L 10 AL 40/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 94/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 40/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum Anspruch auf Arbeitslosengeld (hier: fehlende Arbeitslosmeldung)
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.01.2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 04.01.2016 bis 17.01.2016.

Am 18.01.2016 meldete sich der Kläger bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte am 25.02.2016 förmlich die Zahlung von Alg. Das seit dem 01.10.1987 bestehende Arbeitsverhältnis sei ungekündigt. In der Zeit ab dem 10.12.2013 habe er mit Unterbrechungen Krankengeld bezogen. Nach der Erschöpfung des Krankengeldanspruchs am 10.07.2015 habe er seine Tätigkeit wieder aufgenommen. In der Zeit vom 23.11.2015 bis 04.01.2016 sei ihm während einer erneuten Erkrankung für die Dauer von sechs Wochen Arbeitsentgelt fortgezahlt worden.

Nachdem die Beklagte zunächst Alg für die Zeit ab dem 19.02.2016 bewilligt hatte (Bescheid vom 21.03.2016; täglicher Leistungssatz: 54,56 EUR) änderte sie auf Widerspruch des Klägers die Bewilligung dahingehend ab, Alg bereits für die Zeit ab dem 18.01.2016 zu zahlen (Bescheid vom 09.05.2016). Den Widerspruch des Klägers im Übrigen, er habe bereits ab dem 04.01.2016 Anspruch auf Alg, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2016 zurück. Es gebe keine Rechtsgrundlage, Alg bereits für die Zeit ab dem 04.01.2016 zu zahlen. Ein Anspruch auf Alg setze eine persönliche Arbeitslosmeldung voraus. Diese sei erst am 18.01.2016 erfolgt.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Alg sei schon ab 04.01.2016 zu zahlen. Er sei nicht darüber informiert worden, dass er am 04.01.2016 bei der Agentur für Arbeit persönlich erscheinen müsse. Auch die AOK habe ihm hierzu nichts mitgeteilt.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11.01.2017 abgewiesen. Der Kläger habe für den Zeitraum vom 04.01.2016 bis 17.01.2016 keinen Anspruch auf Alg. Es fehle an der gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) erforderlichen persönlichen Arbeitslosmeldung. Der Umstand, dass der Kläger keine Kenntnis gehabt habe, dieses Tatbestandsmerkmal erfüllen zu müssen, sei nicht entscheidungserheblich.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und erneut geltend gemacht, er sei von der AOK nicht darauf hingewiesen worden, sich persönlich arbeitslos melden zu müssen.

Der Kläger beantragt sinngemäß das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.01.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 09.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2016 zu verurteilen, für den Zeitraum vom 04.01.2016 bis 17.01.2016 Arbeitslosengeld in Höhe von 54,56 EUR tätlich zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen

Das SG habe zutreffend entschieden.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung konnte durch Beschluss zurückgewiesen werden, denn ein Fall des § 105 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Zudem hält der erkennende Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich (§ 153 Abs. 4 Satz 1 SGG). Eine weitere Sachaufklärung ist nicht erforderlich. Der Kläger ist über die Rechtslage im Protokoll informiert. Die Beteiligten wurden zu einer Entscheidung durch Beschluss angehört (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger bewusst eine Zahlung von Alg auch für den 04.01.2016 fordert, allein um den Beschwerdewert (763,84 EUR = 14 x 54,56 EUR - Zeitraum: 04.01.2016 bis 17.01.2016) für eine zulassungsfreie Berufung zu erreichen, obwohl offenkundig für diesen Tag noch Anspruch auf Arbeitsentgelt bestanden hat, womit ein Anspruch auf Alg - ungeachtet der fehlenden Arbeitslosmeldung - ohnehin gemäß § 157 Abs. 1 SGB III geruht hätte. Das Rechtsmittel ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 09.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Kläger erfüllt - mangels persönlicher Arbeitslosmeldung vor dem 18.01.2016 - für den Zeitraum vom 04.01.2016 bis 17.01.2016 nicht die gesetzlichen Voraussetzungen, für einen Anspruch auf Alg.

