L 5 KR 889/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 KR 4872/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 889/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.10.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

(I)

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und zur sozialen Pflegeversicherung ab dem 01.04.2007.

Der 1959 geborene Kläger war langjährig bei der Beklagten zu 1) kranken- und bei der Beklagten zu 2) pflegepflichtversichert. Nachdem die Beteiligten zuvor um eine Kündigung der freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers mit Bescheid vom 02.04.2002 gestritten hatten, die Beklagte diesen Bescheid sodann mit Bescheid vom 23.06.2005 zurückgenommen hatte und das Sozialgericht Stuttgart (SG) mit Urteil vom 16.10.2007 (- S 12 KR 8549/04 -) u.a. festgestellt hatte, dass die Kündigung der Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten rechtswidrig gewesen ist, die Berufung des Klägers hiergegen vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 12.11.2008 (- L 5 KR 5770/07 -) zurückgewiesen worden ist, entschied die Beklagte zu 1) mit Bescheid vom 05.11.2007, dass der Kläger seit dem 01.04.2007 bei ihr in der Auffangversicherung pflichtversichert sei. Zugleich setzte sie monatliche Beiträge zur Krankenversicherung i.H.v. 109,43 EUR und zur Pflegeversicherung i.H.v. 15,93 EUR fest und erhob für die Zeit bis 30.09.2007 Beiträge i.H.v. insg. 752,16 EUR nach.

Nachdem der Kläger die Beiträge nicht entrichtete, stellte die Beklagte zu 1) mit Bescheid vom 16.01.2008 das Ruhen der Leistungsansprühe fest.

Mit Bescheid vom 06.05.2008 berechnete die Beklagte zu 1), auch namens der Beklagten zu 2), nachdem der Kläger Einkommensanfragen nicht beantwortet hatte, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung neu und setzte sie auf Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze ab dem 01.04.2008 auf insg. 563,40 EUR monatlich fest. Auch in der Folgezeit wurden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus der Beitragsbemessungsgrenze bemessen (Beitragsbescheide vom 14.12.2012 [677,25 EUR] und vom 18.12.2013 [696,60 EUR]).

Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) entschieden hatte, dass die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz) vom 27.10.2008, soweit hierin festgelegt war, dass im Falle der Nichtvorlage von Einkommensnachweisen die täglichen Beiträge auf Grundlage eines Betrages von 1/30 der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze festzusetzen seien, die Grenzen der gesetzlich eingeräumten Regelungsbefugnis überschritten haben (Urteil vom 18.12.2013 - B 12 KR 15/11 R -), ermäßigte die Beklagte zu 1), auch namens der Beklagten zu 2), die vom Kläger zu tragenden Beiträge zur "freiwilligen" Kranken- und zur Pflegepflichtversicherung und setzte sie unter Zugrundelegung der Mindestbemessungsgrundlage mit Bescheid vom 21.02.2014 ab dem 01.04.2007 auf insg. 125,36 EUR monatlich, ab dem 01.01.2008 auf insg. 129,63 EUR monatlich, ab dem 01.07.2008 auf insg. 131,70 EUR monatlich, ab dem 01.01.2009 auf insg. 143,64 EUR monatlich, ab dem 01.07.2009 auf insg. 138,60 EUR monatlich, ab dem 01.01.2010 auf insg.140,53 EUR monatlich, ab dem 01.01.2011 auf insg. 145,64 EUR monatlich, ab dem 01.01.2012 auf insg. 149,63 EUR monatlich, ab dem 01.01.2013 auf insg. 154,51 EUR monatlich und für die Zeit ab dem 01.01.2014 auf insg. 158,53 EUR monatlich fest. Durch die neue Beitragsfestsetzung habe sich die Höhe der offenen Forderungen auf 14.938,07 EUR reduziert.

