Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 KR 160/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei der Berechnung des Regelentgelts für die Bemessung des Krankengeldes (§ 47 Abs. 1 und 2 SGB V) sind Überstunden als regelmäßige wöchentliche Arbeitsstunden i.S.v. § 47 Abs. 2 Satz 2 SGB V mitzuberücksichtigen, wenn sie nach dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses regelmäßig erbracht worden sind. Die Regelmäßigkeit ist zu bejahen, wenn in den letzten abgerechneten drei Monaten oder 13 Wochen (Referenzzeitraum) in jedem Monat mindestens eine Überstunde geleistet worden ist.
2. Beruht das Fehlen von Überstunden in einem Monat des dreimonatigen Referenzzeitraumes auf Umständen, die nicht durch die Art der Tätigkeit bedingt worden sind (z.B. Arbeitsunfähigkeit, Urlaub), bleibt dieser Monat außer Betracht. Der Zeitraum ist zu erweitern, bis er wieder drei abgerechnete Monate umfasst.
(Anschluss an BSG, Urteil vom 01.06.1994, Az. 7 RAr 40/93, zum Übergangsgeld nach § 59 Abs. 2 und 3 AFG i.d.F. durch das Gesundheitsreformgesetz vom 20.12.1988, BGBl I, S. 2477)
2. Beruht das Fehlen von Überstunden in einem Monat des dreimonatigen Referenzzeitraumes auf Umständen, die nicht durch die Art der Tätigkeit bedingt worden sind (z.B. Arbeitsunfähigkeit, Urlaub), bleibt dieser Monat außer Betracht. Der Zeitraum ist zu erweitern, bis er wieder drei abgerechnete Monate umfasst.
(Anschluss an BSG, Urteil vom 01.06.1994, Az. 7 RAr 40/93, zum Übergangsgeld nach § 59 Abs. 2 und 3 AFG i.d.F. durch das Gesundheitsreformgesetz vom 20.12.1988, BGBl I, S. 2477)
I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 14.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2017 verurteilt, die Höhe des klägerischen Krankengeldanspruchs ab 24.08.2016 neu zu berechnen mit der Maßgabe, dass die dem Kläger in den Monaten März 2016, April 2016 und Juni 2016 ausbezahlten Überstunden bei der Bemessung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden berücksichtigt werden.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten höheres Krankengeld unter Berücksichtigung von Überstunden. Der Kläger ist als Baumaschinenmechaniker bei der Becker Baumaschinen GmbH beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Seit dem 21.07.2016 ist er arbeitsunfähig erkrankt. Vom 02.05.2017 bis zum 06.06.2017 hat er eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme mit Bezug von Übergangsgeld durch den Rentenversicherungsträger durchgeführt. Mit Bescheid vom 14.09.2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger ein kalendertägliches Krankengeld in Höhe von 59,63 EUR brutto bzw. 52,46 EUR netto ab 24.08.2016. Mit Schreiben vom 20.09.2016 bat der Kläger die Beklagte, die Berechnung des Krankengeldes noch einmal zu überarbeiten, da nach seiner Auffassung bei unterschiedlichen monatlichen Einkommen deren Durchschnitt aus den letzten drei Monaten der Krankengeldberechnung zugrunde zu legen sei. Zum Beleg legte der Kläger eine Krankengeldberechnung der Beklagten für ihn aus dem Jahr 2010 vor. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 22.09.2016, dass bei einer Entlohnung nach Stunden, wie aktuell vom Arbeitgeber des Klägers angegeben, immer vom letzten Entgelt-abrechnungszeitraum vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei. Demgegenüber habe der Arbeitgeber des Klägers im Jahr 2010 einen festen Monatslohn angegeben, was bei Schwankungen u.U. zu einer Berechnung aufgrund der letzten drei abgerechneten Monate führe. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 27.09.2016, dass er regelmäßig täglich neun Stunden und damit wöchentlich 45 Stunden arbeite. Er legte seine Lohnabrechnungen von Dezember 2015 bis Juni 2016 vor. Daraus ist zu ersehen, dass dem Kläger Lohn für 20 Überstunden jeweils für Dezember 2015 und Januar 2016 ausbezahlt wurde sowie jeweils für 15 Überstunden für die Monaten Februar, März, April und Juni 2016. Für Mai 2016 wurden dagegen keine Überstunden ausbezahlt, der Kläger war vom 03.05.2016 bis zum 24.05.2016 krank und erhielt Entgeltfortzahlung für 123,50 krankheitsbedingt ausgefallene Stunden. Die Beklagte wiederum teilte dem Kläger mit Schreiben vom 17.10.2016 mit, welche Daten dessen Arbeitgeber für die Krankengeldberechnung übermittelt hatte, und erläuterte, dass für eine Berücksichtigung von Mehrarbeitsstunden in den Monaten April, Mai und Juni 2016 jeweils mindestens eine Stunde Mehrarbeit erforderlich gewesen wäre. Im Mai seien aber aufgrund der Mitteilung des Arbeitgebers keine Mehrarbeitsstunden geleistet worden. Mit Schreiben vom 09.11.2016 legte der Kläger der Beklagten seine Monatslohnauswertungen von April, Mai und Juni 2016 vor. Daraus ist ersichtlich, dass die Sollarbeitszeit jeweils montags bis donnerstags acht Stunden täglich und freitags 6,5 Stunden, also insgesamt 38,5 Stunden pro Woche beträgt. Laut den Monatslohnauswertungen leistete der Kläger - im April 2016 insgesamt 19 Stunden 47 Minuten Mehrarbeit (wovon wegen der Überstundenabgeltung von 15 Stunden nur 4 Stunden 47 Minuten dem Gleitzeitkonto des Klägers gutgeschrieben wurden), - im Mai - an insgesamt nur vier Arbeitstagen wegen Krankheit vom 03.05.