L 11 R 1481/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 498/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1481/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 09.03.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeiten vom 01.03.1982 bis 09.04.1982 und 19.05.1983 bis 11.01.1984 als Pflichtbeitrags- bzw Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit.

Die Beklagte erteilte dem 1950 geborenen Kläger unter dem 06.07.2005 einen Vormerkungsbescheid, in welchem die streitigen Zeiten nicht belegt waren. Im Rahmen einer Beratung hinsichtlich der Altersrente wurde der Kläger im Jahr 2014 auf die Lücken im Versicherungsverlauf hingewiesen. Er beantragte daraufhin unter dem 17.10.2014 Kontenklärung und gab die eidesstattliche Versicherung vom 10.10.2014 ab, wonach er in den Zeiträumen vom 01.03.1982 bis 09.04.1982 und 19.05.1983 bis 11.01.1984 arbeitslos gemeldet gewesen sei und Arbeitslosengeld bezogen habe. Unterlagen hierüber lägen ihm nicht mehr vor. Mit Bescheid vom 07.11.2014 lehnte die Beklagte die Vormerkung der Zeiten vom 01.03.1982 bis 09.04.1982 und 19.05.1983 bis 11.01.1984 als Anrechnungszeiten ab, da diese nicht nachgewiesen seien. Der Versicherungsverlauf enthielt für die Jahre 1981 bis 1984 folgende Daten: DÜVO 01.01.81 - 16.09.81 15.289,00 DM Pflichtbeitragszeit DÜVO 17.09.81 - 10.01.82 krank/Gesundheitsmaßnahme DÜVO 11.01.82 - 28.02.82 2.722,00 DM Pflichtbeitragszeit AFG 10.04.82 – 31.12.82 13.870,00 DM Pflichtbeitragszeit AFG 01.01.83 – 18.05.83 Arbeitslosigkeit AFG 12.01.84 – 31.12.84 Arbeitslosigkeit

Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch rügte der Kläger, dass seine eidesstattliche Versicherung nicht anerkannt worden sei. Er sei in den genannten Zeiten arbeitslos gewesen und habe Arbeitslosengeld/-hilfe bezogen. Er habe Unterlagen hierüber bei der D. und dem Arbeitsamt F. angefordert. Beide Stellen hätten die Unterlagen nach 30 Jahren vernichtet und die Auskunft erteilt, dass die Beklagte entsprechende Unterlagen haben müsste.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit würden nur berücksichtigt, wenn ihre Dauer nachgewiesen sei. Die vorgelegte eidesstattliche Erklärung genüge den Anforderungen an einen Beweis nicht.

Hiergegen richtet sich die am 05.03.2015 zum SG erhobene Klage. Der Kläger trägt vor, dass ihm nach der sehr lange verstrichenen Zeit nicht mehr bekannt sei, was er zu den erwähnten Fehlzeiten gemacht habe. Sicher sei er nur, dass er in dieser Zeit ohne jeglichen Bezug von Leistungen des Arbeitsamtes nicht hätte leben können, seien es Arbeitslosengeld, -hilfe oder finanzielle Unterstützung bei einer schulischen Förderungsmaßnahme. Zwischenzeitlich habe er auch den Rentenbescheid vom 28.04.2015 erhalten (Regelaltersrente ab 01.04.2015). Die zeitlich unbegrenzte Nachweispflicht werde leider nur für die Versicherten gefordert und nicht für die Rentenversicherung.

Mit Gerichtsbescheid vom 09.03.2017 hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 07.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2015 abgewiesen. Nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) seien Anrechnungszeiten Zeiten, während der der Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldet gewesen sei und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen habe. Anrechnungszeiten könnten nur berücksichtigt werden, wenn ihre Tatbestandsvoraussetzungen nachgewiesen seien. Diesen Nachweis habe der Kläger nicht erbracht, vielmehr wisse er selbst nicht mehr, was er im streitigen Zeitraum gemacht habe. Er könne nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, ob während der streitigen Zeiten überhaupt Arbeitslosigkeit vorgelegen habe.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 17.03.2017 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 13.04.2017 eingelegte Berufung des Klägers. Er sei sich definitiv sicher, in den streitigen Zeiträumen staatliche Leistungen bezogen zu haben und zwar mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Arbeitslosengeld durch das Arbeitsamt. Entsprechende Nachweise fehlten. Der Kläger habe in alle Richtungen Nachforschungen angestellt, jedoch ohne Erfolg.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des SG vom 09.03.2017 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 28.04.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeiten vom 01.03.1982 bis 09.04.1982 als Pflichtbeitragszeiten und vom 19.05.1983 bis 11.01.1984 als Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen sowie die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheids.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG) ist allein der Rentenbescheid der Beklagten vom 28.04.2015, nicht dagegen der Bescheid der Beklagten vom 07.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.02.2015. Mit diesem Bescheid hatte die Beklagte die Vormerkung der Zeiten vom 01.03.1982 bis 09.04.1982 und 19.05.1983 bis 11.01.1984 als Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit abgelehnt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 06.05.2010, B 13 R 118/08 R, juris; zuvor schon BSG 22.09.1981, 1 RA 31/80, SozR 1500 § 53 Nr 2 = juris; BSG 14.05.2003, B 4 RA 26/02 R, SozR 4 2600 § 256b Nr 1; BSG 23.08.2005, B 4 RA 21/04 R, juris) besteht nach Erlass eines Rentenbescheids kein Rechtsschutzbedürfnis mehr zur Durchführung eines gesonderten Rechtsbehelfsverfahrens nur in Bezug auf den Vormerkungsbescheid, ein solches Verfahren ist mithin unzulässig. Nach Erlass eines Rentenbescheides ist das Begehren der Feststellung weiterer Zeiten in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen den Rentenbescheid geltend zu machen.