Auf den hiergegen vom Kläger eingelegten Widerspruch berichtigte die Beklagte zu 1) mit Bescheid vom 12.05.2014 den Versicherungsstatus des Klägers dahingehend, dass dieser seit dem 01.04.2007 in der Auffangversicherung pflichtversichert sei. Ferner senkte sie mit Bescheid vom 11.06.2014 die geltend gemachten Säumniszuschläge für den Zeitraum April 2007 - März 2013 von 5 % auf 1 % ab und erließ dem Kläger hiernach Säumniszuschläge i.H.v. 10.666,80 EUR. Einen Erlass der Hauptforderung lehnte die Beklagte zu 1) hingegen ab. Im Rahmen der diesbezüglichen Ermessensentscheidung sei hierbei u.a. zu berücksichtigen, dass die Beitragsforderung nicht als Folge eines unklaren Sachverhalts oder einer unklaren Rechtslage angewachsen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2014 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers sodann zurück. Der Kläger verfüge, so der Widerspruchsausschuss begründend, über keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall, weswegen er seit dem 01.04.2007 in der Auffangversicherung versichert sei. Da er der Krankenkasse keinerlei Auskünfte über seine Einnahmen erteilt habe, seien die Beiträge ab dem 01.04.2007 auf der Grundlage der beitragspflichtigen Mindesteinnahmen festzusetzen gewesen. Eine geringere Beitragsfestsetzung sei nicht möglich. Ein Erlass der Beitragsforderung sei rechtlich nicht möglich, da der Kläger keinen Verzicht auf die Inanspruchnahme von Leistungen erklärt habe.

Hiergegen erhob der Kläger am 05.09.2014 Klage zum SG (- S 16 KR 4872/14 -), mit der er gel-tend machte, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherungen betr. die Zeit ab dem 01.04.2007 seien infolge des mit dem 16.03.2002 begonnenen rechtswidrigen und treuwidrigen Verwaltungshandeln der Beklagten zu 1) verwirkt.

Unter dem 01.und dem 29.04.2014 befragte die Beklagte zu 1) den Kläger unter Hinweis darauf, dass im Falle der Nichtbeantwortung Beiträge aus der Beitragsbemessungsgrenze festzusetzen seien, im Wege der Übersendung von Einkommensfragebögen zu dessen Einkünften. Nachdem der Kläger keine Auskünfte erteilt hatte, setzte die Beklagte zu 1) mit Bescheid vom 29.07.2014 die Beiträge ab dem 01.08.2014 aus der Beitragsbemessungsgrenze von 4.050,- EUR i.H.v. 603,45 EUR monatlich zur Krankenversicherung und i.H.v. 93,15 EUR zur Pflegeversicherung fest.

Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers änderte die Beklagte zu 1) den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass die Beiträge in der festgesetzten Höhe erst ab dem 01.09.2014 gölten (Bescheid vom 04.11.2014). Mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2015 wies die Beklagte zu 1), die Aufgaben der Beklagten zu 2) wahrnehmend, den Widerspruch des Klägers zurück. Sie führte aus, Mitglieder hätten die für die Beitragsbemessung erforderlichen Nachweise auf Verlangen vorzulegen. Sofern und solange dies nicht geschehe, seien für die weitere Beitragsbemessung für den Kalendertag beitragspflichtige Einnahmen i.H.v. 1/30 der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze von 4.050,- EUR (2014) bzw. 4.125,- EUR (2015) zugrunde zu legen. Da der Kläger trotz mehrfacher Anforderung keine Einkommensnachweise vorgelegt habe, seien die Beiträge nach § 6 Abs. 5 BeitrVerfGrsSz ab dem 01.09.2014 neu festzusetzen gewesen. Auch der Vortrag des Klägers zu Begründung des Widerspruchs, es gebe keine gesetzliche Grundlage für das Auskunftsbegehren der Beklagten zu 1) führe zu keiner abweichenden Beurteilung; das BSG habe entschieden, dass die BeitrVerfGrsSz grundsätzlich nicht zu beanstanden seien.

