L 10 R 3020/17 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2079/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3020/17 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Übernahme eines Teiles der Kosten eines vom Auftraggeber für die zu fahrenden Touren gestellten Fahrzeugs durch den Fahrer stellt kein unternehmerisches Risiko dar.
2. Bei der Frage, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung ergehenden Beitragsbescheides i.S. des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG vorliegen, ist nicht maßgeblich auf die im Beitragsbescheid gegebene Begründung abzustellen. Erfordert die Entscheidung über den Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vorherige ergänzende Ermittlungen, begründet auch dies in der Regel keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides, sondern lässt den Ausgang des Widerspruchsverfahrens allenfalls offen erscheinen.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 30.06.2017 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerde- und, insoweit unter Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung, erstinstanzliche Verfahren endgültig auf 17.571,38 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches gegen eine Beitragsnachforderung für den Zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.08.2012.

Der Antragsteller betreibt unter anderem ein Transportunternehmen mit eigenen Fahrzeugen und vielen Angestellten. Ab April 2006 war auch der im Mai 1947 geborene W. K. (K) für den Antragsteller als Fahrer (einschließlich Be- und Entladen) tätig. Eine Erlaubnis nach dem Güterkraftverkehrsgesetz besaß K nicht. Ein schriftlicher Vertrag existierte nach Angaben des K nicht. Er fuhr von Montag bis Samstag mit einem der Lkw des Antragstellers, den er täglich auf dem Betriebsgelände des Antragstellers abholte, verschiedene Touren, wobei ihm vom Disponenten des Antragstellers jeweils abends für den nächsten Tag die Einzelheiten (Kunden, Abholzeiten, Anlieferungszeiten) mitgeteilt wurden. K hatte die Möglichkeit, donnerstags dem Disponenten des Antragstellers mitzuteilen, falls er in der nächsten Woche einen Tag nicht fahren wollte. Ersatz hatte K bei Verhinderung nicht zu stellen. Über die Vergütung erteilte der Antragsteller K Gutschriften für jeden Arbeitstag, von denen keine Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge abgezogen wurden, so dass der volle Betrag an K überwiesen wurde. Die Kosten für den Treibstoff für den Lkw und dessen Instandhaltung trug der Antragsteller.

Bis Februar 2010 wurde K vom Antragsteller als selbständiger Fahrer geführt. Zum 01.03.2010 wurde K vom Antragsteller als Arbeitnehmer angemeldet, wobei sich an seiner Tätigkeit nichts änderte. Wegen des dann niedrigeren Verdienstes als Angestellter kündigte K auf Ende September 2010 beim Antragsteller. Danach wurde er vom Antragsteller wieder als selbständiger Fahrer geführt und er übernahm dann - insoweit durch Vorlage von Beitragsrechnungen glaubhaft gemacht - für einige Zeiträume die Haftpflichtversicherung für den Lkw in Höhe von ca. 290 EUR bis 350 EUR monatlich.

K hatte nach eigenen Angaben seit 1982 ein eigenes Gewerbe, zunächst als Lebensmittelhändler und später, ab 01.01.2008, ein Transportgewerbe in Form eines Lebensmittellieferservice mit eigenem Fahrzeug, das er zum 31.08.2012 zeitgleich mit seinem Rentenbeginn aufgab. Zum 31.08.2012 beendete er auch seine Vollzeittätigkeit für den Antragsteller und war danach (zunächst) als geringfügig Beschäftigter beim Antragsteller tätig. Für sein Gewerbe nutzte er das Büro seiner Lebensgefährtin, wofür er 100 EUR monatlich zahlte, womit auch Wäsche waschen und die Annahme von Telefongesprächen abgegolten war.

Im Gefolge von Ermittlungen des Hauptzollamtes, u.a durch Befragung des K und Beiziehung der vom Antragsteller erteilten Gutschriften, erließ die Antragsgegnerin den Bescheid vom 07.02.2017, mit dem sie nach Anhörung des Antragstellers unter der Annahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung des K für den Zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.08.2012 eine Nachforderung in Höhe von 121.003,98 EUR an Gesamtsozialversicherungsbeiträgen, Umlagen und Säumniszuschlägen (49.786,50 EUR) geltend machte. Berechnungsgrundlage waren die vom Antragsteller K erteilten monatlichen Gutschriften, die auf ein Bruttoentgelt hochgerechnet wurden (Netto-Brutto-Hochrechnung). Die Beklagte ging davon aus, es handle sich um ein illegales Beschäftigungsverhältnis und der Antragsteller habe zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt, so dass auch keine Verjährung eingetreten und Säumniszuschläge festzusetzen seien.

