Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
35
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AS 1278/16 WA
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Bescheide vom 04.09.2013 und 18.08.2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 06.12.2013 und 26.09.2014 werden über das Teilanerkenntnis des Beklagten hinaus aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin auch für den Zeitraum vom 28.08.2013 bis zum 15.10.2013 und vom 16.09.2014 bis zum 03.02.2015 Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften, insbesondere unter Anrechnung etwaigen Einkommens, zu gewähren. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten nunmehr noch darum, ob der Beklagte der Klägerin für die Zeiträume vom 28.08.2013 bis zum 15.10.2013 und vom 16.09.2014 bis zum 03.02.2015 dem Grunde nach Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren hat oder ob diese vom Leistungsausschluss des 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II erfasst ist.
Die am XX.XX.XXXX geborene Klägerin ist bulgarische Staatsangehörige. Sie reiste im Jahr 2009 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im Jahr 2010 kehrte sie nach Bulgarien zurück. Ab dem Jahr 2011 hielt die Klägerin sich dann durchgehend in I auf. Sie war dort im Rahmen eines nicht angemeldeten selbständigen Gewerbes tätig.
Am 15.08.2013 brachte die Klägerin ihre Tochter F A zur Welt. Es war zunächst unklar, wer Vater des Kindes war.
Die Klägerin gab in der Folge die selbständige Tätigkeit auf. Am 28.08.2013 beantragte sie beim Beklagten für sich und ihre Tochter Leistungen nach dem SGB II. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 04.09.2013 ab. Die Klägerin sei gemäß 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Auch ihre Tochter sei als Familienangehörige von dem Leistungsausschluss erfasst.
Die Klägerin und ihre Tochter erhoben gegen diesen Bescheid am 08.11.2013 Widerspruch. Der Leistungsausschluss begegne unter europarechtlichen Gesichtspunkten Bedenken. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2013 - eingegangen beim Bevollmächtigten der Klägerin am 11.12.2013 - zurück und bezog sich auf die Argumentation des Ausgangsbescheids.
Am 10.01.2014 haben die Klägerin und ihre Tochter (ursprünglich Klägerin zu 2.)) Klage gegen den Bescheid vom 04.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2013 erhoben. Diese Klage ist bei der erkennenden Kammer zunächst unter dem Aktenzeichen S 35 AS 110/14 geführt worden. Auch zur Begründung der Klage hat die Klägerin im Wesentlichen europarechtlich begründete Zweifel am Leistungsausschluss des 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II angeführt.
Bereits am 23.10.2013 hatte die Klägerin für sich und ihre Tochter einen neuen Leistungsantrag beim Beklagten gestellt und in diesem Zusammenhang auf eine am 15.10.2013 aufgenommene Aushilfstätigkeit in einer Ier Pizzeria verwiesen. Der Beklagte nahm nunmehr ein Aufenthaltsrecht der Klägerin gemäß § 2 Abs.2 Nr.1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) an und gewährte dieser und ihrer Tochter mit Bescheid vom 06.11.2013 für den Zeitraum vom 16.10.2013 bis zum 31.03.2014 Leistungen nach dem SGB II.
Am 10.03.2014 hat der Arbeitgeber der Klägerin deren Arbeitsvertrag gekündigt. Der Beklagte hat der Klägerin und ihrer Tochter mit Bescheiden vom 18.03.2014 und 28.08.2014 gleichwohl weiter Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.04.2014 bis zum 15.09.2014 gewährt und hierbei eine sechsmonatige Fortwirkung des Arbeitnehmerstatus gemäß 2 Abs.3 Satz 2 FreizügG/EU angenommen.
Am 26.08.2014 haben die Klägerin und ihre Tochter erneut Leistungen nach dem SGB II für die Zeit nach dem Ablauf des bisherigen Bewilligungszeitraums beantragt. Der Beklagte hat den Antrag mit Bescheid vom 18.08.2014 abgelehnt und wiederum darauf Bezug genommen, dass das Aufenthaltsrecht der Klägerin sich nur aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe.
Am 02.10.2014 haben die Klägerin und ihre Tochter bei der erkennenden Kammer einen Antrag auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt, der unter dem Aktenzeichen S 35 AS 4079/14 ER geführt wurde. Mit Beschluss vom 20.11.2014 hat die Kammer dem Beklagten aufgegeben, der Klägerin und ihrer Tochter vorläufig für den Zeitraum vom 02.10.2014 bis zum 31.03.2015 Leistungen nach dem SGB II in Gestalt der Regelleistung gemäß den §§ 20 Abs.1, 23 Abs.1 Nr.1 SGB II zu gewähren. Aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Unklarheit über die Europarechtskonformität des vom Beklagten angenommenen Leistungsausschlusses hat die Kammer ihre Entscheidung auf eine Folgenabwägung gestützt.