Hiergegen erhob der Kläger am 04.03.2015 Klage zum SG (- S 16 KR 1392/15 -), die mit Beschluss vom 27.10.2016 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zum Verfahren - S 16 KR 4872/14 - verbunden worden ist.

Zur Begründung seiner Klagen brachte der Kläger vor, die Beklagte zu 1) habe die Beiträge für die Zeit ab 01.04.2007 durch fortgesetzt rechtswidriges und treuwidriges Verwaltungshandelns verwirkt. Sie habe die rechtswidrige Kündigung seiner freiwilligen Mitgliedschaft zum 15.03.2002 nicht zurückgenommen, sondern ihm mehr als drei Jahre später lediglich das Angebot unterbreitet, die Versicherung fortzusetzen, falls er bereit sei, Beiträge i.H.v. insg. 4.421,05 EUR zu zahlen. Dies habe er zurückgewiesen. Die Beklagte zu 1) habe ausschließlich die treuwidrige Absicht verfolgt, durch die rückwirkende Wiederherstellung seines Versicherungsverhältnisses Beiträge über Jahre hinweg auflaufen zu lassen. Auch habe sie die Leistungen für die hierdurch bedingten gesundheitlichen Schäden jahrelang rechtswidrig verweigert. Da nach dem Urteil des SG vom 16.10.2007 bis zum 31.03.2007 ein Versicherungsverhältnis bestanden habe, seien die gegenseitigen versicherungsrechtlichen Ansprüche und Pflichten ab dem 01.04.2007 in die neue gesetzliche Pflichtversicherung übergegangen. Die Beklagte habe sodann mit dem Bescheid vom 05.11.2007 die während der Zeit bis zum Urteil des SG eingetretene Gesetzesänderung genutzt, um sich durch die neue Pflichtversicherung vor den Konsequenzen ihrer jahrelangen Leistungsverweigerung zu drücken. Zudem habe sie das neue Versicherungsrecht über sieben Monate zu spät umgesetzt; für diesen Zeitraum könne sie keine Beiträge verlangen. Da der Bescheid vom 05.11.2007 rechtswidrig sei, bestehe für die Geltendmachung von Beitragsansprüchen betr. die Zeit ab dem 01.04.2007 keine Rechtsgrundlage. Infolge der - fehlerhaften - Entscheidung der Beklagten zu 1), dass seine Leistungsansprüche ab Januar 2008 ruhten, bestehe auch keine Verpflichtung seinerseits, Beiträge zu zahlen. Schließlich habe die Beklagte zu 1) ihn, den arbeitslosen Kläger, zu Unrecht in die beitragsrechtliche Höchstbemessungsgrenze eingestuft.

Die Beklagten traten den Klagen unter Verweis auf den Inhalt der angefochtenen Widerspruchsbescheide entgegen.