Nachdem er am 02.03.2017 Widerspruch eingelegt hatte, beantragte der Antragsteller im selben Monat bei der Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheides, weil die Antragsgegnerin zu Unrecht von einem Beschäftigungsverhältnis und vom Vorwurf des Vorsatzes ausgehe. Da der Antragsteller unter Vorlage einer entsprechenden Erklärung des K auch geltend machte, K sei hauptberuflich selbständig gewesen, setzte die Antragsgegnerin den Vollzug der Beitragsforderung in Höhe von 50.718,48 EUR (= im streitigen Zeitraum angefallene Beiträge und Säumniszuschläge für die Kranken- und Pflegeversicherung) bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens unter der Auflage einer Verzinsung aus. Hintergrund war die Unsicherheit, ob K angesichts der geltend gemachten hauptberuflichen Selbständigkeit der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung unterfiel.

Am 06.06.2017 hat der Antragsteller das Sozialgericht Freiburg angerufen und die Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheides vom 07.02.2017 beantragt. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Antragstellerin nur in Höhe eines Teilbetrages den Vollzug der Beitragsforderung ausgesetzt habe. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Beschäftigteneigenschaft des K und des Vorliegens von Vorsatz. Die von der Beklagten angeführten Indizien reichten für die Annahme einer Beschäftigung nicht aus.

Mit Beschluss vom 30.06.2017 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt und nach Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Bescheides dargelegt, dass das für eine Netto-Brutto-Hochrechnung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) erforderliche illegale Beschäftigungsverhältnis, das zumindest bedingten Vorsatz voraussetze, angesichts der Ausführungen der Antragsgegnerin im Bescheid und der recht eindeutig abhängigen Tätigkeit vorliege. Jedenfalls sei das Fehlen von Vorsatz nicht wahrscheinlicher als sein Vorliegen. Eine Verjährung der Beitragsforderungen hat es unter Darstellung der entsprechenden gesetzlichen Regelungen und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verneint und es ist unter der Annahme von Vorsatz von einer dreißigjährigen Verjährungsfrist ausgegangen. Entsprechend seien auch die Säumniszuschläge nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der vom Antragsteller angeführten selbständigen Tätigkeit des K hat es darauf hingewiesen, dass die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Beitragspflicht nicht personen-, sondern tätigkeitsbezogen und ein persönliches Unternehmertum, wie von K seit 1982 angegeben, unerheblich sei.

Gegen den am 17.07.2017 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 02.08.2017 Beschwerde eingelegt. Er vertritt die Auffassung, dass alleine auf den Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides abzustellen sei und weitere Ermittlungsmöglichkeiten nicht berücksichtigt werden könnten. Die Annahme von Vorsatz gründe sich auf Vermutungen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 30.06.2017 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 22.02.2017 gegen den Bescheid vom 07.02.2017 auch in Bezug auf die Beiträge zur Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung sowie die Umlage-Beiträge, einschließlich Säumniszuschläge, anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

II.

Die nach § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen, zu Recht abgelehnt.

