S 26 AL 331/16

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 26 AL 331/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 176/17
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Steuerberater, der mit der Lohnbuchhaltung eines Baubetriebs beauftragt wurde, ist in einem Widerspruchsverfahren auf
Saison-Kurzarbeitergeld nach § 101 SGB III als Verfahrensbevollmächtigter des Arbeitgebers jedenfalls dann vertretungsberechtigt, wenn nur Berechnungsfragen für das Saison-Kurzarbeitergeld im Streit stehen. Er darf in diesem Falle nicht nach § 13 Abs. 5 SGB X i.V.m. § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz - RDG - von der Vertretung des Arbeitgebers im Widerspruchsverfahren zurückgewiesen werden.

Das Antrags- und Widerspruchsverfahren ist in diesem Fall eine zulässige Nebentätigkeit zur Lohnbuchhaltung nach § 5 Abs. 1 RDG.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 3.5.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.5.2016 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 536,10 EUR festgesetzt.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Zurückweisung des Klägers als Verfahrensbevollmächtigten in einem Widerspruchsverfahren.

Der Kläger ist als Steuerberater für die W. Bau GmbH tätig. Für diese beantragte er am 5.1.2016 für Dezember 2015 für fünf in deren Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer Saison-Kurzarbeitergeld (kurz: Saison-Kug) über einen Gesamtbetrag von 1.497,85 EUR bei der Beklagten. Mit Schreiben vom 27.1.2016, auf das wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird, forderte die Beklagte den Kläger auf, diverse Unterlagen einzureichen sowie Nachfragen zu beantworten.

Einen weiteren Antrag auf Saison-Kug für den Monat Januar 2016 in Höhe eines Gesamtbetrags vom 2.706,08 EUR stellte der Kläger für die W. Bau GmbH mit Formblattantrag vom 2.2.2016 (Bl. 8 der Behördenakte). Im Zuge der Anträge wurden zahlreiche Lohnunterlagen einschließlich Arbeitszeitübersichten vorgelegt. Einen Korrekturantrag für diesen Monat stellte der Kläger für die W. Bau GmbH am 5.2.2016 über einen Gesamtbetrag von jetzt noch 2.596,41 EUR (Bl. 18, 19 der Behördenakte).

Am 12.2.2016 stellte der Kläger noch für den Monat Dezember 2015 einen Korrekturantrag über einen Betrag von jetzt noch 1.075,70 EUR (Bl. 39 der Behördenakte).

Mit Bescheid vom 15.2.2016 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Saison-Kug für die Monate Dezember 2015 und Januar 2016 mit der Begründung ab, dass die Anträge und die vorgelegten Unterlagen nicht stimmig seien (Bl. 83 der Behördenakte). Auf die Begründung des Bescheides wird wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen.

Als Anlage zu einem Schreiben vom 26.2.2016 sendete der Kläger Korrekturanträge für Saison-Kug in den Monaten Dezember 2015 und Januar 2016 an die Beklagte (Bl. 87 der Behördenakte).

Am 4.3.2016 beantragte der Kläger für die W. -Bau GmbH noch Saison-Kug für den Monat Februar 2016 über einen Gesamtbetrag von 970,76 EUR (Bl. 121).

Mit Bescheid vom 9.3.2016 lehnte die Beklagte die Gewährung von Saison-Kug sowie ergänzenden Leistungen für alle beantragten Monate ab (Bl. 141 der Behördenakte). Zur Begründung führte sie aus: Die Berechnung des Soll- und Ist-Entgeltes sei bei den Arbeitnehmern mit Saison-Kug nicht korrekt. Überstunden seien gegen die Ausfallstunden anzurechnen. Zuschuss-Wintergeld werde in Höhe von bis zu 2,50 EUR je ausgefallene Arbeitsstunde gezahlt, wenn zu deren Ausgleich Arbeitszeitguthaben aufgelöst und die Inanspruchnahme des Saison-Kurzarbeitergeldes vermieden werde (§ 102 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III). Ein erheblicher auf witterungsbedingten Gründen beruhender Arbeitsausfall sei dann anzunehmen, wenn diese ausschließlich durch zwingende Witterungsgründe verursacht sei und an einem Tag mindestens eine Stunde der regelmäßigen betrieblichen Arbeitszeit ausfalle, § 101 Abs. 6 Satz 2 SGB III.

