14) und wiederholte zur Begründung sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Vertiefend führte er an, er pflege seine Mutter zwar seit 2006, die Pflegestufe I sei jedoch erst im Februar 2014 rückwirkend seit November 2013 anerkannt worden. Seitdem zahle die Pflegekasse Rentenbeiträge. Er sei jedoch von dieser darauf hingewiesen worden, dass er sich selbst bei der Beklagten melden müsse. Dies habe er vorher nicht gewusst. Er habe keine ihm gesetzte Frist verstreichen lassen.

Mit Schreiben vom 14.06.2015 gab der Kläger an, die Pflegekasse habe ihn erst mit Schreiben vom 12.06.2014, welches er zugleich zu den Akten reichte (Bl. 16 der SG-Akte), darüber informiert, dass sie für ihn Beiträge zur Pflegeversicherung übernehme. Erst aus diesem Schreiben und einem hierzu geführten Telefonat sei ihm klar geworden, dass er nicht bei der Beklagten versichert gewesen sei. Er habe am 07.07.2014 persönlich diesen Antrag gestellt, nachdem er vorher mehrfach herumgeschickt worden sei. Mit Datum vom 09.07.2014 habe er ein erstes Antragsformular erhalten, auf welchem eine Abgabefrist bis 02.08.2014 notiert gewesen sei. Mit Datum vom 14.07.2014 habe er ein weiteres Antragsformular erhalten, auf welchen eine Abgabefrist bis zum 06.10.2010 angegeben gewesen sei. Hieran habe er sich gehalten.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.08.2015 wies das SG die Klage in der Rechtssache S 8 AL 2959/14 ab. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der Drei-Monats-Frist sei zwar nicht die Aufnahme der Pflegetätigkeit im Jahr 2006 sondern die Zuordnung zur Pflegestufe I am 01.11.2013 gewesen, so dass die dreimonatige Antragsfrist bei Stellung des Antrag am 07.07.2014 bereits abgelaufen gewesen sei. Selbst wenn man auf den vom Kläger berichteten Zeitpunkt über die rückwirkende Zuordnung zu dieser Pflegestufe im Februar 2014 abstellen wollte, wären seitdem bis zur Antragstellung am 07.07.2014 mehr als drei Monate verstrichen. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Versicherungspflicht seien nicht erfüllt.

Gegen den ihm am 28.08.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18.09.2015 Berufung zu dem Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben ( L 8 AL 3867/15). Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem vorangegangenen Verfahren.

Am 07.01.2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Feststellung eines Versicherungspflichtverhältnisses als Pflegeperson (Bl. 19 der Verwaltungsakte) und gab an, innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Tätigkeit nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden zu haben und auch keine Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III erhalten zu haben. Weiter sei er nicht in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beschäftigt gewesen. Mit Bescheid vom 07.07.2016 (Bl. 25 der Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers erneut ab. Den hiergegen mit Schreiben vom 15.07.2016 erhobenen Widerspruch (Bl. 28 der Verwaltungsakte) wies die Beklagte unter Bezugnahme auf den Gerichtsbescheid des SG vom 27.08.2015 mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2016 (Bl. 39 ff. der Verwaltungsakte) zurück.

Am 29.07.2016 erhob der Kläger hiergegen Klage vor dem SG (S 8 AL 1925/16)und führte zur Begründung an, er bestehe auf die Versicherung, da er zuvor in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe. Dabei sei er pflichtversichert worden und habe Beiträge gezahlt.

Mit Gerichtsbescheid vom 26.10.2016 wies das SG die Klage zurück.

Gegen den ihm am 28.10.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 10.11.2016 Berufung zu dem LSG erhoben. Zur Begründung hat er angeführt, der Antrag sei fristgerecht gestellt worden, für eine nachträgliche Anerkennung der Pflegestufe könne er nichts. Auch habe er in einem Arbeitsverhältnis bei der Firma H. gestanden, wofür er Beiträge entrichtet habe. Die Voraussetzungen des § 28a SGB III lägen zweifelsfrei vor.

Die gegen den Gerichtsbescheid vom 26.10.2016 erhobene Berufung, welche zunächst unter dem Az. L 8 AL 4141/16 anhängig war, wurde mit Beschluss vom 20.10.2017 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung mit der Rechtssache L 8 AL 3967/15 verbunden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.08.2015 und den Bescheid vom 09.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 23.10.2014 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.10.2016 und den Bescheid vom 07.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 20.07.2016 aufzuheben und festzustellen, dass er seit dem 01.11.2013 in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrages wiederholt sie ihr erstinstanzliches Vorbringen und die Ausführungen im Gerichtsbescheid.