Mit Urteil vom 27.10.2016 wies das SG die Klagen ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es aus, streitgegenständlich seien der Beitragsbescheid vom 21.02.2014/ Berichtigungsbescheids vom 12.05.2014 (Widerspruchsbescheid vom 07.08.2014), mit dem die Beklagte zu 1) unter Rücknahme früherer Beitragsbescheide die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Klägers für den Zeitraum vom 01.04.2007 - 31.08.2014 aus der Mindestbemessungsgrundlage festgesetzt habe, sowie der Beitragsbescheid vom 29.07.2014/Änderungsbescheids vom 04.11.2014 (Widerspruchsbescheid vom 05.02.2015), mit dem die Beklagte zu 1) Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus der gesetzlichen Beitragsbemessungsgrenze ab dem 01.09.2014 erhoben habe. Diese Bescheide seien jedoch rechtmäßig. Die Beiträge seien zu Recht vom 01.04.2007 - 31.08.2014 aus der gesetzlichen Mindestbemessungsgrundlage und seit dem 01.09.2014 aus der Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt worden. Dies gelte ungeachtet der Frage, ob der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum freiwillig oder nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) pflichtversichert gewesen sei, da beide Versichertengruppen beitragsrechtlich grundsätzlich gleichgestellt seien. Die Höhe der Beiträge bestimme sich in beiden Fällen nach denselben gesetzlichen Vorschriften, nach § 240 SGB V und § 56 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Danach werde die Beitragsbemessung durch die Satzung bzw. seit Juli 2009 durch die BeitrVerfGrsSz geregelt (§ 240 Abs. 1 Satz 1 SGV). Als beitragspflichtige Einnahme gelte nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Hiernach sei unabhängig vom tatsächlichen Einkommen zwingend zumindest dieser Betrag der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Diese Regelung, durch die der Gesetzgeber zur Sicherung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beitragszahlung und Krankenversicherungsschutz eine absolute Beitragsuntergrenze festgelegt habe, sei, so das SG unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.05.2001(- 1 BvL 4/96 -, in juris) verfassungsgemäß. Die Beklagte zu 1) habe diese gesetzlichen Vorgaben rechtsfehlerfrei angewandt und die zur Auslegung der Vorschriften in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze in ihren Widerspruchsbescheiden zutreffend dargestellt. Die Beitragsforderung der Beklagten sei nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung sei als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) zwar auch im Sozialversicherungsrecht und insb. für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für zurückliegende Zeiten anerkannt, eine Verwirkung setze indes voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen habe. Dies sei vorliegend offensichtlich nicht der Fall. Allein der Umstand, dass die Beklagte zu 1) die Beiträge für die Zeit ab dem 01.04.2007 erstmals mit Bescheid vom 05.11.2007 festgesetzt habe, habe beim Kläger vernünftiger Weise kein Vertrauen darauf begründen können, dass die Beiträge für die dazwischenliegenden Monate nicht mehr erhoben würden. Auch schlage der klägerische Vortrag unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs nicht durch. Danach dürften in gesetzeswidriger Weise erworbene Rechte im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben nicht ausgeübt werden. Dies gelte indes nur bei einem objektiv-rechtswidrigen Rechtserwerb. Die bloß subjektive Vorstellung des Klägers, die Beklagte zu 1) handle ihm gegenüber fortlaufend rechtswidrig, genüge nicht. Es fehlten bereits Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 1) die Beitragsforderung rechtswidrig erworben oder die Voraussetzungen für die Beitragserhebung rechtsmissbräuchlich herbeigeführt habe. Soweit der Kläger anführe, die Beklagte zu 1) habe die Folgen ihrer rechtswidrigen Kündigung aus dem Jahr 2002 bis heute nicht rückabgewickelt, berechtige dies ihn, den Kläger, nicht, die Zahlung von Beiträgen für die Zeit ab April 2007 zu verweigern. Auch die Beitragserhöhung ab dem 01.09.2014 sei nicht zu beanstanden. Mit Wirkung ab dem 01.08.2014 sei mit der Vorschrift des § 240 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V eine gesetzliche Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung bei Mitgliedern, die ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen, eingeführt worden, nach der gelte, dass sofern und solange Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorlegen, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze gelte. Dies rechtfertige es, die (laufende) Beitragserhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, da in den rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des vorherigen Beitragsbescheides vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Der diesbezügliche Einwand des Klägers, er befinde sich nicht in einem ordentlichen Versicherungsverhältnis und sei daher nicht zur Auskunft verpflichtet, treffe nicht zu, weil das Gesetz eine solche außerordentliche, gekündigte und deswegen beitragsfreie Mitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenkasse nicht kenne. Der Kläger sei "ordentliches" Mitglied der Beklagten, da er entweder wegen der Rechtswidrigkeit der Kündigung seiner Mitgliedschaft zum 15.03.2002 weiterhin bei der Beklagten zu 1) als freiwilliges Mitglied i.S.d. § 9 SGB V oder nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V wegen Fehlen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall pflichtversichert sei. Letztere trete kraft Gesetzes ein und setze damit weder den Abschluss eines Vertrages noch einen Antrag des Versicherten oder Aufnahmeakt der Krankenkasse voraus. Eine andere Möglichkeit sehe das Gesetz nicht vor. Als Versicherter sei der Kläger nach § 206 Abs. 1 Nr. 1 SGB V gesetzlich verpflichtet, der Beklagten zu 1) auf Verlangen über alle für die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht und für die Durchführung der der Krankenkasse übertragenen Aufgaben erforderlichen Tatsachen unverzüglich Auskunft zu erteilen. Dieser Verpflichtung sei der Kläger auch nach mehrfacher Aufforderung seitens der Beklagten zu 1) nicht nachgekommen.

