Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 405/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 7/18
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter namentlicher Benennung der betroffenen Vertragszahnärztinnen/-ärzte Auskunft über die Höhe der seit dem 01.01.2011 erfolgten Honorarkürzungen nach § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V zu erteilen, soweit die Kürzungen anteilig auf die Klägerin entfallen. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand:
Die klagende Ersatzkasse beansprucht die Auskehrung von Honoraranteilen, welche die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) gegenüber ihren Mitgliedern wegen nicht erbrachten Fortbildungsnachweises gemäß § 95d Abs. 3 SGB V gekürzt hatte.
Zur Geltendmachung entsprechender Ansprüche wandte sich die Klägerin vorprozessual über den vdek unter dem 26.11.2015 an die Beklagte und bat um Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung, um den Eintritt der Verjährung möglicher Ansprüche ab 2011 zu verhindern. Unter Bezugnahme hierauf machte die Klägerin unter dem 04.12.2015 unmittelbar gegenüber der Beklagten - zunächst dem Grunde nach - die Auskehrung von Beträgen aus Honorarkürzungen nach § 95d SGB V geltend, soweit sie für die Zeit ab 01.01.2011 auf sie entfallen seien. Nachdem die der Beklagten gesetzte Frist bis zum 15.12.2015 fruchtlos verstrichen war, hat die Klägerin am 18.12.2015 Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Ansicht, auch wenn die Rechtskreise "Honorarverteilung" einerseits und "Gesamtvergütung" andererseits grundsätzlich getrennt seien, bestünden Wechselbeziehungen insoweit, als bei einer Berechnung der Gesamtvergütung nach Einzelleistungen - wie hier - die Summe der abgerechneten Einzelleistungen den Gesamtvergütungsanspruch ergebe. Da der Vergütungsanspruch des jeweiligen Vertrags(zahn)arztes von vornherein nur in entsprechend verminderter Höhe konkretisiert werde, habe dies bei Einzelleistungsvergütungen unmittelbar Auswirkung auf die Höhe der von der Krankenkasse zu zahlenden Gesamtvergütung. Fordere die Beklagte eine höhere Gesamtvergütung von der Klägerin ab, als Vergütungsansprüche tatsächlich bestünden, erfolgten diese Zahlungen rechtsgrundlos und seien der Klägerin auf der Grundlage des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zurück zu zahlen. Einer spezialgesetzlichen Anspruchsgrundlage bedürfe es insofern nicht. Mit § 95d SGB V habe der Gesetzgeber ein neues Honorarkürzungsverfahren eingeführt, das weder unmittelbar der Abrechnungsprüfung nach § 106d SGB V noch einer Disziplinarmaßnahme nach § 81 Abs. 5 SGB V zuzuordnen sei.
Ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der gekürzten Honoraranteile ergebe sich nicht aus § 7 Abs. 3 der Vergütungsvereinbarung. Diese gesamtvertragliche Regelung spreche ausschließlich von Kürzungsbeträgen aus Honorarberichtigungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen, habe ihren Ursprung im GKV-SoIG gehabt und - ausschließlich - zur Vereinfachung eine pauschale Berichtigungsquote von 0,4 % zugrunde gelegt. Zu diesem Zeitpunkt habe § 95d SGB V noch nicht existiert, so dass derartige Kürzungen damals nicht in die "Berichtigungsquote" hätten einfließen können. Auch in den Folgejahren seien die gesamtvertraglichen Regelungen mit fast identischem Wortlaut und Verweis auf das GKV-SoIG ohne weiteres lediglich rechnerisch unter Berücksichtigung der gleichen Komponenten aufgrund des sich aus dem GKV-SoIG ergebenen Basiseffekts fortgeschrieben worden, ohne dass es zu inhaltlichen Vertragsverhandlungen über eine Neuberechnung aufgrund neuer gesetzlichen Regelungen gekommen wäre.
Um prüfen zu können, ob und in welcher Höhe zu Unrecht Gesamtvergütungsanteile an die Beklagte geflossen seien, und sodann Erstattungsansprüche konkretisieren und beziffern zu können, sei eine Stufenklage zunächst auf Erteilung der notwendigen Informationen geboten.
Die Klägerin beantragt,
1.) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter namentlicher Benennung der betroffenen Vertragszahnärztinnen/-ärzte Auskunft über die Höhe der seit dem 01.01.2011 erfolgten Honorarkürzungen nach § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V zu erteilen, soweit sie anteilig auf die Klägerin entfallen;
2.) die Beklagte hilfsweise zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Höhe der seit dem 01.01.2011 erfolgten Honorarkürzungen nach § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V, soweit sie anteilig auf die Klägerin entfallen;
3.) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die sich aus der Auskunft nach Ziffer 1, hilfsweise nach Ziffer 2, ergebenden Beträge nebst Zinsen in Höhe von 5 % über den Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen (§ 288 Abs. 1 Satz 2, § 291 BGB).