In der Folge hat der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter mit Bescheid vom 03.12.2014 für den Zeitraum vom 02.10.2014 bis zum 31.03.2015 Leistungen nach dem SGB II in Gestalt der Regelleistung gemäß den §§ 20 Abs.1, 23 Abs.1 Nr.1 SGB II gewährt. Die Entscheidung ergehe vorläufig in Bezug auf das einstweilige Rechtsschutzverfahren. Einen von der Klägerin und ihrer Tochter gegen den ursprünglichen Ablehnungsbescheid gerichteten Widerspruch hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2014 zurückgewiesen. Auch gegen diese Entscheidung haben die Klägerin und ihre Tochter Klage erhoben (zunächst Aktenzeichen S 35 AS 4525/14). Das Gericht hat mit Beschlüssen vom 07.04.2014 und 08.05.2015 sowohl das Verfahren S 35 AS 110/14 als auch das Verfahren S 35 AS 4525/14 im Hinblick auf die ausstehende Entscheidung des Bundessozialgerichts im Verfahren B 4 AS 9/13 R ruhend gestellt.
Mit Urkunde vom 28.01.2015 hat der deutsche Staatsbürger B S die Vaterschaft für die Tochter der Klägerin anerkannt. Aufgrund der nunmehr ebenfalls anerkannten deutschen Staatsbürgerschaft der Tochter hat das Ausländeramt der Stadt I am 04.02.2015 der Klägerin einen auf § 28 Abs.1 Satz 1 Nr.3 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) beruhenden Aufenthaltstitel zur Familienzusammenführung erteilt, den es in der Folge mehrfach – zuletzt für den Zeitraum bis zum 08.12.2018 – verlängert hat.
Mit Bescheid vom 12.03.2015 hat der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter für den Zeitraum vom 01.02.2015 bis zum 31.03.2015 nunmehr auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft bewilligt. In diesem Bescheid führt der Beklagte weiterhin aus, dass die Entscheidung im Hinblick auf das einstweilige Rechtsschutzverfahren vorläufig ergehe. In den Folgebescheiden hat der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter die Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften nunmehr endgültig gewährt. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts im Verfahren B 4 AS 9/13 R hat die erkennende Kammer die ruhend gestellten Verfahren wiederaufgenommen und nunmehr unter den Aktenzeichen S 35 AS 1278/16 WA und S 35 AS 1302/16 WA geführt. Mit Beschluss vom 28.09.2017 hat die Kammer die Verfahren S 35 AS 1278/16 WA und S 35 AS 1302/16 WA zum Verfahren S 35 AS 1278/16 WA verbunden.
In der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2017 hat der Beklagte einen Leistungsanspruch der Tochter der Klägerin für die nach den bisherigen Bewilligungen noch verbleibenden Gesamtzeiträume vom 28.08.2013 bis zum 14.10.2013 und vom 16.09.2014 bis zum 31.03.2015 sowie für die Klägerin einen (endgültigen) Leistungsanspruch für den Zeitraum vom 04.02.2015 bis zum 31.03.2015 anerkannt. Der Bevollmächtigte der Klägerseite hat das Anerkenntnis und das Teilanerkenntnis des Beklagten angenommen und den Rechtsstreit für die Tochter der Klägerin insgesamt und für die Klägerin für den Zeitraum vom 04.02.2015 bis zum 31.03.2015 für erledigt erklärt.