Mit Schreiben vom 15.3.2016 legte der Kläger im Auftrag der W. Bau GmbH Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 9.3.2016 ein. Als Anlage fügte er die Lohnabrechnungen der Mitarbeiter für die Monate Dezember 2015 bis Februar 2016 bei. Außerdem habe man für jeden Monat eine Übersicht der Kug-Stunden sowie des Ausgleichskontos für jeden Mitarbeiter ergänzt. Die jeweiligen Abrechnungslisten für Kug seien ebenfalls beigelegt worden. Man beantrage nunmehr die Gewährung des Saison-Kurzarbeitergeldes.

Mit Schreiben vom 5.4.2016 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass sie nicht erkennen könne, dass die Tätigkeit des Klägers in dieser Angelegenheit nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz – RDG – erlaubt sei (Bl. 169 der Behördenakte). Eine Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nach § 3 Nr. 1 Steuerberatungsgesetz umfasse diese nicht. Bevollmächtigte, die geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgten, ohne dazu befugt zu sein, seien gemäß § 13 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X – zurückzuweisen. Hierbei stehe der Beklagten kein Ermessen zu. Man räume Gelegenheit zur Stellungnahme bis 27.4.2016 ein. Danach werde über eine Zurückweisung entschieden.

In seiner Stellungnahme vom 8.4.2016 führte der Kläger aus, dass eine Zurückweisung nach § 13 Abs. 6 Satz 2 SGB X i.V.m. § 73 Abs. 2 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG – unzulässig sei (Bl. 171 der Behördenakte). Er erwarte nun umgehend eine Stellungnahme zur Sache selbst, da die bisher vorliegende Ablehnung der Kug-Anträge noch nicht einmal eine nachvollziehbare Begründung über die Ablehnung selbst enthalte.

Mit Bescheid vom 3.5.2016 wies die Beklagte den Kläger als Verfahrensbevollmächtigten zurück (Bl. 172 der Behördenakte). Bevollmächtigte, die geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgten, ohne dazu befugt zu sein, seien gemäß § 13 Abs. 5 SGB X zurückzuweisen. Hierbei stehe der Beklagten kein Ermessen zu. Der Kläger habe in einer sozialrechtlichen Angelegenheit Widerspruch eingelegt. Die Befugnis, außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen, sei im Rechtsdienstleistungsgesetz geregelt. Eine solche habe der Kläger nicht nachgewiesen. Eine Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen nach § 3 Abs. 1 Steuerberatungsgesetz reiche nicht aus. Aus den Ausführungen im Rahmen der Anhörung lasse sich keine Befugnis zum Tätigwerden in der Sache ableiten. Die bis zur Zurückweisung vorgenommenen Verfahrenshandlungen blieben wirksam.

Die W. Bau GmbH informierte die Beklagte ebenfalls mit Schreiben vom 3.5.2016 und gab ihr Gelegenheit, den eingelegten Widerspruch weiter zu begründen (Bl. 173 der Behördenakte). Mit Widerspruch sei eine vierte Korrektur der Abrechnungslisten eingereicht worden, die noch immer die bereits mit Schreiben vom 15.2.2016 und Ablehnungsbescheid vom 9.3.2016 aufgezeigten Mängel enthielten.

Mit Schreiben vom 6.5.2017 legte der Kläger gegen seine Zurückweisung als Verfahrensbevollmächtigter Widerspruch ein (Bl. 174 der Behördenakte). Gemäß § 5 Abs. 1 RDG sei er im konkreten Einzelfall als Verfahrensbevollmächtigter zuzulassen, da das hier strittige Widerspruchsverfahren lediglich eine Nebenleistung seines Berufs- und Tätigkeitsbildes darstelle. Er erstelle für die W. Bau GmbH die Lohnabrechnung und habe in diesem Zusammenhang auch die Kug-Anträge gestellt. Die Ablehnung der Anträge beruhe allein auf Fragen der Berechnungshöhe. Es gehe somit um bloße Rechtsanwendung und gerade nicht um die Prüfung einer juristischen Frage. Insoweit würde die Hinzuziehung eines Anwalts noch nicht einmal sachgerecht sein, da dieser für die Berechnung wieder auf ihn zurückgreifen müsse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.5.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück (Bl. 176 der Behördenakte). Zur Begründung hieß es ergänzend zur Begründung des Ausgangsbescheides: Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 5 SGB X für die Zurückweisung eines Bevollmächtigten seien erfüllt, weil der Kläger mit der Führung eines Vorverfahrens nach dem Sozialgerichtsgesetz geschäftsmäßig eine fremde Angelegenheit betreibe. Steuerberater seien nicht berechtigt, auf dem Gebiete der Bundesagentur für Arbeit geschäftsmäßig/entgeltlich Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Dies hätten das Bundessozialgericht und das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg bereits entschieden. Auch § 5 RDG sei nicht einschlägig. Das Tätigwerden in einer sozialrechtlichen Angelegenheit sei keine Nebenleistung zu seiner erlaubten Tätigkeit in Steuersachen.

