Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 481/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 238/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 32.526,87 festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Rechtsnachfolger des während des Berufungsverfahrens verstorbenen Klägers wenden sich gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen sowie Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) und für das Insolvenzgeld, im Folgenden einheitlich Gesamtsozialversicherungsbeiträge, in Höhe von insgesamt EUR 32.526,87 durch den beklagten Rentenversicherungsträger.
Die verstorbene Kläger betrieb als Einzelkaufmann (e.K.) u.a. in den Jahren 2005 bis 2009 Arbeitnehmerüberlassung; er war im Besitz einer Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Für den Prüfzeitraum 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 führte die Beklagte eine Prüfung durch. Der hierzu ergangene Bescheid vom 9. Oktober 2008 enthielt keine Feststellungen zum Arbeitsentgelt der nach dem Tarifvertrag der Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) bezahlten Beschäftigten.
Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Rahmen einer Entscheidung über eine Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10 - juris) entschieden hatte, dass die von den Antragstellern jenes Verfahrens gestellten gegenwartsbezogenen Feststellunganträge begründet sind, weil die CGZP nicht tariffähig ist, führte die Beklagte beim verstorbenen Kläger in der Zeit vom 8. Dezember 2011 bis 28. August 2012 eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum 1. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2009 durch.
Nach Durchführung einer Anhörung (Anhörungsschreiben vom 28. Juni 2012) forderte die Beklagte mit Bescheid vom 29. August 2012 vom verstorbenen Kläger für den Prüfzeitraum Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 32.526,87 nach. Die durchgeführte Prüfung habe ergeben, dass der verstorbene Kläger im Prüfzeitraum Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG betrieben habe. Seit 1. Januar 2004 habe der Gesetzgeber für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung den Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit (equal pay) und das Gebot gleicher Arbeitsbedingungen (equal treatment) im Gesetz verankert. Die Entlohnung der Leiharbeitnehmer richte sich nach dem, was auch für die Stammbelegschaft des Entleihers gelte. Das AÜG sehe jedoch einen Ausnahmefall für das gesetzliche Gleichbehandlungsgebot vor. Existiere ein Tarifvertrag, der die Entlohnung der Leiharbeitnehmer regele, könne vom Gleichbehandlungsgrundsatz auch zum Nachteil des Leiharbeitnehmers abgewichen werden. Die Bestätigung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch das BAG habe die Unwirksamkeit der von der CGZP geschlossenen Tarifverträge zur Folge. Damit komme es zur Anwendung des § 10 Abs. 4 AÜG. Der Leiharbeitnehmer, der auf Basis eines CGZP-Tarifvertrages beschäftigt gewesen sei, könne von dem Verleiher den Lohn beanspruchen, der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlt werde. Im Beitragsrecht der Sozialversicherung gelte für laufendes Entgelt das Entstehungsprinzip. Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstünden nach dieser Vorschrift, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorlägen. Bemessungsgrundlage für den Beitragsanspruch sei deswegen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht das vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte, sondern das von ihm geschuldete Arbeitsentgelt. Unerheblich sei, ob der Arbeitnehmer den ihm zustehenden - höheren - Arbeitsentgeltanspruch gegenüber dem Arbeitgeber auch geltend mache. Sei der Beitragsanspruch entstanden, sei sein weiteres Schicksal unabhängig von der Durchsetzung oder Durchsetzbarkeit des arbeitsrechtlichen Vergütungsanspruches. Auch wenn der Arbeitnehmer seinen Zahlungsanspruch nicht durchsetze oder nicht durchsetzen könne, beispielsweise weil dem tarifliche Ausschlussklauseln entgegenstünden, bleibe der Beitragsanspruch hiervon unberührt. Der verstorbene Kläger könne für den bereits geprüften Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2007 keinen Bestandsschutz für sich in Anspruch nehmen. Für die bei ihm beschäftigten Leiharbeitnehmer habe der verstorbene Kläger die Tarifverträge der CGZP angewandt. Auf der Basis der dort vorgesehenen Vergütung habe er die Beiträge für die bei ihm beschäftigten Leiharbeitnehmer gezahlt sowie Meldungen und Beitragsnachweise zur Sozialversicherung abgegeben. Darüber hinaus habe er die Tariferhöhungen des Tarifvertrages CGZP zum 1. Juli 2008 und zum 1. Juli 2009 bei den Lohnzahlungen nicht berücksichtigt. Aufgrund der vorgenannten Ausführungen seien Beiträge zur Sozialversicherung auf Grundlage der Differenz zwischen dem vom verstorbenen Kläger gemeldeten und dem Beitragsanspruch zugrunde gelegten Arbeitsentgelt und dem vergleichbaren Arbeitsentgelt eines Stammarbeitnehmers in dem jeweiligen Entleihbetrieb und Überlassungszeitraum für jeden Leiharbeitnehmer individuell nachzuerheben. Nach § 28f Abs. 2 Satz 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) habe der prüfende Rentenversicherungsträger die Höhe der Arbeitsentgelte zu schätzen, wenn diese nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermittelt werden könnten. Zwar sei hier feststellbar, dass Arbeitsentgelte grundsätzlich bestimmten Beschäftigten zuzuordnen seien, jedoch sei vorliegend die personenbezogene Ermittlung der jeweils geschuldeten Arbeitsentgelte - wenn überhaupt - nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich. Denn bei den Entleihern seien keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer beschäftigt worden. Nach ihren Ermittlungen betrage die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmern und vergleichbaren Stammarbeitnehmern in Entleihbetrieben 24 %. Dieser Prozentwert gründe sich im Wesentlichen auf die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen (IAB) "Lohndifferenzial Zeitarbeit" vom 14. April 2011. Die Nachberechnung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge erfolge für die während der Betriebsprüfung ermittelten verliehenen Arbeitnehmer personenbezogen als Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und den um 24 v.H. erhöhten Mindestlohn CGZP. In den Anlagen zum Bescheid führte die Beklagte 13 Arbeitnehmer auf, für die sie für einen konkret bezeichneten Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2006 und 31. Dezember 2009 Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachforderte. Den hiergegen vom verstorbenen Kläger eingelegten Widerspruch wies der gemeinsame Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2013 als unbegründet zurück.
Hiergegen erhob der verstorbene Kläger am 21. Februar 2013 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Wie bereits teilweise im Rahmen der Anhörung und seinem Widerspruch machte er geltend, bei den von der Beklagten geforderten Beitragsnachzahlungen handele es sich um Einmalzahlungen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Danach entstehe der Beitragsanspruch erst, wenn das entsprechende Arbeitsentgelt tatsächlich ausbezahlt worden sei. Etwaige Lohnnachzahlungsansprüche seien jedoch nicht erhoben worden. Darüber hinaus sei eine rückwirkende Beitragszahlung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen. Hilfsweise seien aufgrund der Bestandskraft des Bescheides der Beklagten vom 9. Oktober 2008, mit dem diese die Betriebsprüfung für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2007 abgeschlossen habe, alle Beitragsnachforderungen weggefallen, die sich auf die Zeit vor dem 1. Januar 2008 bezögen. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass rückwirkende Beitragslasten mit ihrer Drosselungswirkung wie ein Betätigungsverbot wirken könnten und seien somit an Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) zu messen. Vor allem das europarechtliche Transparenzgebot sei eine Schranke für rückwirkendes und überraschendes Recht - unabhängig davon, ob es sich um Richter- oder Gesetzesrecht handele. Dessen Adressaten müssten ihr Rechtsrisiko kennen, damit sie danach handeln könnten. Das BAG habe mit seiner rückwirkenden Anforderung an die Tariffähigkeit diese Schranke überschritten.
Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2013 entgegen. Es gelte das Entstehungsprinzip. Zeitarbeitsfirmen, wie dasjenige des Klägers, hätten zwar auf die Rechtmäßigkeit der von ihnen angewendeten Tarifverträge vertraut, könnten hieraus jedoch kein schutzwürdiges Vertrauen herleiten. Gleiches gelte für das Vertrauen auf die Empfehlung der Bundesagentur, Tarifverträge der CGZP in die Arbeitsverträge einzubeziehen. Auch die vorangegangene Betriebsprüfung führe nicht zu einem Verbot der erneuten Prüfung für die Zeit bis 31. Dezember 2007.
Das SG lud mit Beschluss vom 17. September 2013 die betroffenen Kranken- und Pflegekassen sowie die Bundesagentur für Arbeit zum Verfahren bei.
Mit Urteil vom 29. Oktober 2013 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 29. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2013 auf. Diese seien rechtswidrig und verletzten den verstorbenen Kläger in seinen Rechten. Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides sei § 28 p Abs. 1 SGB IV. Seit 1. Januar 2013 hätten Leiharbeitnehmer Anspruch auf Arbeitsentgelt in gleicher Höhe wie vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers. Abweichende Regelungen könnten nur in einem Tarifvertrag getroffen werden. Sei ein solcher Tarifvertrag jedoch unwirksam, könne der Leiharbeitnehmer vom Verleiher die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen. Die vom Kläger zu Grunde gelegten Tarifverträge seien von der CGZP geschlossen worden. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10 - juris) habe das BAG jedoch festgestellt, dass die CGZP nicht tariffähig sei. Dies habe zur Folge, dass der verstorbene Kläger den betroffenen Arbeitnehmern noch die Differenz des im (unwirksamen) Tarifvertrag vereinbarten Entgelts und dem Entgelt, auf das ein vergleichbarer Arbeitnehmer des Klägers Anspruchs hatte, schulde. Diese Entgeltansprüche wiederum begründeten auch Beitragsansprüche der Beklagten. Denn die Beitragsansprüche würden sich gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV nach dem geschuldeten und nicht nach dem tatsächlich gezahlten Entgelt bemessen, da es sich um Ansprüche auf laufend gezahltes Entgelt handele. Deshalb sei unerheblich, ob die Leiharbeitnehmer diese Entgeltansprüche geltend machten oder geltend machen könnten. Im Beitragsrecht des Sozialgesetzbuches gelte nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG] das sogenannte Entstehungsprinzip und nicht das Zuflussprinzip (Urteil vom 30. August 1994, 12 RK 59/92 - juris). Allerdings sei der Bescheid der Beklagten rechtswidrig, da die Beklagte zu Unrecht die Höhe der Beitragsforderung nach § 28f Abs. 2 SGB IV geschätzt habe. Voraussetzung für ein Vorgehen nach § 28f Abs. 2 SGB IV sei, dass der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt habe und dadurch die Versicherungs- oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden könne. Diese Voraussetzung der Verletzung der Aufzeichnungspflicht gelte nicht nur für den in Satz 1 der Vorschrift geregelten sogenannten Lohnsummenbescheid, sondern sei auch Voraussetzung für die Schätzungsbefugnis des Satzes 3. Nach den Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Bescheid sei die personenbezogene Ermittlung der jeweils geschuldeten Arbeitsentgelte nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich gewesen, da bei den Entleihern keine vergleichbare Stammarbeitnehmer beschäftigt gewesen seien. Dies beruhe aber nicht auf einer Verletzung der Aufzeichnungspflicht durch den Kläger. Eine solche lasse sich nicht feststellen. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Gerichts selbst angegeben habe, dass bei den Entleihern keine konkrete Nachfrage hinsichtlich vergleichbarer Stammarbeitnehmer erfolgt sei. Insofern habe die Beklagte offenbar überhaupt keinen Versuch einer konkreten Ermittlung bzw. Zuordnung unternommen. Nach § 28f Abs. 1 Satz 1 SGB IV habe der Arbeitgeber für jeden Beschäftigten Lohnunterlagen zu führen und bis zum Ablauf des auf die letzte Prüfung nach § 28p SGB IV folgenden Kalenderjahres aufzubewahren. Zu diesen Lohnunterlagen gehörten auch die zwischen dem Verleiher und dem Entleiher nach § 12 AÜG geschlossenen Verträge. In diesen Verträgen, die schriftlich abzuschließen seien, müsse u.a. angegeben werden, welche in Betrieben des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gälten. Die Einführung dieser Verpflichtung sei damit begründet worden, dass der Verleiher mit Hilfe dieser Information seiner Verpflichtung zur Gleichbehandlung des Leiharbeitnehmers in Bezug auf die wesentlichen Arbeitsbedingungen vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers nachkommen könne. Dieses Erfordernis gelte nach § 12 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz AÜG allerdings nicht, soweit die Voraussetzungen der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 und § 9 Nr. 2 AÜG genannten Ausnahme vorlägen. Dadurch solle klargestellt werden, dass der Auskunftsanspruch des Verleihers gegen den Entleiher nur in dem Umfang bestehe, wie dies für die Bestimmung der Arbeitsbedingungen des Leiharbeitnehmers im konkreten Einzelfall erforderlich sei. Würden die Arbeitsbedingungen des Leiharbeitnehmers durch einen Tarifvertrag geregelt und sei der Verleiher somit von einer Gleichstellungsverpflichtung von § 3 Abs. 1 Nr. 3 und § 9 Nr. 2 AÜG entbunden, seien Auskünfte des Entleihers über die Arbeitsbedingungen vergleichbarer Stammarbeitnehmer in seinem Unternehmen in der Regel entbehrlich. Bis zur Entscheidung des BAG vom 14. Dezember 2010 sei der Kläger deshalb nicht verpflichtet gewesen, in den Verträgen mit den Entleihern Angaben über das Arbeitsentgelt für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers aufzunehmen, weil die Vertragsparteien angesichts der zwischen der mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge davon hätten ausgehen dürfen, dass dadurch die in § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG und § 9 Nr. 2 AÜG genannten Ausnahmen vorlägen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Tarifunfähigkeit der CGZP und damit die Unwirksamkeit der mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge rückwirkend anzunehmen sei. Daraus folge zwar, dass objektiv eine Pflicht bestanden habe, in den Verträgen nach § 12 AÜG anzugeben, welche Betriebe des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gälten. Dennoch habe eine Pflichtverletzung des Klägers nicht vorgelegen. Denn eine Pflichtverletzung setze die Kenntnis der Obliegenheit voraus. Fehle den Vertragsparteien des Vertrages nach § 12 AÜG diese Kenntnis, gehe die Obliegenheit ins Leere. Bis zur Entscheidung des BAG vom 14. Dezember 2010 hätten die Vertragsparteien keine Kenntnis davon gehabt, dass die in § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG und § 9 Nr. 2 AÜG genannten Ausnahmen nicht vorliegen. Die Frage der Kenntnis von einer Obliegenheit - hier: Pflicht zur Aufnahme von Angaben über das Arbeitsentgelt für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers in den Verträgen nach § 12 AÜG - sei zu trennen von der Frage, ob eine Verletzung der Pflicht Verschulden voraussetze. Gehe eine Obliegenheit ins Leere, könne sie schon tatbestandlich nicht verletzt werden. Die Frage des Verschuldens stelle sich in diesem Fall nicht (Verweis auf Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. November 2012 – L 11 R 3954/12 – juris; Senatsbeschluss vom 5. März 2013 – L 4 R 4381/12 ER-B – juris).
