S 8 KR 1285/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 1285/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 501/16
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 03.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2015 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Krankengeld ab dem 02.04.2015 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Krankengeld.

Der am XX.XX.XXXX geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Seit dem 18.08.2014 war der gelernte Fleischer arbeitsunfähig erkrankt. Am 22.10.2014 beantragte er bei der Beklagten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und teilte mit, dass sein Beschäftigungsverhältnis zum 30.09.2014 gekündigt worden sei. In der Zeit vom 05.03.2015 bis zum 26.03.2015 absolvierte er eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation im Reha-Zentrum C E. Am 27.03.2015 stellte sein behandelnder Arzt Dr. I aus C Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.03.2015 fest. Da die Praxis am 31.03.2015 geschlossen war, begab sich der Kläger erst am 01.04.2015 erneut zu Dr. I, der Arbeitsunfähigkeit bis zum 04.05.2015 attestierte. Am 02.07.2015 erhielt die Beklagte den Reha-Entlassungsbericht vom 30.03.2015, ausweislich dessen der Ärztliche Direktor Dr. I1 und der Stationsarzt B den Kläger aufgrund der noch vorhandenen Restbeschwerden "arbeitsunfähig für ca. 3 bis 4 Wochen in die weitere hausärztliche und fachärztliche Betreuung" entließen.

Mit Bescheid vom 03.07.2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Anspruch auf Krankengeld am 31.03.2015 ende. Maßgebend für die Krankengeldzahlung sei das Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Vor Ablauf der ärztlichen Bescheinigung sei eine rechtzeitige Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit ärztlich festzustellen. Der Kläger müsse sich spätestens am letzten Tag der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit beim Arzt vorstellen, unabhängig davon, ob dieser Tag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag falle. Arbeitsunfähigkeit sei bis zum 31.01.2015 bescheinigt worden, der Kläger habe sich aber erst wieder am 01.04.2015 beim Arzt vorgestellt. Die beitragsfreie Mitgliedschaft knüpfe an den Krankengeldbezug an, entsprechend ende diese ebenfalls am 31.03.2015.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger insbesondere damit, dass ihm im Rahmen der Reha-Maßnahme beim Entlassungsgespräch mitgeteilt worden sei, dass er arbeitsunfähig sei und er nun 2 – 4 Wochen Zeit habe, um sich erneut krankschreiben zu lassen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2015 zurück. Nach § 44 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hätten Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig mache oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt würden. Die Krankengeldzahlung erfolge durch die Krankenkasse auf der Grundlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen jeweils abschnittsweise. Es handele sich bei der Zahlung von Krankengeld somit um einen zeitlich befristeten Verwaltungsakt, der seine Wirksamkeit mit Ablauf des vom Arzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraumes verliere. Durch die zeitliche Begrenzung entstehe kein Vertrauensschutz über den jeweiligen Endzeitpunkt hinaus. Die Voraussetzungen eines Krankengeldanspruchs müssten bei zeitlich befristeter Arbeitsunfähigkeitsfeststellung und dementsprechender Krankengeldgewährung für jeden Bewilligungsabschnitt erneut vorliegen. Der Kläger sei bis zum 31.03.2015 krankgeschrieben. Die weitere Arbeitsunfähigkeit sei nachweislich erst am 01.04.2015 und somit verspätet durch den behandelnden Arzt bescheinigt worden. Der Anspruch auf Krankengeld ende damit am 31.03.2015 mit dem Ende des letzten Bewilligungsabschnitts. Diese Verfahrensweise entspreche der regelmäßigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 10.05.2012 – Az. B 1 KR 19/11 R – und Urteil vom 04.03.2014 – Az. B 1 KR 17/13 R). Die Feststellungen der Rehabilitationsklinik seien unbeachtlich, weil sie nicht die nach § 6 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien erforderliche Bestätigung des Vorliegens weiterer Arbeitsunfähigkeit durch den Vertragsarzt entbehrlich mache. Nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bleibe die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger so lange erhalten, wie ein Anspruch auf Krankengeld bestehe bzw. Krankengeld bezogen werde. Die Mitgliedschaft ende entsprechend bei nicht rechtzeitiger Feststellung der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit ebenfalls mit dem Tag des Endes des aktuellen Bewilligungsabschnitts. Zum Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung weiterer Arbeitsunfähigkeit am 01.04.2015 habe dann keine Mitgliedschaft mit einem Anspruch auf Krankengeld mehr bestanden.

Der Kläger hat am 02.10.2015 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung kann im Wesentlichen Bezug genommen werden auf den Vortrag im Widerspruchsverfahren.

Er beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 03.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2015 aufzuheben und ihm über den 31.03.2015 hinaus Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die getroffene Entscheidung für rechtmäßig und verweist zur Begründung im Wesentlichen auf ihren bisherigen Vortrag.

Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin am 15.04.2016 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes – insbesondere des Inhalts der medizinischen Unterlagen – wird auf die Streitakte und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Der angefochtene Bescheid ist teilweise rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Der Kläger hat Anspruch auf Krankengeld.

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht ( ). Der Anspruch auf Krankengeld entsteht von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung folgt (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Nach §49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird. Der Kläger war unstreitig durchgehend seit dem 18.08.2014 arbeitsunfähig erkrankt. Dieses wurde bis zum Antritt der Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation auch durchgehend von seinem behandelnden Arzt festgestellt. Ausweislich des Reha-Entlassungsberichts vom 30.03.2015 bestand beim Kläger über das Entlassungsdatum hinaus eine weitere Arbeitsunfähigkeit von drei bis vier Wochen. Da nach der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie auch Ärztinnen und Ärzte in Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation Arbeitsunfähigkeit attestieren können, reicht diese Feststellung nach Auffassung der Kammer für die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krankengeld aus. Allerdings ging der Reha-Entlassungsbericht erst am 02.07.2015 bei der Beklagten ein. Es lag somit keine rechtzeitige Meldung im Sinne des §49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V vor, so dass der Anspruch ruhte. Allerdings bestand die Mitgliedschaft des Klägers als Versicherungspflichtiger im Sinne von § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V insoweit fort, was dazu führt, dass durch die vertragsärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 01.04.2015, die der Beklagten auch rechtzeitig im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V gemeldet wurde, gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ab dem 02.04.2015 wieder Krankengeld zu zahlen ist. Lediglich für den 01.04.2015 besteht aufgrund des Ruhens aufgrund nicht rechtzeitiger Meldung kein Anspruch auf die Auszahlung des Krankengeldes, insoweit konnte die Klage entsprechend keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass der Kläger fast vollständig obsiegte.
Rechtskraft
Aus
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