Mit der am 3.6.2016 zum Sozialgericht Chemnitz erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren nach Aufhebung seiner Zurückweisung weiter. Unter Darlegung im Einzelnen trägt er im Wesentlichen vor: Bei der Vertretung in einem behördlichen Verfahren liege bereits keine Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 RDG vor. Eine Rechtsdienstleistung sei erst bei einer Rechtsprüfung im Einzelfall anzunehmen. Eine solche sei hier nicht vorgenommen worden. Das Tätigwerden des Klägers habe hier mit der Vorlage von Lohnabrechnungen, Übersichten und Abrechnungslisten im Widerspruchsverfahren lediglich eine bloße technische Leistung im Rahmen der Umsetzung von Rechtsvorschriften erbracht, die schwerpunktmäßig im außerrechtlichen Bereich liege. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die einzelnen zur Klagebegründung vorgelegten Schreiben des Klägers Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 3.5.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.5.2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid und den Inhalt des Behördenvorgangs. Ergänzend führt sie aus, dass jedenfalls die Einlegung eines Widerspruchs eine rechtliche Prüfung erfordere. Die Durchführung eines Vorverfahrens sei ein eigenständiger Gebührentatbestand nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG – und mache mehr als nur die Vorlage von Unterlagen notwendig. Eine solche Handlung und eine Vertretung im Rechtsbehelfsverfahren stelle deshalb auch keine Nebenleistung im Sinne von § 5 RDG dar.

Mit Schreiben vom 23.5.2016 legte der Geschäftsführer der W. Bau GmbH unter Bezugnahme auf telefonische Absprachen nochmals korrigierte Abrechnungsunterlagen, die der Kläger erstellt hatte vor.

Daraufhin half die Beklagte mit Bescheid vom 30.6.2016 dem Widerspruch gegen die Versagung von Saison-KuG ab und traf eine Entscheidung zur Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Vorverfahren. Der Kläger stellte der Beklagten daraufhin für seine Vertretung im Vorverfahren 536,10 EUR mit Kostenantrag vom 27.7.2017 in Rechnung. Die Beklagte lehnte die Begleichung mit Blick auf die Zurückweisung des Klägers mit Schreiben vom 4.8.2017 und das noch offene Rechtsbehelfsverfahren ab. Nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens werde man das Kostenverfahren wieder aufgreifen.

Am 26.10.2017 hat die mündliche Verhandlung vor der 26. Kammer des Sozialgerichts Chemnitz stattgefunden. Auf die hierüber gefertigte Niederschrift wird wegen der näheren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand Bezug genommen. Er hat ergänzend angegeben, dass die Lohnabrechnung mit Hilfe eines einschlägigen EDV-Programms für Steuerberater namens "edlohn" vorgenommen werde. Dieses Programm enthalte auch Module für die Berechnung von Kurzarbeitergeld. Der jeweilige Arbeitgeber überlasse ihm für die Lohnabrechnung jeweils die monatlichen Stundenzettel sowie die weiterhin für die Lohnabrechnung benötigten Unterlagen, zu denen unter anderem auch die Arbeitsverträge der Beschäftigten gehörten. Der Beklagten-Vertreter wies darauf hin, dass deren interne Durchführungsanweisungen generell die Zurückweisung von Steuerberatern in Widerspruchsverfahren vorsehe, die Lohnersatzleistungen nach dem SGB III beträfen.