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass nach dem Urteil des LSG NRW vom 08.03.2017 - L 11 KA 21/15 - eine entsprechende Klage für den Bezirk der KZV Westfalen-Lippe erfolglos geblieben sei. Das nunmehr anhängige Revisionsverfahren B 6 KA 60/17 R werde nur die grundsätzliche Frage einer Klärung zuführen, wem die im Rahmen der Regelung des § 95d SGB V durch Honorarkürzung realisierten Beträge im Ergebnis zustünden. Die Frage, ob unabhängig davon auch gesamtvertragliche Regelungen hiervon abweichen könnten, sei nicht Gegenstand jenes Verfahrens, jedoch maßgeblich für den vorliegenden Rechtstreit. Die gesamtvertragliche Vergütungsvereinbarung nehme Honorarberichtigungen in Bezug. Gemeint seien damit sämtliche sachlich-rechnerischen Richtigstellungen vertragszahnärztlicher Abrechnungen. Zwar habe § 95d SGB V zum Zeitpunkt der Abfassung der gesamtvertraglichen Regelung in ihrer ersten Fassung nicht bestanden. Allerdings datiere die hier maßgebliche Vereinbarung aus dem Jahre 2011.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die übrigen Inhalte der Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Die Klägerin macht ihr Begehren auf Auskehrung gemäß § 95d Abs. 3 SGB V gekürzter Honoraranteile zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend. Ebenfalls zutreffend ist der gewählte Weg zur Verfolgung der Ansprüche über die auch in der Sozialgerichtsbarkeit nach § 202 SGG i.V.m. § 254 ZPO zulässige Stufenklage (BSG, Urteil vom 18.07.2013 - B 3 KR 22/12 R - m.w.N.). Da die Klägerin eine Forderung gegenüber der Beklagten geltend macht, die sie nach derzeitigem Kenntnisstand der Höhe nach nicht zu quantifizieren imstande ist, bedarf es zunächst der näheren Auskunft über die auf sie entfallenden Honorarkürzungsbeträge. Der als zweite Stufe der Klage bisher unbeziffert gestellte Antrag auf Erstattung einer etwaigen Überzahlung der Gesamtvergütung setzt eine Entscheidung über das Herausgabeverlangen voraus und steht daher mit diesem in einem untrennbaren Zusammenhang. Abweichend von § 92 Abs. 1 Satz 3 SGG, wonach die Klage einen bestimmten Antrag enthalten soll, darf in diesem Fall der noch nicht feststehende Rückzahlungsanspruch einstweilen unbeziffert bleiben. Die Stufenklage ist zulässig, wenn der Anspruch dem Grunde oder der Höhe nach ungewiss ist, sofern diese Ungewissheit durch die Tatsachen geklärt werden kann, auf die der Auskunftsanspruch gerichtet ist (vgl. BSG, Urteil vom 27.11.2014 - B 3 KR 7/13 R - m.w.N.). Das ist hier der Fall.
Die Klage ist auch mit dem Hauptantrag zu 1) begründet.
Wie das LSG NRW in seiner den Beteiligten bekannten Entscheidung vom 08.03.2017 - L 11 KA 21/15 - ausgeführt hat, kann die Forderung der Krankenkasse mangels kodifizierter Anspruchsgrundlage allenfalls auf einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch beruhen. Dieses aus allgemeinen Grundsätzen hergeleitete Rechtsinstitut setze voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden seien.
Ein solches öffentliches Rechtsverhältnis liege vor, denn die fortlaufend bestehenden Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenkassen und KZVen seien gemäß §§ 85 ff. SGB V öffentlich-rechtlich geprägt.
Weder im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs noch bei vergleichbaren Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) sei geregelt, wann eine Bereicherung ungerechtfertigt bzw. rechtsgrundlos sei. Allgemein anerkannt sei, dass Leistungen zurückgefordert werden könnten, die erbracht worden seien, um eine in Wirklichkeit nicht bestehende Verbindlichkeit zu erfüllen. Dementsprechend habe das BSG entschieden, dass eine Krankenkasse von der KZV Erstattung der Gesamtvergütung beanspruchen könne, soweit sie diese für Einzelleistungen gezahlt habe, die tatsächlich vom Vertrags(zahn)arzt nicht erbracht worden seien. Werde die Gesamtvergütung demgegenüber nach Fall- oder Kopfpauschalen oder morbiditätsbedingt (§ 87a SGB V) berechnet, so bestehe kein Rückforderungsanspruch, weil der Leistungszweck nicht in der Vergütung tatsächlich erbrachter Leistungen, sondern in der Abdeckung des gesamten Leistungsbedarfs unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme bestanden habe
Der Honorarabschlagsanspruch ( ...) betreffe die Gesamtvergütung. Im Zuständigkeitsbereich der Klägerin sähen die mit den Krankenkassen geschlossenen Gesamtverträge eine Einzelleistungsvergütung vor (Bewertungspunkte mal Punktwert).
( ...)
hätte die Beklagte nur dann und nur insoweit wirksam aufrechnen können, als die in den Quartalen ( ...) für ihren Versicherten erbrachten vertragszahnärztlichen Leistungen als Einzelleistung vergütet worden seien und die Klägerin die hierauf aufbauenden Honoraransprüche infolge von § 95d Abs. 3 SGB V jeweils gekürzt habe. Nur bei einer so näher bezeichneten und dadurch bestimmten Gegenforderung könnten die Voraussetzungen erfüllt sein, die das BSG an einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch von Krankenkassen gegen K(Z)Ven stelle, nämlich dass Leistungen im Rahmen der Gesamtvergütung nach Einzelleistungen vergütet würden, die nicht (ordnungsgemäß) erbracht worden seien (BSG, Urteile vom 01.08.1991 - 6 RKa 9/89 - und 13.01.1993 - 14a/6 RKa 68/91 -; ...).