Gegen dieses, ihr am 27. Dezember 2013 zugestellte Urteil, hat die Beklagte am 17. Januar 2014 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ausgeführt, ihr stehe eine Schätzungsbefugnis auch im vorliegenden Fall zu. Das BSG habe in seinem Urteil vom 16. Dezember 2015 (B 12 R 11/14 R – juris) klargestellt, dass es für die Frage der Zulässigkeit der Schätzung nicht auf Kriterien wie Verschulden des Arbeitgebers oder Kenntnis vom Inhalt der ihn treffenden Sozialversicherungspflicht ankomme, denn die Schätzung solle die Beitragsentrichtung sicherstellen, und zwar unabhängig davon, aus welchem Grund die Aufzeichnungen fehlten oder unvollständig seien. Die personenbezogene Ermittlung der geschuldeten Arbeitsentgelte sei wenn überhaupt nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich. Allein die Ermittlungen zu den CGZP-Prüfungen würden den üblichen Aufwand bei Betriebsprüfungen in solch deutlichem Maße übersteigen, dass sie (die Beklagte) diese Aufgabe letztlich nur unter nicht nur vorübergehender Zurückstellung ihrer sonstigen Aufgaben bewältigen könnte. Außerdem lägen die Voraussetzungen für eine Schätzung vor, denn die damaligen Betriebsprüfer hätten im Nachgang zum Urteil des BSG mitgeteilt, dass der verstorbene Kläger die Namen der Entleiher wegen zu befürchtender Umsatzeinbußen nicht habe mitteilen wollen. Im Übrigen habe sie gar keinen Summenbescheid erlassen, sondern die personenbezogene Berechnung vorgenommen. Allerdings dürften die Beiträge für 2006 bereits verjährt sein.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen (sachgerecht gefasst),
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens und Verweis auf das Urteil des BSG vom 16. Dezember 2015 (B 12 R 11/14 R – juris) die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.
Mit Beschluss vom 15. Dezember 2016 hat der Senat entschieden, nur die natürlichen und juristischen Personen noch beizuladen, die ihre Beiladung bis 30. April 2017 noch beim LSG Baden-Württemberg beantragen. Hierauf hat sich keine der in Betracht kommenden Personen gemeldet.
Die Berichterstatterin hat die Beteiligten mit Schreiben vom 5. Mai 2017 auf die Absicht des Senats, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beteiligten haben gegen diese Verfahrensweise keine Einwände erhoben.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung der Beklagten einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
2. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Die Beklagte hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 ist überschritten. Streitig ist eine Nachforderung von EUR 32.526,87.
3. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Rechtsnachfolger des verstorbenen Klägers in ihren Rechten. Der Kläger ist nicht zur Zahlung der von der beklagten geforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge verpflichtet. Die Beklagte war nicht zur Schätzung des Arbeitsentgelts berechtigt.
Die Beklagte ist nach § 28p Abs. 1 SGB IV in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I, S. 3710) für die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zuständig. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle vier Jahre (Satz 1). Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden (Satz 4). Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken–, Pflege– und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 174 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie § 60 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auch für die Arbeitslosenversicherung bzw. Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden nach § 28d Satz 1 SGB IV die Beiträge in der Kranken– oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag des Arbeitnehmers und der Teil des Beitrags des Arbeitgebers zur Bundesagentur für Arbeit, der sich nach der Grundlage für die Bemessung des Beitrags des Arbeitnehmers richtet, gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§ 28d Satz 2 SGB IV). Die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen der Lohnfortzahlung werden nach dem seit 1. Januar 2006 gültigen § 7 Abs. 1 AAG durch eine Umlage von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht. Die Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes werden nach § 358 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Art. 3 Nr. 2 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (UVMG) vom 30. Oktober 2008 (BGBl. I, S. 2130) durch eine monatliche Umlage von den Arbeitgebern aufgebracht und sind nach § 359 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Art. 3 Nr. 2 UVMG zusammen mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen.
Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Die in den Anlagen zum Bescheid vom 29. August 2012 genannten Arbeitnehmer waren in den Jahren 2006 bis 2009 beim verstorbenen Kläger versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung beschäftigt. Hiervon gehen die Beteiligten übereinstimmend aus. Es gibt keine Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung. Eine nähere Prüfung des erkennenden Senats erübrigt sich insoweit (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens z.B. BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 34/13 R – juris, Rn. 8, m.w.N.,).
Der Höhe nach bestimmt sich der geschuldete Gesamtsozialversicherungsbeitrag in allen Zweigen der Sozialversicherung einschließlich dem Recht der Arbeitsförderung nach dem Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§§ 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V, 161 Abs. 1, 162 Nr. 2 SGB VI, 57 Abs. 1 SGB XI, 341 Abs. 3 Satz 1, 342 SGB III). Auch die Höhe der Umlage nach dem AAG und die Höhe der Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes knüpfen an das Arbeitsentgelt an. Die Umlagen (nach dem AAG) sind nach § 7 Abs. 2 Satz 1 AAG jeweils in einem Prozentsatz des Entgelts (Umlagesatz) festzusetzen, nach dem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden bemessen werden oder bei Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu bemessen wären. Für die Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes ist nach § 358 Abs. 2 Satz 2 SGB III maßgebend das Arbeitsentgelt, nach dem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Auszubildenden bemessen werden oder im Fall einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu bemessen wären.
Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Für die Feststellung der Versicherungspflicht, der Beitragspflicht und auch der Beitragshöhe gilt das Entstehungsprinzip. Nach diesem sind Versicherungspflicht und Beitragshöhe bei dem Beschäftigten nach dem arbeitsrechtlich geschuldeten (etwa dem Betroffenen tariflich zustehenden) Arbeitsentgelt zu beurteilen – was sich etwa bei untertariflicher Bezahlung auswirkt – und nicht lediglich nach dem einkommensteuerrechtlich entscheidenden, dem Beschäftigten tatsächlich zugeflossenen Entgelt (ständige Rechtsprechung; z.B. BSG, Urteil vom 7. Mai 2014 – B 12 R 18/11 R – juris, Rn. 30 m.w.N.; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 25). Die Bestimmung der Höhe der Bemessungsgrundlage für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf der Grundlage der Vorschrift des § 22 Abs. 1 SGB IV nach dem Entstehungsprinzip begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss vom 11. September 2008 – 1 BvR 2007/05 – juris, Leitsatz 1a).