Im Übrigen wird wegen der näheren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Behördenakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der sich daran anschließenden Kammerberatung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, obwohl das Widerspruchsverfahren, in dem der Kläger als Verfahrensbevollmächtigter zurückgewiesen wurde, mit dem Abhilfebescheid vom 20.6.2016 endete. Denn die Zurückweisungsentscheidung entfaltet weiterhin insoweit eine belastende Wirkung, als dass die Beklagte bislang die Übernahme der Vorverfahrenskosten im Hinblick auf diese Zurückweisung ablehnt. Damit hat sich die Zurückweisungsentscheidung somit noch nicht im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X erledigt und kann noch zulässig mit der Anfechtungsklage angefochten werden (§ 54 Abs. 1 SGG).

Würde man trotz der noch offenen Gebührenrechnung von einer Erledigung der Zurückweisung ausgehen, wäre die Klage jedenfalls als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 14.11.2013 – B 9 SB 5/12 R).

Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 5 SGB X, wonach Bevollmächtigte und Beistände im Verwaltungsverfahren zurückzuweisen sind, wenn sie entgegen § 3 RDG – RechtsdienstleistungsG – Rechtsdienstleistungen, also Tätigkeiten in konkreten fremden Angelegenheiten, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordern (§ 2 Abs. 1 RDG), erbringen, liegen nicht vor. Dabei verlangt eine rechtliche Prüfung im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG ein gewisses Maß an substanzieller Prüfung, die über die bloße Rechtsanwendung hinausgeht.

Hier erfordert bereits das Antragsverfahren auf Saison-Kug eine rechtliche Prüfung zum Grund und der Höhe der Ansprüche der Arbeitnehmer des vom Kläger vertretenen Arbeitgebers auf Saison-Kug im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG. Neben einer Prüfung der persönlichen und sachlichen Anspruchsvoraussetzungen (§§ 101, 95 ff. SGB III) sind im Antragsverfahren die einzelnen Ansprüche der Höhe nach vom Antragsteller insbesondere nach den Vorgaben der §§ 105 und 106 SGB III zu errechnen und auszuzahlen (vgl. § 320 Abs. 1 SGB III). Der Arbeitgeber macht als dazu berufener Antragsteller öffentlich-rechtliche Individualansprüche seiner Arbeitnehmer geltend. Nicht zuletzt der vorliegende Fall hat aufgezeigt, dass bereits im Antragsverfahren auch rechtliche Bewertungen vorzunehmen sind, wie etwa das angefallene Überstunden gegen Ausfallstunden anzurechnen seien, worauf die Beklagte unter anderem ihren Ablehnungsbescheid vom 9.3.2015 stützte. Zu beachten ist etwa auch § 102 Abs. 2 SGB III, wonach bei Auflösung von Arbeitszeitguthaben kein Saison-Kug, sondern Zuschuss-Wintergeld beantragt werden kann. Die mit einer solchen Antragstellung verbundenen Schwierigkeiten zeigt nicht zuletzt der Verlauf des hier in Rede stehenden Antrags- und Widerspruchsverfahrens, in dem mehrfach korrigierte Unterlagen vorgelegt wurden.

Ähnlich wie bei der Statusfeststellung kann sich auch bereits bei Antragstellung die Frage nach der versicherungspflichtigen Beschäftigung eines betriebsangehörigen Arbeitnehmers stellen, die nach § 101 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 98 Abs. 1 Nr. 2 SGB III Voraussetzung für das Saison-Kug ist (BT-Drucks 16/429 S. 11; Kühl in Brand, SGB III, Kommentar, 7. Auflage 2015). Derartige Fragen haben vorliegend allerdings keine Rolle gespielt.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat zwar entschieden, dass allein eine Antragstellung in Schwerbehindertenverfahren noch keine rechtliche Prüfung erfordere und damit keine Rechtsdienstleistung darstelle (BSG, Urteil vom 14.11.2013 – B 9 SB 5/12 R). Diese Rechtsprechung ist zum einen in der Literatur auf Kritik gestoßen (vgl. RiSG Dr. Andreas Pitz, SGb 2014, 577 – 586), des Weiteren ist das Verfahren auf Zuerkennung eines Grades der Behinderung nicht mit dem hier inmitten stehende Antragsverfahren zu vergleichen.