Im Hinblick auf die noch offenen Zeiträume streiten die Beteiligten maßgeblich darum, ob der Leistungsausschluss gemäß 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II zu Lasten der Klägerin noch für den Zeitraum vor der Erteilung des Aufenthaltstitels durch das Ausländeramt der Stadt I am 04.02.2015 greift. Die Klägerin ist der Auffassung, dass es diesbezüglich auf die materielle Rechtslage ankomme. Es könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass die Anerkennung der Vaterschaft einen gewissen Zeitraum in Anspruch genommen habe.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide vom 04.09.2013 und 18.08.2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 06.12.2013 und 26.09.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr über das Teilanerkenntnis hinaus auch für den Zeitraum vom 28.08.2013 bis zum 15.10.2013 und vom 16.09.2014 bis zum 03.02.2015 Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften, insbesondere unter Anrechnung etwaigen Einkommens, zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass ein über das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche hinausgehendes weiteres Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz erst dann angenommen werden könne, wenn die Ausländerbehörde einen entsprechenden Titel erteilt habe. Dies ergebe sich aus § 7 Abs.1 Satz 3 SGB II. Danach gelte § 7 Abs.1 Satz 2 Nummer 1 nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Ein entsprechender Aufenthaltstitel sei der Klägerin für den Zeitraum vor dem 04.02.2015 aber gerade nicht erteilt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das von der Klägerseite angenommene Anerkenntnis bezüglich der Leistungen nach dem SGB II für die Tochter der Klägerin sowie das ebenfalls angenommene Teilanerkenntnis im Hinblick auf die Leistungen der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.10.2017 haben den Rechtsstreit für die Tochter der Klägerin insgesamt und für die Klägerin für den ursprünglich ebenfalls streitig gestellten Zeitraum vom 04.02.2015 bis zum 31.03.2015 erledigt (§ 101 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Zulässiger Gegenstand der Klage sind - dem Antrag der Klägerin entsprechend - nur noch der Leistungsanspruch der Klägerin nach dem SGB II für die Zeiträume vom 28.08.2013 bis zum 15.10.2013 und vom 16.09.2014 bis zum 03.02.2015. Auch der Zeitraum vom 02.10.2014 bis zum 03.02.2015, für den der Beklagte der Klägerin die Regelleistung nach dem SGB II gewährt hat, bleibt streitbefangen. Der Beklagte hat die Leistungen mit Bescheid vom 03.12.2014 nämlich nur im Umsetzung des im einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 35 AS 4079/14 ER ergangenen Beschlusses und vorläufig im Hinblick auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren gewährt.
Die auf die Gewährung von Leistungen für den vorstehenden Zeitraum gerichtete Klage ist begründet.
Die von der Klägerin angefochtenen Bescheide waren über das Teilanerkenntnis des Beklagten hinaus aufzuheben, weil sie rechtswidrig waren und die Klägerin in ihren Rechten verletzt haben. Der Beklagte hatte der Klägerin auch für die Zeiträume vom 28.08.2013 bis zum 15.10.2013 und vom 16.09.2014 bis zum 03.02.2015 Leistungen nach dem SGB II dem Grunde nach nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die dem Grunde nach zum Leistungsbezug nach dem SGB II berechtigenden Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 7 Abs.1 Satz 1 SGB II, 9 Abs.1 SGB II liegen vor. Der Beklagte gewährt der Klägerin für die Zeiträume ab dem 04.02.2015 – der jetzigen Tenorierung der Kammer für die früheren Zeiträume entsprechend - nunmehr auch durchgehend Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung des von dieser und ihrer Tochter erzielten Einkommens.
Die Klägerin ist in den Zeiträumen vom vom 28.08.2013 bis zum 15.10.2013 und vom 16.09.2014 bis zum 03.02.2015 auch nicht vom Leistungsausschluss des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung vom 20.12.2011 erfasst.
Vom Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ausgenommen sind danach Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Die Anwendbarkeit der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfordert eine "fiktive" Prüfung des Grundes für eine im streitigen Leistungszeitraum (weiterhin) bestehende Freizügigkeitsberechtigung nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU), das die Aufenthaltsrechte von Unionsbürgern nach dem AEUV i. V. m. der Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 (RL 2004/38/EG) in nationales Recht umsetzt. Aufgrund der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU ("Das Aufenthaltsgesetz findet auch dann Anwendung, wenn es eine günstigere Rechtsstellung vermittelt als dieses Gesetz") sind auch die Aufenthaltstatbestände des AufenthG weitere Aufenthaltsrechte im Sinne des FreizügG/EU und im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB (vgl. hierzu SG Dortmund, Beschluss vom 20. Juli 2016 – S 32 AS 3037/16 ER –, Rn. 20, juris).
Der Klägerin stand in den streitgegenständlichen Zeiträumen aber ein über das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche hinausgehendes Aufenthaltsrecht zu, nämlich ein Aufenthaltsrecht zum Familiennachzug gemäß 28 Abs.1 Satz 1 Nr.3 AufenthG. Hiernach ist die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Die Klägerin hat während des streitbefangenen Zeitraums unstreitig für ihre Tochter, die deutsche Staatsbürgerin ist, die Personensorge ausgeübt.
Dieses Aufenthaltsrecht ist auch nicht erst mit der Anerkennung der Vaterschaft für die Tochter der Klägerin durch den deutschen Staatsbürger B S am 28.01.2015, sondern bereits mit der Geburt der Tochter F A am XX.XX.XXXX und damit vor Beginn des hier streitgegenständlichen Zeitraums entstanden. Die Tochter der Klägerin hat die deutsche Staatsangehörigkeit nämlich bereits mit der Geburt erworben.