-24.05.2016 - 6 Stunden 34 Minuten Mehrarbeit (die mangels Überstundenabgeltung im Mai komplett dem Gleitzeitkonto des Klägers gutgeschrieben wurden) und - im Juni 13 Stunden 9 Minuten (die sich zusammen mit dem Überstundenbestand im Gleitzeitkonto von 26 Stunden 59 Minuten auf 40 Stunden 8 Minuten Mehrarbeit summierten, von denen 15 Überstunden mit der Lohnabrechnung für Juni 2016 ausbezahlt wurden). Mit Bescheid vom 14.11.2016 änderte die Beklagte das dem Kläger ab 24.08.2016 bewilligte kalendertägliche Krankengeld auf 59,30 EUR brutto und 52,17 EUR netto, weil als Bemessungszeitraum (letzter vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneter Entgeltabrechnungszeitraum, vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB V) nicht der Monat Mai 2016, sondern der Monat Juni 2016 heranzuziehen war. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 12.01.2017, weil er nach wie vor darauf bestand, regelmäßig mehr als 38,5 Stunden pro Woche gearbeitet zu haben. Mit Schreiben vom 13.01.2017 erläuterte die Beklagte nochmals, dass im Monat Mai 2016 zwar Überstunden angefallen seien, diese jedoch nicht abgerechnet, sondern dem Zeitkonto gutgeschrieben wurden, weshalb eine Berücksichtigung bei der Krankengeldberechnung nicht möglich sei. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 23.01.2017 "Widerspruch" ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2017 wies die Beklagte schließlich "den Widerspruch vom 23.01.2017 gegen den Bescheid vom 13.01.2017 zurück." Sie legte ausführlich die Berechnungsgrundlagen für das Krankengeld dar und erklärte, dass zu den unter anderem maßgeblichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden auch Überstunden gehören könnten, sofern sie ohne längere Unterbrechungen geleistet worden sind. Dies sei der Fall, wenn in den letzten drei Monaten in jedem Monat mindestens eine Überstunde geleistet wurde. Wenn Überstunden zwar geleistet, aber nicht als laufendes Arbeitsentgelt ausbezahlt, sondern einem Zeitkonto gutgeschrieben würden, blieben diese Stunden bei der Ermittlung der regelmäßigen Arbeitszeit unberücksichtigt. Da der Arbeitgeber dem Kläger im Mai 2016 keine Überstunden ausbezahlt habe, seien in den letzten drei Monaten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gerade nicht regelmäßig Überstunden angefallen. Hiergegen richtet sich die am 19.04.2017 zum Sozialgericht Würzburg erhobene Klage. Zur Begründung weist der Kläger wie bereits im Verwaltung- und Widerspruchsverfahren darauf hin, dass er stets Überstunden gemessen an einer 38,5-Stunden-Woche geleistet habe. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 14.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2017 zu verurteilen, die Höhe des klägerischen Krankengeldanspruchs ab 24.08.2016 neu zu berechnen mit der Maßgabe, dass die dem Kläger in den Monaten März 2016, April 2016 und Juni 2016 ausbezahlten Überstunden bei der Bemessung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden berücksichtigt werden. die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend und verweist zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 06.04.2017. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger begehrt die Neuberechnung seines Krankengeldanspruchs unter Zugrundelegung von regelmäßig vor Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit geleisteten Überstunden. Angefochten ist insoweit der Bescheid vom 14.11.2016, mit dem der Bescheid vom 14.09.2016 ersetzt wurde und das Krankengeld aufgrund des Bemessungszeitraums Juni 2016 statt Mai 2016 neu berechnet wurde. Gegen den Bescheid vom 14.09.2016 hatte der Kläger bereits mit Schreiben 20.09.2016 Widerspruch eingelegt, der gemäß § 86 SGG auch den diesen ersetzenden Bescheid vom 14.11.2016 mitumfasst (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 12. Auflage 2017, Rn. 3). Dem nochmaligen Erläuterungsschreiben vom 13.01.2017 misst das Gericht keinen eigenständigen Regelungsgehalt und damit keine Bescheidqualität bei. Über den Widerspruch hat die Beklagte letztlich mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2017 entschieden. Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, die vom Kläger regelmäßig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit geleisteten Überstunden der Bemessung seines Krankengeldes mit zugrunde zu legen. Versicherte haben gemäß § 44 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Krankengeld, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und 41 SGB V) behandelt werden. Unstreitig steht dem Kläger aufgrund Versicherung als Beschäftigter (§§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 192 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 SGB V) und festgestellter Arbeitsunfähigkeit dem Grunde nach ein Anspruch auf Krankengeld gegen die Beklagte seit 24.08.2016 zu. Die Höhe des Krankengeldes ist in § 47 SGB V geregelt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V beträgt das Krankengeld grundsätzlich 70 % des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts (bei abhängig Beschäftigten) oder Arbeitseinkommens (bei selbstständig Erwerbstätigen), soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Das Regelentgelt wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 5 SGB V u.a. nach § 47 Abs. 2 SGB V berechnet. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB V ist für die Berechnung des Regelentgelts bei nach Stunden berechnetem Arbeitsentgelt das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltzeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde. Nach § 47 Abs. 2 Satz 2 SGB V ist das Ergebnis sodann mit der Zahl der sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden zu vervielfachen und durch sieben zu teilen. Das Regelentgelt errechnet sich damit nach § 47 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V aus folgendem Produkt: Geldfaktor x Zeitfaktor = Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum regelmäßige wöchentliche abzgl. einmalig gezahltes Entgelt Arbeitsstunden = x