Der Auffassung des BSG wurde etwa entgegen gehalten, dass eine erfolgreiche Antragstellung in Schwerbehindertenverfahren sehr wohl eine adäquate Vor- und Aufbereitung des Antrags erfordere, die wiederum eine rechtliche Vorprüfung notwendig mache. Insoweit könne man bei behandelnden Ärzten darauf hinweisen, dass die versorgungsmedizinisch relevanten Gesundheitsstörungen ärztlich dokumentiert würden. Es sei kein Geheimnis, dass ein gut vor- und aufbereiteter Antrag die Wahrscheinlichkeit erhöhe, dass durch die Behörde keine vertieften Ermittlungen zur Validierung der für den Antragsteller tendenziell positiven haus- oder fachärztlichen Expertisen erfolgten. Auch führe ein entsprechend aufbereiteter Antrag zur Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens, da die Behörde nicht auf Nachfragen beim Antragsteller oder bei dessen behandelnden Ärzten angewiesen sei. Die Rechtsdienstleistung beginne bereits mit der Vorbereitung der Antragstellung. Dies mache das Bundessozialgericht selbst deutlich, wenn es der Streitwertfestsetzung die Geschäftsgebühr, die nach dem 2. KostRMoG in Nr. 2302 VV RVG geregelt sei, zugrunde lege. Denn diese verdiene der Anwalt im Falle der Stellung eines Erstantrags nicht erst mit der konkreten Antragstellung, sondern schon mit der Vorbereitung der Antragstellung. Dieser Argumentation folgt die Kammer auch für die Beurteilung des vorliegenden Verfahrens.

Allerdings ist dem Bundessozialgericht beizupflichten, dass jedenfalls die Entscheidung, ob ein Widerspruch eingelegt und wie dieser ggf. begründet werde, als Entscheidung zu bewerten ist, in der eine echte rechtliche Prüfung des Bevollmächtigten erforderlich wird. Dass eine solche hier erforderlich wurde, bestätigt bereits ein Blick auf die erstellte Gebührenrechnung. Wenn es hier bloß um eine technische Leistung (oder auch Nebenleistung) gegangen wäre, wäre der Beklagten wohl keine Gebühr in Höhe von 536,10 EUR in Rechnung gestellt worden. Zum Vergleich läge eine Schwellengebühr eines Rechtsanwalts für ein Tätigwerden im Widerspruchsverfahren bei 300,00 EUR (vgl. Nr. 2302 VV-RVG). Bei Berechnung nach einem Gegenstandswert von ca. 5,000,00 EUR käme man auf eine Gebühr von ca. 390,00 EUR (vgl. Nr. 2300 Satz 2 VV-RVG). Eine Tätigkeit im vorangegangenen Verwaltungsverfahren müsste dabei auf diese Gebühr angerechnet werden.

Obwohl der der Kläger somit eine Rechtsdienstleistung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren erbracht hat, durfte er gleichwohl nicht als Verfahrensbevollmächtigter im Widerspruchsverfahren zurückgewiesen werden, weil er zur Erbringung dieser Rechtsdienstleistung befugt war.

Diese Befugnis ergibt sich hier allerdings nicht bereits aus § 13 Abs. 6 Satz 2 SGB X i.V.m. § 73 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3 bis 9 SGG, wonach die dort genannten Personen zur Vertretung in sozialgerichtlichen Verfahren und damit auch in den vorgeschalteten Verwaltungsverfahren befugt sind. Denn Steuerberater sind nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGG nur in Angelegenheiten nach den §§ 28h und 28p SGB IV befugt, gerichtlich als Vertreter aufzutreten. Das Auftreten des Klägers im Vorverfahren ist daher richtigerweise – so wie es auch die Beklagte getan hat – an § 13 Abs. 5 SGB X i.V.m. § 3 RDG zu messen.

Nach § 3 RDG ist die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das RDG oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. In diesem Zusammenhang weist die Literatur darauf hin, dass das Prüfungs- und Beratungsrecht des Steuerberaters in sozialversicherungsrechtlichen Fragen nicht durch §§ 1, 33, 57 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 StBerG abgedeckt wird, denn im unmittelbaren Zusammenhang mit der Lohnbuchhaltung, zur der der Steuerberater nach § 6 Nr. 4 SteuerberatungsG befugt ist, steht nur die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge bzw. die Frage, inwiefern auf bestimmte Bezüge Sozialabgaben überhaupt anfallen. Hingegen handelt es sich etwa bei der Prüfung der Sozialversicherungspflicht bereits um eine juristische Vorfrage, die die Grundlage für die nachfolgende Tätigkeit des Steuerberaters insgesamt bildet (vgl. Aufsatz von Karl Friedrich Köhler: Die Vertretungsbefugnis von Steuerberatern im sozialverwaltungsrechtlichen Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a SGB IV; ZFSH SGB Nr. 2, S. 73 mwN).