Das Sach- und Streitverhältnis war Gegenstand des Termins zur Erörterung des Sachverhalts mit der vormals zuständigen Berichterstatterin am 24.03.2016 (vgl. zur Niederschrift, Bl. 15 ff. der Senatsakte). Der Kläger hat in dem Termin nochmals angegeben, er habe erst durch das Schreiben der Pflegekasse vom 12.06.2014, welches ihm am 17.06.2014 zugegangen sei, und einem anschließenden Telefongespräch Kenntnis davon erlangt, dass er sich selbst um die Arbeitslosenversicherung kümmern müsse.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts den Leiter des CompetenceCenters der AOK, P. B. , schriftlich befragt. Dieser hat mit Schreiben vom 09.11.2016 (Bl. 22 ff. der Senatsakte) angegeben, bei der Mutter des Klägers sei mit Bescheid vom 31.01.2014 die Pflegestufe I ab dem 01.11.2013 festgestellt worden. Die Entscheidung über die Pflegestufe sei dem Kläger mit Schreiben vom 14.04.2014 bekanntgegeben worden. Da dieser aber bereits den Widerspruch gegen die Pflegeeinstufung vom 26.02.2014 mit unterschrieben habe, sei ihm die Entscheidung schon ab einem früheren Zeitpunkt bekannt gewesen. Wie konkret die Beratung zur Arbeitslosenversicherung als Pflegeperson stattgefunden habe, lasse sich nicht mehr nachvollziehen. Standardmäßig erhielten Versicherte bzw. deren Angehörige die Auskunft, dass sie sich als Pflegeperson unter bestimmten Voraussetzungen freiwillig in der Arbeitslosenversicherung weiterversichern könnten. Aufgrund der zahlreichen Anrufe des Klägers im Zusammenhang mit der Pflegeeinstufung seiner Mutter und der Gespräche mit verschiedensten Mitarbeitern sei die Benennung eines Zeugen schwierig.

Mit Schreiben vom 29.12.2016 regte der Kläger an, den Zeugen B. zu vereidigen. Die Pflegekasse habe ihn nicht vorschriftsmäßig auf die Versicherungen aufmerksam gemacht. Wenn der Zeuge B. mitteile, er habe mit zahlreichen Mitarbeitern gesprochen, verwundere es, wenn von der Pflegekasse kein Zeuge benannte werden könne. Zudem habe er mit dem Zeugen B. selbst in Verbindung gestanden. Man wolle die entscheidenden Tatsachen verschleiern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufungen des Klägers sind gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 09.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 23.10.2014 sowie der Bescheid vom 07.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 20.07.2016 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist nicht nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig.

1. Maßgebliche Klageart ist insoweit die Anfechtungsklage verbunden mit einer Feststellungsklage. Da die Versicherungspflicht kraft Gesetzes eintritt, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, bedarf es der Erhebung einer Verpflichtungsklage nicht. Für die begehrte Feststellung besteht das gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erforderliche Feststellungsinteresse, weil dem Kläger ein berechtigtes Interesse daran zuzugestehen ist, Gewissheit darüber zu erlangen, ob ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag in der Arbeitslosenversicherung begründet ist (BSG, Urteil vom 03.06.2009 - B 12 AL 1/08 R, juris RdNr. 9).

2. Der Kläger ist nicht aufgrund einer freiwilligen Weiterversicherung nach § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung (zukünftig a.F.), welche für Sachverhalte vor dem 01.01.2017 weiterhin Anwendung findet, nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig.

Der Senat kann dabei offenlassen, ob es sich bei dem Bescheid vom 07.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 20.07.2016 um einen Zweitbescheid oder eine wiederholende Verfügung handelt, denn der Kläger hat unter keinem Gesichtspunkt Anspruch auf die Feststellung einer Versicherungspflicht auf Antrag.

Sofern in dem Bescheid ein Zweitbescheid gesehen wird, welcher den Rechtsweg – erneut – eröffnend eine neue Regelung nach nochmaliger Sachprüfung trifft und damit Verwaltungsakt ist, ersetzte dieser – faktisch – den Erstbescheid und erledigte diesen im Sinne von § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Der Zweitbescheid würde zudem nach § 96 SGG von Gesetzes wegen Gegenstand eines gegen den Erstbescheid laufenden Gerichtsverfahrens werden (Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31 RdNr. 46), hier also des älteren unter dem Az. L 8 AL 3967/15 anhängigen Verfahrens, mit der Folge, dass die gesondert erhobene Klage gegen diesen Bescheid unter dem Aktenzeichen S 8 AL 1925/16 wegen der bereits bestehenden Rechtshängigkeit (§ 94 SGG) unzulässig wäre. Auf die Voraussetzungen des §§ 96 SGG können die Beteiligten nicht verzichten (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 96 Rn. 11). Der ersetzende Bescheid vom 07.07.2016 wäre in dem Verfahren, in dem er angewachsen ist, auf zulässige Klage zu prüfen.