Die betroffenen Arbeitnehmer hatten nicht nur Anspruch auf das ihnen gezahlte Arbeitsentgelt nach einem von der CGZP geschlossenen Tarifvertrag, sondern nach § 10 Abs. 4 AÜG (in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Art. 6 Nr. 5 Buchst. b Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 [BGBl. S. 4607]) Anspruch auf das im Betrieb des Entleihers gezahlte übliche Arbeitsentgelt (so genanntes equal pay). Denn die CGZP war nicht tariffähig (BAG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 1 ABR 19/10 – juris, Rn. 63 ff.) und deshalb waren alle von der CGZP geschlossenen Tarifverträge von Anfang an unwirksam (BAG, Urteil vom 13. März 2013 – 5 AZR 954/11 – juris, Rn. 21 ff.). An die Feststellungen zur mangelnden Tariffähigkeit der CGZP sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gebunden (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 28). Die Rechtskraftwirkung der das Fehlen der Tariffähigkeit der CGZP feststellenden Entscheidungen des BAG ist vorliegend nicht durch die zum 30. April 2011 erfolgte Einfügung von § 3a AÜG durch Art 1 Nr. 6 Erstes Gesetz zur Änderung des AÜG vom 28. April 2011 (BGBl. I, S. 642) wieder entfallen. Denn die Nachforderung betrifft den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 und damit einen Zeitraum vor Inkrafttreten des § 3a AÜG. Ein Vertrauensschutz der Verleiher in die Tariffähigkeit der CGZP besteht nicht (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 32 ff).
Der Bescheid vom 29. August 2012 ist kein Summenbescheid im Sinne des § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV. Denn es erfolgte eine personenbezogene Feststellung der jeweiligen Beitragshöhe. In den Anlagen zum Bescheid sind die jeweiligen Arbeitnehmer einzelnen aufgeführt und es ist die jeweilige Höhe des Beitrags für einen genannten Zeitraum angegeben. Die Beklagte schätzte lediglich die Höhe des Arbeitsentgelts.
Rechtsgrundlage für die Schätzung von Arbeitsentgelt von Beschäftigten ist § 28f Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB IV. Soweit der prüfende Träger der Rentenversicherung die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese zu schätzen (Satz 3). Dabei ist für das monatliche Arbeitsentgelt eines Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mit zu berücksichtigen (Satz 4). Diese Vorschriften erlauben eine Schätzung des Arbeitsentgelt von Arbeitnehmern auch, wenn infolge der Verletzung von Aufzeichnungspflichten zwar eine personenbezogene Zuordnung möglich ist, nicht aber die genaue Bestimmung der Entgelthöhe (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 52 f). Eine solche Schätzung erfordert, dass der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllte (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 54).
Aus den Begründungen des Bescheids vom 29. August 2012 und des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2013 ergibt sich nicht, welche Aufzeichnungspflicht der verstorbene Kläger verletzt haben soll. Im Bescheid vom 29. August 2012 begründet die Beklagte die Ermittlung des Arbeitsentgelts unter Berücksichtigung einer Pauschale lediglich damit, bei den Entleihern seien keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer beschäftigt gewesen. Sie stützte ihre Schätzung damit nicht auf die Verletzung von Aufzeichnungspflichten durch den verstorbenen Kläger.
Der Senat lässt offen, ob der verstorbene Kläger Aufzeichnungspflichten verletzte. Eine Verletzung von Aufzeichnungspflichten durch den verstorbenen Kläger könnte darin liegen, dass er nicht das übliche Arbeitsentgelt beim Verleiher bereits zum Zeitpunkt der Verleihung des Arbeitnehmers aufgezeichnet hat. Er ging zwar damals davon aus, dass dies nicht notwendig sei. Dies könnte der Annahme einer Verletzung einer Aufzeichnungspflicht jedoch nicht entgegenstehen. Eines Verschuldens des Arbeitgebers oder einer Kenntnis vom konkreten Inhalt der ihn treffenden sozialversicherungsrechtlich Pflicht bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 55).
Jedenfalls ist eine weitere Voraussetzung für die Schätzung des Arbeitsentgelts nicht gegeben. Weitere Voraussetzung für eine Schätzung des Arbeitsentgelts ist zudem, dass das Arbeitsentgelt, auf das die Beschäftigten nach dem im Betrieb des Entleihers gezahlten üblichen Arbeitsentgelt Anspruch haben, sich nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln lässt. Die Amtsermittlungspflicht des prüfende Rentenversicherungsträgers nach § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bleibt dabei ebenso unberührt wie die Mitwirkungspflichten des zu prüfenden Arbeitgebers (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 57).
Vorliegend ist nicht erkennbar, dass eine Ermittlung der üblichen Arbeitsentgelte bei den Entleihern unmöglich war. Aus der Verwaltungsakte lässt sich entnehmen, dass die Beklagte Tarifverträge aus den Bereichen der Spedition und Logistik des Landes Baden-Württemberg beizog. Ferner zog sie – wie der Begründung des Bescheids vom 29. August 2012 (Seite 5) zu entnehmen ist – für ihre Schätzung die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen "Lohndifferenzial Zeitarbeit" vom 14. April 2011 heran.
Sie prüfte nicht, welches Arbeitsentgelt der Entleiher Stammarbeitnehmer – wenn sie vorhanden gewesen wären – hätte zahlen müssen. Dass dies unmöglich oder mit einem erheblichen Aufwand verbunden wäre, ist nicht erkennbar. Insoweit hätten jedenfalls zunächst Anfragen bei den Entleihern erfolgen können. Die Behauptung der Beklagten, Verleiher – wie nach Behauptung der Beklagten auch der verstorbene Kläger – teilten die Namen und Anschriften der Entleiher nicht mit, steht dem nicht entgegen. In diesem Fall hätte geprüft werden können, auf welchen anderen Wege die Namen und Anschriften der Entleiher ermittelt werden könnten, z.B. bestünde die Möglichkeit, die verliehenen Arbeitnehmer zu den Entleihern zu befragen.
Der Verweis der Beklagten auf den Umfang dieser Ermittlungen unter Berücksichtigung aller erforderlichen Prüfungen wegen der Tarifunfähigkeit der CGZP entbindet die Beklagte nicht von ihrer Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts.
Da der Senat die Voraussetzung für eine Schätzung der Arbeitsentgelte als nicht gegeben ansieht, braucht er vorliegend nicht zu entscheiden, ob es sich bei dem Anspruch des Leiharbeitnehmers nach dem streitigen Zeitraum noch geltenden § 10 Abs. 4 AÜG um laufendes Arbeitsentgelt, so dass das Entstehungsprinzip maßgeblich ist, oder um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, so dass das Zuflussprinzip maßgeblich ist (so: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juni 2017 – L 11 R 643/17 – juris, Rn. 25 ff.; Revision bei beim BSG anhängig – B 12 R 4/17 R –), handelt.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]).
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 32.526,87 festgesetzt (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz [GKG]).
6. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Die Beklagte trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 32.526,87 festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Rechtsnachfolger des während des Berufungsverfahrens verstorbenen Klägers wenden sich gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen sowie Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) und für das Insolvenzgeld, im Folgenden einheitlich Gesamtsozialversicherungsbeiträge, in Höhe von insgesamt EUR 32.526,87 durch den beklagten Rentenversicherungsträger.
Die verstorbene Kläger betrieb als Einzelkaufmann (e.K.) u.a. in den Jahren 2005 bis 2009 Arbeitnehmerüberlassung; er war im Besitz einer Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Für den Prüfzeitraum 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 führte die Beklagte eine Prüfung durch. Der hierzu ergangene Bescheid vom 9. Oktober 2008 enthielt keine Feststellungen zum Arbeitsentgelt der nach dem Tarifvertrag der Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) bezahlten Beschäftigten.
Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Rahmen einer Entscheidung über eine Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10 - juris) entschieden hatte, dass die von den Antragstellern jenes Verfahrens gestellten gegenwartsbezogenen Feststellunganträge begründet sind, weil die CGZP nicht tariffähig ist, führte die Beklagte beim verstorbenen Kläger in der Zeit vom 8. Dezember 2011 bis 28. August 2012 eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum 1. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2009 durch.
Nach Durchführung einer Anhörung (Anhörungsschreiben vom 28. Juni 2012) forderte die Beklagte mit Bescheid vom 29. August 2012 vom verstorbenen Kläger für den Prüfzeitraum Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 32.526,87 nach. Die durchgeführte Prüfung habe ergeben, dass der verstorbene Kläger im Prüfzeitraum Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG betrieben habe. Seit 1. Januar 2004 habe der Gesetzgeber für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung den Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit (equal pay) und das Gebot gleicher Arbeitsbedingungen (equal treatment) im Gesetz verankert. Die Entlohnung der Leiharbeitnehmer richte sich nach dem, was auch für die Stammbelegschaft des Entleihers gelte. Das AÜG sehe jedoch einen Ausnahmefall für das gesetzliche Gleichbehandlungsgebot vor. Existiere ein Tarifvertrag, der die Entlohnung der Leiharbeitnehmer regele, könne vom Gleichbehandlungsgrundsatz auch zum Nachteil des Leiharbeitnehmers abgewichen werden. Die Bestätigung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch das BAG habe die Unwirksamkeit der von der CGZP geschlossenen Tarifverträge zur Folge. Damit komme es zur Anwendung des § 10 Abs. 4 AÜG. Der Leiharbeitnehmer, der auf Basis eines CGZP-Tarifvertrages beschäftigt gewesen sei, könne von dem Verleiher den Lohn beanspruchen, der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlt werde. Im Beitragsrecht der Sozialversicherung gelte für laufendes Entgelt das Entstehungsprinzip. Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstünden nach dieser Vorschrift, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorlägen. Bemessungsgrundlage für den Beitragsanspruch sei deswegen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht das vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte, sondern das von ihm geschuldete Arbeitsentgelt. Unerheblich sei, ob der Arbeitnehmer den ihm zustehenden - höheren - Arbeitsentgeltanspruch gegenüber dem Arbeitgeber auch geltend mache. Sei der Beitragsanspruch entstanden, sei sein weiteres Schicksal unabhängig von der Durchsetzung oder Durchsetzbarkeit des arbeitsrechtlichen Vergütungsanspruches. Auch wenn der Arbeitnehmer seinen Zahlungsanspruch nicht durchsetze oder nicht durchsetzen könne, beispielsweise weil dem tarifliche Ausschlussklauseln entgegenstünden, bleibe der Beitragsanspruch hiervon unberührt. Der verstorbene Kläger könne für den bereits geprüften Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2007 keinen Bestandsschutz für sich in Anspruch nehmen. Für die bei ihm beschäftigten Leiharbeitnehmer habe der verstorbene Kläger die Tarifverträge der CGZP angewandt. Auf der Basis der dort vorgesehenen Vergütung habe er die Beiträge für die bei ihm beschäftigten Leiharbeitnehmer gezahlt sowie Meldungen und Beitragsnachweise zur Sozialversicherung abgegeben. Darüber hinaus habe er die Tariferhöhungen des Tarifvertrages CGZP zum 1. Juli 2008 und zum 1. Juli 2009 bei den Lohnzahlungen nicht berücksichtigt. Aufgrund der vorgenannten Ausführungen seien Beiträge zur Sozialversicherung auf Grundlage der Differenz zwischen dem vom verstorbenen Kläger gemeldeten und dem Beitragsanspruch zugrunde gelegten Arbeitsentgelt und dem vergleichbaren Arbeitsentgelt eines Stammarbeitnehmers in dem jeweiligen Entleihbetrieb und Überlassungszeitraum für jeden Leiharbeitnehmer individuell nachzuerheben. Nach § 28f Abs. 2 Satz 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) habe der prüfende Rentenversicherungsträger die Höhe der Arbeitsentgelte zu schätzen, wenn diese nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermittelt werden könnten. Zwar sei hier feststellbar, dass Arbeitsentgelte grundsätzlich bestimmten Beschäftigten zuzuordnen seien, jedoch sei vorliegend die personenbezogene Ermittlung der jeweils geschuldeten Arbeitsentgelte - wenn überhaupt - nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich. Denn bei den Entleihern seien keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer beschäftigt worden. Nach ihren Ermittlungen betrage die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmern und vergleichbaren Stammarbeitnehmern in Entleihbetrieben 24 %. Dieser Prozentwert gründe sich im Wesentlichen auf die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen (IAB) "Lohndifferenzial Zeitarbeit" vom 14. April 2011. Die Nachberechnung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge erfolge für die während der Betriebsprüfung ermittelten verliehenen Arbeitnehmer personenbezogen als Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und den um 24 v.H. erhöhten Mindestlohn CGZP. In den Anlagen zum Bescheid führte die Beklagte 13 Arbeitnehmer auf, für die sie für einen konkret bezeichneten Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2006 und 31. Dezember 2009 Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachforderte. Den hiergegen vom verstorbenen Kläger eingelegten Widerspruch wies der gemeinsame Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2013 als unbegründet zurück.
Hiergegen erhob der verstorbene Kläger am 21. Februar 2013 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Wie bereits teilweise im Rahmen der Anhörung und seinem Widerspruch machte er geltend, bei den von der Beklagten geforderten Beitragsnachzahlungen handele es sich um Einmalzahlungen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Danach entstehe der Beitragsanspruch erst, wenn das entsprechende Arbeitsentgelt tatsächlich ausbezahlt worden sei. Etwaige Lohnnachzahlungsansprüche seien jedoch nicht erhoben worden. Darüber hinaus sei eine rückwirkende Beitragszahlung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen. Hilfsweise seien aufgrund der Bestandskraft des Bescheides der Beklagten vom 9. Oktober 2008, mit dem diese die Betriebsprüfung für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2007 abgeschlossen habe, alle Beitragsnachforderungen weggefallen, die sich auf die Zeit vor dem 1. Januar 2008 bezögen. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass rückwirkende Beitragslasten mit ihrer Drosselungswirkung wie ein Betätigungsverbot wirken könnten und seien somit an Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) zu messen. Vor allem das europarechtliche Transparenzgebot sei eine Schranke für rückwirkendes und überraschendes Recht - unabhängig davon, ob es sich um Richter- oder Gesetzesrecht handele. Dessen Adressaten müssten ihr Rechtsrisiko kennen, damit sie danach handeln könnten. Das BAG habe mit seiner rückwirkenden Anforderung an die Tariffähigkeit diese Schranke überschritten.
Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2013 entgegen. Es gelte das Entstehungsprinzip. Zeitarbeitsfirmen, wie dasjenige des Klägers, hätten zwar auf die Rechtmäßigkeit der von ihnen angewendeten Tarifverträge vertraut, könnten hieraus jedoch kein schutzwürdiges Vertrauen herleiten. Gleiches gelte für das Vertrauen auf die Empfehlung der Bundesagentur, Tarifverträge der CGZP in die Arbeitsverträge einzubeziehen. Auch die vorangegangene Betriebsprüfung führe nicht zu einem Verbot der erneuten Prüfung für die Zeit bis 31. Dezember 2007.
Das SG lud mit Beschluss vom 17. September 2013 die betroffenen Kranken- und Pflegekassen sowie die Bundesagentur für Arbeit zum Verfahren bei.
Mit Urteil vom 29. Oktober 2013 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 29. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2013 auf. Diese seien rechtswidrig und verletzten den verstorbenen Kläger in seinen Rechten. Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides sei § 28 p Abs. 1 SGB IV. Seit 1. Januar 2013 hätten Leiharbeitnehmer Anspruch auf Arbeitsentgelt in gleicher Höhe wie vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers. Abweichende Regelungen könnten nur in einem Tarifvertrag getroffen werden. Sei ein solcher Tarifvertrag jedoch unwirksam, könne der Leiharbeitnehmer vom Verleiher die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen. Die vom Kläger zu Grunde gelegten Tarifverträge seien von der CGZP geschlossen worden. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10 - juris) habe das BAG jedoch festgestellt, dass die CGZP nicht tariffähig sei. Dies habe zur Folge, dass der verstorbene Kläger den betroffenen Arbeitnehmern noch die Differenz des im (unwirksamen) Tarifvertrag vereinbarten Entgelts und dem Entgelt, auf das ein vergleichbarer Arbeitnehmer des Klägers Anspruchs hatte, schulde. Diese Entgeltansprüche wiederum begründeten auch Beitragsansprüche der Beklagten. Denn die Beitragsansprüche würden sich gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV nach dem geschuldeten und nicht nach dem tatsächlich gezahlten Entgelt bemessen, da es sich um Ansprüche auf laufend gezahltes Entgelt handele. Deshalb sei unerheblich, ob die Leiharbeitnehmer diese Entgeltansprüche geltend machten oder geltend machen könnten. Im Beitragsrecht des Sozialgesetzbuches gelte nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG] das sogenannte Entstehungsprinzip und nicht das Zuflussprinzip (Urteil vom 30. August 1994, 12 RK 59/92 - juris). Allerdings sei der Bescheid der Beklagten rechtswidrig, da die Beklagte zu Unrecht die Höhe der Beitragsforderung nach § 28f Abs. 2 SGB IV geschätzt habe. Voraussetzung für ein Vorgehen nach § 28f Abs. 2 SGB IV sei, dass der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt habe und dadurch die Versicherungs- oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden könne. Diese Voraussetzung der Verletzung der Aufzeichnungspflicht gelte nicht nur für den in Satz 1 der Vorschrift geregelten sogenannten Lohnsummenbescheid, sondern sei auch Voraussetzung für die Schätzungsbefugnis des Satzes 3. Nach den Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Bescheid sei die personenbezogene Ermittlung der jeweils geschuldeten Arbeitsentgelte nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich gewesen, da bei den Entleihern keine vergleichbare Stammarbeitnehmer beschäftigt gewesen seien. Dies beruhe aber nicht auf einer Verletzung der Aufzeichnungspflicht durch den Kläger. Eine solche lasse sich nicht feststellen. Insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Gerichts selbst angegeben habe, dass bei den Entleihern keine konkrete Nachfrage hinsichtlich vergleichbarer Stammarbeitnehmer erfolgt sei. Insofern habe die Beklagte offenbar überhaupt keinen Versuch einer konkreten Ermittlung bzw. Zuordnung unternommen. Nach § 28f Abs. 1 Satz 1 SGB IV habe der Arbeitgeber für jeden Beschäftigten Lohnunterlagen zu führen und bis zum Ablauf des auf die letzte Prüfung nach § 28p SGB IV folgenden Kalenderjahres aufzubewahren. Zu diesen Lohnunterlagen gehörten auch die zwischen dem Verleiher und dem Entleiher nach § 12 AÜG geschlossenen Verträge. In diesen Verträgen, die schriftlich abzuschließen seien, müsse u.a. angegeben werden, welche in Betrieben des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gälten. Die Einführung dieser Verpflichtung sei damit begründet worden, dass der Verleiher mit Hilfe dieser Information seiner Verpflichtung zur Gleichbehandlung des Leiharbeitnehmers in Bezug auf die wesentlichen Arbeitsbedingungen vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers nachkommen könne. Dieses Erfordernis gelte nach § 12 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz AÜG allerdings nicht, soweit die Voraussetzungen der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 und § 9 Nr. 2 AÜG genannten Ausnahme vorlägen. Dadurch solle klargestellt werden, dass der Auskunftsanspruch des Verleihers gegen den Entleiher nur in dem Umfang bestehe, wie dies für die Bestimmung der Arbeitsbedingungen des Leiharbeitnehmers im konkreten Einzelfall erforderlich sei. Würden die Arbeitsbedingungen des Leiharbeitnehmers durch einen Tarifvertrag geregelt und sei der Verleiher somit von einer Gleichstellungsverpflichtung von § 3 Abs. 1 Nr. 3 und § 9 Nr. 2 AÜG entbunden, seien Auskünfte des Entleihers über die Arbeitsbedingungen vergleichbarer Stammarbeitnehmer in seinem Unternehmen in der Regel entbehrlich. Bis zur Entscheidung des BAG vom 14. Dezember 2010 sei der Kläger deshalb nicht verpflichtet gewesen, in den Verträgen mit den Entleihern Angaben über das Arbeitsentgelt für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers aufzunehmen, weil die Vertragsparteien angesichts der zwischen der mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge davon hätten ausgehen dürfen, dass dadurch die in § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG und § 9 Nr. 2 AÜG genannten Ausnahmen vorlägen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Tarifunfähigkeit der CGZP und damit die Unwirksamkeit der mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge rückwirkend anzunehmen sei. Daraus folge zwar, dass objektiv eine Pflicht bestanden habe, in den Verträgen nach § 12 AÜG anzugeben, welche Betriebe des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gälten. Dennoch habe eine Pflichtverletzung des Klägers nicht vorgelegen. Denn eine Pflichtverletzung setze die Kenntnis der Obliegenheit voraus. Fehle den Vertragsparteien des Vertrages nach § 12 AÜG diese Kenntnis, gehe die Obliegenheit ins Leere. Bis zur Entscheidung des BAG vom 14. Dezember 2010 hätten die Vertragsparteien keine Kenntnis davon gehabt, dass die in § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG und § 9 Nr. 2 AÜG genannten Ausnahmen nicht vorliegen. Die Frage der Kenntnis von einer Obliegenheit - hier: Pflicht zur Aufnahme von Angaben über das Arbeitsentgelt für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers in den Verträgen nach § 12 AÜG - sei zu trennen von der Frage, ob eine Verletzung der Pflicht Verschulden voraussetze. Gehe eine Obliegenheit ins Leere, könne sie schon tatbestandlich nicht verletzt werden. Die Frage des Verschuldens stelle sich in diesem Fall nicht (Verweis auf Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. November 2012 – L 11 R 3954/12 – juris; Senatsbeschluss vom 5. März 2013 – L 4 R 4381/12 ER-B – juris).