( )
Über die insoweit benötigten Informationen verfüge die Beklagte nicht. Werde unterstellt, dass die Beklagte sich dem Grunde nach auf den geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch berufen könne, stünde es ihr offen, sich nötigenfalls mittels Auskunftsklage die benötigten Informationen zu beschaffen, um den Anspruch zu beziffern.
Diesen Erkenntnissen schließt sich die Kammer nach eigener Überprüfung und Bewertung an.
Der vorliegende Sachverhalt ist vergleichbar gelagert. Nach § 1 der gesamtvertraglichen Vergütungsvereinbarungen (Vergütungssystem) ist eine Einzelleistungsvergütung vereinbart. Die Klägerin verfügt auch nicht über die für die Prüfung und Geltendmachung ihrer Ansprüche erforderlichen Informationen, nämlich die Namen der betroffenen Zahnärzte und die von deren Honoraren abgezogenen Kürzungsbeträge, so dass sie diese per Auskunftsklage (1. Stufe der erhobenen Stufenklage) einholen muss.
Soweit das LSG NRW in seiner Entscheidung im Ergebnis angenommen hat, der § 95d Abs. 3 SGB V schaffende Gesetzgeber habe bewusst davon abgesehen, die K(Z)Ven zu verpflichten, das einbehaltene Honorar an die Krankenkassen auszukehren, vermag die Kammer diesem Ergebnis nicht beizutreten. Zwar folgt sie im Grundsatz durchaus den Annahmen, die in § 95d SGB V normierte Honorarkürzung habe keinen Bezug zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung, die Qualität der konkreten vertragszahnärztlichen Leistung werde durch den fehlenden Fortbildungsnachweis nicht zwangsläufig berührt und die Honorarkürzung nach § 95d Abs. 3 SGB V stelle eine Disziplinarmaßnahme sui generis dar. Diese Gesichtspunkte sind indes nicht geeignet, für die Beklagte einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der den Vertragszahnärzten nicht ausgezahlten Honoraranteile zu schaffen.
Gemäß § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V ist die Gesamtvergütung das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen; sie kann u.a. - wie hier - auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nach Einzelleistungen berechnet werden.
Der Wortlaut der Gesetzesbestimmung stellt auf die "zu vergütenden vertrags(zahn)ärztlichen Leistungen" ab. Denjenigen Vertragszahnärzten, die den Fortbildungsnachweis nicht oder nicht vollständig erbringen, sind jedoch deren vertragszahnärztliche Leistungen nicht in voller Höhe zu vergüten. Vielmehr ist die KZV nach § 95d Abs. 3 SGB V verpflichtet, das an diese (Zahn)Ärzte zu zahlende Honorar aus der Vergütung vertrags(zahn)ärztlicher Tätigkeit für die ersten vier Quartale, die auf den maßgeblichen Fünfjahreszeitraum folgen, um 10 v.H. zu kürzen, ab dem darauf folgenden Quartal um 25 v.H ... Ein Vertrags(zahn)arzt kann die für den Fünfjahreszeitraum festgelegte Fortbildung binnen zwei Jahren ganz oder teilweise nachholen; die nachgeholte Fortbildung wird auf den folgenden Fünfjahreszeitraum nicht angerechnet. Die Honorarkürzung endet nach Ablauf des Quartals, in dem der vollständige Fortbildungsnachweis erbracht wird.
Ordnet der Gesetzgeber damit zwingend an, dass der Vergütungsanspruch derjenigen Vertragszahnärzte, die ihrer Fortbildungspflicht nicht hinreichend genügen, von vornherein nur in entsprechend verminderter Höhe "konkretisiert" wird (BSG, Beschluss vom 13.05.2015 - B 6 KA 50/14 B -), dann verbleibt hinsichtlich der entsprechenden Kürzungsbeträge bei der Beklagten ein Überschuss in Bezug auf die von der Klägerin entrichtete Gesamtvergütung. Diesen Überschuss kann die Beklagte im Rahmen ihrer Honorarverteilungsbefugnis nicht an andere Vertragszahnärzte umverteilen. Denn für die streitbefangenen Jahre ab 2011 sind jedenfalls im Bereich der Ersatzkassen die nach § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V vereinbarten Obergrenzen nicht überschritten worden, sondern es sind alle vorläufigen Kontingentgrenzen aufgehoben und eine "lupenreine Einzelleistungsvergütung sichergestellt" worden (vgl. die Informationsdienste der Beklagten Nr. 3/2012 (für 2011), Nr. 2/2015 (für 2013), Nr. 4/2016 (für 2012, 2014, 2015), Nr. 3/2017 (für 2016)).
Dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch steht nicht entgegen, dass die Honorarkürzungen nach § 95d Abs. 3 SGB V als Disziplinarmaßnahme eigener Art qualifiziert werden mögen. Wenn eine KZV über ihren Disziplinarausschuss eine Geldbuße gegen einen Vertragszahnarzt verhängt, wird dieser Geldbetrag zwar nicht an die Krankenkassen weitergeleitet. Der entscheidende Unterschied zu den Honorarkürzungen nach § 95d Abs. 3 SGB V besteht aber darin, dass der Vertragszahnarzt die disziplinarische Geldbuße aus seinem ihm zuvor ungekürzt ausgezahlten Honorar zu bezahlen hat, während er bei Verletzung der Fortbildungspflicht von vornherein nur einen geminderten Honoraranspruch gegen die KZV hat. Das bedeutet für § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V, dass die Krankenkassen in Fällen disziplinarischer Geldbußen die vertragszahnärztlichen Leistungen voll zu vergüten haben, im Falle des § 95d Abs. 3 SGB V aber nur in reduziertem Umfang. Um diesen ist die KZV dann ohne Rechtsgrund bereichert.
Auch aus den gesamtvertraglichen Regelungen ergibt sich vorliegend kein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der streitigen Kürzungsbeträge. Zwar verbleiben gemäß § 7 Abs. 3 der Vergütungsvereinbarung 2011 - vergleichbare Regelungen enthalten auch die Vergütungsvereinbarungen für die nachfolgenden Jahre - Kürzungsbeträge aus Honorarberichtigungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei der KZV Nordrhein. Kürzungsbeträge nach § 95d Abs. 3 SGB V sind davon jedoch nicht umfasst. Das ergibt sich aus der Auslegung dieser Regelung.
Soweit es den Wortlaut dieser Vertragsbestimmung betrifft, bedarf es keiner näheren Abgrenzung zwischen den Begrifflichkeiten Honorarberichtigung und Honorarkürzung. Auch das BSG verwendet bei sachlich-rechnerischen Richtigstellungen mitunter den Terminus "Honorarkürzung" (z.B. Urteil vom 23.06.2010 - B 6 KA 7/09 R – (Rn. 44); vgl. auch Urteil vom 16.12.2015 - B 6 KA 26/15 R – (Rn. 27)). Zudem ist die Kammer nicht auf eine wortlautbezogene Auslegung beschränkt, wie sie namentlich bei vertrags(zahn)ärztlichen Vergütungsbestimmungen (EBM-Ä, BEMA) in erster Linie maßgeblich ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.11.2016 - B 6 KA 17/15 R -).
Aus der Entwicklungsgeschichte der gesamtvertraglichen Regelungen ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass die vorliegend streitbefangenen Kürzungsbeträge nach § 95d Abs. 3 SGB V nicht von dem Verbleib bei der Beklagten umfasst sind. Am 1./2. Februar 1999 fanden ausführliche Verhandlungen zwischen der VdAK/AEV-Landesvertretung NW und der Beklagten statt, welche die Bereinigung von Streitigkeiten in der Vergangenheit und die Vergütungsregelung 1999 in Umsetzung des GKV-SoIG zum Gegenstand hatten. Nach Ziffer 8. des entsprechenden Protokolls wurde zur Berücksichtigung von etwaigen Rechnungsminderungen aufgrund sachlich-rechnerischer Berichtigungen sowie aufgrund von Regressen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung und zur Basisbereinigung wegen der Gebühren-Nrn. 54b/c die Ausgangsbasis zur Bestimmung des Budgets für Sachleistungen des Jahres 1997 pauschal um 0,4 % der Abrechnungssumme gemindert. Im Gegenzug standen die entsprechenden Minderungsbeträge aus der Abrechnung des Jahres 1999 der KZV Nordrhein zu. Das heiße, dass Kürzungsbeträge aus sachlich-rechnerischen Berichtigungen sowie aufgrund von Wirtschaftlichkeitsprüfungen betreffend das Jahr 1999 bei der KZV Nordrhein verblieben.
Ziel dieser pauschalen Minderung war somit erkennbar lediglich die Ermittlung der Ausgangsbasis zur Bestimmung des Sachleistungsbudgets auf der neuen gesetzlichen Grundlage des GKV-SoIG. Die danach berechneten Volumina wurden für die folgenden Jahre als Basis zugrunde gelegt, was daran ersichtlich wird, dass die entsprechenden gesamtvertraglichen Regelungen auch in den folgenden Jahren immer einen Bezug auf das Jahr 1997 enthielten (§ 7 Abs. 1 der Vergütungsvereinbarung 2011). Soweit vorliegend entscheidungserheblich, fanden daher lediglich rechnerische Anpassungen für die Folgezeit ab 1999 statt. Eine strukturelle Änderung der Vergütungsvereinbarungen seit Einführung der Fortbildungsregelungen im Jahre 2004 hat sich textlich nicht in Form entsprechender Ergänzungen dieser Vereinbarungen niedergeschlagen und ist auch unstreitig zwischen den Beteiligten niemals verhandelt worden. Das schließt es aus, die Honorarkürzungen nach § 95d Abs. 3 SGB V im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB als solche Kürzungsbeträge aus Honorarberichtigungen anzusehen, die bei der Beklagten verbleiben sollen. Denn auf einen übereinstimmenden hypothetischen Parteiwillen kann insofern nicht geschlossen werden.