Dies ergibt sich aus dem Regelungsgefüge des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG). Gemäß § 1 Abs.1 Nr.1 StAG wird die deutsche Staatsbürgerschaft unter anderem durch Geburt erworben. Die Anerkennung oder Feststellung einer zuvor streitig gestellten Vaterschaft werden nicht als Erwerbstatbestand aufgeführt. Die weiteren aufgeführten Erwerbstatbestände sind erkennbar nicht einschlägig.
Der Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt wird im Einzelnen in § 4 Abs.1 StAG geregelt. Danach erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Geburt, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach den deutschen Gesetzen die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich, so bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs einer nach deutschen Gesetzen wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft; die Anerkennungserklärung muss abgegeben oder das Feststellungsverfahren muss eingeleitet sein, bevor das Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat.
Zwar ist gemäß § 4 Abs.1 Satz 2 StAG für die "Geltendmachung des Erwerbs" die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich. Dass aber auch in diesem Fall der Erwerb der Staatsbürgerschaft selbst bereits mit der Geburt des Kindes erfolgt, ergibt sich daraus, dass die Erwerbstatbestände des § 1 StAG (kein Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anerkennung einer zuvor streitig gestellten Vaterschaft) abschließend sind und dass das Gesetz auch den Sonderfall einer streitig gestellten Vaterschaft als Unterfall in den § 4 StAG einbezieht, der insgesamt die Modalitäten eines Erwerbs der Staatsangehörigkeit durch die Geburt regelt. Weiter differenziert § 4 StAG zwischen dem "Erwerb" der Staatsbürgerschaft und der "Geltendmachung des Erwerbs", also einer Bezugnahme auf die Staatsbürgerschaft zur Inanspruchnahme sich aus dieser ergebender Rechte. Nur für letztere, nicht aber für den Erwerb selbst, ist nach dem klaren Wortlaut der Norm die Anerkennung oder die Feststellung der Vaterschaft zur "Beweisführung" erforderlich (vgl. zu der Frage auch BayObLGR 1998, 49, 50 – juris).
Für die Annahme eines "weiteren Aufenthaltsrechts" über das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche hinaus ist auch nicht die Erteilung eines diesbezüglichen Aufenthaltstitels durch die Ausländerbehörde erforderlich.
Es kommt allein darauf an, ob ein solcher Titel aufgrund eines bestehenden Aufenthaltsrechts zu erteilen wäre (vgl. SG Dortmund, Beschluss vom 20. Juli 2016 – S 32 AS 3037/16 ER –, Rn. 21, juris LSG NRW, Urteil vom 01.06.2015 – L 19 AS 1923/14 – juris (Rn. 39)).
Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer bereits aus dem Wortlaut des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2, der nicht auf den Aufenthaltstitel, sondern ausdrücklich darauf abstellt, ob sich das Aufenthaltsrecht des Ausländers allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Diese Auffassung wird durch die Existenz des vom Beklagten angeführten § 7 Abs.1 Satz 3 SGB II nicht in Frage gestellt, sondern bestätigt. Hiernach gilt § 7 Abs.1 Satz 2 Nummer 1 nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Diese "Unterausnahme" bezieht sich aber nur auf den in § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.1 SGB II normierten Leistungsausschluss für die ersten drei Monate und gerade nicht auf den hier in Betracht kommenden Leistungsausschluss nach § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II. Hiermit wollte der Gesetzgeber die Ausländer, die sich mit einem erkennbaren Titel aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen in Deutschland aufhalten (vgl. hierzu Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 7, Rn. 115; der hier einschlägige § 28 AufenthG gehört gar nicht zu den von § 7 Abs.1 Satz 3 SGB II geregelten Tatbeständen) privilegieren und vom generalisierten, vom Bestand weiterer Aufenthaltsrechte grundsätzlich unabhängigen Leistungsausschluss für die ersten drei Monate des Aufenthalts ausnehmen. Hätte der Gesetzgeber der Erteilung eines Aufenthaltstitels dagegen auch für den Ausschlusstatbestand des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II Bedeutung beigemessen, hätte er die Anwendbarkeit des § 7 Abs.1 Satz 3 SGB II nicht auf den Leistungsausschluss des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.1 SGB II beschränkt.