Zahl der Stunden, für die das Arbeitsentgelt 7 gezahlt wurde Streitig ist im vorliegenden Fall die Berechnung des Regelentgelts insoweit, als der Kläger die Berücksichtigung von Überstunden geltend macht. Richtigerweise hat die Beklagte den Monat Juni 2016 als letzten vor Beginn der am 21.07.2016 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum herangezogen. Die 15 im Juni 2016 abgerechneten Überstunden wurden im Rahmen des Geldfaktors sowohl beim gezahlten Arbeitsentgelt als auch bei den dafür geleisteten Stunden von der Beklagten zu Recht berücksichtigt. Nach Auffassung des Gerichts ist jedoch auch im Rahmen des Zeitfaktors zu berücksichtigen, dass der Kläger regelmäßig Überstunden geleistet hat bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Maßgeblich für den Zeitfaktor nach § 47 Abs. 2 Satz 2 SGB V sind schon nach dem Gesetzeswortlaut ("Inhalt des Arbeitsverhältnisses") nicht (allein) die vertraglichen Vereinbarungen (im Falle des Kläger also 38,5 Wochenstunden), sondern die tatsächlichen (abgerechneten) Verhältnisse in einem über den Bemessungszeitraum hinausreichenden Referenzzeitraum. Als solcher Referenzzeitraum sind grundsätzlich die letzten abgerechneten 13 Wochen bei Abrechnung nach Wochen bzw. drei Monate bei Abrechnung nach Kalendermonaten zu berücksichtigen, damit ein sicheres Urteil möglich ist und Zufallsergebnisse vermieden werden. Damit gelten Überstunden als regelmäßig, wenn sie mindestens während der letzten 13 Wochen oder drei Monate ohne längere Unterbrechungen geleistet wurden (vgl. ausführlich zur Herleitung dieses Referenzzeitraums BSG, Urteil vom 23.01.1973, Az. 3 RK 22/70). An einer regelmäßigen Verrichtung von Mehrarbeitsstunden fehlt es, wenn in dem Ausgangszeitraum von drei Monaten bzw. 13 Wochen während eines Monats oder vier bzw. fünf Wochen nicht jeweils wenigstens eine volle Mehrarbeitsstunde geleistet worden ist (BSG, Urteil vom 01.06.1994, Az. 7 Rar 40/93). Aus dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergibt sich zudem, dass Mehrarbeitsstunden nur dann zu berücksichtigen sind, wenn dafür Arbeitsentgelt auch erzielt, also abgerechnet und ausgezahlt worden ist und nicht diese Mehrarbeitsstunden nur einem Gleitzeitkonto für einen späteren Freizeitausgleich gutgeschrieben wurden (BayLSG, Urteil vom 17.09.1998, L 4 KR 35/96). Dies ergibt sich auch aus der Lohnersatzfunktion des Krankengeldes. Das Krankengeld soll den wirtschaftlichen Status des Versicherten sichern, der zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit tatsächlich bestanden hat (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.12.2015, Az. L 11 KR 2575/15). Hat ein Versicherter zwar regelmäßig Überstunden geleistet, aber nicht ausbezahlt bekommen, sondern nach Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto später "abgefeiert", so fließt ihm gerade keine Mehrarbeitsvergütung zu, so dass die regelmäßigen Überstunden ohne finanzielle Auswirkungen auf seinen Lebensstandard bleiben, der durch das Krankengeld aufrechterhalten werden soll. Solche Überstunden haben deshalb im Rahmen des Zeitfaktors bei der Bemessung des Regelentgeltes außer Acht zu bleiben. In den drei Monaten April bis Juni 2016 vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Juli 2016 hat der Kläger zwar jeweils Überstunden geleistet; die im Mai 2016 geleistete Mehrarbeitszeit von 6 Stunden 34 Minuten wurde jedoch nicht als laufendes Arbeitsentgelt ausbezahlt, sondern gänzlich dem klägerischen Gleitzeitkonto gutgeschrieben. Die Beklagte folgert daraus, dass deshalb im Mai 2016 keine Überstunden im o.g. Sinn angefallen seien, so dass Mehrarbeitszeit im Referenzzeitraum April bis Juni 2016 insgesamt keine Berücksichtigung für die regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden finden könnte. Diese Schlussfolgerung erscheint bereits deshalb nicht zwingend, weil nichts dafür ersichtlich ist, dass der Kläger die im Mai 2016 geleisteten und zunächst seinem Zeitkonto gutgeschriebenen Überstunden später tatsächlich durch Freizeitausgleich "abgefeiert" hätte. Vielmehr wurden dem Kläger im bereits im Folgemonat Juni 2016 mehr Überstunden ausbezahlt (15 Stunden) als er in diesem Monat selbst geleistet hatte (13 Stunden 9 Minuten). Insofern wird die Auffassung vertreten, es genüge, dass Überstunden überhaupt abgerechnet werden, auf den Zeitpunkt der Abrechnung komme es nicht an (Hauck/Noftz, SGB VII, § 47, Rh. 21 mit Verweis auf SG Kassel, Urteil vom 05.02.2014, Az. S 12 KR 195/13).). Dies