Besteht somit dem Grunde nach ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, so ist die Beklagte zur Erteilung der von der Klägerin verlangten Auskünfte verpflichtet. Diese erstrecken sich jedenfalls auf die Namen der betroffenen Vertragszahnärztinnen/-ärzte sowie auf die Höhe der seit dem 01.01.2011 erfolgten Honorarkürzungen nach § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V, soweit sie anteilig auf die Klägerin entfallen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand:
Die klagende Ersatzkasse beansprucht die Auskehrung von Honoraranteilen, welche die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) gegenüber ihren Mitgliedern wegen nicht erbrachten Fortbildungsnachweises gemäß § 95d Abs. 3 SGB V gekürzt hatte.
Zur Geltendmachung entsprechender Ansprüche wandte sich die Klägerin vorprozessual über den vdek unter dem 26.11.2015 an die Beklagte und bat um Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung, um den Eintritt der Verjährung möglicher Ansprüche ab 2011 zu verhindern. Unter Bezugnahme hierauf machte die Klägerin unter dem 04.12.2015 unmittelbar gegenüber der Beklagten - zunächst dem Grunde nach - die Auskehrung von Beträgen aus Honorarkürzungen nach § 95d SGB V geltend, soweit sie für die Zeit ab 01.01.2011 auf sie entfallen seien. Nachdem die der Beklagten gesetzte Frist bis zum 15.12.2015 fruchtlos verstrichen war, hat die Klägerin am 18.12.2015 Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Ansicht, auch wenn die Rechtskreise "Honorarverteilung" einerseits und "Gesamtvergütung" andererseits grundsätzlich getrennt seien, bestünden Wechselbeziehungen insoweit, als bei einer Berechnung der Gesamtvergütung nach Einzelleistungen - wie hier - die Summe der abgerechneten Einzelleistungen den Gesamtvergütungsanspruch ergebe. Da der Vergütungsanspruch des jeweiligen Vertrags(zahn)arztes von vornherein nur in entsprechend verminderter Höhe konkretisiert werde, habe dies bei Einzelleistungsvergütungen unmittelbar Auswirkung auf die Höhe der von der Krankenkasse zu zahlenden Gesamtvergütung. Fordere die Beklagte eine höhere Gesamtvergütung von der Klägerin ab, als Vergütungsansprüche tatsächlich bestünden, erfolgten diese Zahlungen rechtsgrundlos und seien der Klägerin auf der Grundlage des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zurück zu zahlen. Einer spezialgesetzlichen Anspruchsgrundlage bedürfe es insofern nicht. Mit § 95d SGB V habe der Gesetzgeber ein neues Honorarkürzungsverfahren eingeführt, das weder unmittelbar der Abrechnungsprüfung nach § 106d SGB V noch einer Disziplinarmaßnahme nach § 81 Abs. 5 SGB V zuzuordnen sei.
Ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der gekürzten Honoraranteile ergebe sich nicht aus § 7 Abs. 3 der Vergütungsvereinbarung. Diese gesamtvertragliche Regelung spreche ausschließlich von Kürzungsbeträgen aus Honorarberichtigungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen, habe ihren Ursprung im GKV-SoIG gehabt und - ausschließlich - zur Vereinfachung eine pauschale Berichtigungsquote von 0,4 % zugrunde gelegt. Zu diesem Zeitpunkt habe § 95d SGB V noch nicht existiert, so dass derartige Kürzungen damals nicht in die "Berichtigungsquote" hätten einfließen können. Auch in den Folgejahren seien die gesamtvertraglichen Regelungen mit fast identischem Wortlaut und Verweis auf das GKV-SoIG ohne weiteres lediglich rechnerisch unter Berücksichtigung der gleichen Komponenten aufgrund des sich aus dem GKV-SoIG ergebenen Basiseffekts fortgeschrieben worden, ohne dass es zu inhaltlichen Vertragsverhandlungen über eine Neuberechnung aufgrund neuer gesetzlichen Regelungen gekommen wäre.
Um prüfen zu können, ob und in welcher Höhe zu Unrecht Gesamtvergütungsanteile an die Beklagte geflossen seien, und sodann Erstattungsansprüche konkretisieren und beziffern zu können, sei eine Stufenklage zunächst auf Erteilung der notwendigen Informationen geboten.
Die Klägerin beantragt,
1.) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter namentlicher Benennung der betroffenen Vertragszahnärztinnen/-ärzte Auskunft über die Höhe der seit dem 01.01.2011 erfolgten Honorarkürzungen nach § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V zu erteilen, soweit sie anteilig auf die Klägerin entfallen;
2.) die Beklagte hilfsweise zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Höhe der seit dem 01.01.2011 erfolgten Honorarkürzungen nach § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V, soweit sie anteilig auf die Klägerin entfallen;
3.) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die sich aus der Auskunft nach Ziffer 1, hilfsweise nach Ziffer 2, ergebenden Beträge nebst Zinsen in Höhe von 5 % über den Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen (§ 288 Abs. 1 Satz 2, § 291 BGB).