Bei dem hier einschlägigen aufenthaltsrechtlichen Tatbestand des § 28 Abs.1 Satz 1 Nr.3 AufenthG handelt es sich um einen "gebundenen" Tatbestand, so dass die Ausländerbehörde den Aufenthaltstitel bei einem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ohne die Ausübung von Ermessen zu erteilen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten nunmehr noch darum, ob der Beklagte der Klägerin für die Zeiträume vom 28.08.2013 bis zum 15.10.2013 und vom 16.09.2014 bis zum 03.02.2015 dem Grunde nach Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren hat oder ob diese vom Leistungsausschluss des 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II erfasst ist.
Die am XX.XX.XXXX geborene Klägerin ist bulgarische Staatsangehörige. Sie reiste im Jahr 2009 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im Jahr 2010 kehrte sie nach Bulgarien zurück. Ab dem Jahr 2011 hielt die Klägerin sich dann durchgehend in I auf. Sie war dort im Rahmen eines nicht angemeldeten selbständigen Gewerbes tätig.
Am 15.08.2013 brachte die Klägerin ihre Tochter F A zur Welt. Es war zunächst unklar, wer Vater des Kindes war.
Die Klägerin gab in der Folge die selbständige Tätigkeit auf. Am 28.08.2013 beantragte sie beim Beklagten für sich und ihre Tochter Leistungen nach dem SGB II. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 04.09.2013 ab. Die Klägerin sei gemäß 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Auch ihre Tochter sei als Familienangehörige von dem Leistungsausschluss erfasst.
Die Klägerin und ihre Tochter erhoben gegen diesen Bescheid am 08.11.2013 Widerspruch. Der Leistungsausschluss begegne unter europarechtlichen Gesichtspunkten Bedenken. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2013 - eingegangen beim Bevollmächtigten der Klägerin am 11.12.2013 - zurück und bezog sich auf die Argumentation des Ausgangsbescheids.
Am 10.01.2014 haben die Klägerin und ihre Tochter (ursprünglich Klägerin zu 2.)) Klage gegen den Bescheid vom 04.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2013 erhoben. Diese Klage ist bei der erkennenden Kammer zunächst unter dem Aktenzeichen S 35 AS 110/14 geführt worden. Auch zur Begründung der Klage hat die Klägerin im Wesentlichen europarechtlich begründete Zweifel am Leistungsausschluss des 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II angeführt.
Bereits am 23.10.2013 hatte die Klägerin für sich und ihre Tochter einen neuen Leistungsantrag beim Beklagten gestellt und in diesem Zusammenhang auf eine am 15.10.2013 aufgenommene Aushilfstätigkeit in einer Ier Pizzeria verwiesen. Der Beklagte nahm nunmehr ein Aufenthaltsrecht der Klägerin gemäß § 2 Abs.2 Nr.1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) an und gewährte dieser und ihrer Tochter mit Bescheid vom 06.11.2013 für den Zeitraum vom 16.10.2013 bis zum 31.03.2014 Leistungen nach dem SGB II.
Am 10.03.2014 hat der Arbeitgeber der Klägerin deren Arbeitsvertrag gekündigt. Der Beklagte hat der Klägerin und ihrer Tochter mit Bescheiden vom 18.03.2014 und 28.08.2014 gleichwohl weiter Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.04.2014 bis zum 15.09.2014 gewährt und hierbei eine sechsmonatige Fortwirkung des Arbeitnehmerstatus gemäß 2 Abs.3 Satz 2 FreizügG/EU angenommen.
Am 26.08.2014 haben die Klägerin und ihre Tochter erneut Leistungen nach dem SGB II für die Zeit nach dem Ablauf des bisherigen Bewilligungszeitraums beantragt. Der Beklagte hat den Antrag mit Bescheid vom 18.08.2014 abgelehnt und wiederum darauf Bezug genommen, dass das Aufenthaltsrecht der Klägerin sich nur aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe.
Am 02.10.2014 haben die Klägerin und ihre Tochter bei der erkennenden Kammer einen Antrag auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt, der unter dem Aktenzeichen S 35 AS 4079/14 ER geführt wurde. Mit Beschluss vom 20.11.2014 hat die Kammer dem Beklagten aufgegeben, der Klägerin und ihrer Tochter vorläufig für den Zeitraum vom 02.10.2014 bis zum 31.03.2015 Leistungen nach dem SGB II in Gestalt der Regelleistung gemäß den §§ 20 Abs.1, 23 Abs.1 Nr.1 SGB II zu gewähren. Aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Unklarheit über die Europarechtskonformität des vom Beklagten angenommenen Leistungsausschlusses hat die Kammer ihre Entscheidung auf eine Folgenabwägung gestützt.