Gegen dieses, ihr am 27. Dezember 2013 zugestellte Urteil, hat die Beklagte am 17. Januar 2014 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ausgeführt, ihr stehe eine Schätzungsbefugnis auch im vorliegenden Fall zu. Das BSG habe in seinem Urteil vom 16. Dezember 2015 (B 12 R 11/14 R – juris) klargestellt, dass es für die Frage der Zulässigkeit der Schätzung nicht auf Kriterien wie Verschulden des Arbeitgebers oder Kenntnis vom Inhalt der ihn treffenden Sozialversicherungspflicht ankomme, denn die Schätzung solle die Beitragsentrichtung sicherstellen, und zwar unabhängig davon, aus welchem Grund die Aufzeichnungen fehlten oder unvollständig seien. Die personenbezogene Ermittlung der geschuldeten Arbeitsentgelte sei wenn überhaupt nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich. Allein die Ermittlungen zu den CGZP-Prüfungen würden den üblichen Aufwand bei Betriebsprüfungen in solch deutlichem Maße übersteigen, dass sie (die Beklagte) diese Aufgabe letztlich nur unter nicht nur vorübergehender Zurückstellung ihrer sonstigen Aufgaben bewältigen könnte. Außerdem lägen die Voraussetzungen für eine Schätzung vor, denn die damaligen Betriebsprüfer hätten im Nachgang zum Urteil des BSG mitgeteilt, dass der verstorbene Kläger die Namen der Entleiher wegen zu befürchtender Umsatzeinbußen nicht habe mitteilen wollen. Im Übrigen habe sie gar keinen Summenbescheid erlassen, sondern die personenbezogene Berechnung vorgenommen. Allerdings dürften die Beiträge für 2006 bereits verjährt sein.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen (sachgerecht gefasst),
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens und Verweis auf das Urteil des BSG vom 16. Dezember 2015 (B 12 R 11/14 R – juris) die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.
Mit Beschluss vom 15. Dezember 2016 hat der Senat entschieden, nur die natürlichen und juristischen Personen noch beizuladen, die ihre Beiladung bis 30. April 2017 noch beim LSG Baden-Württemberg beantragen. Hierauf hat sich keine der in Betracht kommenden Personen gemeldet.
Die Berichterstatterin hat die Beteiligten mit Schreiben vom 5. Mai 2017 auf die Absicht des Senats, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beteiligten haben gegen diese Verfahrensweise keine Einwände erhoben.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung der Beklagten einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
2. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Die Beklagte hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 ist überschritten. Streitig ist eine Nachforderung von EUR 32.526,87.
3. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Rechtsnachfolger des verstorbenen Klägers in ihren Rechten. Der Kläger ist nicht zur Zahlung der von der beklagten geforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge verpflichtet. Die Beklagte war nicht zur Schätzung des Arbeitsentgelts berechtigt.
Die Beklagte ist nach § 28p Abs. 1 SGB IV in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I, S. 3710) für die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zuständig. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle vier Jahre (Satz 1). Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden (Satz 4). Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken–, Pflege– und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 174 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie § 60 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auch für die Arbeitslosenversicherung bzw. Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Als Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden nach § 28d Satz 1 SGB IV die Beiträge in der Kranken– oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag des Arbeitnehmers und der Teil des Beitrags des Arbeitgebers zur Bundesagentur für Arbeit, der sich nach der Grundlage für die Bemessung des Beitrags des Arbeitnehmers richtet, gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§ 28d Satz 2 SGB IV). Die Mittel zur Durchführung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen im Rahmen der Lohnfortzahlung werden nach dem seit 1. Januar 2006 gültigen § 7 Abs. 1 AAG durch eine Umlage von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht. Die Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes werden nach § 358 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Art. 3 Nr. 2 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (UVMG) vom 30. Oktober 2008 (BGBl. I, S. 2130) durch eine monatliche Umlage von den Arbeitgebern aufgebracht und sind nach § 359 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Art. 3 Nr. 2 UVMG zusammen mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen.
Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Die in den Anlagen zum Bescheid vom 29. August 2012 genannten Arbeitnehmer waren in den Jahren 2006 bis 2009 beim verstorbenen Kläger versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung beschäftigt. Hiervon gehen die Beteiligten übereinstimmend aus. Es gibt keine Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung. Eine nähere Prüfung des erkennenden Senats erübrigt sich insoweit (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens z.B. BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 34/13 R – juris, Rn. 8, m.w.N.,).
Der Höhe nach bestimmt sich der geschuldete Gesamtsozialversicherungsbeitrag in allen Zweigen der Sozialversicherung einschließlich dem Recht der Arbeitsförderung nach dem Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§§ 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V, 161 Abs. 1, 162 Nr. 2 SGB VI, 57 Abs. 1 SGB XI, 341 Abs. 3 Satz 1, 342 SGB III). Auch die Höhe der Umlage nach dem AAG und die Höhe der Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes knüpfen an das Arbeitsentgelt an. Die Umlagen (nach dem AAG) sind nach § 7 Abs. 2 Satz 1 AAG jeweils in einem Prozentsatz des Entgelts (Umlagesatz) festzusetzen, nach dem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden bemessen werden oder bei Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu bemessen wären. Für die Mittel für die Zahlung des Insolvenzgeldes ist nach § 358 Abs. 2 Satz 2 SGB III maßgebend das Arbeitsentgelt, nach dem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Auszubildenden bemessen werden oder im Fall einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu bemessen wären.
Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Für die Feststellung der Versicherungspflicht, der Beitragspflicht und auch der Beitragshöhe gilt das Entstehungsprinzip. Nach diesem sind Versicherungspflicht und Beitragshöhe bei dem Beschäftigten nach dem arbeitsrechtlich geschuldeten (etwa dem Betroffenen tariflich zustehenden) Arbeitsentgelt zu beurteilen – was sich etwa bei untertariflicher Bezahlung auswirkt – und nicht lediglich nach dem einkommensteuerrechtlich entscheidenden, dem Beschäftigten tatsächlich zugeflossenen Entgelt (ständige Rechtsprechung; z.B. BSG, Urteil vom 7. Mai 2014 – B 12 R 18/11 R – juris, Rn. 30 m.w.N.; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 25). Die Bestimmung der Höhe der Bemessungsgrundlage für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf der Grundlage der Vorschrift des § 22 Abs. 1 SGB IV nach dem Entstehungsprinzip begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss vom 11. September 2008 – 1 BvR 2007/05 – juris, Leitsatz 1a).