Geht man von einer wiederholenden Verfügung aus, bei welcher ein bereits vorhandener Verwaltungsakt lediglich wiederholt wird, so dass keine neue Regelung erfolgt ist und damit auch kein neuer Verwaltungsakt vorliegt – nach einer in der Literatur vertretenen Rechtsauffassung ist bei gleichem Sachverhalt/Regelungsbereich und gleichem Entscheidungssatz, selbst bei erstmaliger Begründung, von einer wiederholenden Verfügung bei noch nicht bestandskräftigem Erstbescheid auszugehen (vgl. Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 31 Rn. 32, 32a) - wäre der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers bereits unstatthaft und damit unzulässig gewesen. Dass die Beklagte über den Widerspruch sachlich entschieden und den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2017 als unbegründet - und nicht mangels Sachbescheidungsinteresses als unzulässig – zurückgewiesen hat, beschwert den Kläger nicht. Mangels Rechtsschutzbedürfnis wäre die entsprechende Anfechtungsklage ebenfalls unzulässig.

Der Kläger hat jedenfalls keinen Anspruch auf Feststellung einer Versicherungspflicht auf Antrag.

Hierbei lässt der Senat offen, ob die zuerst erhobene Feststellungsklage sich durch einen Zweitbescheid vom 07.07.2016 nach inhaltlicher Prüfung erledigt hat, somit mangels Rechtsschutzinteresses diese Feststellungsklage unzulässig geworden ist – dann wäre über die zulässige zweite Feststellungsklage zu entscheiden – oder der Bescheid vom 07.07.2016 als wiederholende Verfügung keine Regelung getroffen hat, weshalb die hierauf erhobene Feststellungsklage unzulässig wäre, da jedenfalls doppelte Rechtshängigkeit wegen der bereits anhängigen, den gleichen Streitstoff betreffenden Feststellungsklage bestünde. Im verbundenen Berufungsverfahren kann dahinstehen, ob der Senat die Sachentscheidung zu ersten oder zur zweiten Feststellungsklage trifft.

Nach § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III können Personen ein Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag begründen, die als Pflegeperson einen der Pflegestufe I bis III im Sinne des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) zugeordneten Angehörigen, der Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach dem Elften Buch oder Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch oder gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften bezieht, wenigstens 14 Stunden wöchentlich pflegen (vgl. § 28a Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F.). Voraussetzung ist weiter, dass die antragstellende Person weder versicherungspflichtig (§§ 25, 26 SGB III a.F.) noch versicherungsfrei (§§ 27, 28 SGB III a.F.) ist. Die antragstellende Pflegeperson muss zudem innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden haben (§ 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III), eine Entgeltersatzleistung nach diesem Buch unmittelbar vor Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung bezogen haben (§ 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III) oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung, die ein Versicherungspflichtverhältnis nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach diesem Buch unterbrochen hat, unmittelbar vor Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung ausgeübt haben (§ 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III). Gemäß § 28a Abs. 3 a.F. muss der Antrag spätestens innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung, die zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag berechtigt, gestellt werden.

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe kann eine Versicherungspflicht auf Antrag gemäß § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III bei dem Kläger nicht festgestellt werden. Weder konnte sich der Senat davon überzeugen, dass der Kläger innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Tätigkeit mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden noch eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt hat. Dies entspricht schon den eigenen Angaben des Klägers im Rahmen der Antragstellung vom 06.10.2014 sowie im Antrag vom 07.01.2016. Auch bei der telefonischen Anfrage am 07.07.2014 konnte der Kläger lediglich angegeben, dass er in der Zeit vom 01.06.2011 bis 31.08.2011 eine Fahrertätigkeit ausgeübt hat. Bei welcher Firma er in dieser Zeit beschäftigt gewesen ist, konnte er hingegen nicht mitteilen. Soweit der Kläger in dem ebenfalls anhängigen Verfahren L 8 AL 4141/16 nunmehr angegeben hat, er habe für die Firma H. gearbeitet, konnte der Senat feststellen, dass eine entsprechende Tätigkeit in der Zeit vom 27.08.2012 bis 18.09.2012 ausgeübt wurde (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.08.2017 - L 1 U 849/16, sozialgerichtsbarkeit). Es bestehen daher keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger innerhalb der letzten 24 Monate vor Aufnahme der Pflegetätigkeit 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hätte.