Gegenstand der vom Antragsteller nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG begehrten Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist der Bescheid vom 07.02.2017, mit dem die Antragsgegnerin für die Zeit vom 01.01.2008 bis 31.08.2012 in Bezug auf die Tätigkeit des K beim Antragsteller Gesamtsozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen in allen Bereichen der Sozialversicherung sowie Umlage-Beiträge festsetzte, allerdings nur insoweit, als die gesetzliche Rentenversicherung und die Arbeitslosenversicherung betroffen sind. Denn in Bezug auf die Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung sowie die hierauf anteilig entfallenden Säumniszuschläge gab die Antragsgegnerin dem im Verwaltungsverfahren gestellten Antrag statt. Dementsprechend hat der Antragsteller bereits in seinem Antragsschriftsatz vom 06.06.2017 sinngemäß eine gerichtliche Entscheidung nur hinsichtlich jener Forderung beantragt, die den Betrag von 50.718,48 EUR übersteigt. Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen der Anordnung nicht nur für diesen Teilbereich, sondern für die gesamte Forderung vorlägen. Damit hat der Antragsteller den bereits ausgesetzten Teil nicht in sein an das Sozialgericht gerichtete Begehren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einbezogen und so der Tatsache Rechnung getragen, dass insoweit der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unzulässig gewesen wäre. Der Senat legt deshalb den Antrag des Antragstellers entsprechend sachdienlich aus (vgl. die Formulierung unter I.). Das Sozialgericht hat somit zu Unrecht den Gegenstand der Prüfung auf die gesamte erhobene Forderung erstreckt. Soweit es in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten hat, der Antragsteller hätte gegen die von der Beklagten angeordnete Verzinsung vorgehen können, übersieht es, dass der Antragsteller dies tatsächlich nicht getan hat. An keiner Stelle seines Vorbringens macht der Antragsteller geltend, mit dieser Auflage nicht einverstanden zu sein.

Im Übrigen hat das Sozialgericht in den Gründen der angefochtenen Entscheidung zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (§ 86b Abs. 1 SGG) und der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen auf Grund einer Betriebsprüfung (§ 28p SGB IV) dargestellt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass derzeit nicht von ernstlichen Zweifeln an der Rechtswidrigkeit des mit Widerspruch angegriffenen Bescheides i.S. des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG auszugehen ist. Es ist dabei in Übereinstimmung mit der Antragsgegnerin zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kriterien für die Annahme einer Beschäftigung überwiegen. Der Senat sieht deshalb gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG von einer Begründung ab und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Möglichkeit des K, sich donnerstags für einen Tag in der Folgewoche von Fahrten zu befreien, nicht gegen die Annahme einer Beschäftigung spricht. Vielmehr ergibt sich daraus, dass die Beteiligten des Dienstverhältnisses von einer dauerhaften Verpflichtung des K, jeden Werktag die Touren zu fahren, ausgingen und K ausnahmsweise sich hiervon befreien konnte, ähnlich einem Arbeitnehmer, der vom Arbeitgeber einen Tag Urlaub (bezahlt oder unbezahlt), also ebenfalls eine Freistellung, begehrt.

Zutreffend weist der Antragsteller in der Beschwerde zwar darauf hin, dass für die Abgrenzung selbständiger Tätigkeit von Beschäftigung das Gesamtbild der Tätigkeit maßgebend ist. Soweit der Antragsteller dann aber die von der Antragsgegnerin und dem Sozialgericht als (mit) maßgeblich für die Annahme von Beschäftigung erachteten Kriterien - kein eigenes Fahrzeug, fehlende Lizenz, in den meisten Zeiträumen keine weiteren Auftraggeber - zu relativieren versucht, folgt ihm der Senat nicht. Tatsächlich war zwischen dem Antragsteller und K ein Dienstverhältnis auf Dauer vereinbart. Maßgebend sind somit allein die Umstände, die dieser Tätigkeit ihr Gepräge gaben. Inwieweit K für andere Auftraggeber tätig war, ist - worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat - ohne durchschlagende Bedeutung, weil auch Beschäftigte mehreren Tätigkeiten nachgehen können. Dem Fehlen der Erlaubnis nach dem Güterkraftverkehrsgesetz kommt im Rahmen der Abwägung wiederum zwar keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Es ist aber ein Indiz dafür, dass K keinen eigenständigen gewerblichen Güterkraftverkehr betreiben wollte. Der Umstand allein, dass K den Lkw vom Antragsteller gestellt bekam, ist wiederum nur ein - wenn auch gewichtiges - Indiz für die Annahme von Beschäftigung. Denn damit trug K gerade kein unternehmerisches Risiko in Bezug auf die Transporttätigkeit und die Verwendung dieses, vom Antragsteller gestellten Betriebsmittels, ist Teil der Eingliederung des K in den Betrieb des Antragstellers. Soweit K (einen Teil der) Kosten der Haftpflichtversicherung getragen haben soll, kommt dem nicht die Bedeutung eines unternehmerischen Risikos zu. Denn die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Rechtsverhältnisses als Arbeitnehmer einzustufen ist, mit zusätzlichen Risiken, vermag keinen Hinweis auf die selbständige Tätigkeit zu begründen (BSG, Urteil vom 13.07.1978, 12 RK 14/78 in SozR 2200 § 1227 Nr. 17).

Soweit der Antragsteller eine Weisungsgebundenheit des K mit der Argumentation bestreitet, dem Frachtführer müsse aus der Natur der Sache heraus vorgegeben werden, wann und wo welche Güter aufzuladen bzw. wohin zu liefern und abzuladen sind, trifft auch dies in dieser Allgemeinheit zwar zu. Der Antragsteller verkennt aber, dass er sämtliche Verhandlungen mit den verschiedenen Kunden führte, alle Abreden über die Einzelheiten des Speditionsauftrages mit diesen Kunden traf und deshalb darauf angewiesen war, dass K diese Vorgaben umsetzte, ohne dass K auch nur den geringsten Einfluss hierauf gehabt hätte.

Soweit der Antragsteller zuletzt nochmals auf den privaten Krankenversicherungsschutz des K hinweist, ist dies von keiner Relevanz. Denn dass K ein selbständiges Gewerbe betrieb, zieht auch die Antragsgegnerin nicht in Zweifel. Dies ändert aber an der abhängigen Stellung des K bei seiner Tätigkeit für den Antragsteller nichts.

Soweit der Antragsteller in seiner Beschwerde die Auffassung vertritt, die Erfolgsaussichten des Widerspruchs seien allein auf der Grundlage des Inhalts des Beitragsbescheides zu beurteilen, folgt ihm der Senat schon im Ansatz nicht. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides kommt es allein darauf an, ob der Bescheid in Bezug auf seine Regelung (= der eigentliche, der Prüfung unterliegende Verwaltungsakt i.S. § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -) einer Prüfung standhält und nicht darauf, ob die Behörde im Bescheid gemäß § 35 SGB X eine hinreichende Tatsachengrundlage zu Grunde gelegt und eine richtige rechtliche Bewertung dargelegt hat. Denn grundsätzlich unterliegt die im Verwaltungsakt getroffene Regelung der gerichtlichen Kontrolle am Maßstab des objektiven Rechts (BSG, Urteil vom 29.06.2000, B 11 AL 85/99 R in SozR 3-4100 § 152 Nr. 9, auch zum Nachfolgenden) und ist unter jedem in Betracht kommenden Gesichtspunkt auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Bloße Begründungsmängel wirken sich deshalb bei den so genannten gebundenen Verwaltungsakten (also solchen, bei denen keine Ermessens- oder Beurteilungsspielräume bestehen) auf die Rechtmäßigkeit der Regelung nicht aus und rechtfertigen grundsätzlich nicht die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes. Nichts anderes gilt für die Frage, ob die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs anzuordnen ist.

Soweit der Antragsteller meint, bislang nicht vollständig geklärte Sachverhalte müssten zur Annahme der Rechtswidrigkeit des Bescheides führen, trifft auch dies nicht zu.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts liegen vor, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (h.M., vgl. nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 86a Rdnr. 27a m.w.N.; Krodel/Feldbaum, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 4. Auflage, Rdnr. 165 m.w.N.). Insoweit ist der Prüfung eine Prognose in Bezug auf die Klärung aktuell unbekannter Umstände immanent. Denn ob der Rechtsbehelf erfolgreich sein wird, beurteilt sich in Bezug auf die den Rechtsbehelf abschließende Entscheidung, also ggf. nach weiteren Ermittlungen. Soweit somit eine Klärung durch ergänzende Ermittlungen zu erwarten ist, lässt dies in der Regel allenfalls den Schluss zu, dass der Ausgang offen ist. Denn es steht in solchen Fällen gerade nicht fest, welches Ergebnis die weiteren Ermittlungen haben werden. Deshalb kann auch nicht von ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheides i.S. von § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG ausgegangen werden. Der Gegenauffassung (vgl. Krodel/Feldbaum, a.a.O. m.w.N.) folgt der Senat daher nicht. Denn dadurch würde die gesetzgeberische Grundentscheidung in § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG, bei Beitragsbescheiden das Vollzugsrisiko auf den Adressaten zu verlagern, unterlaufen (Keller, a.a.O.). Inwieweit anderes gilt, wenn nahezu sämtliche Ermittlungen nach Erlass des Beitragsbescheides durchzuführen sind, der Bescheid also bislang keine ihn annähernd tragende Tatsachengrundlage hat (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21.10.2013, L 5 R 605/13 B ER, in juris) oder wenn der Bescheid auf bloßen Mutmaßungen beruht, ohne dass konkret erkennbare weitere Ermittlungsmöglichkeiten bestehen (Beschluss des Senats vom 06.07.2017, L 10 R 2122/17 ER-B, nicht veröffentlicht), bedarf keiner weiteren Erörterung, ebenso wenig wie die Fallgestaltung, dass ein bislang nicht erkennbarer Ausnahmetatbestand, wie vorliegend in Bezug auf die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, erstmals im Rechtsbehelfsverfahren Bedeutung erlangt. Denn vorliegend hat die Antragsgegnerin in Bezug auf den hier in Rede stehenden Teil der Beitragsforderung den Sachverhalt im Wesentlichen geklärt (zu ergänzenden Ermittlungen s. noch nachfolgend).