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass nach dem Urteil des LSG NRW vom 08.03.2017 - L 11 KA 21/15 - eine entsprechende Klage für den Bezirk der KZV Westfalen-Lippe erfolglos geblieben sei. Das nunmehr anhängige Revisionsverfahren B 6 KA 60/17 R werde nur die grundsätzliche Frage einer Klärung zuführen, wem die im Rahmen der Regelung des § 95d SGB V durch Honorarkürzung realisierten Beträge im Ergebnis zustünden. Die Frage, ob unabhängig davon auch gesamtvertragliche Regelungen hiervon abweichen könnten, sei nicht Gegenstand jenes Verfahrens, jedoch maßgeblich für den vorliegenden Rechtstreit. Die gesamtvertragliche Vergütungsvereinbarung nehme Honorarberichtigungen in Bezug. Gemeint seien damit sämtliche sachlich-rechnerischen Richtigstellungen vertragszahnärztlicher Abrechnungen. Zwar habe § 95d SGB V zum Zeitpunkt der Abfassung der gesamtvertraglichen Regelung in ihrer ersten Fassung nicht bestanden. Allerdings datiere die hier maßgebliche Vereinbarung aus dem Jahre 2011.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die übrigen Inhalte der Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Die Klägerin macht ihr Begehren auf Auskehrung gemäß § 95d Abs. 3 SGB V gekürzter Honoraranteile zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend. Ebenfalls zutreffend ist der gewählte Weg zur Verfolgung der Ansprüche über die auch in der Sozialgerichtsbarkeit nach § 202 SGG i.V.m. § 254 ZPO zulässige Stufenklage (BSG, Urteil vom 18.07.2013 - B 3 KR 22/12 R - m.w.N.). Da die Klägerin eine Forderung gegenüber der Beklagten geltend macht, die sie nach derzeitigem Kenntnisstand der Höhe nach nicht zu quantifizieren imstande ist, bedarf es zunächst der näheren Auskunft über die auf sie entfallenden Honorarkürzungsbeträge. Der als zweite Stufe der Klage bisher unbeziffert gestellte Antrag auf Erstattung einer etwaigen Überzahlung der Gesamtvergütung setzt eine Entscheidung über das Herausgabeverlangen voraus und steht daher mit diesem in einem untrennbaren Zusammenhang. Abweichend von § 92 Abs. 1 Satz 3 SGG, wonach die Klage einen bestimmten Antrag enthalten soll, darf in diesem Fall der noch nicht feststehende Rückzahlungsanspruch einstweilen unbeziffert bleiben. Die Stufenklage ist zulässig, wenn der Anspruch dem Grunde oder der Höhe nach ungewiss ist, sofern diese Ungewissheit durch die Tatsachen geklärt werden kann, auf die der Auskunftsanspruch gerichtet ist (vgl. BSG, Urteil vom 27.11.2014 - B 3 KR 7/13 R - m.w.N.). Das ist hier der Fall.
Die Klage ist auch mit dem Hauptantrag zu 1) begründet.
Wie das LSG NRW in seiner den Beteiligten bekannten Entscheidung vom 08.03.2017 - L 11 KA 21/15 - ausgeführt hat, kann die Forderung der Krankenkasse mangels kodifizierter Anspruchsgrundlage allenfalls auf einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch beruhen. Dieses aus allgemeinen Grundsätzen hergeleitete Rechtsinstitut setze voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden seien.
Ein solches öffentliches Rechtsverhältnis liege vor, denn die fortlaufend bestehenden Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenkassen und KZVen seien gemäß §§ 85 ff. SGB V öffentlich-rechtlich geprägt.
Weder im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs noch bei vergleichbaren Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) sei geregelt, wann eine Bereicherung ungerechtfertigt bzw. rechtsgrundlos sei. Allgemein anerkannt sei, dass Leistungen zurückgefordert werden könnten, die erbracht worden seien, um eine in Wirklichkeit nicht bestehende Verbindlichkeit zu erfüllen. Dementsprechend habe das BSG entschieden, dass eine Krankenkasse von der KZV Erstattung der Gesamtvergütung beanspruchen könne, soweit sie diese für Einzelleistungen gezahlt habe, die tatsächlich vom Vertrags(zahn)arzt nicht erbracht worden seien. Werde die Gesamtvergütung demgegenüber nach Fall- oder Kopfpauschalen oder morbiditätsbedingt (§ 87a SGB V) berechnet, so bestehe kein Rückforderungsanspruch, weil der Leistungszweck nicht in der Vergütung tatsächlich erbrachter Leistungen, sondern in der Abdeckung des gesamten Leistungsbedarfs unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme bestanden habe
Der Honorarabschlagsanspruch ( ...) betreffe die Gesamtvergütung. Im Zuständigkeitsbereich der Klägerin sähen die mit den Krankenkassen geschlossenen Gesamtverträge eine Einzelleistungsvergütung vor (Bewertungspunkte mal Punktwert).
( ...)
hätte die Beklagte nur dann und nur insoweit wirksam aufrechnen können, als die in den Quartalen ( ...) für ihren Versicherten erbrachten vertragszahnärztlichen Leistungen als Einzelleistung vergütet worden seien und die Klägerin die hierauf aufbauenden Honoraransprüche infolge von § 95d Abs. 3 SGB V jeweils gekürzt habe. Nur bei einer so näher bezeichneten und dadurch bestimmten Gegenforderung könnten die Voraussetzungen erfüllt sein, die das BSG an einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch von Krankenkassen gegen K(Z)Ven stelle, nämlich dass Leistungen im Rahmen der Gesamtvergütung nach Einzelleistungen vergütet würden, die nicht (ordnungsgemäß) erbracht worden seien (BSG, Urteile vom 01.08.1991 - 6 RKa 9/89 - und 13.01.1993 - 14a/6 RKa 68/91 -; ...).
