L 6 KR 1177/17 B ER

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 16 KR 1424/17 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1177/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 4. September 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin die aus einer Lebensversicherung ausgezahlten Kapitalleistungen zur Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung heranziehen darf.

Der Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin in der Krankenversicherung der Rentner versichert. Im November 2016 erhielt er von der Lebensversicherung AG eine Kapitalleistung aus einer betrieblichen Altersversorgung (Direktversicherung) in Höhe von 26.067,63 Euro ausgezahlt. Bereits zuvor, nämlich im Juni 2016, hatte er von der Lebensversicherung AG eine Kapitalzahlung in Höhe von 5.147,82 Euro erhalten. Mit Beitragsbescheid vom 3. Januar 2017 teilte die Antragsgegnerin, auch im Namen der Pflegekasse, mit, dass der Antragsteller ab 1. Dezember 2016 einen Beitrag zur Krankenversicherung in Höhe von 38,76 Euro und zur Pflegeversicherung in Höhe von 6,11 Euro zu zahlen habe. Hiergegen erhob der Antragsteller am 10. Januar 2017 Widerspruch, mit dem er sich gegen das "mehr als unsoziale" Gesetz des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) bei behinderten Menschen wende. Nach seiner Auffassung ist das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, das ab 1. Januar 2004 gilt, ein Gesetz zur Beschleunigung der Altersarmut. Da er seit 2003 erwerbsgemindert gewesen sei und eine sehr geringe Rente bezogen habe, sei seine Erwartung der Verrentung aus seiner Direktversicherung derart, dass er ab Erreichung der Altersrente die Grenze zur Altersarmut vermeiden könne. Das Gesetz sei für Erwerbsminderungsrentner, wie in seinem Fall, mehr als unsozial und bedürfe für derartige Härtefälle einer dringenden Korrektur. Aus seiner Direktversicherung müsse er monatlich 44,87 Euro Kassenbeitrag entrichten. Diesen Betrag könne er nicht aufbringen, da er dann Probleme bei der Begleichung der Kosten seines Lebensunterhaltes habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 2.Juni 2017 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Antragsteller am 21. Juni 2017 vor dem Sozialgericht Meiningen (SG) Klage erhoben (Az.: S 16 KR 1119/17) und am 11. August 2017 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung hat er im Wesentlichen seine Auffassung wiederholt, dass bei ihm Altersarmut bestehe und dass es zumindest einer ausreichenden Härtefallregelung bedürfe. Dem ist die Antragsgegnerin entgegen getreten und hat vorgetragen, dass der Antragsteller nach Datenlage eine monatliche Rente in Höhe von 1.121,55 Euro beziehe. Schwere unzumutbare Tatsachen bzw. Umstände oder eine unbillige Härte könne sie nicht erkennen. Es liege bis auf einen Betrag von 8,22 Euro ein fast vollständiger Zahlungseingang der berechneten Beiträge vor, die Rente werde laufend gezahlt und der Antragsteller habe die Kapitalleistung erhalten. Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Beitragsverzicht oder eine Stundung lägen ebenso wenig vor.

Das SG hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 4. September 2017 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers könne nicht angeordnet werden, da diese keine Aussicht auf Erfolg habe. Zutreffend habe die Antragsgegnerin die ausgezahlten Kapitalleistungen zur Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung herangezogen. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrem Widerspruchsbescheid vorn 2. Juni 2017 werde darauf hingewiesen, dass es sich bei den Kapitalauszahlungsbeträgen aus den Lebensversicherungen an den Kläger um Leistungen aus betrieblicher Altersvorsorge nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V handele. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung auch Renten gehörten, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung gezahlt würden. Um eine solche Direktversicherung handele es sich, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen werde und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistungen des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt seien. Diese Leistung sei dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie der Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezwecke, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen solle. Im vorliegenden Fall seien beide Verträge als betriebliche Altersversorgung anzusehen. An dieser Einstufung ändere auch der Umstand nichts, dass die Beiträge während der Vertragslaufzeit durch Entgeltumwandlung, also durch Einbehaltung vom Lohn des Klägers, aufgebracht worden seien. Es entspreche der Rechtsprechung des BSG, dass Renten bzw. an ihre Stelle getretene nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen, die aus einer ursprünglich vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung erbracht würden, auch dann zu den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zählten, wenn sie ganz oder zum Teil auf Leistungen des Arbeitnehmers bzw. des Versicherten selbst beruhten, so lange der Arbeitgeber die Direktversicherung als Versicherungsnehmer fortführe. Entscheidend sei allein der Umstand, wer Versicherungsnehmer gewesen sei. Ergänzend werde auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hingewiesen. Schließlich sei weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Vollziehung des Beitragsbescheides für den Antragsteller eine unbillige Härte bedeuten würde. Sie liege vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgingen und nicht oder nur schwer wieder gut gemacht werden könnten. Alleine die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für den Antragsteller verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führten nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten seien. Die bloße Behauptung des Antragstellers, das Gesetz führe in seinem Falle zur Altersarmut, begründe keine unbillige Härte. Nach der Datenlage der Antragsgegnerin beziehe der Antragsteller eine monatliche Rente in Höhe von 1.121,55 Euro und habe darüber hinaus die beiden Kapitalleistungen erhalten.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 5. September 2017 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 27. September 2017 Beschwerde eingelegt und zu deren Begründung geltend gemacht, er beziehe lediglich 1.004,35 Euro Rente und die gegenwärtige Grenze zur Altersarmut in Deutschland liege bei 1.000 Euro. Die Beiträge, deren konkrete Berechnung er nicht anzweifle, habe er bislang nur deshalb gezahlt, weil ihm die Antragsgegnerin mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gedroht habe. Das SG irre, wenn es ausführe, es liege keine unbillige Härte vor. Der Beschluss des SG widerspreche zudem den aktuellen Statements der im Bundestag vertretenen Parteien zu Renten und Erwerbsminderungsrenten. Die Klagen zu den Direktversicherungen lägen Jahre zurück und die Menschen im Land erwarteten eine Anpassung der Gesetze an die aktuelle Lebenswirklichkeit.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Meiningen vom 4. September 2017 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2017 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihre Stellungnahmen im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerdeakte, der Gerichtsakte des Hauptsacheverfahren (Az.: S 16 KR 1119/17) und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung war.

II.

Die nach §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 4. September 2017 ist unbegründet.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung von Wi-derspruch und Anfechtungsklage entfällt nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend bei der Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung durch die Antragsgegnerin.

Bei der Prüfung des Antrags sind die in § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG genannten Maßstäbe zu berücksichtigen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 86b Rn. 12b). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung setzt damit voraus, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG liegen vor, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 86a Rn. 27a m.w.N.). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes. Die Voraussetzungen der § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V, § 57 Abs. 1 Satz 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) für eine wirksame Beitragserhebung sind erfüllt. Insoweit wird gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG in den Gründen des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen, denen der Senat folgt.

Hinsichtlich des Beschwerdevorbringens des Antragstellers ist noch Folgendes auszuführen: Es ist nicht Aufgabe des Senats, vermeintlich unsoziale Gesetze zu ändern. Nach der im Grundgesetz verankerten Gewaltenteilung ist dies allein dem Parlament vorbehalten. Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit hat der Senat in Übereinstimmung mit der Antragsgegnerin und dem SG nicht. Insoweit hat das SG zu Recht darauf hingewiesen, dass das BVerfG entsprechende Verfassungsbeschwerden mangels Erfolgsaussichten nicht zur Entscheidung angenommen hat (so zuletzt Kammerbeschluss vom 23. März 2017 - Az.: 1 BvR 631/15).

Die aufschiebende Wirkung ist auch nicht deshalb anzuordnen, weil die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Sie liegt nur vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut gemacht werden können (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 86a Rn. 27b). Ebenso wie im erstinstanzlichen Verfahren hat der Antragsteller eine solche nicht genügend dargelegt. Allein der Hinweis auf die Höhe seiner monatlichen Rente genügt hierfür nicht, insbesondere vor dem Hintergrund, dass er Kapitalleistungen in Höhe von über 31.000 Euro ausbezahlt erhalten hat. Seine diesbezügliche Behauptung, die gegenwärtige Grenze zur Altersarmut in Deutschland liege bei 1.000 Euro, ist zum einen nicht belegt und zum anderen nicht geeignet, in seinem Falle bei einer Rente von über 1.000 Euro eine unzumutbare Härte zu begründen. Weitere Umstände, die zu einer unbilligen Härte der Vollziehung des angefochtenen Beitragsbescheids führen könnten, sind sonst für den Senat nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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