Soweit der Antragsteller den Vortrag hauptberuflicher Selbständigkeit des K auch in Bezug auf den hier in Rede stehenden Teil der Beitragsforderung anbringt, ist dies aus Rechtsgründen unerheblich und erfordert keine weitere Sachaufklärung durch die Antragsgegnerin. Denn eine Relevanz dieses Umstandes ergibt sich nur in Bezug auf die Krankenversicherung (§ 5 Abs. 5 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches) und wegen der Akzessorietät zur Krankenversicherung auch in Bezug auf die Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches). Der Antragsteller verkennt nach wie vor, dass neben einer selbständigen Tätigkeit ein (abhängiges) Beschäftigungsverhältnis bestehen kann.

Soweit der Antragsteller die Annahme eines illegalen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere den hierfür erforderlichen (bedingten) Vorsatz bestreitet, führt auch dies nicht zur Annahme, der Beitragsbescheid sei - hinsichtlich der Höhe, nämlich wegen der Netto-Brutto-Hochrechnung - rechtswidrig. Das Sozialgericht hat - wenn auch in Bezug auf die Verjährungsvorschriften - zu Recht darauf hingewiesen, dass sich bedingt vorsätzliches Handeln des Antragstellers aus der Tatsache ableiten lässt, dass er K im Jahre 2010 mit derselben Tätigkeit für einen Zeitraum als Beschäftigten und für nachfolgende Zeiträume wieder als Selbständigen behandelte. Damit ist - so das Sozialgericht sinngemäß und zu Recht - ab Oktober 2010 Vorsatz anzunehmen. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang wiederum vorträgt, K sei hauptberuflich selbständig gewesen und deshalb liege kein Vorsatz in Bezug auf die hier in Rede stehenden Versicherungszweige vor, verkennt der Antragsteller, dass dieser Vortrag die tatsächliche Anmeldung des K zur Sozialversicherung im März 2010 nicht ungeschehen macht. Tatsächlich ging der Antragsteller damals von einer Versicherungspflicht des K aus.

Inwieweit für die Zeit vor Oktober 2010 ebenfalls Vorsatz anzunehmen ist, bedarf somit noch näherer Prüfung und ggf. Aufklärung. Es bleibt der Antragsgegnerin allerdings unbenommen, aus Gründen der Beweislast und der Zweckmäßigkeit die Netto-Brutto-Hochrechnung auf die Zeit ab Oktober 2010 zu begrenzen. Jedenfalls ist - was das Sozialgericht zutreffend erkannt hat - für die Zeit vor Oktober 2010 das Fehlen von Vorsatz nicht wahrscheinlicher als dessen Vorliegen, so dass insoweit der Ausgang des Widerspruchsverfahrens zwar offen ist, was jedoch für die begehrte Anordnung - wie dargelegt - nicht ausreicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Zivilprozessordnung.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz i.V.m. den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 bis 3, 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG), hinsichtlich der Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung auf § 63 Abs. 3 GKG. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts bezog sich der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, wie dargelegt, lediglich auf den Teil der Forderung, für den die Beklagte den Vollzug nicht aussetzte, mithin auf einen Betrag von 70.285,90 EUR, wobei in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hiervon ein Viertel festzusetzen ist.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
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