( )
Über die insoweit benötigten Informationen verfüge die Beklagte nicht. Werde unterstellt, dass die Beklagte sich dem Grunde nach auf den geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch berufen könne, stünde es ihr offen, sich nötigenfalls mittels Auskunftsklage die benötigten Informationen zu beschaffen, um den Anspruch zu beziffern.
Diesen Erkenntnissen schließt sich die Kammer nach eigener Überprüfung und Bewertung an.
Der vorliegende Sachverhalt ist vergleichbar gelagert. Nach § 1 der gesamtvertraglichen Vergütungsvereinbarungen (Vergütungssystem) ist eine Einzelleistungsvergütung vereinbart. Die Klägerin verfügt auch nicht über die für die Prüfung und Geltendmachung ihrer Ansprüche erforderlichen Informationen, nämlich die Namen der betroffenen Zahnärzte und die von deren Honoraren abgezogenen Kürzungsbeträge, so dass sie diese per Auskunftsklage (1. Stufe der erhobenen Stufenklage) einholen muss.
Soweit das LSG NRW in seiner Entscheidung im Ergebnis angenommen hat, der § 95d Abs. 3 SGB V schaffende Gesetzgeber habe bewusst davon abgesehen, die K(Z)Ven zu verpflichten, das einbehaltene Honorar an die Krankenkassen auszukehren, vermag die Kammer diesem Ergebnis nicht beizutreten. Zwar folgt sie im Grundsatz durchaus den Annahmen, die in § 95d SGB V normierte Honorarkürzung habe keinen Bezug zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung, die Qualität der konkreten vertragszahnärztlichen Leistung werde durch den fehlenden Fortbildungsnachweis nicht zwangsläufig berührt und die Honorarkürzung nach § 95d Abs. 3 SGB V stelle eine Disziplinarmaßnahme sui generis dar. Diese Gesichtspunkte sind indes nicht geeignet, für die Beklagte einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der den Vertragszahnärzten nicht ausgezahlten Honoraranteile zu schaffen.
Gemäß § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V ist die Gesamtvergütung das Ausgabenvolumen für die Gesamtheit der zu vergütenden vertragsärztlichen Leistungen; sie kann u.a. - wie hier - auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nach Einzelleistungen berechnet werden.
Der Wortlaut der Gesetzesbestimmung stellt auf die "zu vergütenden vertrags(zahn)ärztlichen Leistungen" ab. Denjenigen Vertragszahnärzten, die den Fortbildungsnachweis nicht oder nicht vollständig erbringen, sind jedoch deren vertragszahnärztliche Leistungen nicht in voller Höhe zu vergüten. Vielmehr ist die KZV nach § 95d Abs. 3 SGB V verpflichtet, das an diese (Zahn)Ärzte zu zahlende Honorar aus der Vergütung vertrags(zahn)ärztlicher Tätigkeit für die ersten vier Quartale, die auf den maßgeblichen Fünfjahreszeitraum folgen, um 10 v.H. zu kürzen, ab dem darauf folgenden Quartal um 25 v.H ... Ein Vertrags(zahn)arzt kann die für den Fünfjahreszeitraum festgelegte Fortbildung binnen zwei Jahren ganz oder teilweise nachholen; die nachgeholte Fortbildung wird auf den folgenden Fünfjahreszeitraum nicht angerechnet. Die Honorarkürzung endet nach Ablauf des Quartals, in dem der vollständige Fortbildungsnachweis erbracht wird.
Ordnet der Gesetzgeber damit zwingend an, dass der Vergütungsanspruch derjenigen Vertragszahnärzte, die ihrer Fortbildungspflicht nicht hinreichend genügen, von vornherein nur in entsprechend verminderter Höhe "konkretisiert" wird (BSG, Beschluss vom 13.05.2015 - B 6 KA 50/14 B -), dann verbleibt hinsichtlich der entsprechenden Kürzungsbeträge bei der Beklagten ein Überschuss in Bezug auf die von der Klägerin entrichtete Gesamtvergütung. Diesen Überschuss kann die Beklagte im Rahmen ihrer Honorarverteilungsbefugnis nicht an andere Vertragszahnärzte umverteilen. Denn für die streitbefangenen Jahre ab 2011 sind jedenfalls im Bereich der Ersatzkassen die nach § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V vereinbarten Obergrenzen nicht überschritten worden, sondern es sind alle vorläufigen Kontingentgrenzen aufgehoben und eine "lupenreine Einzelleistungsvergütung sichergestellt" worden (vgl. die Informationsdienste der Beklagten Nr. 3/2012 (für 2011), Nr. 2/2015 (für 2013), Nr. 4/2016 (für 2012, 2014, 2015), Nr. 3/2017 (für 2016)).
Dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch steht nicht entgegen, dass die Honorarkürzungen nach § 95d Abs. 3 SGB V als Disziplinarmaßnahme eigener Art qualifiziert werden mögen. Wenn eine KZV über ihren Disziplinarausschuss eine Geldbuße gegen einen Vertragszahnarzt verhängt, wird dieser Geldbetrag zwar nicht an die Krankenkassen weitergeleitet. Der entscheidende Unterschied zu den Honorarkürzungen nach § 95d Abs. 3 SGB V besteht aber darin, dass der Vertragszahnarzt die disziplinarische Geldbuße aus seinem ihm zuvor ungekürzt ausgezahlten Honorar zu bezahlen hat, während er bei Verletzung der Fortbildungspflicht von vornherein nur einen geminderten Honoraranspruch gegen die KZV hat. Das bedeutet für § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V, dass die Krankenkassen in Fällen disziplinarischer Geldbußen die vertragszahnärztlichen Leistungen voll zu vergüten haben, im Falle des § 95d Abs. 3 SGB V aber nur in reduziertem Umfang. Um diesen ist die KZV dann ohne Rechtsgrund bereichert.
Auch aus den gesamtvertraglichen Regelungen ergibt sich vorliegend kein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der streitigen Kürzungsbeträge. Zwar verbleiben gemäß § 7 Abs. 3 der Vergütungsvereinbarung 2011 - vergleichbare Regelungen enthalten auch die Vergütungsvereinbarungen für die nachfolgenden Jahre - Kürzungsbeträge aus Honorarberichtigungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei der KZV Nordrhein. Kürzungsbeträge nach § 95d Abs. 3 SGB V sind davon jedoch nicht umfasst. Das ergibt sich aus der Auslegung dieser Regelung.
Soweit es den Wortlaut dieser Vertragsbestimmung betrifft, bedarf es keiner näheren Abgrenzung zwischen den Begrifflichkeiten Honorarberichtigung und Honorarkürzung. Auch das BSG verwendet bei sachlich-rechnerischen Richtigstellungen mitunter den Terminus "Honorarkürzung" (z.B. Urteil vom 23.06.2010 - B 6 KA 7/09 R – (Rn. 44); vgl. auch Urteil vom 16.12.2015 - B 6 KA 26/15 R – (Rn. 27)). Zudem ist die Kammer nicht auf eine wortlautbezogene Auslegung beschränkt, wie sie namentlich bei vertrags(zahn)ärztlichen Vergütungsbestimmungen (EBM-Ä, BEMA) in erster Linie maßgeblich ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.11.2016 - B 6 KA 17/15 R -).
Aus der Entwicklungsgeschichte der gesamtvertraglichen Regelungen ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass die vorliegend streitbefangenen Kürzungsbeträge nach § 95d Abs. 3 SGB V nicht von dem Verbleib bei der Beklagten umfasst sind. Am 1./2. Februar 1999 fanden ausführliche Verhandlungen zwischen der VdAK/AEV-Landesvertretung NW und der Beklagten statt, welche die Bereinigung von Streitigkeiten in der Vergangenheit und die Vergütungsregelung 1999 in Umsetzung des GKV-SoIG zum Gegenstand hatten. Nach Ziffer 8. des entsprechenden Protokolls wurde zur Berücksichtigung von etwaigen Rechnungsminderungen aufgrund sachlich-rechnerischer Berichtigungen sowie aufgrund von Regressen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung und zur Basisbereinigung wegen der Gebühren-Nrn. 54b/c die Ausgangsbasis zur Bestimmung des Budgets für Sachleistungen des Jahres 1997 pauschal um 0,4 % der Abrechnungssumme gemindert. Im Gegenzug standen die entsprechenden Minderungsbeträge aus der Abrechnung des Jahres 1999 der KZV Nordrhein zu. Das heiße, dass Kürzungsbeträge aus sachlich-rechnerischen Berichtigungen sowie aufgrund von Wirtschaftlichkeitsprüfungen betreffend das Jahr 1999 bei der KZV Nordrhein verblieben.
Ziel dieser pauschalen Minderung war somit erkennbar lediglich die Ermittlung der Ausgangsbasis zur Bestimmung des Sachleistungsbudgets auf der neuen gesetzlichen Grundlage des GKV-SoIG. Die danach berechneten Volumina wurden für die folgenden Jahre als Basis zugrunde gelegt, was daran ersichtlich wird, dass die entsprechenden gesamtvertraglichen Regelungen auch in den folgenden Jahren immer einen Bezug auf das Jahr 1997 enthielten (§ 7 Abs. 1 der Vergütungsvereinbarung 2011). Soweit vorliegend entscheidungserheblich, fanden daher lediglich rechnerische Anpassungen für die Folgezeit ab 1999 statt. Eine strukturelle Änderung der Vergütungsvereinbarungen seit Einführung der Fortbildungsregelungen im Jahre 2004 hat sich textlich nicht in Form entsprechender Ergänzungen dieser Vereinbarungen niedergeschlagen und ist auch unstreitig zwischen den Beteiligten niemals verhandelt worden. Das schließt es aus, die Honorarkürzungen nach § 95d Abs. 3 SGB V im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB als solche Kürzungsbeträge aus Honorarberichtigungen anzusehen, die bei der Beklagten verbleiben sollen. Denn auf einen übereinstimmenden hypothetischen Parteiwillen kann insofern nicht geschlossen werden.
Besteht somit dem Grunde nach ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, so ist die Beklagte zur Erteilung der von der Klägerin verlangten Auskünfte verpflichtet. Diese erstrecken sich jedenfalls auf die Namen der betroffenen Vertragszahnärztinnen/-ärzte sowie auf die Höhe der seit dem 01.01.2011 erfolgten Honorarkürzungen nach § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V, soweit sie anteilig auf die Klägerin entfallen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved