S 8 AS 330/11

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 8 AS 330/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 365/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 50/17 BH
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Zusicherung für zwei Wohnungsangebote vom 03.09.2010 und 05.10.2010.

Der Kläger fragte mit E-Mail vom 03.09.2010 unter Beifügung des entsprechenden Angebots bei dem Beklagten an, ob die seitens des Klägers ausgewählte Wohnung am B-Straße zustimmungsfähig sei. Es handelte sich um eine 35 qm große Einzimmerwohnung in A-Stadt. Die Kaltmiete betrug 380,00 EUR und die Nebenkosten beliefen sich auf 100,00 EUR.

Der Beklagte teilte dem Kläger mit E-Mail vom gleichen Tag mit, dass eine Zustimmung nicht möglich sei, da die Grundmiete dieser Wohnung die Angemessenheitsgrenze erheblich übersteige.

Mit E-Mail vom 05.10.2010 und unter Beifügung des entsprechenden Angebots fragte der Kläger wiederum bei dem Beklagen an, ob dieses Angebot die Zustimmung des Beklagten findet. Es handelte sich um eine 55 qm große Zweizimmerwohnung, wobei sich die Grundmiete auf 350,00 EUR und die Nebenkosten auf 90,00 EUR beliefen.

Der Beklagte teilte dem Kläger mit E-Mail vom 06.09.2010 mit, dass auch diese Wohnung die Angemessenheitsgrenze erheblich übersteige und deshalb keine Zustimmung erteilt werden könne. Darüber hinaus übersandte der Beklagte dem Kläger eine Liste, die ihm bei der Wohnungssuche helfen könne.

Mit Schreiben vom 15.09.2010 erhob der Kläger gegen die Ablehnungen des Beklagten vom 03.09.2010 und 06.09.2010 sowie gegen die Dienstanweisung für die Bemessung von Wohnraum Widerspruch.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2011 zurück. Hinsichtlich der seitens des Klägers begehrten Zusicherungen zur Übernahme der Aufwendungen für die vorgelegten Mietangebote sei der Widerspruch unzulässig geworden, da der Wohnraum für den die Zusicherungen begehrt worden seien, nicht mehr zur Verfügung stehe. Ferner sei der Widerspruch gegen die Dienstanweisung für die Bemessung von Wohnraum unzulässig, da es sich hierbei nicht um einen Verwaltungsakt handele.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 17.10.2011 bei dem SG Marburg Klage erhoben.

Der Kläger zog am 01.12.2011 in die Wohnung unter der Anschrift: A-Straße in A-Stadt. Der Beklagte zahlt dem Kläger die tatsächlichen Kosten der Unterkunft.

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, dass mit dem angegriffenen Widerspruchsbescheid das Vorverfahren beendet sei. Er sei jedoch weder vor Erlass der Bescheide noch vor Erlass des Widerspruchsbescheids angehört worden.

Er beantragt,
dass die Entscheidungen des Beklagten vom 03.09.2010 und 06.09.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.09.2011, zugegangen am 17.09.2011, aufgehoben werden und der Beklagte zugunsten des Klägers verpflichtet wird, die notwendigen Sozialleistungen zu erbringen,
festzustellen, dass die von dem Beklagten in Bezug genommene Richtlinie Anlage – nicht geeignet ist, die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft in A Stadt gegenwärtig zu bestimmen.

Der Beklage beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er nimmt im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 14.09.2011 Bezug. Ergänzend trägt der Beklagte vor, dass es sich bei der Dienstanweisung um ein Merkblatt zur Angemessenheit von Unterkunftskosten handele, dass an die Antragsteller ausgehändigt werde. Die Bezeichnung als Dienstanweisung sei erfolgt, da der Kläger das Merkblatt in seinem Widerspruch so bezeichnet habe.

Das Gericht hat die Beteiligten am 20.01.2016 unter Bezugnahme auf seinen Hinweis vom 22.12.2015 zu seiner Absicht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden angehört.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung waren.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zuvor durch das Gericht angehört.

Der Antrag, den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 03.09.2010 und 06.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.09.2011 zu verpflichten, ihm die notwendigen Sozialleistungen zu erbringen, ist nach § 123 SGG dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihm die Zusicherung für die Übernahme der Unterkunftskosten für die an den Beklagten übersandten Wohnungsangebote vom 03.09.2010 und 05.10.2010 zu erteilen.

Die Klage mit diesem Antrag ist bereits unzulässig. Der Kläger verfolgt sein Begehren, nämlich die Erteilung einer Zusicherung mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 06. April 2011 – B 4 AS 5/10 R –, Rn. 13, juris). Bei der Zusicherung im Sinn des § 22 Abs. 4 SGB II handelt es sich um einen Verwaltungsakt nach §§ 34 und 31 SGB X. Gegenstand der Zusicherung ist die Übernahme der Unterkunftskosten für eine konkrete Unterkunft in konkreter Höhe. Es besteht daher kein Anspruch auf eine pauschale Zusicherung für den Umzug in irgendeine Unterkunft mit angemessenen Kosten (Piepenstock, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 22 Rn. 182). Entscheidungserheblicher Zeitpunkt in einer Verpflichtungskonstellation ist die mündliche Verhandlung oder der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Da es sich um zwei Wohnungsangebote vom Oktober 2010 handelt, ist davon auszugehen, dass diese Wohnungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung stehen. Somit kann das Gericht den Beklagten auch nicht mehr zu Erteilung einer Zusicherung für eine dieser Wohnungen verpflichten, selbst wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen würden. Darüber hinaus ist der Kläger zum 01.12.2011 in seine derzeitige Wohnung eingezogen. Vor diesem Hintergrund ist Erledigung eingetreten. Die Kammer hatte dem Kläger im Rahmen ihres rechtlichen Hinweises vom 22.12.2015 mitgeteilt, dass sie davon ausgeht, dass die Wohnungen gegenwärtig nicht mehr auf dem Mietmarkt zur Verfügung stehen. Da der Kläger nichts Gegenteiliges vorgetragen hat, bestand für die Kammer auch keine Veranlassung an dieser Annahme zu zweifeln. Ferner erfolgte trotz des gerichtlichen Hinweises vom 22.12.2015 keine Umstellung des Antrags auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage.

Der Feststellungsantrag des Klägers ist ebenfalls unzulässig.

Allgemein ist die Feststellungsklage unzulässig, wenn durch eine andere Klageart dasselbe oder meist sogar mehr erreicht werden könnte. Ist eine solche an sich statthafte vorrangige Klage aus prozessrechtlichen Gründen nicht erfolgversprechend, dann ist auch die Feststellungsklage unzulässig. Kein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wo eine sachliche Prüfung des Begehrens bereits im Anfechtungs- und Leistungsverfahren erreicht wird (Dr. Tilman Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, § 55, Rn. 14). So liegt der Fall hier. Mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage könnte der Kläger mehr als mit der Feststellungklage erreichen, da er mit der ersteren eine Zusicherung erhalten hätte. Darüber hinaus wäre die Frage der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft für die beiden Wohnungsangebote im Rahmen der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage überprüft worden und in diesem Zusammenhang auch die Frage, welche Kriterien der Beklagte zu deren Bestimmung heranzieht. Wie bereits zuvor ausgeführt, ist diese Klage jedoch unzulässig.

Es fehlt auch am Feststellungsinteresse des Klägers sowie am tauglichen Streitgegenstand. Nach § 55 Abs. 1 SGG muss der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung haben. Ausreichend ist daher jedes nach der Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein kann. Das Rechtsverhältnis muss hinreichend konkret sein, da die Klärung abstrakter Rechtsfragen nicht zulässig ist (Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 6. Auflage, Rn. 107 f.). Der Beklagte zahlt dem Kläger die tatsächlichen Kosten der Unterkunft für seine Wohnung in der A-Straße in A-Stadt, in die der Kläger am 01.12.2011 umgezogen ist. Demzufolge besteht zum jetzigen Zeitpunkt kein berechtigtes Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung, dass die damaligen Richtlinien des Beklagten zur Ermittlung der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nicht geeignet seien, die Angemessenheit zu bestimmen. Es geht dem Kläger nur noch um die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage ohne aktuelle Relevanz.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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