In der Folge hat der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter mit Bescheid vom 03.12.2014 für den Zeitraum vom 02.10.2014 bis zum 31.03.2015 Leistungen nach dem SGB II in Gestalt der Regelleistung gemäß den §§ 20 Abs.1, 23 Abs.1 Nr.1 SGB II gewährt. Die Entscheidung ergehe vorläufig in Bezug auf das einstweilige Rechtsschutzverfahren. Einen von der Klägerin und ihrer Tochter gegen den ursprünglichen Ablehnungsbescheid gerichteten Widerspruch hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2014 zurückgewiesen. Auch gegen diese Entscheidung haben die Klägerin und ihre Tochter Klage erhoben (zunächst Aktenzeichen S 35 AS 4525/14). Das Gericht hat mit Beschlüssen vom 07.04.2014 und 08.05.2015 sowohl das Verfahren S 35 AS 110/14 als auch das Verfahren S 35 AS 4525/14 im Hinblick auf die ausstehende Entscheidung des Bundessozialgerichts im Verfahren B 4 AS 9/13 R ruhend gestellt.
Mit Urkunde vom 28.01.2015 hat der deutsche Staatsbürger B S die Vaterschaft für die Tochter der Klägerin anerkannt. Aufgrund der nunmehr ebenfalls anerkannten deutschen Staatsbürgerschaft der Tochter hat das Ausländeramt der Stadt I am 04.02.2015 der Klägerin einen auf § 28 Abs.1 Satz 1 Nr.3 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) beruhenden Aufenthaltstitel zur Familienzusammenführung erteilt, den es in der Folge mehrfach – zuletzt für den Zeitraum bis zum 08.12.2018 – verlängert hat.
Mit Bescheid vom 12.03.2015 hat der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter für den Zeitraum vom 01.02.2015 bis zum 31.03.2015 nunmehr auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft bewilligt. In diesem Bescheid führt der Beklagte weiterhin aus, dass die Entscheidung im Hinblick auf das einstweilige Rechtsschutzverfahren vorläufig ergehe. In den Folgebescheiden hat der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter die Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften nunmehr endgültig gewährt. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts im Verfahren B 4 AS 9/13 R hat die erkennende Kammer die ruhend gestellten Verfahren wiederaufgenommen und nunmehr unter den Aktenzeichen S 35 AS 1278/16 WA und S 35 AS 1302/16 WA geführt. Mit Beschluss vom 28.09.2017 hat die Kammer die Verfahren S 35 AS 1278/16 WA und S 35 AS 1302/16 WA zum Verfahren S 35 AS 1278/16 WA verbunden.
In der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2017 hat der Beklagte einen Leistungsanspruch der Tochter der Klägerin für die nach den bisherigen Bewilligungen noch verbleibenden Gesamtzeiträume vom 28.08.2013 bis zum 14.10.2013 und vom 16.09.2014 bis zum 31.03.2015 sowie für die Klägerin einen (endgültigen) Leistungsanspruch für den Zeitraum vom 04.02.2015 bis zum 31.03.2015 anerkannt. Der Bevollmächtigte der Klägerseite hat das Anerkenntnis und das Teilanerkenntnis des Beklagten angenommen und den Rechtsstreit für die Tochter der Klägerin insgesamt und für die Klägerin für den Zeitraum vom 04.02.2015 bis zum 31.03.2015 für erledigt erklärt.