Die erbrachte Rechtsdienstleistung ist hier daher zwar kein Bestandteil seiner Befugnis zur Lohnbuchhaltung, sie ist aber als "Nebenleistung" i.S.d. § 5 Abs. 1 RDG erlaubt. Nach dieser Vorschrift sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung zur zulässigen Lohnbuchhaltung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind.

Das Vorliegen einer solchen Nebenleistung hat zwar das Bundessozialgericht für das Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a SGB IV verneint (vgl. BSG, Urteil vom 5.3.2014 – B 12 R 7/12 R). Damit läge es im Grundsatz nahe, das Betreiben eines Verfahrens auf Saison-Kug erst recht nicht als zum Tätigkeits- und Berufsbild des Steuerberaters gehörend zu bewerten. Indes wird eine solche Betrachtung den Besonderheiten des Einzelfalls nicht gerecht.

Denn mit wesentlichem Gewicht ist hier zu beachten, dass der Gesetzgeber dem Arbeitgeber in § 320 Abs. 1 SGB III im Antragsverfahren auf Bewilligung von Saison-Kug umfangreiche Mitwirkungspflichten auferlegt hat. Insbesondere hat der Arbeitgeber die Pflicht, das konkrete Kurzarbeitergeld seiner Arbeitnehmer auszurechnen und auszuzahlen. Diese umfangreiche Indienstnahme des Arbeitgebers rechtfertigt der Gesetzgeber damit, dass das Saison-Kug das vom Arbeitgeber zu berechnende und auszuzahlende Arbeitsentgelt als Lohnersatz im jeweiligen Kalendermonat oft nur ergänzt (vgl. § 96 Abs. 1 Nr. 4 SGB III), im Interesse der Arbeitnehmer aber eine gleichzeitige und einheitliche Zahlung erfolgen soll (vgl. Kühl in Brand, SGB III, Kommentar, 7. Aufl. 2013). Welches Gewicht dieser Mitwirkung zukommt, zeigt vorliegend der Umstand, dass, sofern dem im Antragsverfahren vorgelegten Zahlenwerk gefolgt wird, nicht einmal ein positiver Bescheid erteilt wird. Hierauf wird unter Nr. 10 des Antragsformulars ausdrücklich hingewiesen. Das unterstreicht, dass das Verfahren im Interesse einer monatsgleichen Auszahlung des Saison-Kug mit dem Monatslohn vor allem auf Schnelligkeit ausgerichtet ist. In den bei entsprechenden Witterungsverhältnissen zu erwartenden massenhaften Anträgen stünden der Beklagten wohl auch kaum Kapazitäten zur Verfügung, entsprechende Ansprüche in der erforderlichen Schnelligkeit selbst auszurechnen. Diese Merkmale zeigen zugleich auf, dass es bei Vorliegen der entsprechenden winterlichen Witterungsverhältnisse regelmäßig nicht zu wesentlichen Problemen hinsichtlich der sachlichen oder persönlichen Voraussetzungen im Antragsverfahren kommt. Der Schwerpunkt des Verwaltungsverfahrens liegt somit regelmäßig auf dem Errechnen der konkreten Ansprüche der Arbeitnehmer anhand der Lohnunterlagen durch den Arbeitgeber bzw. der Stelle, auf die er, hier in Person eines Steuerberaters, die Lohnbuchführung zulässig übertragen hat. Dem Steuerberater muss es dann aber noch erlaubt sein, seine Mitarbeit im Verwaltungsverfahren zu vervollständigen und diese unmittelbar gegenüber der Beklagten vertreten zu können. Das heißt, dass ihm die Befugnis zuzuerkennen ist, die Ergebnisse seiner Berechnungen noch in den Formblattantrag zu übertragen und seine eigene Unterschrift unter das Antragsformular zu setzen. Diese abschließenden Schritte erscheinen als logische Konsequenz aus der Stellung des vom Arbeitgeber eingeschalteten Steuerberaters als faktischem Hauptakteur des Verfahrens. Diese Stellung unterstreicht hier der Umstand, dass die Verhandlungen, die das Ziel der Vorlage korrekter Unterlagen verfolgten, im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren – jedenfalls bis zur Zurückweisung des Klägers – stets unmittelbar mit dem Kläger geführt wurden. Insofern gebieten es auch verfahrensökonomische Gesichtspunkte, den Hauptansprechpartner dann auch mit den notwendigen Kompetenzen zur Führung dieser Verhandlungen auszustatten und nicht den Umweg über den Arbeitgeber nehmen zu müssen. Es erscheint daher insgesamt gerechtfertigt, den Kläger als Bevollmächtigten im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren zuzulassen, indem dann auch diese letzten Verfahrensschritte als Bestandteil einer zulässigen Nebentätigkeit der ihm übertragenen Lohnbuchhaltung bewertet werden.