Die betroffenen Arbeitnehmer hatten nicht nur Anspruch auf das ihnen gezahlte Arbeitsentgelt nach einem von der CGZP geschlossenen Tarifvertrag, sondern nach § 10 Abs. 4 AÜG (in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Art. 6 Nr. 5 Buchst. b Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 [BGBl. S. 4607]) Anspruch auf das im Betrieb des Entleihers gezahlte übliche Arbeitsentgelt (so genanntes equal pay). Denn die CGZP war nicht tariffähig (BAG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 1 ABR 19/10 – juris, Rn. 63 ff.) und deshalb waren alle von der CGZP geschlossenen Tarifverträge von Anfang an unwirksam (BAG, Urteil vom 13. März 2013 – 5 AZR 954/11 – juris, Rn. 21 ff.). An die Feststellungen zur mangelnden Tariffähigkeit der CGZP sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gebunden (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 28). Die Rechtskraftwirkung der das Fehlen der Tariffähigkeit der CGZP feststellenden Entscheidungen des BAG ist vorliegend nicht durch die zum 30. April 2011 erfolgte Einfügung von § 3a AÜG durch Art 1 Nr. 6 Erstes Gesetz zur Änderung des AÜG vom 28. April 2011 (BGBl. I, S. 642) wieder entfallen. Denn die Nachforderung betrifft den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 und damit einen Zeitraum vor Inkrafttreten des § 3a AÜG. Ein Vertrauensschutz der Verleiher in die Tariffähigkeit der CGZP besteht nicht (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 32 ff).
Der Bescheid vom 29. August 2012 ist kein Summenbescheid im Sinne des § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV. Denn es erfolgte eine personenbezogene Feststellung der jeweiligen Beitragshöhe. In den Anlagen zum Bescheid sind die jeweiligen Arbeitnehmer einzelnen aufgeführt und es ist die jeweilige Höhe des Beitrags für einen genannten Zeitraum angegeben. Die Beklagte schätzte lediglich die Höhe des Arbeitsentgelts.
Rechtsgrundlage für die Schätzung von Arbeitsentgelt von Beschäftigten ist § 28f Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB IV. Soweit der prüfende Träger der Rentenversicherung die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese zu schätzen (Satz 3). Dabei ist für das monatliche Arbeitsentgelt eines Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mit zu berücksichtigen (Satz 4). Diese Vorschriften erlauben eine Schätzung des Arbeitsentgelt von Arbeitnehmern auch, wenn infolge der Verletzung von Aufzeichnungspflichten zwar eine personenbezogene Zuordnung möglich ist, nicht aber die genaue Bestimmung der Entgelthöhe (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 52 f). Eine solche Schätzung erfordert, dass der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllte (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 54).
Aus den Begründungen des Bescheids vom 29. August 2012 und des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2013 ergibt sich nicht, welche Aufzeichnungspflicht der verstorbene Kläger verletzt haben soll. Im Bescheid vom 29. August 2012 begründet die Beklagte die Ermittlung des Arbeitsentgelts unter Berücksichtigung einer Pauschale lediglich damit, bei den Entleihern seien keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer beschäftigt gewesen. Sie stützte ihre Schätzung damit nicht auf die Verletzung von Aufzeichnungspflichten durch den verstorbenen Kläger.
Der Senat lässt offen, ob der verstorbene Kläger Aufzeichnungspflichten verletzte. Eine Verletzung von Aufzeichnungspflichten durch den verstorbenen Kläger könnte darin liegen, dass er nicht das übliche Arbeitsentgelt beim Verleiher bereits zum Zeitpunkt der Verleihung des Arbeitnehmers aufgezeichnet hat. Er ging zwar damals davon aus, dass dies nicht notwendig sei. Dies könnte der Annahme einer Verletzung einer Aufzeichnungspflicht jedoch nicht entgegenstehen. Eines Verschuldens des Arbeitgebers oder einer Kenntnis vom konkreten Inhalt der ihn treffenden sozialversicherungsrechtlich Pflicht bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 55).
Jedenfalls ist eine weitere Voraussetzung für die Schätzung des Arbeitsentgelts nicht gegeben. Weitere Voraussetzung für eine Schätzung des Arbeitsentgelts ist zudem, dass das Arbeitsentgelt, auf das die Beschäftigten nach dem im Betrieb des Entleihers gezahlten üblichen Arbeitsentgelt Anspruch haben, sich nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln lässt. Die Amtsermittlungspflicht des prüfende Rentenversicherungsträgers nach § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bleibt dabei ebenso unberührt wie die Mitwirkungspflichten des zu prüfenden Arbeitgebers (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R – juris, Rn. 57).
Vorliegend ist nicht erkennbar, dass eine Ermittlung der üblichen Arbeitsentgelte bei den Entleihern unmöglich war. Aus der Verwaltungsakte lässt sich entnehmen, dass die Beklagte Tarifverträge aus den Bereichen der Spedition und Logistik des Landes Baden-Württemberg beizog. Ferner zog sie – wie der Begründung des Bescheids vom 29. August 2012 (Seite 5) zu entnehmen ist – für ihre Schätzung die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen "Lohndifferenzial Zeitarbeit" vom 14. April 2011 heran.
Sie prüfte nicht, welches Arbeitsentgelt der Entleiher Stammarbeitnehmer – wenn sie vorhanden gewesen wären – hätte zahlen müssen. Dass dies unmöglich oder mit einem erheblichen Aufwand verbunden wäre, ist nicht erkennbar. Insoweit hätten jedenfalls zunächst Anfragen bei den Entleihern erfolgen können. Die Behauptung der Beklagten, Verleiher – wie nach Behauptung der Beklagten auch der verstorbene Kläger – teilten die Namen und Anschriften der Entleiher nicht mit, steht dem nicht entgegen. In diesem Fall hätte geprüft werden können, auf welchen anderen Wege die Namen und Anschriften der Entleiher ermittelt werden könnten, z.B. bestünde die Möglichkeit, die verliehenen Arbeitnehmer zu den Entleihern zu befragen.
Der Verweis der Beklagten auf den Umfang dieser Ermittlungen unter Berücksichtigung aller erforderlichen Prüfungen wegen der Tarifunfähigkeit der CGZP entbindet die Beklagte nicht von ihrer Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts.
Da der Senat die Voraussetzung für eine Schätzung der Arbeitsentgelte als nicht gegeben ansieht, braucht er vorliegend nicht zu entscheiden, ob es sich bei dem Anspruch des Leiharbeitnehmers nach dem streitigen Zeitraum noch geltenden § 10 Abs. 4 AÜG um laufendes Arbeitsentgelt, so dass das Entstehungsprinzip maßgeblich ist, oder um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, so dass das Zuflussprinzip maßgeblich ist (so: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juni 2017 – L 11 R 643/17 – juris, Rn. 25 ff.; Revision bei beim BSG anhängig – B 12 R 4/17 R –), handelt.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]).
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 32.526,87 festgesetzt (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz [GKG]).
6. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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