Im Hinblick auf die noch offenen Zeiträume streiten die Beteiligten maßgeblich darum, ob der Leistungsausschluss gemäß 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II zu Lasten der Klägerin noch für den Zeitraum vor der Erteilung des Aufenthaltstitels durch das Ausländeramt der Stadt I am 04.02.2015 greift. Die Klägerin ist der Auffassung, dass es diesbezüglich auf die materielle Rechtslage ankomme. Es könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass die Anerkennung der Vaterschaft einen gewissen Zeitraum in Anspruch genommen habe.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide vom 04.09.2013 und 18.08.2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 06.12.2013 und 26.09.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr über das Teilanerkenntnis hinaus auch für den Zeitraum vom 28.08.2013 bis zum 15.10.2013 und vom 16.09.2014 bis zum 03.02.2015 Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften, insbesondere unter Anrechnung etwaigen Einkommens, zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass ein über das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche hinausgehendes weiteres Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz erst dann angenommen werden könne, wenn die Ausländerbehörde einen entsprechenden Titel erteilt habe. Dies ergebe sich aus § 7 Abs.1 Satz 3 SGB II. Danach gelte § 7 Abs.1 Satz 2 Nummer 1 nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Ein entsprechender Aufenthaltstitel sei der Klägerin für den Zeitraum vor dem 04.02.2015 aber gerade nicht erteilt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das von der Klägerseite angenommene Anerkenntnis bezüglich der Leistungen nach dem SGB II für die Tochter der Klägerin sowie das ebenfalls angenommene Teilanerkenntnis im Hinblick auf die Leistungen der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.10.2017 haben den Rechtsstreit für die Tochter der Klägerin insgesamt und für die Klägerin für den ursprünglich ebenfalls streitig gestellten Zeitraum vom 04.02.2015 bis zum 31.03.2015 erledigt (§ 101 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Zulässiger Gegenstand der Klage sind - dem Antrag der Klägerin entsprechend - nur noch der Leistungsanspruch der Klägerin nach dem SGB II für die Zeiträume vom 28.08.2013 bis zum 15.10.2013 und vom 16.09.2014 bis zum 03.02.2015. Auch der Zeitraum vom 02.10.2014 bis zum 03.02.2015, für den der Beklagte der Klägerin die Regelleistung nach dem SGB II gewährt hat, bleibt streitbefangen. Der Beklagte hat die Leistungen mit Bescheid vom 03.12.2014 nämlich nur im Umsetzung des im einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 35 AS 4079/14 ER ergangenen Beschlusses und vorläufig im Hinblick auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren gewährt.
Die auf die Gewährung von Leistungen für den vorstehenden Zeitraum gerichtete Klage ist begründet.
Die von der Klägerin angefochtenen Bescheide waren über das Teilanerkenntnis des Beklagten hinaus aufzuheben, weil sie rechtswidrig waren und die Klägerin in ihren Rechten verletzt haben. Der Beklagte hatte der Klägerin auch für die Zeiträume vom 28.08.2013 bis zum 15.10.2013 und vom 16.09.2014 bis zum 03.02.2015 Leistungen nach dem SGB II dem Grunde nach nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die dem Grunde nach zum Leistungsbezug nach dem SGB II berechtigenden Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 7 Abs.1 Satz 1 SGB II, 9 Abs.1 SGB II liegen vor. Der Beklagte gewährt der Klägerin für die Zeiträume ab dem 04.02.2015 – der jetzigen Tenorierung der Kammer für die früheren Zeiträume entsprechend - nunmehr auch durchgehend Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung des von dieser und ihrer Tochter erzielten Einkommens.
Die Klägerin ist in den Zeiträumen vom vom 28.08.2013 bis zum 15.10.2013 und vom 16.09.2014 bis zum 03.02.2015 auch nicht vom Leistungsausschluss des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung vom 20.12.2011 erfasst.
Vom Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ausgenommen sind danach Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Die Anwendbarkeit der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfordert eine "fiktive" Prüfung des Grundes für eine im streitigen Leistungszeitraum (weiterhin) bestehende Freizügigkeitsberechtigung nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU), das die Aufenthaltsrechte von Unionsbürgern nach dem AEUV i. V. m. der Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 (RL 2004/38/EG) in nationales Recht umsetzt. Aufgrund der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU ("Das Aufenthaltsgesetz findet auch dann Anwendung, wenn es eine günstigere Rechtsstellung vermittelt als dieses Gesetz") sind auch die Aufenthaltstatbestände des AufenthG weitere Aufenthaltsrechte im Sinne des FreizügG/EU und im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB (vgl. hierzu SG Dortmund, Beschluss vom 20. Juli 2016 – S 32 AS 3037/16 ER –, Rn. 20, juris).
Der Klägerin stand in den streitgegenständlichen Zeiträumen aber ein über das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche hinausgehendes Aufenthaltsrecht zu, nämlich ein Aufenthaltsrecht zum Familiennachzug gemäß 28 Abs.1 Satz 1 Nr.3 AufenthG. Hiernach ist die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Die Klägerin hat während des streitbefangenen Zeitraums unstreitig für ihre Tochter, die deutsche Staatsbürgerin ist, die Personensorge ausgeübt.
Dieses Aufenthaltsrecht ist auch nicht erst mit der Anerkennung der Vaterschaft für die Tochter der Klägerin durch den deutschen Staatsbürger B S am 28.01.2015, sondern bereits mit der Geburt der Tochter F A am XX.XX.XXXX und damit vor Beginn des hier streitgegenständlichen Zeitraums entstanden. Die Tochter der Klägerin hat die deutsche Staatsangehörigkeit nämlich bereits mit der Geburt erworben.