Gegen das ihm am 01.02.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.02.2017 beim SG Berufung eingelegt. Das Urteil des SG würdige nicht, dass die Beklagte zu 1) sein Versicherungsverhältnis bewusst rechtswidrig gekündigt habe und erst 6 ½ Jahre später von einem Teil der rechtswidrigen Beitragsforderung abgesehen habe. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass auch die weitergehende Forderung erlassen werden würde. Dass sich die Beklagte zu 1) sodann auf eine – zufällig zu diesem Zeitpunkt – eingetretene Gesetzesänderung berufe, sei rechtsmissbräuchlich. Er beantrage insofern, dass die Beklagte zu 1) verurteilt werde, auch auf die weitergehende rechtswidrige Forderung zu verzichten.

Der Kläger beantragt - sachdienlich gefasst -,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.10.2016 sowie die Bescheide der Beklagten zu 1) vom 21.02.2014 in der Fassung des Bescheides vom 12.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.08.2014 und die Bescheide vom 29.07.2014 in der Fassung des Bescheides vom 04.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2015 aufzuheben und die Beklagte zu 1) zu verurteilen, ihre geltend gemachte Beitragsforderung zu erlassen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte zu 1) auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 19.10.2017, das dem Kläger am 21.10.2017 zugestellt worden ist, sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg verspricht, da die Beitragsfestsetzung nicht zu beanstanden sei und der Antrag, die Beklagte zu verurteilen, auf die Forderung zu verzichten, eine unzulässige Klageänderung darstellen sollte. Ferner wurde mitgeteilt, dass der Senat erwägt, über die Berufung im Beschlusswege nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden. Den Beteiligten wurde Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu bis zum 15.11.2017 zu äußern.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten geführte Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.

(II)

Die statthafte (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) Berufung des Klägers wurde form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegt; sie ist zulässig. Der Senat konnte über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 4 SGG im Beschlusswege entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung, auch in Ermangelung eines anderlautenden Vortrages, nicht erforderlich erscheint.

Streitgegenständlich ist hierbei (einzig) die Beitragserhebung der Beklagten zu 1) vom 01.04.2007 - 31.08.2014 und ab dem 01.09.2014. Angefochten ist insofern der Beitragsbescheid vom 21.02.2014 in der Fassung des Berichtigungsbescheids vom 12.05.2014 (Widerspruchsbescheid vom 07.08.2014) und der Beitragsbescheid vom 29.07.2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 04.11.2014 (Widerspruchsbescheid vom 05.02.2015).