Der Senat konnte zudem nicht feststellen, dass der Antrag rechtzeitig gestellt worden ist. Wie das SG zutreffend dargelegt hat, ist insoweit nicht auf die Pflegetätigkeit seit dem Jahr 2006 abzustellen, nachdem zu diesem Zeitpunkt eine Pflegestufe noch nicht festgestellt worden war. Der Senat kann zudem offenlassen, ob für den Beginn der Antragsfrist die rückwirkende Feststellung der Pflegestufe 1 ab dem 01.11.2013 oder der Zeitpunkt der Feststellung durch den Bescheid vom 31.01.2014 maßgebend ist, denn der Antrag des Klägers vom 07.07.2014 erfolgte jedenfalls außerhalb der dreimonatigen Antragsfrist.

Diese Fristversäumnis kann auch weder unter dem Gesichtspunkt der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) noch unter Heranziehung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs überwunden werden. Dabei kann grundsätzlich das richterrechtliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bei Fristversäumnissen eines Klägers neben den Wiedereinsetzungsregelungen des § 27 SGB X zur Anwendung kommen (BSG, Urteil vom 04.09.2013 - B 12 AL 2/12 R, juris). Vorliegend liegen jedoch weder die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs noch diejenigen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor.

Der von der Rechtsprechung des BSG ergänzend zu den gesetzlich geregelten Korrekturmöglichkeiten bei fehlerhaftem Verwaltungshandeln entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch tritt - im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs - ein, wenn ein Sozialleistungsträger durch Verletzung einer ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegenden Pflicht, insbesondere zur Beratung und Betreuung (vgl. §§ 14, 15 SGB I), nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Folgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden können (statt vieler vgl. nur BSG, Urteil vom 10.12.2013 - B 13 R 91/11 R, juris). Eine umfassendere Beratungs- und Betreuungspflicht des Sozialleistungsträgers besteht zunächst regelmäßig bei einem entsprechenden Beratungs- und Auskunftsbegehren des Versicherten. Ausnahmsweise besteht jedoch auch dann - ohne ein solches ausdrückliches Begehren - "spontan" eine Beratungs- und Betreuungspflicht des Sozialleistungsträgers, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung in einem Sozialrechtsverhältnis dem jeweiligen Mitarbeiter eine naheliegende (rechtliche) Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter (mutmaßlich) wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre (zum Ganzen BSG, Urteil vom 04.09.2013 - B 12 AL 2/12 R, juris).

Die Beklagte selbst hat jedoch keine Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt. Es ist insoweit nicht ersichtlich, dass sich der Kläger bereits vor dem 07.07.2014 im Hinblick auf die Aufnahme der Pflegetätigkeit an die Beklagte gewandt hätte, so dass kein Anlass für eine Beratung hinsichtlich der Feststellung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag zu einem früheren Zeitpunkt bestand. Das Sozialrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten entstand vielmehr erst mit der Antragstellung am 07.07.2014. Soweit sich der Kläger darauf bezieht, die Beklagte habe ihm zwei Antragsformulare mit unterschiedlichen Abgabefristen übersandt, ist dies im Hinblick auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch unerheblich. Bei dem erstmaligen Kontakt des Klägers mit der Beklagten am 07.07.2014 war die Antragsfrist bereits abgelaufen, worauf der Kläger im Rahmen des Telefonats auch hingewiesen worden war.

Der Beklagten ist auch nicht das Verhalten eines anderen Leistungsträgers als eigene Pflichtverletzung zuzurechnen. Dies ist nach der Rechtsprechung des BSG nur dann möglich, wenn eine Funktionseinheit in der Weise besteht, dass ein anderer Leistungsträger oder eine andere Behörde in den Verwaltungsablauf derjenigen Behörde arbeitsteilig eingeschaltet ist, gegen die der Herstellungsanspruch gerichtet wird, diese Behörde sich also für die Erfüllung der ihr obliegenden sozialrechtlichen Aufgabe kraft Gesetzes oder Vertrages einer anderen Behörde oder Stelle bedient (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.1980 - 12 RK 34/80, juris). Eine etwaige Pflichtverletzung der Pflegekasse, welche jedenfalls mit Schreiben vom 11.03.2014 an die Pflegebedürftige über die Möglichkeit einer Versicherung für Pflegepersonen in der Arbeitslosenversicherung informierte und auf eine (wenn auch falsche) Antragsfrist von einem Monat hinwies, könnte der Beklagten deshalb nicht angelastet werden, weil die Pflegekasse nicht zur Wahrnehmung einer Aufgabe der Beklagten eingeschaltet ist. Der Senat brauchte deshalb auch der Beweisanregung des Klägers, den Zeugen B. in die mündliche Verhandlung zu laden und zu vereidigen, nicht nachkommen.

Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kommt daher mangels Beratungsfehler der Beklagten nicht in Betracht.

Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht vor. Der Senat kann insoweit offenlassen, ob die Anwendung des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf die Frist des § 28a Abs. 3 SGB III im Sinne von § 27 Abs. 5 SGB X unzulässig ist (vgl. insoweit BT-Drs. 17/1945, S. 14; Fuchs in: Gagel, SGB III, § 28a RdNr. 11; offen gelassen: BSG, Urteil vom 04.09.2013 - B 12 AL 2/12 R, juris) oder ob eine Wiedereinsetzung bei unverschuldeter Fristversäumnis möglich ist (so LSG Hessen, Urteil vom 19.06.2013 - L 6 AL 180/10, juris, Timme in: Hauck/Noftz, SGB III, § 28a RdNr. 29 m.w.N.). Denn selbst wenn grundsätzlich eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit bejaht werden würde, scheidet im vorliegenden Fall eine solche aus tatsächlichen Gründen aus, da kein Fall vorliegt, in dem der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Antragsfrist einzuhalten.

Der Kläger hat insoweit vorgetragen, erst nach dem Telefongespräch mit der Pflegekasse im Juni 2014 und deren Schreiben vom 12.06.2014 Kenntnis von der Möglichkeit der Versicherung auf Antrag erlangt zu haben. Die fehlende Kenntnis entlastet den Kläger jedoch nicht. Nach dem Grundsatz der formellen Publizität von Gesetzen genügt für die Bekanntmachung von Gesetzen, die sich an einen unbestimmten Kreis von Personen richten, die Verkündung im Bundesgesetzblatt. Mit der Verkündung gelten die Gesetze grundsätzlich allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann sie von ihnen tatsächlich Kenntnis erlangt haben (vgl. BSG Urteil vom 21. Juni 1990 – 12 RK 27/88, juris; Urteil vom 9. Februar 1993 - 12 RK 28/92, juris).

Vorliegend beruhte die fehlende Antragstellung auch nach der eigenen Mitteilung des Klägers allein auf dessen Unkenntnis von der Möglichkeit einer Weiterversicherung auf Antrag, so dass kein Fall vorliegt, in dem der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Antragsfrist einzuhalten. Umstände, nach denen trotz der Unkenntnis ein Verschulden des Klägers zu verneinen wäre, sind nicht ersichtlich. Wie dargelegt gibt es vorliegend insbesondere keine Anhaltspunkte für eine Falschberatung durch die Beklagte. Der Senat konnte auch keine Falschberatung durch die Pflegekasse feststellen. Zwar enthält insoweit die dem Schreiben vom 11.03.2014 beigefügte Anlage einen Hinweis auf eine falsche Antragsfrist. Da dort eine kürzere Antragsfrist von einem Monat genannt wird, konnte sich hieraus jedoch keine Auswirkungen auf die verspätete Antragstellung des Klägers ergeben, der den Hinweis - nach seinen Angaben - zudem schon gar nicht zur Kenntnis genommen hatte.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt mithin ebenfalls nicht in Betracht.

Die Voraussetzungen für eine Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag nach § 28a Abs. 1 Nr. 1 SGB III liegen nach alledem nicht vor.

Auch für die Zeit ab dem 01.01.2017 kommt eine Versicherungspflicht nicht in Betracht.

Nach der mit Wirkung zum 01.01.2017 eingeführten Regelung des § 26 Abs. 2b SGB III sind Personen in der Zeit versicherungspflichtig, in der sie als Pflegeperson einen Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne des Elften Buches, der Leistungen aus der Pflegeversicherung nach dem Elften Buch oder Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch oder gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften bezieht, nicht erwerbsmäßig wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche, in seiner häuslichen Umgebung pflegen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Pflegetätigkeit versicherungspflichtig waren oder Anspruch auf eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatten.

Der Senat konnte insoweit - wie bereits oben ausgeführt - schon nicht feststellen, dass der Kläger unmittelbar vor Beginn der Pflegetätigkeit versicherungspflichtig gewesen ist. Zudem besteht bei der Mutter des Klägers bislang Pflegegrad 1.

Nachdem bei dem Kläger am 31.12.2016 auch keine Versicherungspflicht auf Antrag nach § 28a Abs. 1 Nr. 1 SGB III vorlag, kommt auch eine Überführung des Versicherungsverhältnisses im Sinne des § 446 Abs. 2 SGB III nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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