kann jedoch wiederum zu praktischen Schwierigkeiten und weiteren Unsicherheiten führen, weil die Abrechnung von Überstunden aus einem Gleitzeitkonto u.U. erst Monate später erfolgt und in der Regel jedenfalls keine nachträgliche Zuordnung mehr möglich ist, in welchem früheren Abrechnungszeitraum (vorliegend im Mai 2016 oder bereits früher) die im Gleitzeitkonto stehenden Überstunden geleistet worden sind. Auch wenn deshalb eher davon auszugehen ist, dass für Mai 2016 keine Überstunden abgerechnet und damit im dreimonatigen Referenzzeitraum April bis Juni 2016 tatsächlich ein Monat nicht mit Überstunden belegt ist, so sind nach Auffassung des Gerichts vorliegend dennoch Überstunden des Klägers als regelmäßige wöchentliche Arbeitsstunden bei der Bemessung seines Regelentgeltes zu berücksichtigen. In seinem Urteil vom 01.06.1994 (Az. 7 RAr 40/93) führt das Bundessozialgericht zur Berechnung des Übergangsgeldes nach § 59 Abs. 3 Satz 1 und 2 AFG a.F. (quasi identisch mit § 47 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V) aus, dass dann, wenn das Fehlen von Überstunden in einem Monat des dreimonatigen Referenzzeitraumes auf Umständen beruhe, die nicht durch die Art der Tätigkeit bedingt worden sind, dieser Monat außer Betracht bleibe. Der Zeitraum sei zu erweitern, bis er wieder drei abgerechnete Monate umfasst. Zur Begründung führt der 7. Senat des BSG (a.a.O.) unter anderem aus: Der 3. Senat des BSG habe bereits in dem Urteil vom 23.01.1973 (Az. 3 RK 22/70) betont, dass es "im allgemeinen" erforderlich sei, auf die letzten abgerechneten drei Monate bzw. 13 Wochen abzustellen. Schon diese Formulierung zeige, dass der Referenzzeitraum von drei Monaten nur den Regelfall betrifft. Darüber hinaus müssten Besonderheiten des Einzelfalles ggf. berücksichtigt werden. Dies ergebe sich bereits aus dem Begriff der Regelmäßigkeit, der sich an der tatsächlichen Gestaltung der individuellen Arbeitsverhältnisse zu orientieren hat und keine Schematisierung in einem abschließenden Sinne erlaubt. Die Spanne von drei Monaten bzw. 13 Wochen bilde keine starre Grenze. Zudem geböten Sinn und Zweck der Leistungsberechnung nach einem Zeitfaktor die Berücksichtigung von Ausnahmen. Das Übergangsgeld solle - ausgehend von den bisherigen Einkommensverhältnissen - den weggefallenen Lohn ersetzen und die wirtschaftliche Sicherung des Behinderten und seiner Familie in Anlehnung an den bisherigen Lebensstandard gewährleisten. Den in der Vergangenheit liegenden individuellen Verhältnissen des Behinderten solle unter weitestgehender Ausschaltung von Zufallsergebnissen Rechnung getragen werden. Diese Zielsetzung könne die Heranziehung eines über drei Monate hinausreichenden Referenzzeitraumes erfordern. Dies sei etwa dann der Fall, wenn die vorübergehende Nichtleistung von Überstunden im Dreimonatszeitraum nicht durch die Art der Tätigkeit bedingt war, sondern durch davon unabhängige Faktoren wie Arbeitsunfähigkeit, Kur oder Urlaub. In diesen Fällen ergebe sich die scheinbare Unregelmäßigkeit der Erbringung von Überstunden nicht aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses, so dass dem Arbeitnehmer daraus keine Nachteile erwachsen dürfen. In Anlehnung an die Regelung des § 112 Abs. 2 Satz 3 AFG, und zwar sowohl in der bis zum 31.12.1993 als auch in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung, biete es sich an, den Regelzeitraum auszudehnen, bis er wieder drei abgerechnete Monate umfasst, in denen die Besonderheiten für eine Abkehr vom Regelfall nicht gegeben sind. Sind die dann zu berücksichtigenden drei Monate zumindest mit jeweils einer Überstunde belegt, müssten Überstunden in die Regellohnberechnung einbezogen werden. Bei Schwankungen sei ein Durchschnitt aus diesen drei Monaten zu bilden (BSG, Urteil vom 01.06.1994, Az. 7 RAr 40/93). Diese von Rechtsprechung und Literatur offensichtlich nicht in Zweifel gezogene Rechtsprechung zum Übergangsgeld nach dem AFG a.F. ist nach Auffassung des Gerichts auch auf das Krankengeld im Sinne von § 47 SGB V zu übertragen (so auch Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung - Krankengeld - Mutterschaftsgeld, 05/16, EKM O 551, § 47 SGB V, Rn. 47). Dafür sprechen der quasi identische Wortlaut von § 59 Abs. 3 Satz 1 und 2 AFG a.F. bzw. § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX zur Berechnung des Übergangsgeldes einerseits und von § 47 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V zur Berechnung des Krankengeldes andererseits sowie die Lohnersatzfunktion, die Übergangsgeld und Krankengeld gleichermaßen innewohnt. Vorliegend hat der Kläger nachweislich in jedem Monat zwischen Dezember 2015 und Juni 2016 Mehrarbeit geleistet. Dies gilt auch für den hier streitigen Monat Mai 2016, in dem die geleisteten Überstunden lediglich nicht ausbezahlt worden sind. Diese Nichtauszahlung von Überstunden im Mai 2016 sollte aber offensichtlich weder einem späteren Freizeitausgleich dienen noch war sie durch die Art der Tätigkeit des Klägers bedingt, sondern sie beruhte allein darauf, dass der Kläger wegen 14 Krankheitstagen im Mai 2016 in diesem Monat anders als sonst nur wenige Überstunden ansammeln konnte. Wie in den vom BSG bezeichneten Ausnahmefällen beruhte also