Die entsprechend vorhandene Sachnähe und Sachkunde unterstreicht im Übrigen der Umstand, dass das verwendete Buchführungsprogramm auch Module zur Berechnung von Saison-Kug enthält. Nicht zuletzt darf ein Arbeitgeber erwarten, dass der mit der Lohnbuchführung beauftragte Steuerberater entsprechende Dienstleistungen (mit-) erbringt. Dass ein solches Auftreten im Antrags- und Widerspruchsverfahren mit dem Berufs- und Tätigkeitsbild eines Steuerberaters nicht in Einklang zu bringen sei, dürfte schwerlich zu begründen sein. An Steuerberater werden nicht nur in Steuersachen in vielfältiger Hinsicht hohe rechtliche Anforderungen gestellt (vgl. Köhler aaO mwN). Bereits die Zulassung als Steuerberater ist an hohe Qualifikations-Hürden geknüpft. Eher dürfte es schwerfallen, hier eine Differenzierung der Befugnis zur eigenständigen Mitwirkung im Verwaltungsverfahren einerseits und im Widerspruchsverfahren andererseits vorzunehmen, jedenfalls wenn – wie hier – das Widerspruchsverfahren quasi als Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens erscheint, weil es jeweils um die gleichen Fragen ging.

Das mit der besonderen Ausgestaltung des Antragsverfahrens verfolgte gesetzgeberische Ziel ist vorliegend auch erreicht worden. Der Kläger nahm im Rahmen der auf ihn zulässig übertragenen Lohnbuchhaltung eine einheitliche Abrechnung und Auszahlung sowohl des vom Arbeitgeber geschuldeten Arbeitsentgelts als auch des von der Beklagten geschuldeten Kurzarbeitergeldes vor. Übernimmt der Kläger somit als Steuerberater anstelle des Arbeitgebers dessen umfangreiche Aufgaben im Verwaltungsverfahren, ist es aber nur konsequent, ihn dann auch das Verwaltungsverfahren insgesamt, d.h. einschließlich des Widerspruchsverfahrens, für den Arbeitgeber betreiben zu lassen. Auch vorliegend bereiteten persönliche oder sachliche Anspruchsvoraussetzungen keine Probleme, so dass jeder angegebene Arbeitnehmer der W. Bau GmbH dem Grunde nach einen Anspruch auf Saison-Kug hatte. Leistungen wurden nur deshalb nicht gewährt, weil die Berechnungen hinsichtlich der korrekten Soll- und Ist-Entgelte im Sinne des § 106 SGB III der dem Grunde nach nicht in Abrede gestellten Individualansprüche anhand der Lohnbuchhaltungsunterlagen insgesamt nicht nachvollziehbar waren. Nachdem insoweit im Verlaufe des Widerspruchsverfahrens nochmals korrigierte Unterlagen vorgelegt wurden, gewährte die Beklagte schließlich das Saison-Kug anhand der vom Kläger vorgelegten korrigierten Buchungsunterlagen und Lohnabrechnungen. Insofern unterschied sich das Widerspruchsverfahren auch inhaltlich nicht wesentlich vom Ausgangsverfahren. Auch vor diesem Hintergrund findet sich kein stichhaltiges Argument, den Kläger von diesem Verfahren auszuschließen, ihn aber das Verwaltungsverfahren betreiben zu lassen. Der Kläger stand, wie bereits ausgeführt wurde, ohnehin die gesamte Zeit über in unmittelbarem Kontakt mit der Beklagten.

Der Klage war somit mit der sich aus § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ergebenden Kostenfolge stattzugeben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz – GKG.

Die Berufungszulassung folgt aus § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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