Soweit der Kläger in seinem Berufungsschriftsatz vom 27.02.2017 beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die (noch bestehende) Beitragsforderung zu erlassen, führt dies, ungeachtet davon, ob der Kläger diesen Antrag (zuletzt) noch aufrechterhalten hat - eine entsprechende Erklärung auf die gerichtliche Anhörungsmitteilung vom 19.10.2017 ist nicht erfolgt - nicht dazu, dass über den begehrten Erlass der Forderung zu entscheiden wäre. Mit dem Antrag im Berufungsverfahren erweitert der Kläger gegenüber seinem erstinstanzlichen Vorbringen und der dortigen Antragstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem SG, in der der anwesende Kläger keinen entsprechenden Leistungs- bzw. Verpflichtungsantrag gestellt hat, seinen Antrag. Zwar ist eine hierin zu erblickende Klageänderung auch im Berufungsverfahren dem Grunde nach möglich, sie ist vorliegend jedoch unzulässig, da sich weder die Beklagten rügelos eingelassen haben, noch die Erweiterung sachdienlich i.S.d. §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 1 SGG ist.

Die Berufung des Klägers führt für diesen inhaltlich nicht zum Erfolg. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen, da die Bescheide der Beklagten zu 1) vom 21.02.2014 in der Fassung des Berichtigungsbescheids vom 12.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2014 und der Beitragsbescheid vom 29.07.2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 04.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2015 rechtmäßig sind.

Die Beklagte zu 1) ist berechtigt gewesen, auch im Namen der Beklagten zu 2) Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung festzusetzen, da nach § 46 Abs. 2 Satz 4 SGB XI Kranken- und Pflegekassen für Mitglieder, die - wie der Kläger - ihre Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen dürfen. Hierauf wurde der Kläger im Bescheid vom 21.02.2014 und hinsichtlich der Beitragserhebung ab September 2014 jedenfalls im Widerspruchsbescheid vom 05.02.2015 hingewiesen.

Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Beklagten zu 1) kranken- und bei der Beklagten zu 2) pflegepflichtversichert. Infolge dieser Mitgliedschaft unterliegt der Kläger der Verpflichtung, nach § 223 Abs. 1 SGB V bzw. nach § 54 Abs. 2 Satz 2 SGB XI für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft Beiträge zu zahlen. Dies gilt, entgegen dem klägerischen Vorbringen, auch insofern, als die Beklagte zu 1) ab Januar 2008 das Ruhen der Leistungsansprüche festgestellt hat, da hierdurch die Verpflichtung des Versicherten, Beiträge zu entrichten, nicht suspendiert wird. Ob der Kläger hierbei freiwillig oder nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V pflichtversichert ist, kann vorliegend offen bleiben, da die Verpflichtung Beiträge zu entrichten in beiden Fällen gilt. Dies gilt auch insofern, als sowohl freiwillig Versicherte nach § 250 Abs. 2 SGB V, als auch nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Versicherte nach § 250 Abs. 3 SGB V die Beiträge alleine zu tragen haben.

Die aufgrund der im streitgegenständlichen Zeitraum bestehenden Mitgliedschaft bestehenden Beitragsforderungen der Beklagten sind, anders als der Kläger zuvorderst vorbringt, nicht verwirkt. Das SG hat im angefochtenen Urteil ausführlich und zutreffend dargelegt, dass die Beitragserhebung weder rechtsmissbräuchlich ist noch die Beitragsforderung verwirkt ist. Der Senat nimmt auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil Bezug, macht sich diese zu eigen und sieht von einer diesbezüglichen Begründung seiner Entscheidung nach § 153 Abs. 2 SGG ab. Da der Kläger mit der Berufung im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt, sind weitergehende Ausführungen des Senats nicht angezeigt oder erforderlich.

Auch die Höhe der im streitgegenständlichen Zeitraum festgesetzten Beiträge unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Auch insofern kann der Versicherungsstatus des Klägers offen bleiben, da die Beitragserhebung für in der Auffangversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Versicherte gemäß § 227 SGB V nach § 240 SGB V erfolgt, in dem die Beitragserhebung freiwilliger Mitglieder geregelt ist.

Nach § 240 Abs. 1 SGB V in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung, der nach § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI für die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung analog gilt, war die Beitragsbemessung durch die Satzung der Krankenkasse zu regeln. Ab dem 01.01.2009 erfolgte die Beitragserhebung einheitlich durch die BeitrVerfGrsSz. Hierbei war und ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt. Hierzu war in § 12 Abs. 2 der Satzung der Beklagten zu 1) bzw. ist in § 3 BeitrVerfGrsSz in der ab dem 01.01.2009 geltenden Fassung niedergelegt, dass als beitragspflichtige Einnahmen ohne Rücksicht auf die steuerliche Behandlung alle Einnahmen und Geldmittel zu berücksichtigen waren bzw. sind, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können. Nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V gilt mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße als beitragspflichtige Einnahme pro Kalendertag. D.h., dass mind. 1/3 der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch der Verbeitragung zu Grunde zu legen ist. Dies hat die Beklagte zu 1) zutreffend umgesetzt, als sie für das Jahr 2007 bei einer Bezugsgröße von 2.450,- EUR monatlich der Beitragsfestsetzung beitragspflichtige Einnahmen i.H.v. 816,67 EUR monatlich, für das Jahr 2008 bei einer Bezugsgröße von 2.485,- EUR solche i.H.v. 828,33 EUR, für das Jahr 2009 bei einer Bezugsgröße von 2.520,- EUR solche i.H.v. 840,- EUR, für die Jahre 2010 und 2011 bei einer (unveränderten) Bezugsgröße von 2.555,- EUR solche i.H.v. 851,67 EUR monatlich, für das Jahr 2012 bei einer Bezugsgröße von 2.625,- EUR solche i.H.v. 875,- EUR, für das Jahr 2013 bei einer Bezugsgröße von 2.695,- EUR solche i.H.v. 898,33 EUR und für das Jahr 2014 bei einer Bezugsgröße von 2.765,- EUR solche i.H.v. 921,67 EUR zu Grunde gelegt hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 1) von fehlerhaften Beträgen oder Beitragssätzen ausgegangen ist, sind dem Senat nicht ersichtlich. Auch der Kläger hat gegen die konkrete Höhe der festgesetzten Beiträge keine Bedenken vorgebracht. Die jeweils festgesetzten Mindestbeiträge sind selbst dann vom Kläger zu tragen, wenn dieser geringere oder gar keine Einkünfte erzielt hat (vgl. BSG, Urteil vom 10.03.1994 - 12 RK 4/92 -, in juris).

Auch die Höhe der ab dem 01.09.2014 festgesetzten Beiträge unterliegt keinen durchgreifenden Bedenken. Nach § 240 Abs. 1 Satz 2 2.Halbsatz SGB V, der mit Wirkung zum 01.08.2014 eingefügt worden ist, gilt, sofern und solange Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorlegen, der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V) als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag. D.h., dass die monatliche Beitragsbemessungsgrenze als beitragspflichtige Einnahme gilt. Da der Kläger Nachweise über seine Einnahmen nicht erteilt hat, ist die Beklagte zu 1) berechtigt, die vom Kläger ab dem 01.09.2014 laufend zu tragenden monatlichen Beiträge anhand der Beitragsbemessungsgrenze zu berechnen. Diese belief sich im Jahr 2014 auf monatlich 4.050,- EUR, im Jahr 2015 auf monatlich 4.125,- EUR, im Jahr 2016 auf monatlich 4237,50 EUR und im Jahr 2017 auf monatlich 4.350,- EUR. Auch insofern liegen Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 1) von fehlerhaften Beträgen oder Beitragssätzen ausgegangen ist, nicht vor.

Mithin ist die Beitragsfestsetzung der Beklagten seit dem 01.04.2007 weder dem Grunde, noch der Höhe nach zu beanstanden. Die Bescheide der Beklagten zu 1) vom 21.02.2014 in der Fassung des Berichtigungsbescheids vom 12.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2014 und der Beitragsbescheid vom 29.07.2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 04.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2015 sind rechtmäßig. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen; die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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