die vorübergehende Nichtleistung von Überstunden (bzw. Nichtauszahlung von Überstunden) im Mai 2016 nicht auf der Art der Tätigkeit des Klägers, sondern auf seiner vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit. Mit dem BSG ist deshalb der Mai 2016 als Ausnahmemonat aus dem dreimonatigen Referenzzeitraum auszuklammern und stattdessen der Referenzzeitraum zu erweitern, bis er wieder drei abgerechnete "regelmäßige" Monate umfasst. Deshalb ist der Monat März 2016 in den Referenzzeitraum einzubeziehen, für den dem Kläger 15 Überstunden ausbezahlt wurden. Insgesamt hat deshalb die Beklagte bei der Bemessung des klägerischen Krankengeldes die regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden des Klägers unter Berücksichtigung der in den Monaten März, April und Juni 2016 jeweils 15 ausbezahlten Überstunden zu berechnen. Dies entspricht dem Klagebegehren des Klägers. Der Klage war deshalb stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. -
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten höheres Krankengeld unter Berücksichtigung von Überstunden. Der Kläger ist als Baumaschinenmechaniker bei der Becker Baumaschinen GmbH beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Seit dem 21.07.2016 ist er arbeitsunfähig erkrankt. Vom 02.05.2017 bis zum 06.06.2017 hat er eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme mit Bezug von Übergangsgeld durch den Rentenversicherungsträger durchgeführt. Mit Bescheid vom 14.09.2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger ein kalendertägliches Krankengeld in Höhe von 59,63 EUR brutto bzw. 52,46 EUR netto ab 24.08.2016. Mit Schreiben vom 20.09.2016 bat der Kläger die Beklagte, die Berechnung des Krankengeldes noch einmal zu überarbeiten, da nach seiner Auffassung bei unterschiedlichen monatlichen Einkommen deren Durchschnitt aus den letzten drei Monaten der Krankengeldberechnung zugrunde zu legen sei. Zum Beleg legte der Kläger eine Krankengeldberechnung der Beklagten für ihn aus dem Jahr 2010 vor. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 22.09.2016, dass bei einer Entlohnung nach Stunden, wie aktuell vom Arbeitgeber des Klägers angegeben, immer vom letzten Entgelt-abrechnungszeitraum vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei. Demgegenüber habe der Arbeitgeber des Klägers im Jahr 2010 einen festen Monatslohn angegeben, was bei Schwankungen u.U. zu einer Berechnung aufgrund der letzten drei abgerechneten Monate führe. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 27.09.2016, dass er regelmäßig täglich neun Stunden und damit wöchentlich 45 Stunden arbeite. Er legte seine Lohnabrechnungen von Dezember 2015 bis Juni 2016 vor. Daraus ist zu ersehen, dass dem Kläger Lohn für 20 Überstunden jeweils für Dezember 2015 und Januar 2016 ausbezahlt wurde sowie jeweils für 15 Überstunden für die Monaten Februar, März, April und Juni 2016. Für Mai 2016 wurden dagegen keine Überstunden ausbezahlt, der Kläger war vom 03.05.2016 bis zum 24.05.2016 krank und erhielt Entgeltfortzahlung für 123,50 krankheitsbedingt ausgefallene Stunden. Die Beklagte wiederum teilte dem Kläger mit Schreiben vom 17.10.2016 mit, welche Daten dessen Arbeitgeber für die Krankengeldberechnung übermittelt hatte, und erläuterte, dass für eine Berücksichtigung von Mehrarbeitsstunden in den Monaten April, Mai und Juni 2016 jeweils mindestens eine Stunde Mehrarbeit erforderlich gewesen wäre. Im Mai seien aber aufgrund der Mitteilung des Arbeitgebers keine Mehrarbeitsstunden geleistet worden. Mit Schreiben vom 09.11.2016 legte der Kläger der Beklagten seine Monatslohnauswertungen von April, Mai und Juni 2016 vor. Daraus ist ersichtlich, dass die Sollarbeitszeit jeweils montags bis donnerstags acht Stunden täglich und freitags 6,5 Stunden, also insgesamt 38,5 Stunden pro Woche beträgt. Laut den Monatslohnauswertungen leistete der Kläger - im April 2016 insgesamt 19 Stunden 47 Minuten Mehrarbeit (wovon wegen der Überstundenabgeltung von 15 Stunden nur 4 Stunden 47 Minuten dem Gleitzeitkonto des Klägers gutgeschrieben wurden), - im Mai - an insgesamt nur vier Arbeitstagen wegen Krankheit vom 03.05.-24.05.2016 - 6 Stunden 34 Minuten Mehrarbeit (die mangels Überstundenabgeltung im Mai komplett dem Gleitzeitkonto des Klägers gutgeschrieben wurden) und - im Juni 13 Stunden 9 Minuten (die sich zusammen mit dem Überstundenbestand im Gleitzeitkonto von 26 Stunden 59 Minuten auf 40 Stunden 8 Minuten Mehrarbeit summierten, von denen 15 Überstunden mit der Lohnabrechnung für Juni 2016 ausbezahlt wurden). Mit Bescheid vom 14.11.2016 änderte die Beklagte das dem Kläger ab 24.08.2016 bewilligte kalendertägliche Krankengeld auf 59,30 EUR brutto und 52,17 EUR netto, weil als Bemessungszeitraum (letzter vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneter Entgeltabrechnungszeitraum, vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB V) nicht der Monat Mai 2016, sondern der Monat Juni 2016 heranzuziehen war. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 12.01.2017, weil er nach wie vor darauf bestand, regelmäßig mehr als 38,5 Stunden pro Woche gearbeitet zu haben. Mit Schreiben vom 13.01.2017 erläuterte die Beklagte nochmals, dass im Monat Mai 2016 zwar Überstunden angefallen seien, diese jedoch nicht abgerechnet, sondern dem Zeitkonto gutgeschrieben wurden, weshalb eine Berücksichtigung bei der Krankengeldberechnung nicht möglich sei. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 23.01.2017 "Widerspruch" ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2017 wies die Beklagte schließlich "den Widerspruch vom 23.01.2017 gegen den Bescheid vom 13.01.2017 zurück." Sie legte ausführlich die Berechnungsgrundlagen für das Krankengeld dar und erklärte, dass zu den unter anderem maßgeblichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden auch Überstunden gehören könnten, sofern sie ohne längere Unterbrechungen geleistet worden sind. Dies sei der Fall, wenn in den letzten drei Monaten in jedem Monat mindestens eine Überstunde geleistet wurde. Wenn Überstunden zwar geleistet, aber nicht als laufendes Arbeitsentgelt ausbezahlt, sondern einem Zeitkonto gutgeschrieben würden, blieben diese Stunden bei der Ermittlung der regelmäßigen Arbeitszeit unberücksichtigt. Da der Arbeitgeber dem Kläger im Mai 2016 keine Überstunden ausbezahlt habe, seien in den letzten drei Monaten vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gerade nicht regelmäßig Überstunden angefallen. Hiergegen richtet sich die am 19.04.2017 zum Sozialgericht Würzburg erhobene Klage. Zur Begründung weist der Kläger wie bereits im Verwaltung- und Widerspruchsverfahren darauf hin, dass er stets Überstunden gemessen an einer 38,5-Stunden-Woche geleistet habe. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 14.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.04.2017 zu verurteilen, die Höhe des klägerischen Krankengeldanspruchs ab 24.08.2016 neu zu berechnen mit der Maßgabe, dass die dem Kläger in den Monaten März 2016, April 2016 und Juni 2016 ausbezahlten Überstunden bei der Bemessung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden berücksichtigt werden. die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend und verweist zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 06.04.2017. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger begehrt die Neuberechnung seines Krankengeldanspruchs unter Zugrundelegung von regelmäßig vor Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit geleisteten Überstunden. Angefochten ist insoweit der Bescheid vom 14.11.2016, mit dem der Bescheid vom 14.09.2016 ersetzt wurde und das Krankengeld aufgrund des Bemessungszeitraums Juni 2016 statt Mai 2016 neu berechnet wurde. Gegen den Bescheid vom 14.09.2016 hatte der Kläger bereits mit Schreiben 20.09.2016 Widerspruch eingelegt, der gemäß § 86 SGG auch den diesen ersetzenden Bescheid vom 14.11.2016 mitumfasst (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 12. Auflage 2017, Rn. 3). Dem nochmaligen Erläuterungsschreiben vom 13.01.2017 misst das Gericht keinen eigenständigen Regelungsgehalt und damit keine Bescheidqualität bei. Über den Widerspruch hat die Beklagte letztlich mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2017 entschieden. Die Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, die vom Kläger regelmäßig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit geleisteten Überstunden der Bemessung seines Krankengeldes mit zugrunde zu legen. Versicherte haben gemäß § 44 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Krankengeld, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und 41 SGB V) behandelt werden. Unstreitig steht dem Kläger aufgrund Versicherung als Beschäftigter (§§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 192 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 SGB V) und festgestellter Arbeitsunfähigkeit dem Grunde nach ein Anspruch auf Krankengeld gegen die Beklagte seit 24.08.2016 zu. Die Höhe des Krankengeldes ist in § 47 SGB V geregelt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V beträgt das Krankengeld grundsätzlich 70 % des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts (bei abhängig Beschäftigten) oder Arbeitseinkommens (bei selbstständig Erwerbstätigen), soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Das Regelentgelt wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 5 SGB V u.a. nach § 47 Abs. 2 SGB V berechnet. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB V ist für die Berechnung des Regelentgelts bei nach Stunden berechnetem Arbeitsentgelt das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltzeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde. Nach § 47 Abs. 2 Satz 2 SGB V ist das Ergebnis sodann mit der Zahl der sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden zu vervielfachen und durch sieben zu teilen. Das Regelentgelt errechnet sich damit nach § 47 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V aus folgendem Produkt: Geldfaktor x Zeitfaktor = Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum regelmäßige wöchentliche abzgl. einmalig gezahltes Entgelt Arbeitsstunden = x
