L 11 KR 3764/17 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 KR 3987/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3764/17 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.09.2017 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 300 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zwar statthaft, fristgemäß und auch sonst zulässig, in der Sache jedoch ohne Erfolg. Die Berufung ist nicht zuzulassen.

Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die Berufung der Zulassung bedarf (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG), denn die Beschwer liegt bei 300 EUR. Maßgeblich ist das Begehren der Klägerin als Rechtsmittelführerin und damit der Rechtsmittelstreitwert (vgl BSG 04.07.2011, B 14 AS 30/11 B, juris RdNr 4; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 144 RdNr 14).

Gemäß § 144 Abs 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Von diesen Vorgaben ausgehend liegen Gründe für die Zulassung der Berufung nicht vor.

(1.) Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle die notwendige Klärung erfolgt (so die ständige Rechtsprechung des BSG seit 20.12.1955, 10 RV 225/54, BSGE 2, 129, 132). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl BSG 16.11.1987, 5b BJ 118/87, SozR 1500 § 160a Nr 60; BSG 16.12.1993, 7 BAr 126/93, SozR 3-1500 § 160a Nr 16; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 144 RdNrn 28 f; § 160 RdNrn 6 ff jeweils mwN). Von einer Klärung ist im Regelfall auszugehen, wenn die Frage höchstrichterlich entschieden ist (BSG 21.11.1983, 9a BVi 7/83, SozR 1500 § 160 Nr 51). Dem steht gleich, wenn zur Auslegung vergleichbarer Regelungen schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichend Anhaltspunkte für die Beantwortung der konkreten Frage geben (BSG 31.03.1993, 13 BJ 215/92, SozR 3-1500 § 146 Nr 2) oder wenn die Beantwortung so gut wie unbestritten ist (BSG 02.03.1976, 12/11 BA 116/75, SozR 1500 § 160 Nr 17) oder von vornherein praktisch außer Zweifel steht (BSG 04.06.1975, 11 BA 4/75, BSGE 40, 40, 42 = SozR 1500 § 160a Nr 4; BSG 30.03.2005, B 4 RA 257/04 B, SozR 4-1500 § 160a Nr 7). Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (BSG 26.06.1975, 12 BJ 12/75, SozR 1500 § 160a Nr 7).

Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im oben dargestellten Sinn stellen sich hier nicht. Das BSG hat sich umfassend zum Anwendungsbereich von § 275 Abs 1c SGB V geäußert mit Urteilen vom 01.07.2014 (B 1 KR 29/13 R, BSGE 116, 165, SozR 4-2500 § 301 Nr 4), 14.10.2014 (B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3); 21.04.2015 (B 1 KR 6/15 R, BSGE 118, 219, SozR 4-2500 § 109 Nr 43) und 23.06.2015 (ua B 1 KR 20/14 R, BSGE 119, 141, SozR 4-2500 § 108 Nr 4). Auch in den Urteilen vom 25.10.2016 (B 1 KR 16/16 R; B 1 KR 18/16 R, B1 KR 19/16 R und B 1 KR 22/16 R), 28.03.2017 (B 1 KR 29/16 R; B 1 KR 3/16 R) und vom 23.05.2017 (B 1 KR 24/16 R; B 1 KR 28/16 R) hat das BSG erneut Stellung genommen.

(2.) Eine Abweichung der Entscheidung des SG von einer Entscheidung eines der in § 144 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichte (Divergenz) liegt nicht vor. Divergenz bedeutet einen Widerspruch im Rechtssatz oder das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt worden sind. Dies setzt begrifflich voraus, dass das SG einen entsprechenden abstrakten Rechtssatz gebildet hat. Dies ist nicht der Fall und die Klägerin hat einen solchen Rechtssatz auch weder behauptet noch dargetan. Das SG hat sich vielmehr ausdrücklich der maßgeblichen Rechtsprechung des BSG zur Frage des Anwendungsbereichs des § 275 Abs 1c SGB V und der Unterscheidung zwischen Auffälligkeitsprüfung und sachlich-rechnerischer Prüfung angeschlossen und eine Beweislastentscheidung im Einzelfall getroffen. Hierin liegt keine Bildung eines abstrakten Rechtssatzes und damit keine Divergenz. Die möglichweise geltend gemachte Unrichtigkeit der Rechtsanwendung im Einzelfall stellt in keinem Fall einen Zulassungsgrund dar.

(3.) Ein Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung beruhen kann, liegt nicht vor. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils, es geht nicht um die Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (eingehend Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 144 Rn 32 ff). Ein Fehler im prozessualen Vorgehen ist nicht ersichtlich. Bei der Beurteilung, ob ein die Zulassung der Berufung rechtfertigender Verfahrensmangel unterlaufen ist, muss von der Rechtsauffassung des SG ausgegangen werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, aaO, § 144 Rn 32a), dh, bei dem von der Klägerin gerügten Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht ist zu fragen, ob sich das SG aus seiner rechtlichen Sicht zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (vgl etwa BSG 12.12.2003, B 13 RJ 179/03 B; 08.12.2009, B 5 R 148/09 B; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt aaO, § 103 Rn, 5, 20). Dies ist nicht der Fall. Das SG hat die noch vorliegenden Unterlagen ausgewertet, ausgelegt und bewertet und eine Beweislastentscheidung im Einzelfall getroffen. Dies stellt kein prozessuales Vorgehen iS des Verfahrensrechts dar, sondern betrifft eine Frage der Rechtsanwendung. Ausgehend vom Rechtsstandpunkt des SG ist keine weitere Amtsermittlung erforderlich gewesen.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen. Mit der Zurückweisung der Beschwerde wird das Urteil des SG rechtskräftig (§ 145 Abs 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, die Entscheidung über den Streitwert auf § 197a SGG iVm §§ 63 Abs 2 Satz 1, 52 Abs 3 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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