Der hier während des Klageverfahrens ergangene Rentenbescheid vom 28.04.2015 ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des gegen den Vormerkungsbescheid geführten Klageverfahrens geworden (BSG 20.10.2010, B 13 R 15/10 R, SozR 4-1500 § 193 Nr 6 = juris RdNr 18). Eines Vorverfahrens bedarf es insoweit nicht (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl, § 96 RdNr 11 c). Der Rentenbescheid ersetzt den Vormerkungsbescheid, welcher dadurch seine Erledigung findet. Zwar handelt es sich bei der Feststellung des Tatbestands einer rentenrechtlichen Zeit einerseits und der Rentenwertfestsetzung unter Berücksichtigung auch dieser Zeit andererseits nicht um Verwaltungsakte mit identischem Regelungsgehalt, doch stehen beide hinsichtlich ein und desselben Rechtsverhältnisses in einem Verhältnis sachlicher und zeitlicher Exklusivität zueinander. Während nämlich der Rentenversicherungsträger erstmals mit der "Feststellung einer Leistung" über Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten entscheidet (§ 149 Abs 5 Satz 3 SGB VI) und den Rentenwert bestimmen darf, bedarf es mit diesem Zeitpunkt umgekehrt keines diese Entscheidung nur vorbereitenden Verfahrens über die Feststellung einzelner wertbestimmender Umstände mehr. Hierzu ergangene Verwaltungsakte erledigten sich ungeachtet ihrer Anfechtung "auf andere Weise" (§ 39 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) und dürfen durch weitere Feststellungen einzelner wertbestimmender Elemente von vornherein nicht mehr ersetzt werden (BSG 14.12.2011, B 5 R 36/11, SozR 4-2600 § 248 Nr 1).

Im wohlverstandenen Interesse des Klägers ist der Klageantrag daher sachgerecht dahin auszulegen, dass unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 28.04.2015 höhere Altersrente begehrt wird unter Berücksichtigung weiterer rentenrechtlicher Zeiten wegen Arbeitslosigkeit vom 01.03.1982 bis 09.04.1982 und 19.05.1983 bis 11.01.1984.

Da das SG die Einbeziehung des Rentenbescheids in das Klageverfahren gemäß § 96 SGG übersehen hat, ist im Berufungsverfahren - also im Wege einer Überprüfung des Gerichtsbescheides des SG - über die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides zu entscheiden (vgl hierzu BSG 26.05.2011, B 10 EG 12/10 R, SozR 4-7837 § 4 Nr 2; Leitherer, aaO, § 96 RdNr 12a; Keller, aaO, § 140 RdNr 2a; Leitherer, aaO, § 143 RdNr 1b). Eine entsprechende konkludente Klageänderung ist gemäß § 99 Abs 1 SGG im vorliegenden Fall jedenfalls sachdienlich.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente. Der Wert des Anspruchs auf Rente (sog Monatsbetrag) ist rechnerisch das Produkt aus der Summe der unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten Entgeltpunkte, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert (§ 64 SGB VI). Der Kläger beanstandet die fehlende Berücksichtigung der Zeiten vom 01.03.1982 bis 09.04.1982 als Pflichtbeitragszeiten (§ 247 Abs 2 SGB VI) und vom 19.05.1983 bis 11.01.1984 als Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit (§ 252 Abs 2 SGB VI) im Rahmen der Rentenberechnung.

Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung sind nach § 247 Abs 2 SGB VI auch Zeiten, für die die Bundesagentur für Arbeit in der Zeit vom 01.07.1978 bis 31.12.1982 wegen des Bezugs von Sozialleistungen Pflichtbeiträge gezahlt hat. Nach § 252 Abs 2 SGB VI sind Anrechnungszeiten auch Zeiten, für die die Bundesagentur für Arbeit in der Zeit vom 01.01.1983 bis 31.12.1997 wegen des Bezugs von Sozialleistungen Pflichtbeiträge oder Beiträge für Anrechnungszeiten gezahlt hat. Die Voraussetzungen hierfür müssen, worauf das SG zu Recht hingewiesen hat, nachgewiesen sein. Nachgewiesen sind nur solche Tatsachen, von deren Vorliegen das Gericht überzeugt ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Vorliegen der Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Ernsthafte Zweifel dürfen nicht bestehen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat von einem Nachweis der streitigen Zeiten als Pflichtbeitrags- bzw Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit vorliegend keinesfalls überzeugt. Der Kläger hat selbst ausgeführt, dass er nicht sicher sei, was er in diesen – mittlerweile mehr als 30 Jahre zurückliegenden – Zeiträumen getan hat. Er meint lediglich sicher zu wissen, dass er staatliche Leistungen bezogen haben müsse – mit "hoher Wahrscheinlichkeit" Arbeitslosengeld. Unterlagen liegen für die streitigen Zeiträume nicht vor. Insoweit fällt aber auf, dass die an die streitigen Zeiträume angrenzenden Zeiten sehr wohl von der Arbeitsverwaltung gemeldet worden sind (Pflichtbeitragszeit vom 10.04.1982 bis 31.12.1982 und anschließende Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit bis 18.05.1983 sowie erneut wieder ab 12.01.1984). Dies spricht sogar eher dafür, dass der Kläger in den streitigen Zeiträumen gerade nicht bei der Arbeitsagentur bzw damals Arbeitsamt gemeldet war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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