Zahl der Stunden, für die das Arbeitsentgelt 7 gezahlt wurde Streitig ist im vorliegenden Fall die Berechnung des Regelentgelts insoweit, als der Kläger die Berücksichtigung von Überstunden geltend macht. Richtigerweise hat die Beklagte den Monat Juni 2016 als letzten vor Beginn der am 21.07.2016 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum herangezogen. Die 15 im Juni 2016 abgerechneten Überstunden wurden im Rahmen des Geldfaktors sowohl beim gezahlten Arbeitsentgelt als auch bei den dafür geleisteten Stunden von der Beklagten zu Recht berücksichtigt. Nach Auffassung des Gerichts ist jedoch auch im Rahmen des Zeitfaktors zu berücksichtigen, dass der Kläger regelmäßig Überstunden geleistet hat bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Maßgeblich für den Zeitfaktor nach § 47 Abs. 2 Satz 2 SGB V sind schon nach dem Gesetzeswortlaut ("Inhalt des Arbeitsverhältnisses") nicht (allein) die vertraglichen Vereinbarungen (im Falle des Kläger also 38,5 Wochenstunden), sondern die tatsächlichen (abgerechneten) Verhältnisse in einem über den Bemessungszeitraum hinausreichenden Referenzzeitraum. Als solcher Referenzzeitraum sind grundsätzlich die letzten abgerechneten 13 Wochen bei Abrechnung nach Wochen bzw. drei Monate bei Abrechnung nach Kalendermonaten zu berücksichtigen, damit ein sicheres Urteil möglich ist und Zufallsergebnisse vermieden werden. Damit gelten Überstunden als regelmäßig, wenn sie mindestens während der letzten 13 Wochen oder drei Monate ohne längere Unterbrechungen geleistet wurden (vgl. ausführlich zur Herleitung dieses Referenzzeitraums BSG, Urteil vom 23.01.1973, Az. 3 RK 22/70). An einer regelmäßigen Verrichtung von Mehrarbeitsstunden fehlt es, wenn in dem Ausgangszeitraum von drei Monaten bzw. 13 Wochen während eines Monats oder vier bzw. fünf Wochen nicht jeweils wenigstens eine volle Mehrarbeitsstunde geleistet worden ist (BSG, Urteil vom 01.06.1994, Az. 7 Rar 40/93). Aus dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergibt sich zudem, dass Mehrarbeitsstunden nur dann zu berücksichtigen sind, wenn dafür Arbeitsentgelt auch erzielt, also abgerechnet und ausgezahlt worden ist und nicht diese Mehrarbeitsstunden nur einem Gleitzeitkonto für einen späteren Freizeitausgleich gutgeschrieben wurden (BayLSG, Urteil vom 17.09.1998, L 4 KR 35/96). Dies ergibt sich auch aus der Lohnersatzfunktion des Krankengeldes. Das Krankengeld soll den wirtschaftlichen Status des Versicherten sichern, der zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit tatsächlich bestanden hat (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.12.2015, Az. L 11 KR 2575/15). Hat ein Versicherter zwar regelmäßig Überstunden geleistet, aber nicht ausbezahlt bekommen, sondern nach Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto später "abgefeiert", so fließt ihm gerade keine Mehrarbeitsvergütung zu, so dass die regelmäßigen Überstunden ohne finanzielle Auswirkungen auf seinen Lebensstandard bleiben, der durch das Krankengeld aufrechterhalten werden soll. Solche Überstunden haben deshalb im Rahmen des Zeitfaktors bei der Bemessung des Regelentgeltes außer Acht zu bleiben. In den drei Monaten April bis Juni 2016 vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Juli 2016 hat der Kläger zwar jeweils Überstunden geleistet; die im Mai 2016 geleistete Mehrarbeitszeit von 6 Stunden 34 Minuten wurde jedoch nicht als laufendes Arbeitsentgelt ausbezahlt, sondern gänzlich dem klägerischen Gleitzeitkonto gutgeschrieben. Die Beklagte folgert daraus, dass deshalb im Mai 2016 keine Überstunden im o.g. Sinn angefallen seien, so dass Mehrarbeitszeit im Referenzzeitraum April bis Juni 2016 insgesamt keine Berücksichtigung für die regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden finden könnte. Diese Schlussfolgerung erscheint bereits deshalb nicht zwingend, weil nichts dafür ersichtlich ist, dass der Kläger die im Mai 2016 geleisteten und zunächst seinem Zeitkonto gutgeschriebenen Überstunden später tatsächlich durch Freizeitausgleich "abgefeiert" hätte. Vielmehr wurden dem Kläger im bereits im Folgemonat Juni 2016 mehr Überstunden ausbezahlt (15 Stunden) als er in diesem Monat selbst geleistet hatte (13 Stunden 9 Minuten). Insofern wird die Auffassung vertreten, es genüge, dass Überstunden überhaupt abgerechnet werden, auf den Zeitpunkt der Abrechnung komme es nicht an (Hauck/Noftz, SGB VII, § 47, Rh. 21 mit Verweis auf SG Kassel, Urteil vom 05.02.2014, Az. S 12 KR 195/13).). Dies kann jedoch wiederum zu praktischen Schwierigkeiten und weiteren Unsicherheiten führen, weil die Abrechnung von Überstunden aus einem Gleitzeitkonto u.U. erst Monate später erfolgt und in der Regel jedenfalls keine nachträgliche Zuordnung mehr möglich ist, in welchem früheren Abrechnungszeitraum (vorliegend im Mai 2016 oder bereits früher) die im Gleitzeitkonto stehenden Überstunden geleistet worden sind. Auch wenn deshalb eher davon auszugehen ist, dass für Mai 2016 keine Überstunden abgerechnet und damit im dreimonatigen Referenzzeitraum April bis Juni 2016 tatsächlich ein Monat nicht mit Überstunden belegt ist, so sind nach Auffassung des Gerichts vorliegend dennoch Überstunden des Klägers als regelmäßige wöchentliche Arbeitsstunden bei der Bemessung seines Regelentgeltes zu berücksichtigen. In seinem Urteil vom 01.06.1994 (Az. 7 RAr 40/93) führt das Bundessozialgericht zur Berechnung des Übergangsgeldes nach § 59 Abs. 3 Satz 1 und 2 AFG a.F. (quasi identisch mit § 47 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V) aus, dass