Der Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit setzt neben der Arbeitslosigkeit (iSd § 137 Abs.1 Nr. 1 SGB III) und der Erfüllung der Anwartschaftszeit (iSd § 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) voraus, dass sich der Arbeitslose bei der Agentur für Arbeit persönlich arbeitslos gemeldet hat (§ 137 Abs. 1 Nr. 3, § 141 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Die Arbeitslosmeldung ist hierbei eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung, mit der der Beklagten der tatsächliche Eintritt des Versicherungsfalles der Arbeitslosigkeit angezeigt wird. Insoweit stellt zwar nicht jede Vorsprache eines Arbeitslosen bei der Beklagten bereits eine Arbeitslosmeldung dar. Aus dem Zweck der Arbeitslosmeldung, der Beklagten die Kenntnis von der Arbeitslosigkeit zu verschaffen und sie zugleich in die Lage zu versetzen, durch geeignete Maßnahmen die Arbeitslosigkeit zu beenden, ergeben sich Mindestanforderungen an den Inhalt der Meldung. Aus ihr muss aber zumindest erkennbar sein, dass die Agentur für Arbeit aufgesucht wird, um ihr den Eintritt oder jedenfalls das Fortbestehen des Versicherungsfalles mitzuteilen (vgl. Striebinger in Gagel, SGB III, 66. EL, § 141 Rn. 22 mwN). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger vor dem 18.01.2016 bei der Beklagten vorgesprochen und sich damit arbeitslos gemeldet hat, gibt es nicht. Für den Zeitraum vom 04.01.2016 bis 17.01.2016 fehlt es daher an einer gesetzlichen Grundlage, aufgrund derer der Kläger Alg zu beanspruchen hätte.

Soweit der Kläger mit seiner Berufung wiederholt darauf verweist, der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung habe ihn über die Notwendigkeit einer persönlichen Arbeitslosmeldung nicht informiert, führt dies zu keiner anderen Betrachtungsweise. Der Hinweis auf eine fehlerhafte Beratung seitens eines Sozialversicherungsträgers kann im vorliegenden Zusammenhang allein dahingehend verstanden werden, der Kläger begehre im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt zu werden, als ob er zutreffend beraten worden wäre. Dieser Herstellungsanspruch ist jedoch allein auf Vornahme einer Amtshandlung gerichtet, um den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger seine Nebenpflichten aus dem Sozialrechtsverhältnis ordnungsgemäß erfüllt hätte. Mit dem Herstellungsanspruch lassen sich vor allem Fristversäumnisse heilen (verspätete Antragstellung, Beitragsentrichtung, Urkundenvorlage), die auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Leistungsträgers beruhen. Dagegen kann der Sozialleistungsträger fehlende Tatbestandsmerkmale oder anspruchsschädliche Tatsachen, die außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegen, nicht durch rechtmäßige Amtshandlungen fingieren oder beseitigen. Veränderungen in der Lebens- oder Verhaltenssituation des Betroffenen, die Voraussetzung eines Anspruchs sind, können durch den Herstellungsanspruch weder negiert noch geschaffen werden. Es kann weder Beschäftigungslosigkeit (§ 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III), Verfügbarkeit (§ 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) noch eine Arbeitslosmeldung (§§ 137 Abs. 1 Nr. 2, 141 Abs. 1 Satz 1 SGB III) durch eine rechtmäßige Amtshandlung fingiert werden, denn solche Fiktionen sind im Recht der Arbeitsförderung unbekannt (vgl. Karmanski in Brand, SGB III, 7. Aufl. § 161 Rn. 24f mwN). Nachdem ausgehend von diesen Grundsätzen die fehlende Arbeitslosmeldung des Klägers bereits aus grundsätzlichen Erwägungen nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ersetzt werden kann, um einen Leistungsanspruch zu begründen, kann dahinstehen, dass ohnehin weder eine fehlerhafte Beratung des Krankenversicherungsträgers nachgewiesen ist, noch ersichtlich ist, aus welchen Gründen sich die Beklagte vorliegend eine - allein behauptete - fehlerhafte Beratung des Krankenversicherungsträgers zurechnen lassen müsste.

Im Ergebnis hat die Beklagte die Zahlung von Alg für den Zeitraum vom 04.01.2016 bis 17.01.2016 zu Recht verweigert. Weder der Bescheid vom 09.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2016 noch das Urteil vom 11.01.2017 sind zu beanstanden. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des Klägers.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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