Dies ergibt sich aus dem Regelungsgefüge des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG). Gemäß § 1 Abs.1 Nr.1 StAG wird die deutsche Staatsbürgerschaft unter anderem durch Geburt erworben. Die Anerkennung oder Feststellung einer zuvor streitig gestellten Vaterschaft werden nicht als Erwerbstatbestand aufgeführt. Die weiteren aufgeführten Erwerbstatbestände sind erkennbar nicht einschlägig.
Der Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt wird im Einzelnen in § 4 Abs.1 StAG geregelt. Danach erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Geburt, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach den deutschen Gesetzen die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich, so bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs einer nach deutschen Gesetzen wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft; die Anerkennungserklärung muss abgegeben oder das Feststellungsverfahren muss eingeleitet sein, bevor das Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat.
Zwar ist gemäß § 4 Abs.1 Satz 2 StAG für die "Geltendmachung des Erwerbs" die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich. Dass aber auch in diesem Fall der Erwerb der Staatsbürgerschaft selbst bereits mit der Geburt des Kindes erfolgt, ergibt sich daraus, dass die Erwerbstatbestände des § 1 StAG (kein Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anerkennung einer zuvor streitig gestellten Vaterschaft) abschließend sind und dass das Gesetz auch den Sonderfall einer streitig gestellten Vaterschaft als Unterfall in den § 4 StAG einbezieht, der insgesamt die Modalitäten eines Erwerbs der Staatsangehörigkeit durch die Geburt regelt. Weiter differenziert § 4 StAG zwischen dem "Erwerb" der Staatsbürgerschaft und der "Geltendmachung des Erwerbs", also einer Bezugnahme auf die Staatsbürgerschaft zur Inanspruchnahme sich aus dieser ergebender Rechte. Nur für letztere, nicht aber für den Erwerb selbst, ist nach dem klaren Wortlaut der Norm die Anerkennung oder die Feststellung der Vaterschaft zur "Beweisführung" erforderlich (vgl. zu der Frage auch BayObLGR 1998, 49, 50 – juris).
Für die Annahme eines "weiteren Aufenthaltsrechts" über das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche hinaus ist auch nicht die Erteilung eines diesbezüglichen Aufenthaltstitels durch die Ausländerbehörde erforderlich.
Es kommt allein darauf an, ob ein solcher Titel aufgrund eines bestehenden Aufenthaltsrechts zu erteilen wäre (vgl. SG Dortmund, Beschluss vom 20. Juli 2016 – S 32 AS 3037/16 ER –, Rn. 21, juris LSG NRW, Urteil vom 01.06.2015 – L 19 AS 1923/14 – juris (Rn. 39)).
Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer bereits aus dem Wortlaut des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2, der nicht auf den Aufenthaltstitel, sondern ausdrücklich darauf abstellt, ob sich das Aufenthaltsrecht des Ausländers allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Diese Auffassung wird durch die Existenz des vom Beklagten angeführten § 7 Abs.1 Satz 3 SGB II nicht in Frage gestellt, sondern bestätigt. Hiernach gilt § 7 Abs.1 Satz 2 Nummer 1 nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Diese "Unterausnahme" bezieht sich aber nur auf den in § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.1 SGB II normierten Leistungsausschluss für die ersten drei Monate und gerade nicht auf den hier in Betracht kommenden Leistungsausschluss nach § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II. Hiermit wollte der Gesetzgeber die Ausländer, die sich mit einem erkennbaren Titel aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen in Deutschland aufhalten (vgl. hierzu Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 7, Rn. 115; der hier einschlägige § 28 AufenthG gehört gar nicht zu den von § 7 Abs.1 Satz 3 SGB II geregelten Tatbeständen) privilegieren und vom generalisierten, vom Bestand weiterer Aufenthaltsrechte grundsätzlich unabhängigen Leistungsausschluss für die ersten drei Monate des Aufenthalts ausnehmen. Hätte der Gesetzgeber der Erteilung eines Aufenthaltstitels dagegen auch für den Ausschlusstatbestand des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB II Bedeutung beigemessen, hätte er die Anwendbarkeit des § 7 Abs.1 Satz 3 SGB II nicht auf den Leistungsausschluss des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr.1 SGB II beschränkt.
Bei dem hier einschlägigen aufenthaltsrechtlichen Tatbestand des § 28 Abs.1 Satz 1 Nr.3 AufenthG handelt es sich um einen "gebundenen" Tatbestand, so dass die Ausländerbehörde den Aufenthaltstitel bei einem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ohne die Ausübung von Ermessen zu erteilen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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