dann, wenn das Fehlen von Überstunden in einem Monat des dreimonatigen Referenzzeitraumes auf Umständen beruhe, die nicht durch die Art der Tätigkeit bedingt worden sind, dieser Monat außer Betracht bleibe. Der Zeitraum sei zu erweitern, bis er wieder drei abgerechnete Monate umfasst. Zur Begründung führt der 7. Senat des BSG (a.a.O.) unter anderem aus: Der 3. Senat des BSG habe bereits in dem Urteil vom 23.01.1973 (Az. 3 RK 22/70) betont, dass es "im allgemeinen" erforderlich sei, auf die letzten abgerechneten drei Monate bzw. 13 Wochen abzustellen. Schon diese Formulierung zeige, dass der Referenzzeitraum von drei Monaten nur den Regelfall betrifft. Darüber hinaus müssten Besonderheiten des Einzelfalles ggf. berücksichtigt werden. Dies ergebe sich bereits aus dem Begriff der Regelmäßigkeit, der sich an der tatsächlichen Gestaltung der individuellen Arbeitsverhältnisse zu orientieren hat und keine Schematisierung in einem abschließenden Sinne erlaubt. Die Spanne von drei Monaten bzw. 13 Wochen bilde keine starre Grenze. Zudem geböten Sinn und Zweck der Leistungsberechnung nach einem Zeitfaktor die Berücksichtigung von Ausnahmen. Das Übergangsgeld solle - ausgehend von den bisherigen Einkommensverhältnissen - den weggefallenen Lohn ersetzen und die wirtschaftliche Sicherung des Behinderten und seiner Familie in Anlehnung an den bisherigen Lebensstandard gewährleisten. Den in der Vergangenheit liegenden individuellen Verhältnissen des Behinderten solle unter weitestgehender Ausschaltung von Zufallsergebnissen Rechnung getragen werden. Diese Zielsetzung könne die Heranziehung eines über drei Monate hinausreichenden Referenzzeitraumes erfordern. Dies sei etwa dann der Fall, wenn die vorübergehende Nichtleistung von Überstunden im Dreimonatszeitraum nicht durch die Art der Tätigkeit bedingt war, sondern durch davon unabhängige Faktoren wie Arbeitsunfähigkeit, Kur oder Urlaub. In diesen Fällen ergebe sich die scheinbare Unregelmäßigkeit der Erbringung von Überstunden nicht aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses, so dass dem Arbeitnehmer daraus keine Nachteile erwachsen dürfen. In Anlehnung an die Regelung des § 112 Abs. 2 Satz 3 AFG, und zwar sowohl in der bis zum 31.12.1993 als auch in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung, biete es sich an, den Regelzeitraum auszudehnen, bis er wieder drei abgerechnete Monate umfasst, in denen die Besonderheiten für eine Abkehr vom Regelfall nicht gegeben sind. Sind die dann zu berücksichtigenden drei Monate zumindest mit jeweils einer Überstunde belegt, müssten Überstunden in die Regellohnberechnung einbezogen werden. Bei Schwankungen sei ein Durchschnitt aus diesen drei Monaten zu bilden (BSG, Urteil vom 01.06.1994, Az. 7 RAr 40/93). Diese von Rechtsprechung und Literatur offensichtlich nicht in Zweifel gezogene Rechtsprechung zum Übergangsgeld nach dem AFG a.F. ist nach Auffassung des Gerichts auch auf das Krankengeld im Sinne von § 47 SGB V zu übertragen (so auch Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung - Krankengeld - Mutterschaftsgeld, 05/16, EKM O 551, § 47 SGB V, Rn. 47). Dafür sprechen der quasi identische Wortlaut von § 59 Abs. 3 Satz 1 und 2 AFG a.F. bzw. § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX zur Berechnung des Übergangsgeldes einerseits und von § 47 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB V zur Berechnung des Krankengeldes andererseits sowie die Lohnersatzfunktion, die Übergangsgeld und Krankengeld gleichermaßen innewohnt. Vorliegend hat der Kläger nachweislich in jedem Monat zwischen Dezember 2015 und Juni 2016 Mehrarbeit geleistet. Dies gilt auch für den hier streitigen Monat Mai 2016, in dem die geleisteten Überstunden lediglich nicht ausbezahlt worden sind. Diese Nichtauszahlung von Überstunden im Mai 2016 sollte aber offensichtlich weder einem späteren Freizeitausgleich dienen noch war sie durch die Art der Tätigkeit des Klägers bedingt, sondern sie beruhte allein darauf, dass der Kläger wegen 14 Krankheitstagen im Mai 2016 in diesem Monat anders als sonst nur wenige Überstunden ansammeln konnte. Wie in den vom BSG bezeichneten Ausnahmefällen beruhte also die vorübergehende Nichtleistung von Überstunden (bzw. Nichtauszahlung von Überstunden) im Mai 2016 nicht auf der Art der Tätigkeit des Klägers, sondern auf seiner vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit. Mit dem BSG ist deshalb der Mai 2016 als Ausnahmemonat aus dem dreimonatigen Referenzzeitraum auszuklammern und stattdessen der Referenzzeitraum zu erweitern, bis er wieder drei abgerechnete "regelmäßige" Monate umfasst. Deshalb ist der Monat März 2016 in den Referenzzeitraum einzubeziehen, für den dem Kläger 15 Überstunden ausbezahlt wurden. Insgesamt hat deshalb die Beklagte bei der Bemessung des klägerischen Krankengeldes die regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden des Klägers unter Berücksichtigung der in den Monaten März, April und Juni 2016 jeweils 15 ausbezahlten Überstunden zu berechnen. Dies entspricht dem Klagebegehren des Klägers. Der Klage war deshalb stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. -
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